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Unbekanntes Klappdeckelradio, vermutlich Frankreich
#1
Hallo zusammen,

auf Grund besonderer Anfrage hier mal ein Bericht in mehreren Teilen zur Wiedergeburt eines besonderen Radios.....

Vor längerer Zeit erstand ich in Kerpen ein Truhenradio, große Kiste - must have !!
Der Preis war nicht gerade "must have" aber da ging nichts mehr. Zu Hause angekommen
natürlich gleich aufgemacht und genauer angesehen. Schnell war klar, das Gerät wurde
gebaut, verwendet und später teilweise geschlachtet. Die Verdrahtung bestand aus 4-
Kantdraht der mittlerweile sehr spröde geworden ist. Weitere Verwendung ausgeschlossen !
Je genauer ich hinsah, desto länger wurde die Liste der Teile, welche zu ersetzen waren.
Die größte Überraschung waren der Abstand der Steckhülsen für die erste Röhre. Sie passten
nicht zu den üblichen Röhren der bekannten RE- Serie. Auf diesem Platz musste eine Bi-
Grille, eine Doppelgitterröhre eingesetzt werden. Davon gibt es nicht viele, also eine
A441N ! Am vorletzten Platz fehlten diese Steckhülsen.Die Spulenkörper für den Antennen-
und den Oszillatorkreis fehlten. Ein handgewickeltes ZF-Filter vorhanden... 2 Weitere fehlen.
Eine unbekannte Drossel und ein unbekannter HF-Übertrager- raus damit. NF-Trafo defekt.
Auf den 4 vorhandenen Röhren war keine Bezeichnung zu erkennen, bis auf eine unbekannte
Röhre war der Rest defekt.

Was bleibt übrig?
2 Drehkondensatoren, der Wellenschalter, 2 Blockkondensatoren (neu befüllen),Steckhülsen
für 4 Röhren,ein paar runde Glimmerkondensatoren, der Umschalter für Lautsprecher/ Kopf-
hörerbertieb, der Rheostat für die A441N, Haltewinkel für die Schwingkreise und der Halte-
bügel für die Gitterbatterie.Natürlich auch die Truhe, welche erstaunlich gut erhalten ist.

Was brauche ich noch?
2 Spulenkörper für Oszillator- und Antennenkreis
3 ZF-Filter aus Pertinax, Mehrkammerbauweise 200/400Wdg
4 Steckhülsen für eine A409
1x A441N
2x A409
1x A410
1x B406 oder B443
1 NF-Übertrager
4x Feinstellkondensatoren zum Abgleich der ZF-Filter
5x Festkondensator, 4x ZF-Kreis ausgemessen, 1x Gitteranschluß A410
1x Festwiderstand, Gitterwiderstand A410
2x 2uF zum Befüllen der Blockkondensatoren
1x 1Meg Poti für die Arbeitspunkteinstellung der A410

Jede Menge Rändelmuttern, HF-Litze, etliche Meter 4-Kantdraht, Lötzinn,Lötzinn,Pertinax,
Schrauben und Muttern.
Dazu eine Anschlußleiste für die Batteriezuleitung und die Stromversorgung selbst.

Nach dem Entkernen wurde darüber gegrübelt, wie die fehlenden Teile zu beschaffen sind,
das hat am längsten gedauert !

Ich teile die Geschichte in mehrere Teile auf, sonst wird das zu lang .
Hier zuerst Bilder vom jetzigen Zustand:

   

Das Innenleben ohne Rückwand:

   

Der aktuelle Schaltplan,

   

Zur Zeit habe ich nur den Bereich PO, petite Ondes, also Mittelwelle "eingebaut", Für Langwelle ist aber
der Platz auf den Spulenkörpern reserviert. Man kann den Deckel natürlich hochklappen, das Bild dazu
kommt an passender Stelle !

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#2
Hallo zusammen,

hier der Teil der vorbereitenden Arbeiten zur Herstellung der Verdrahtung:

Verdrahtung:
Von vornherein war klar, die Verdrahtung wird mit 4-Kantdraht gemacht.
Den kann man nicht von der Stange kaufen. Die einzige Bezugsquelle für so einen
Draht liefert nur sehr dünnen Draht, fällt also aus. Bleibt nur selber anfertigen,
aber wie?
Am Ende wurde daraus eine Rollen/Walzenkonstruktion mit einer V-Nut auf beiden
Rollen, damit der Draht nicht einklemmt. Später wurde dann noch eine Verstell-
möglichkeit geschaffen um den Abstand der Rollen variieren zu können. Die ersten
Versuche waren gut, aber die Reihenfolge stimmte nicht. Wenn man zuerst walzt und
den Draht dann verzinnt, ist dieser glänzend. Also zuerst verzinnen und dann walzen,
jetzt sieht der Draht schön matt und alt aus. Durch das Walzen wird der Draht fester.


.jpg   P1010877 kl.jpg (Größe: 159,55 KB / Downloads: 370)


.jpg   P1010882 kl.jpg (Größe: 123,96 KB / Downloads: 376)


.jpg   P1010885 kl.jpg (Größe: 101,8 KB / Downloads: 372)

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#3
Hallo zusammen,

Kondensatoren und Widerstände

Die alten Bauteile haben entweder ein Gehäuse zum Stecken (in entsprechende Halterungen)
oder 3mm Gewindebohrungen an den Endkappen.Ich brauche die mit den Gewindebohrungen,
da die Bauteile direkt in die Verdrahtung integriert werden.
Die alten, originalen Widerstände sehen hübsch aus, sind aber nicht mehr brauchbar.
Handelt es sich hier um Silit-Widerstände taugen sie nur noch zum Ansehen.
Zu groß ist die Gefahr, das es hinterher rauscht, kracht und zischt ! Dummerweise
findet man diese dünnen Stäbchen auch in den größeren Ausführungen. Dort hat man die
dünnen Silit-Widestände mit einer Druckfeder in neue, dickere Keramikhüllen verbaut.
Die schlechten Eigenschaften sind mit dem Ohmmeter selten herauszufinden.

Fazit: selber basteln!
Man nehme dünne Plastikröhrchen zu 1 Meter aus dem Baumarkt, Durchmesser 8mm. Auf der Drehbank
länge man sie passend ab und fertige neue Endkappen zum Einpressen an. Die Endkappen aus Messing
verzinnt man abschließend und reibe sie nach dem Verlöten sofort it einem Tuch ab. Die Ober-
fläche wird dann schön stumpf-grau, wie bei den alten Teilen ! Das Bauteil kommt dann in das
Röhrchen, die Anschlußdrähte schauen auf beiden Seiten heraus und dann presse man die Endkappen
auf. Überstehende Drähte entfernen ....fertig ! Jetzt nur noch beschriften.

Hier ein Bild mit einer selbst gebauten Bauteilhülle, es lassen sich Widerstände oder Kondensatoren einbringen:

   

Die Endkappen sind auf diesem Bild noch nicht verzinnt.....

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#4
Hallo zusammen,

Nächstes Problem: ZF Filter.
Welche Abmessungen, welche Frequenz?

Wenn ich mich an alten Schaltungen orientiere, dann arbeiten
die Filter mit einer Resonanzfrequenz zwischen 50 und 75 kHz.
Fertige Filter sind nur ab und zu erhältlich. Erschwehrend kommt
hinzu, das ich 3 annäherd gleiche Filter brauche, also selber
basteln. Material: Pertinax, Form: rund.
Die Runde Form bekommen die Pertinaxscheiben auf der Drehbank.
Sauarbeit, heftiger Gestank, danach muß man unter die Dusche,
alles stinkt ! Selbst der Staubsauger ist auf ewig kontaminiert.
Der Zusammenbau: zuerst geklebt, hält aber nicht ausreichend.
Also mit einer 3mm Messinggewindestange verschraubt, dann kann
man mit einem entsprechendem Überstand das Filter gleich auf der
Grundplatte verschrauben. Die Schrauben für die Anschlüsse sind
von der Rückseite der Deckplatte aus eingeschraubt.

Wie viele Windungen ?
Keine Ahnung, also ausprobieren und messen.Fest stand, das der
Kreiskondensator möglichst klein sein sollte damit die Stufen-
verstärkung so hoch wie möglich ausfällt. Also auf Verdacht 2x200
Windungen in die beiden unteren Kammern gewickelt und ausgemessen.
Passt ! Die Primärwicklung habe ich mit 2x100 Windungen bemessen
um hier ein Übersetzungsverhältnis von 1:2 zu bekommen.

Kreiskondensator/ Abstimmen
Ich habe aus Frankreich alte Vernierkondensatoren bekommen.
Die haben eine maximale Kapazität von 50pF, wenn man sie ganz anzieht.
Also diese ganz ausgedreht und einen Drehko parallel zur Wicklung ge-
schaltet. Mit einem Frequenzgenerator und einem Oszilloskop auf Re-
sonanz abgestimmt und den drehko anschließend ausgemessen. Den er-
mittelten Wert mit ca. 20pF weniger in die Hülle des Kondensators
eingesetzt und so Stufe für Stufe ausgemessen und eingestellt.


Einer der Vernierkondensatoren, man kann die runde Glimmerscheibe erkennen.
   

Das erste Filter, hinter der A441, ich habe die 3 Filter mit buntem Garn abgewickelt, so kann man sie während der Bauphase nicht verwechseln.

   

Eine alte Drossel :
   

Zwei alte, originale ZF-Filter:
   

   

Die Kondensatoren darin könnten am Ende sein (Feuchtigkeit ... ?)

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#5
Hallo zusammen,

zwischendurch 2 Bilder "von unten" aus der Bauphase, schon recht weit fortgeschritten:

   

   

Hier ein paar Bauteile , links oben ein originaler Widerstand von Loewe:
   

Der Wellenschalter:
   

Eine der beiden, von den Abmaßen identischen Spulen (Antenne/ Oszillator)
   



Gruß,
RE 084

Für die letzten beiden Teile muß ich jetzt in die Vorbereitungsecke gehen, stand by ! Smiley47
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#6
Das sieht unglaublich gut, aber auch genauso aufwendig aus, was Du da bastelst! Du machst hier gerade Scotty Konkurrenz!
Ich lese begeistert mit, hab allerdings so gar nichts gescheites beizutragen. Aber das scheinst Du ja auch nicht zu brauchen ...
Gruß,
Uli
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#7
Vierkantdraht gibt es beim Schweißerzubehör als Kupfer Lot .
Gruß Detlef
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#8
Hallo Detlef,

massiv oder mit Borax gefüllt?
Welche Maße ? Ich habe hier 1*1 mm Kantenlänge und Längen
von ca. 2,5m pro Stück, danach wird es beim Walzen unhandlich.


Gruß,
RE 084

Nachtrag: ich habe gerade mal geschaut, das Kupferlot hat 2x2mm, leider zu dick !
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#9
Hallo Uli,

danke für die Blumen.
Dieses Projekt hat mehr als 2 Jahre gedauert und ist noch nicht 100%ig
abgeschlossen. Ich suche noch ein Poti mit mindestens 400 Ohm für die
Einstellung der Gittervorspannung der A410, es muß zwischen die letzte A409
und die A410 passen und von oben zugänglich sein. In der Platte kann ich
es nicht befestigen, da ist unterhalb alles voll, also ein Aufbauteil mit 3 Terminals
zum Verdrahten.

Ich hatte verschiedentlich großes Glück, die Röhren waren zur rechten Zeit
bei Ebay erhältlich, die Vernierkondensatoren auch. Das Meiste habe ich aus
Frankreich. Für die Rändelmuttern kann ich eine Drehbank im Dienst benutzen.
Ohne die würde ich mich nicht an so alte Kisten wagen, die gehören zwingend dazu !

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#10
Hallo zusammen,

auch wenn es jetzt nicht in der richtigen Reihenfolge ist, ich schmeisse hier mal die Bilder vom Ausgangszustand unkommentiert ´rein:


   

   

   

   

   

03/1000 = 300pF
   

   

   

   

Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#11
Hans ich finde deine Bastelarbeit phantastisch!
Schon die Idee mit dem Draht walzen. Aber auch das Abwickeln mit buntem Garn ist nicht nur zum nicht verwechseln gut, sondern sieht obendrein auch hübsch aus. Smiley32

Man lernt nie aus!  Smiley47 

Freundliche Grüße von Heiner.
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#12
Hallo Hans,
ich kann mich Heiner´s Beitrag nur anschließen. Vor Jahren, als ich noch besser sehen konnte, habe ich zwei frühe schwedische Radiola Geradeaus Empfänger restauriert und kann deshalb Deine Leistung wirklich bewundern.
Gruß Franz
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#13
Hallo zusammen,

hier den abschließenden Beitrag....

Steckhülsen für die Röhren:

6mm Rundmessing, Bohrung 3,1 oder 3,2mm.
Gewindestutzen 3mm passend zur Grundplatte.
Nach der Anfertigung verzinnen und abwischen.... fertig!
Zeitintensiv !!!  Links : Fälschung, rechts: Original


   

3mm Schrauben mit Rundkopf:
So gut wie nicht mehr erhältlich !
Ausweg: vorhandene Holzschrauben 3x50mm verwenden.
Auf dem glatten Teil mit einem Gewindeschneider das 3mm Gewinde aufbringen,
Rest abschneiden..... fertig!

Gitterbatterie:
aus 3mm Pertinax und Sekundenleber ein passendes Gehäuse basteln
und abschließend mit einem schönen Label bekleben. Die Anschluß-
terminals mit 3mm Rändelschrauben realisieren. In der Box sind, passend,
Halterungen für Batterien Typ AAA.
   

   


Zuleitung:
Standardlitze mit Gewebeschlauch überziehen und flechten.

   

Rädelmuttern:
aus verschieden dickem Messing Rundmaterial passend zum Verwendungszweck
selbst anfertigen. Zeitintensiv !!!
Hier eine von den Kleinsten als Beispiel:

   


Zwischendurch immer wieder ins Internet schauen und nach den Röhren suchen ..........

Bis auf den "Regler" für die Gittervorspannung der A410 ist ja jetzt Alles drauf.
Den "Regler" werde ich dieses Jahr noch fertig stellen und dann kommt das Bild noch hier an!

Gruß,
RE 084

Nachtrag: bevor jemand nach den Kosten fragt: 150 für den Kasten und ca. 150 für die Röhren, dazu die Kosten für das Messingmaterial, Lötzinn,Schrauben, Pertinax......
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#14
Sensationell... In mir wächst gerade der Wunsch, dich mal zu besuchen Smile
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#15
Hallo Hans,

ich lese hier mich wachsender Begeisterung mit!

Thumbs_up Thumbs_up Thumbs_up Thumbs_up 

Wohl dem, der eine Drehmaschine zur Verfügung hat!
Den Zeitaufwand darf man dann aber besser nicht verraten.


Grüße

Martin
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#16
Hallo Hans,
da kann ich mich nur allen anschließen,
da hast Du eine phantastische Arbeit hingelegt,
bin auch sehr gespannt, wie es weitergeht.
Die Doppelgitterröhre A441N wird sehr schwer zu beschaffen sein,
hier gibt es eine Ersatz-Anregung:
https://www.radiomuseum.org/forum/ersatz...ehren.html
Viele Grüße,
Rolf
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#17
Hallo Rolf,

davon habe ich 2 Stück,
eine mit 5 Pinnen und eine mit 4+ Seitenschraube.
Die Ersatzversion (2SH27L) ist aber tatsächlich ein sehr guter Ersatz und sogar etwas empfindlicher!
Ich habe hier eine geschlachtete Röhre mit einem passenden Unterteil liegen. Daraus wird
dann mal so eine "Ersatzröhre" entstehen.
Wolfgang Holtmann konnte ich persönlich kennen lernen, er hat mir auch anfangs das Rätsel
um die größeren Stiftabstände gelöst. Er hat schwehr was auf dem Kasten, besonders wenn
es um die ganz alte Technik geht. Von ihm habe ich viel gelernt !
Ich habe heute eine Tour durch den Keller gemacht und ein altes Poti ausgegraben das hier
passen könnte. Dabei sind mir noch viele andere, schöne Teile in die Hände gefallen.


Gruß,
RE 084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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