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Revox A77 MK4 - Viertelspur (2Spur)
#1
Hallo,
vor einigen Jahren konnte ich eine Revox A77 vor dem verschrotten retten. Sie stand irgendwo in dem Keller einer meiner Nachbarn herum, der aber kurz vorher ausgezogen war und einige Sachen in seinem Keller gelassen hatte. Da ich mich mit dem Hausbesitzer ganz gut verstehe, habe ich ihm beim entrümpeln dieses Kellers geholfen, Gott sei dank.
Eine Untersuchung der Maschine ergab, das ein Kondensator hochgegangen war, und deshalb ein Wickelteller sich nicht mehr drehte.
Der Kondensator war schnell gewechselt, und so lief die A77 erstmal. Nach einer gründlichen Reinigung konnte ich die Revox ersmal richtig testen. Dabei stellte sich heraus, dass in den Aufnahmeverstärkern je zwei Trimmpotis vergammelt waren und einer davon sogar defekt war.

   

Auf dem Bild kann man diese Potis erkennen, es handelt sich um die hellbraunen Trimmer.
Hier ist dann auch das größte Problem, was alle A77 und auch alle B77 haben, die Trimmpotis vergammeln so stark, dass die Schleifer der Trimmer abbrechen. Dann fällt meist ein Kanal für die Aufnahme oder Wiedergabe aus. Bei meiner A77 wurden aber andere Trimmer verbaut, oder nachträglich gewechselt, bis auf die vier helbraunen. Bei denen kann man auch erkennen, dass die Kontakte schwarz geworden sind und brüchig werden.
Das wechseln der Trimmer ist ja kein großes Problem, nur muss danach die Maschine komplett neu eingemessen werden. Das Einmessen ist, wenn man es nach der Anleitung durchführt, ohne entsprechende Messgeräte (Röhrenvoltmeter, Klirrfaktormessbrücke und Tongenerator, der in der Lage ist eine Ausgangsspannung im zweistelligen Millivoltbereich zu erzeugen) nicht zu machen. Zu dem benötigt man eigentlich noch ein Messtonband mit entsprechenden Bezugspegel und diverser Testtöne. Diese Bänder sind allerdings recht teuer.

Ich hatte damals also deshalb die Trimmer nicht gewechselt, bis auf die vier helbraunen. Die neuen Trimmer habe ich einfach auf den Wert der alten eingestellt. Da diese für die Equalization zuständig sind, fällt eine leichte Fehlstellung nicht so auf.

Richtig zufrieden war ich aber mit der Maschine nicht. Das Manko war ein übersprechen der rückläufigen Spuren. Man konnte dumpf die Rückseite der Bänder hören. Dieser Effekt tritt aber scheinbar bei allen Viertelspur Revox Geräten, A77, B77 und A700 mehr oder weniger stark auf. Revox hatte mit der Viertelspur wohl so seine Probleme, das konnte ich im Netz zumindest überall lesen.
Voriges Jahr im September hatte sich ein Bekannter von mir drei A77 gekauft und mich gebeten da mal drüber zu schauen, da es zwei nicht taten. Zwei von den drei Maschinen mussten aber neue Trimmer bekommen und so mussten sie neu eingemessen werden.

Neue Messgeräte wollte ich mir nicht anschaffen und so musste ich durch ausprobieren versuchen einen Weg zu finden, die Maschinen möglist gut einzumessen.

Folgende Vorgehensweise hat sich dabei herauskristallisiert:
Was man zwingend dazu benötigt ist ein Messtonband mit einem Bezugspegel in Vollspur aufgenommen, die gibts von Pievox für ca. 35€. Nun gibt es aber unterschiedliche Bezugspegel. Das bedeutet, dass die 0 dB (775mV) mit 250, 320 und 514 nW/m (nano Weber pro Meter) eingestellt werden. Bei der Einheit Weber handelt es sich um den magnetischen Fluss.

Die modernen Bänder lassen sich teils bis über 1000 nW/m magnetisieren, leider schaffen das die Verstärker der A77 nicht, die A700 soll wohl 514 nW/m schaffen, was dem Studiostandart entspricht. Einige behaupten die A77 muss mit 250 nW/m eingemessen werden, damit Studiobänder, die etwas lauter aufenommen werden auch auf der A77 abspielbar sind. Ich habe mich dann aber dazu entschlossen die Maschinen auf 320 einzustellen, also habe ich mir ein Messtonband mit 320 nW/m Pegelton bestellt. Mit welchen Pegel die A77 werkseitig eingemessen wird geht leider aus dem Service Manual nicht hervor.

Als erstes muss der Wiedergabepegel eingestellt werden. In der Anleitung steht, das man den Ausgangsregler, der den LineOut und den Kopfhörerausgang gleichermaßen regelt, maximal aufdrehen muss und dann den Pegel mit dem Messband auf 2V RMS am LineOut durch drehen an den Trimmern der Wiedergabeverstärker einstellt.
Beide Kanäle müssen exakt gleich sein. Zum messen habe ich ein Oszilloskop verwendet, wenn es ein digitales ist, wird es den Wert anzeigen können, mit dem analog Oszi muss ich die Amplitude ausrechnen.

Nach dem Einstellen der Wiedergabepegel, brauche ich das Messtonband nicht mehr. Nun benötige ich das Tonband, mit dem ich zukünftig aufnehmen möchte, denn die Einstellungen sind abhängig von der Bandsorte. Ich empfehle RMG SM900 oder 911 (SM steht für Studio Master) die Bänder gibts bei Thomann, Darklabs usw.) Nun schließt man einen Tongenerator mit 1kHz an den Aux Anschluß (LineIn) an und stellt die Ausgangsspannung des Generators, bei mittlerer Stellung beider Aufnahmeregler, so ein, dass die Ausgangspannung beider Kanäle am LineOut auf 2V RMS steht. Dabei muss der Wiedergabewahlschalter auf Input stehen. Dann stellt man die Trimmer der VU-Meter so ein, dass die Anzeigen auf 0dB stehen.
Nun legt man das neue Band auf und schaltet zuerst mit 19 cm/s auf Aufnahme. Der Wiedergabewahlschalter muss auf NAB geschaltet werden. Man nimmt also den 1kHz Ton auf und mißt hinterm Band den LineOut. Mit den Trimmern stellt man nun an den Aufnahmeverstärkern die 2V RMS am LineOut ein. Durch hin und her schalten des Wiedergabeschalters, muss man kontrollieren, ob der Pegel vor und hinterm Band gleich ist. Der eigentliche Aufnahmepegel ist nun eingestellt, zur Sicherheit kann man diese Einstellung noch einmal kontrollieren. Als Tongenerator habe ich mein Andriod-Smartphone benutzt, dass funktionierte bei mir einwandfrei.

Nun kommt der etwas knifflige Teil, das einstellen der HF-Vormagnetisierung. Das einstellen der Frequenz des Oszillators habe ich mir gespart, da die Spule sich in der Regel nicht vertstellt. Man kann es ja kontrollieren.
Zuvor muss aber noch die Equalization der Aufnahmeverstärker eingestellt werden. Hierzu schaltet man den Tongenerator auf ca 13 kHz (bei mir waren es 12,5 kHz) nun stellt man die Trimmer für die Equalization für 19 cm/s so ein, dass die VU-Meter 0 dB anzeigen. Das funktioniert deshalb, weil das Signal für die Anzeigen nach der Equalization auf der Aufnahmeplatine abgegriffen wird. Eigentlich wuss die Equalization anders eingestellt werden, aber so funktioniert es recht gut. Es ist sicher nicht optimal, aber für mich hört es sich sehr gut an.

Nun wird wieder hinterm Band gemessen, aber diesmal mit einem 10 kHz Ton. Die VU-Meter sollten unverändert bei 0 dB stehen, minimale veränderungen können vernachlässigt werden. Die Trimmer für die Vormagnetisierung bei 19 cm/s  müssen nun so eingestellt werden, das der LineOut 2V RMS zeigt und kein Unterschied zwischen vor und hinterm Band besteht.
Die Einstellungen für die Equalization und Vormagnetisierung müssen bei der Geschwindigkeit 9,5 cm/s wiederholt werden.

Zum Schluß muss noch die Bias trap an den Wiedergabe- und Aufnahmevertärkern eingestellt werden. Die Bias trap blockt die HF von den Verstärkern ab.  Hierbei kann man nach der Anleitung vorgehen.
Für die Einstellung der VU-Meter auf 0 dB benötigt man eigentlich ein Klirrfaktormessgerät, was ich nicht besitze. Auch einige andere Einstellungen wie z.B. die Equalization werden laut Manual anders durchgeführt.



Die Dritte A77 war optisch in einem sehr schlechten Zustand, hatte aber 2 Spur Köpfe. Nun konnte ich meinen Bekannten dazu überreden mir diese 2 Spur Köpfe gegen meine Viertelspurköpfe zu tauschen, was zur Folge hatte, dass ich noch zwei Maschinen neu einmessen konnte. Auch der Oszillator muss getauscht werden, da er für 2 Spur mehr Leistung benötigt. 
Vor der Einmesserei der insgesammt vier A77 habe ich aber neben der Trimmer auch alle Transitoren und Elkos gewechselt in den Verstärkern gewechselt. Die teilweise verbauten BC108, 109, 178 und 179 sind nicht gerade als rauscharmzu bezeichnen, zu mindest nicht unter heutigen Gesichtspunkten. Hier habe ich BC550 und 560 verbaut. Der Unterschied ist hörbar.

Eine der Maschinen war eine High Speed Version mit 19 und 38 cm/s, diese hat bei 38 einen hervorragenden Rauschabstand.

Noch ein Wort zu den verschiedenen Bandsorten, verwendet man eine andere als die eingemessene, so kann der Klang heller oder dumpfer werden. Wirklich korrekt gibt die Maschine nur die eingemessene Bandsorte wieder. Man sollte also genau überlegen, mit welcher Bandsorte man einmisst. Bei der HS Version würde ich aber eine dickere Sorte wählen (SM900 oder 911).

Hier noch einige Bilder meiner Maschine.

   

   

   

   

   
Gruß Stephan

Ein Wunder ist das elektrisch Licht, manchmal geht es manchmal nicht! Big Grin
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#2
Hallo Stephan,
das hast du echt klasse erklärt! RMG ist auch meine Bevorzugte Wahl vom Bandmaterial weil ehemaliger BASF Standard und da sind die meisten "Maschinen" mit ein gemessen. Produzieren die noch?
Material gibt es ja zum Glück noch:
https://www.thomann.de/at/rmg_bandmateri...ehoer.html

Meine bevorzugte Spurbandelmaschine ist die mit 2 Spuren.
Wenn alles so einfach wäre, wäre es ziemlich langweilig.



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#3
Gery, die neuen Bänder kommen von Mulan ehemals Pyral aus Frankreich

http://tonbandgeschichte.studerundrevox....kunft.html
M.f.G.
harry


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Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
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#4
Hallo Harry,
danke für die beruhigende Info. Somit werden wir noch hoffentlich lange mit Bandmaterial versorgt Smile
https://actu.fr/normandie/avranches_5002...31749.html
Wenn alles so einfach wäre, wäre es ziemlich langweilig.



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#5
Hallo Stephan,

ach das ist ein herrliches Gerät. Ich liebe diese Tonbandgeräte. Gerade diese aufwändigen, senkrecht stehenden mit den großen Spulen. Ich durfte letztes Jahr bei unserem Harry ein sehr schön überholtes Tonbandgerät in Funktion erleben. Da konnte ich mich kaum satt hören und auch sehen.

Leider kann ich so etwas nicht warten bzw. reparieren. Smiley19
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#6
Schönes Gerät, Stephan!

Aber warum wurden da nur diese billigen Trimmer eingebaut?

Ich mochte diese hohen Geräte auch sehr gerne, mein letztes war ein AKAI GX210D.
Viele Grüße aus Loccum, Wolfgang

Wer niemals fragt, bekommt nicht einmal ein Nein zur Antwort.

In Memorandum 2018
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#7
Das mit den Trimmern verstehe ich auch nicht. Die Kiste war früher sauteuer, da wären auch noch bessere Trimmer im Budget gewesen. Es ist aber erstaunlich welche Klangqualität aus solch einem alten Ding heraus kommt. Die A77 ist schon sehr schön, aber noch schöner ist eine Revox G36.
Gruß Stephan

Ein Wunder ist das elektrisch Licht, manchmal geht es manchmal nicht! Big Grin
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#8
RMG wurde umbenannt in RTM (Recording the Masters), ist aber der gleiche Hersteller.
Gruß Stephan

Ein Wunder ist das elektrisch Licht, manchmal geht es manchmal nicht! Big Grin
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