01.10.2017, 17:25
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.10.2017, 17:29 von BusUndervolt.)
Hier soll ein Verstärker in Röhrentechnik vorgestellt werden, der als Ersatz für die typischen externen aktiven PC-Lautsprecher dient, die von diversen Geräten (PC, mp3-Player, Smartphone, etc...) mit Line-Pegel oder Kopfhörer-Pegel versorgt werden. Die Anregung für das Projekt stammt aus dem Thread "Röhrenverstärker für IPod mit PCL81".
Eine kleine Anmerkung vorweg: Es gibt ja prinzipiell zwei Methoden um an eine eine Schaltung dafür zu kommen. Man könnte sich entweder im WWW auf die Suche danach machen, dabei stehen die Chancen aber nicht schlecht bei einer mehr oder weniger abenteuerlichen Schaltung zu landen (Schaltplanauszüge von alten Rundfunkempfängern, Plattenspielern, etc.. mal ausgenommen). Oder, man könnte sich einfach selber Gedanken zu dem Thema machen. Wir wollen hier mal den letzteren Weg gehen... (Der ungeduldige Leser möge diese Betrachtungen quer lesen.)
Wir beginnen sinnvollerweise mit der Festlegung der Randbedingungen für den Verstärker:
Spannungsversorgung und Ausgangsleistung
Wir wählen eine Versorgungsspannung von 150V. Diese ist mit Hilfe von Standard Trenntrafos mit 1x230V primär und 2x115V sekundär
einfach zu erzeugen. Die beiden 115V Wicklungen können parallel geschaltet und an einen Brückengleichrichter angeschlossen werden. Es kann aber auch mit den beiden separaten 115V Wicklungen ein Zweiweg-Gleichrichter mit zwei Dioden oder, falls eine vollständig "halbleiterfreie" Version gewünscht ist, mit z.B. einer EZ80 Gleichrichterröhre aufgebaut werden. Die Ausgangsspannung im Leerlauf nach Gleichrichtung und Glättung ist 115V*sqrt(2)=163V. Je nach Dimensionierung des Trenntrafos liegt die AC Leerlaufspannung auf der Sekundärseite typischerweise höher und die DC Leerlaufspannung nach Gleichrichtung liegt ebenfalls entsprechend höher. Dies liefert die notwendige Spannungsreserve für die Glättung mittels RC oder LC Gliedern.
Um aus einem Line-Pegel Eingangssignal eine Ausgangsleistung von 0.2W oder mehr zu erzeugen ist ein zweistufiger Verstärker mit Vorstufe und Ausgangsstufe notwendig und man wird die bewährte Kombination aus Triodenvorstufe und Pentodenausgangsstufe verwenden. Es bietet sich dann natürlich die Verwendung einer ECL oder PCL Verbundröhre an.
Durch die Betriebsspannung von 150V sind unsere Anforderungen an den Anodengleichstrom der Pentode am Arbeitspunkt natürlich geringer als bei deutlich niedrigeren Spannungen. Selbst bei einem Anodenstrom von 7mA erreichen wir bei einer nominal optimalen Lastimpedanz von 21.4kOhm eine nominale Ausgangsleistung von 525mW. Durch diese nominale Lastimpedanz wird die Anode theoretisch von 0 bis 300V voll ausgesteuert, in der Praxis werden diese Grenzen nie voll erreicht und es kommt zu nicht mehr tolerablen Verzerrungen bei Annäherung an diese.
Da wir hier keine möglichst hohe Nominalleistung angeben müssen (für einen Werbeprospekt, etc...) können wir eine niedrigere Lastimpedanz von z.B. 16kOhm verwenden, was bei der gegebenen Betriebsspannung von 150V in einer kleineren, aber weniger an den Grenzen verzerrte Aussteuerung der Pentode von 38V bis 262V resultiert. Die Ausgangsleistung ist in diesem Falle 392mW, was immer noch deutlich über den geforderten 200mW liegt. (Siehe auch den Thread "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von
Tontrafos", Post #27 und #29).
Die Gegenkopplung
Zur Erreichung der geforderten geringen Verzerrung des Ausgangssignals reicht der oben beschriebene Verzicht auf die theoretischeMaximalaussteuerung nicht aus und die Pentodenstufe muss zusätzlich gegengekoppelt werden. Die Triodenstufe mit einem ohmschen Lastwiderstand ist bereits implizit gegengekoppelt (ansteigende Gitterspannung -> höherer Anodenstrom -> höherer Spannungsabfall am Lastwiderstand -> Absinken der Anodenspannung -> geringerer Anodenstrom, und umgekehrt) und damit auch bei größeren Signalen noch näherungsweise linear. Für die Gegenkopplung der Pentodenstufe gibt es im wesentlichen zwei Möglichkeiten: Die Gegenkopplung auf das Schirmgitter (g2) oder die Gegenkopplung auf das Steuergitter (g1). Die Schirmgittergegenkopplung erfordert einen Ausgangsübertrager mit einer auf die jeweilige Pentode und ihre Betriebswerte angepasste Anzapfung und ist u.U. schwer zu beschaffen. Es bleibt daher die Gegenkopplung auf das Steuergitter.
Gegenkopplung bedeutet generell die Rückführung eines Teils des Ausgangssignals mit umgekehrtem Vorzeichen (180° Phasenlage) auf den Eingang, wo es mit dem externen Steuersignal zum gesamten Eingangssignal addiert wird. Dies führt einerseits zu einer Linearisierung der Kennlinie, andererseits aber auch zu einem Absinken der Verstärkung. Wird bei einer Leerlaufverstärkung a (Verstärkung ohne Gegenkopplung) ein Bruchteil 1/r des Ausgangssignals rückgeführt, so ist die Verstärkung der Stufe mit Gegenkopplung v=a/(1+a/r). Ist die Leerlaufverstärkung a hinreichend groß gegenüber dem Gegenkopplungsgrad 1/r, so ist näherungsweise v=r, d.h. die Verstärkung der Stufe ist nur vom Grad der Gegenkopplung abhängig.
Die Auswahl der Verbundröhre
Was folgt aus diesen Betrachtungen nun konkret für die Auswahl der Verbundröhre? Wenn wir eine Anodenspannung der Pentode von Ua=150V zugrunde legen, so erhalten wir eine nominale Vollaussteuerung an der Anode von 300Vss (siehe dazu wiederum den Thread "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von Tontrafos", Post #27 und #29). Um eine gute Linearisierung und damit geringe Verzerrungen zu erreichen streben wir einen Gegenkopplungsgrad von grob 10% (r=10) an. Nun sollte also die Leerlaufverstärkung der Pentodenstufe ohne Gegenkopplung (diese ist durch a=S*(Ri||RL) mit der Steilheit S, dem Innenwiderstand Ri und dem Lastwiderstand RL an der Anode gegeben) wesentlich größer als 10 sein, also mindestens bei 100 (a=100) liegen. In diesem Fall ist die Verstärkung der Pentodenstufe mit Gegenkopplung dann näherungsweise v=r=10, zur nominalen Vollaussteuerung werden also 30Vss als externes Steuersignal von der Triodenvorstufe gebraucht. Wenn wir nun von einem Line-Pegel Eingangssignal mit 0.894Vss ausgehen, so muss die Spannungsverstärkung der Triodenstufe grob 34-fach sein. Ein guter Richtwert für das µ der Triode (Spannungsverstärkung bei unendlich hohem Lastwiderstand) ist daher µ=60 oder höher.
Nun können wir uns mit den bisherigen Vorüberlegungen gängige ECL/PCL Verbundröhren ansehen. Dabei lohnt es sich auch solche zu betrachten, die nicht explizit für NF Vor- und Leistungsverstärkung vorgesehen sind. Eine Röhre, die den bisher ermittelte Bedingungen entspricht ist z.B. die ECL84 (6.3V Heizspannung, 720mA Heizstrom) bzw. PCL84 (15V Heizspannung, 300mA Heizstrom). Die beiden Röhren sind identisch und unterscheiden sich nur in der Heizung. Im vorliegenden Aufbau wurde die ECL84 verwendet.
Die Schaltung
Um den Leser nun nicht länger warten zu lassen ist hier die Schaltung der Mono-Version (ohne Stromversorgung), welche im Folgenden detailliert besprochen werden soll, gezeigt.
Ein wesentliches Element, welches an zwei Stellen verwendet wurde ist ein gewichteter Analogaddierer. Wir benötigen dieses Element einerseits um bei der Mono-Version das L+R Summensignal zu erzeugen. Andererseits ist der gewichtete Analogaddierer das zentrale Element der Gegenkopplung der Pentodenstufe auf das Steuergitter, der von der Ausgangsspannung einen Teil abnimmt und zur externen Steuerspannung addiert. Die Grundschaltung ist nicht weiter kompliziert:
AnalogAddierer.png (Größe: 3,94 KB / Downloads: 844)
Die Ausgangsspannung U_R3 am Widerstand R_3 lässt sich mit den Kirchhoffschen Regeln leicht zu
UR3_1.png (Größe: 4,11 KB / Downloads: 811)
ermitteln. In den meisten Fällen (auch in unserer Schaltung) ist R_3 wesentlich größer als R_1 oder R_2 und es ergibt sich näherungsweise
UR3_2.png (Größe: 4,74 KB / Downloads: 810)
Der Verstärker verfügt in der Mono-Version, wie bereits erwähnt, über eine Addiererstufe aus den Widerständen R1, R2 und R3, die das L und R Signal über die Koppelkondensatoren C1 und C2 an R3 zusammen führen. C1 und C2 haben bei einer angenommenen tiefsten vorkommenden Frequenz von 20Hz einen Blindwiderstand von ca. 8kOhm, so dass bei einem Wert von R3=100kOhm kein ungewollter Hochpass entsteht. Das Potentiometer R3 dient als Lautstärkeregler, da das Line Signal einer Audioquelle nicht der Lautstärkeregelung der Quelle unterworfen ist. Auch bei einem Kopfhörerausgang empfiehlt es sich aus Gründen der Störunterdrückung die Quelle mit möglichst großer Lautstärke zu betreiben und dann mit R3 am Verstärkereingang herunter zu regeln. Der Koppelkondensator C3 zwischen dem Abgriff des Potentiometers und dem Gitter der Triode sorgt dafür, dass der noch verbleibende geringe Anlaufstrom des Gitters (siehe "Röhrenverstärker für IPod mit PCL81", Post #15) nur durch den Gitterableitwiderstand R4 fließen kann und die dort entstehende sehr kleine negative Spannung (ca. -70mV) von der Stellung des Potentiometers unabhängig ist. C3 ist mit 1µF wiederum so dimensioniert, dass mit R4=1MOhm kein ungewollter Hochpass entstehen kann. Weiterhin ist R4 so groß gegenüber R3, dass die Funktion des Addierers von der Stellung des Potentiometers näherungsweise unabhängig ist.
Der Lastwiderstand an der Anode der Triode muss für eine möglichst hohe Verstärkung möglichst groß gegenüber dem (vom Arbeitspunkt abhängigen) Innenwiderstand der Triode (typisch für Trioden sind einige kOhm bis einige 10kOhm) sein. Wir wählen daher R6=120kOhm und setzen den Anodenstrom am Arbeitspunkt mittels R5 so, dass die Anode ungefähr auf der halben Betriebsspannung zu liegen kommt. Es ergibt sich dann eine Spannung an der Kathode von ca. 0.68V und insgesamt (inklusive der Gitterableitspannung von 70mV) eine negative Gitter zu Kathode Vorspannung von ca. -0.75V. Um für NF-Wechselspannungen die volle Verstärkung zu bekommen, wird eine Gegenkopplung durch R5 für NF-Wechselspannungen durch Überbrückung mit C4 weitgehend vermieden. Der eigentlich limitierende Faktor für tiefe Frequenzen ist der Ausgangsübertrager. Daher wird C4 so groß gewählt, dassdie untere Grenzfrequenz durch den Ausgangsübertrager und nicht durch C4 bestimmt wird. Der Verstärkungsfaktor dieser Stufe ohne Ankopplung der Folgestufe ist gemessen v=48. Die ECL84 Triode ist mit µ=65 (theoretische Verstärkung bei unendlich hohem Lastwiderstand) angegeben, woraus sich der Innenwiderstand Ri der Triode an diesem Arbeitspunkt zu Ri=(µ/v-1)*R6=42.5kOhm ergibt. Bei Ankopplung der Folgestufe und der damit verbundenen weiteren Verminderung des Lastwiderstandes sinkt die Verstärkung der Triodenstufe auf v=38.
Die NF-Wechselspannung der Triodenstufe wird nun über den aus R7, R10 und R8 bestehenden gewichteten Addierer mit einem Teil der NF-Wechselspannung an der Anode der Pentode zur gesamten Eingangsspannung am Steuergitter (g1) der Pentode addiert. Da die Pentodenstufe das NF-Signal am Ausgang invertiert (180° Phasenverschiebung) findet damit eine Gegenkopplung, wie weiter oben theoretisch betrachtet, statt. Der Koppelkondensator C7 ist so dimensioniert, dass sein Blindwiderstand selbst bei einer Frequenz von 20Hz gegenüber R10 vernachlässigt werden kann. Der kleinere Wert von C5 dient der Erhöhung des Gegenkopplungsgrades für tiefe Frequenzen unter der Grenzfrequenz des Ausgangsübertragers zur Verminderung von unerwünschten "Pumpeffekten" des Verstärkers.
Siehe dazu die ausführliche Diskussion weiter unten.
Für die Berechnung des Gegenkopplungsfaktors muss die Serienschaltung von R10 mit dem Anodenlastwiderstand der Pentode parallel zum Innenwiderstand der Pentode berücksichtigt werden. Der Innenwiderstand der ECL84 Pentode wird im Datenblatt mit typischerweise >100kOhm angegeben, ist also gegenüber dem Anodenlastwiderstand von 16kOhm vernachlässigbar. Die 16kOhm Anodenlastwiderstand sind aber wiederum gegen R10 vernachlässigbar. Für hinreichend hohe Frequenzen ist auch der Blindwiderstand von C5 gegenüber R7 vernachlässigbar. Es muss dann nur noch die Serienschaltung von R7 mit der Parallelschaltung aus R6 und dem Innenwiderstand der Triode (ca. 42.5kOhm, siehe oben) berücksichtigt werden. Es ergibt sich dann Näherungsweise ein Gegenkopplungsgrad von 12% (1/r = 0.12). Da die Spannungsverstärkung der ECL84 Pentode sehr viel höher als r = 1/0.12 = 8.7 ist (typische Steilheit S=10mA/V bei 16kOhm Lastwiderstand mit vernachlässigbar hohem Innenwiderstand ergibt eine Spannungsverstärkung von 160), wird das Verhalten der Pentodenstufe fast ausschließlich durch den Gegenkopplungsgrad bestimmt. Insbesondere sollte der Verstärkungsfaktor mit Gegenkopplung bei ungefähr v=r=8.7 liegen. In der Tat ergibt eine Messung (bei f=1kHz) v=9.0!
Sehen wir uns nun noch die restliche Beschaltung der Pentode an: Die Einstellung des Arbeitspunktes mit einem Anodenstrom von ca. 7.3mA erfolgt über den Kathodenwiderstand R9, der für entsprechend hohe NF Frequenzen mit dem Kondensator C6 überbrückt ist. Dem Leser wird auffallen, dass der Blindwiderstand von C6 gegenüber R9 für tiefe Frequenzen relativ hoch ist, wir werden darauf noch ausführlich zu sprechen kommen. Die negative Gitter zu Kathode Vorspannung von 2.1V mag zunächst überraschend klein sein und man könnte sich fragen ob das Gitter bei entsprechend hohen Ausgangsamplituden der Triodenstufe nicht positiv gegenüber der Kathode werden kann. Es sei aber daran erinnert, das die Gitterspannung die Summe aus der Ausgangsspannung der Triodenstufe und der Gegenkopplungsspannung ist. Die Gegenkopplung verhindert eine zu große Signalamplitude am Gitter.
Der Tontrafo im Anodenkreis ist ein einfach zu beschaffender 100V ELA Übertrager der Lautsprecher mit einer Nennimpedanz von 4, 8 oder 16Ohm auf nominale 16kOhm im Anodenkreis transformiert. Der Gleichstromwiderstand der Primärwicklung dieses Übertragers beträgt 465Ohm, womit die tatsächliche Anodenspannung am Arbeitspunkt bei 146.6V liegt. Im Falle eines vollständig ohmschen 16kOhm Widerstandes liegt damit die maximale Aussteuerung bei 234Vss was in einer Ausgangsleistung von 428mW an der Anode resultiert. Die tatsächliche an den Lautsprecher abgegebene Leistung hängt natürlich noch vom Wirkungsgrad des Ausgangsübertragers ab. (Der Anodengleichstrom bewirkt bei nicht für Class-A vorgesehenen Ausgangsübertragern eine Vormagnetisierung, die den Wirkungsgrad weiter herabsetzt.)
In der Praxis sind allerdings bei nicht zu tiefen Frequenzen auch deutlich höhere Aussteuerungen (Anodenwechselspannungen) möglich. Dies liegt daran, dass ein Lautsprecher ein recht komplexes Gebilde ist und eben nur in einem kleinen Frequenzbereich sich wie ein ohmscher Widerstand mit dem Nennwert der Lautsprecherimpedanz verhält. Weiterhin verhält sich ein realer Ausgangsübertrager, selbst wenn auf der Sekundärseite ein echter ohmscher Widerstand angeschlossen ist, auf der Primärseite auch nicht ausschließlich wie ein ohmscher Wechselstromwiderstand sondern es kommen je nach Frequenz auch noch induktive Blindanteile hinzu. Der Betrag der primärseitigen Impedanz kann daher in diesem Fall auch einiges über 16kOhm liegen. Die Blindanteile führen aber natürlich zu keiner höheren Wirkleistung.
Um die Auswirkungen der Rückkopplung auf die Linearität des Verstärkers zu zeigen geben wir ein 1kHz Sinus-Eingangssignal von jeweils 0.7Vss auf den L und R Eingang. Dies führt zu einer Aussteuerung an der Anode von 234Vss bei voll aufgedrehtem Potentiometer. Die Kurvenform der Ausgangsspannung ist unten im linken Bild gezeigt. Nun schalten wir die Gegenkopplungdurch Entfernen des Kondensators C7 ab und regeln die Eingangsamplitude soweit herunter, dass sich wiederum eine Aussteuerung von 234Vss an der Anode ergibt. Die Kurvenform dazu ist unten im rechten Bild gezeigt.
FBcomparison.png (Größe: 6,46 KB / Downloads: 809)
Kommen wir nun noch zu der bis hier zurück gestellten Frage nach der relativ kleinen Kapazität von C6. Zunächst würde man ja versuchen wollen eine möglichst niedrige untere Grenzfrequenz zu erreichen und damit alle Kondensatoren im Signalweg und zur Überbrückung der Kathodenwiderstände im sinnvollen Rahmen möglichst groß zu machen. Es tritt bei tiefen Frequenzen, für die der jeweils verwendete Ausgangsübertrager aufgrund seiner Induktivität gar nicht mehr ausgelegt ist eine merkliche Verzerrung des Signals an der Anode der Pentode auf. Diese Verzerrung kommt dadurch Zustande, dass für diese tiefen Frequenzen der Betrag der primärseitigen Impedanz des Ausgangsübertragers dramatisch absinkt (siehe dazu "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von Tontrafos", Post #33) und mit dem damit verbundenen Absinken der Anodenwechselspannung auch die Gegenkopplungsspannung absinkt. Die Triodenstufe, die mit ihrem echten ohmschen Lastwiderstand davon nicht betroffen ist, liefert natürlich weiterhin eine entsprechend hohe Signalamplitude die aufgrund der nun mehr oder weniger fehlenden Gegenkopplung die Pentode am Gitter übersteuert, was zu einem merklichen Gitterstrom führt.
Nun könnte man geneigt sein dieses als unkritisch abzutun. Schließlich treten diese Verzerrungen ja nur für solche tiefen Frequenzen auf, die vom Ausgangsübertrager sowieso praktisch nicht mehr an den Lautsprecher übertragen werden. Nun, es wäre unkritisch wenn es zu keinem Gitterstrom kommen würde. Kommt es aber durch die Übersteuerung durch entsprechend tiefe Frequenzen zu einem Gitterstrom, so verschiebt dieser durch Aufladung von C5 die Gittervorspannung an der Pentode zu negativeren Werten hin, die Pentode geht in einen flacheren Teil der Kennlinie und die Lautstärke des Gesamtsignals nimmt ab. Hat C5 sich wieder entladen, so steigt die Lautstärke wieder an. Dieser unerwünschte Effekt wird auch als "pumpen" bezeichnet. Ein typisches Symptom dafür ist die Modulation der Lautstärke des Gesangs im Rhythmus der Basstrommel.
Um diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden brauchen wir eine zweite Gegenkopplung, die nur für entsprechend tiefe Frequenzen wirkt und die bei diesen tiefen Frequenzen "ausgefallene" Steuergittergegenkopplung zumindest teilweise ersetzt. Die einfachste Lösung ist es C6 so zu wählen, dass dieser für diese tiefen Frequenzen einen im Vergleich zu R9 nennenswerten Blindwiderstand aufweist und damit zu einer nennenswerten Gegenkopplung der Pentodenstufe führt. Die Wahl von C6 muss natürlich anhängig vom Ausgangsübertrager erfolgen, denn wir wollen damit nur solche Frequenzen wirksam gegenkoppeln die sowieso praktisch nicht mehr vom Ausgangsübertrager an den Lautsprecher übertragen werden. Die untere Grenzfrequenz ist dann, so wie es sein soll, von der Qualität (in diesem Falle Induktivität) des Ausgangsübertragers abhängig.
Der Wert von C6 wird am besten experimentell bestimmt. Dazu werden mit einem Zweikanaloszilloskop die Spannungen (natürlich mit Gleichspannungsanteil!) am Gitter und an der Kathode der Pentode für tiefe Frequenzen bis unter den Hörbereich gemessen und C6 gerade so groß gewählt, dass das Gitter immer negativ gegenüber der Kathode ist und einen "Sicherheitsabstand" von z.B. 200mV aufweist. Je kleiner dieser "Sicherheitsabstand" desto mehr treten bei diesen tiefen Frequenzen zwar keine schweren Gitterstromverzerrungen, wohl aber leichte Anlaufstromverzerrungen auf. Für den verwendeten günstigen 100V ELA Ausgangsübertrager wurde C6 zu 4.7µF optimiert, die untere -3dB Frequenz des Verstärkers liegt dann bei ca. 60Hz.
Gruß Jochen
Eine kleine Anmerkung vorweg: Es gibt ja prinzipiell zwei Methoden um an eine eine Schaltung dafür zu kommen. Man könnte sich entweder im WWW auf die Suche danach machen, dabei stehen die Chancen aber nicht schlecht bei einer mehr oder weniger abenteuerlichen Schaltung zu landen (Schaltplanauszüge von alten Rundfunkempfängern, Plattenspielern, etc.. mal ausgenommen). Oder, man könnte sich einfach selber Gedanken zu dem Thema machen. Wir wollen hier mal den letzteren Weg gehen... (Der ungeduldige Leser möge diese Betrachtungen quer lesen.)
Wir beginnen sinnvollerweise mit der Festlegung der Randbedingungen für den Verstärker:
- Die Versorgungsspannung soll deutlich unter 200V liegen und genau wie die Heizspannung mit handelsüblichen Transformatoren erzeugt werden können.
- Der Verstärker soll wahlweise "doppelt" als Stereo-Verstärker oder als Mono-Verstärker mit L+R Zusammenführung aufgebaut werden können. Es soll sich insgesamt um einen möglichst einfachen Class-A Verstärker ohne Klangregelung handeln.
- Die Ausgangsleistung soll bei Ansteuerung mit Line-Pegel (consumer audio line level, 0.894Vss) bei 0.2W oder darüber liegen, dies ist für die Zimmerbeschallung mehr als ausreichend. Das Ausgangssignal soll auch bei dieser Lautstärke noch keine nennenswerten Verzerrungen aufweisen.
- Die Röhren sollen problemlos als unbenutzte Lagerware (new old stock) beschaffbar sein. Netz- und Tontrafo sollen aus aktueller Produktion im Handel problemlos beschaffbar sein.
Spannungsversorgung und Ausgangsleistung
Wir wählen eine Versorgungsspannung von 150V. Diese ist mit Hilfe von Standard Trenntrafos mit 1x230V primär und 2x115V sekundär
einfach zu erzeugen. Die beiden 115V Wicklungen können parallel geschaltet und an einen Brückengleichrichter angeschlossen werden. Es kann aber auch mit den beiden separaten 115V Wicklungen ein Zweiweg-Gleichrichter mit zwei Dioden oder, falls eine vollständig "halbleiterfreie" Version gewünscht ist, mit z.B. einer EZ80 Gleichrichterröhre aufgebaut werden. Die Ausgangsspannung im Leerlauf nach Gleichrichtung und Glättung ist 115V*sqrt(2)=163V. Je nach Dimensionierung des Trenntrafos liegt die AC Leerlaufspannung auf der Sekundärseite typischerweise höher und die DC Leerlaufspannung nach Gleichrichtung liegt ebenfalls entsprechend höher. Dies liefert die notwendige Spannungsreserve für die Glättung mittels RC oder LC Gliedern.
Um aus einem Line-Pegel Eingangssignal eine Ausgangsleistung von 0.2W oder mehr zu erzeugen ist ein zweistufiger Verstärker mit Vorstufe und Ausgangsstufe notwendig und man wird die bewährte Kombination aus Triodenvorstufe und Pentodenausgangsstufe verwenden. Es bietet sich dann natürlich die Verwendung einer ECL oder PCL Verbundröhre an.
Durch die Betriebsspannung von 150V sind unsere Anforderungen an den Anodengleichstrom der Pentode am Arbeitspunkt natürlich geringer als bei deutlich niedrigeren Spannungen. Selbst bei einem Anodenstrom von 7mA erreichen wir bei einer nominal optimalen Lastimpedanz von 21.4kOhm eine nominale Ausgangsleistung von 525mW. Durch diese nominale Lastimpedanz wird die Anode theoretisch von 0 bis 300V voll ausgesteuert, in der Praxis werden diese Grenzen nie voll erreicht und es kommt zu nicht mehr tolerablen Verzerrungen bei Annäherung an diese.
Da wir hier keine möglichst hohe Nominalleistung angeben müssen (für einen Werbeprospekt, etc...) können wir eine niedrigere Lastimpedanz von z.B. 16kOhm verwenden, was bei der gegebenen Betriebsspannung von 150V in einer kleineren, aber weniger an den Grenzen verzerrte Aussteuerung der Pentode von 38V bis 262V resultiert. Die Ausgangsleistung ist in diesem Falle 392mW, was immer noch deutlich über den geforderten 200mW liegt. (Siehe auch den Thread "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von
Tontrafos", Post #27 und #29).
Die Gegenkopplung
Zur Erreichung der geforderten geringen Verzerrung des Ausgangssignals reicht der oben beschriebene Verzicht auf die theoretischeMaximalaussteuerung nicht aus und die Pentodenstufe muss zusätzlich gegengekoppelt werden. Die Triodenstufe mit einem ohmschen Lastwiderstand ist bereits implizit gegengekoppelt (ansteigende Gitterspannung -> höherer Anodenstrom -> höherer Spannungsabfall am Lastwiderstand -> Absinken der Anodenspannung -> geringerer Anodenstrom, und umgekehrt) und damit auch bei größeren Signalen noch näherungsweise linear. Für die Gegenkopplung der Pentodenstufe gibt es im wesentlichen zwei Möglichkeiten: Die Gegenkopplung auf das Schirmgitter (g2) oder die Gegenkopplung auf das Steuergitter (g1). Die Schirmgittergegenkopplung erfordert einen Ausgangsübertrager mit einer auf die jeweilige Pentode und ihre Betriebswerte angepasste Anzapfung und ist u.U. schwer zu beschaffen. Es bleibt daher die Gegenkopplung auf das Steuergitter.
Gegenkopplung bedeutet generell die Rückführung eines Teils des Ausgangssignals mit umgekehrtem Vorzeichen (180° Phasenlage) auf den Eingang, wo es mit dem externen Steuersignal zum gesamten Eingangssignal addiert wird. Dies führt einerseits zu einer Linearisierung der Kennlinie, andererseits aber auch zu einem Absinken der Verstärkung. Wird bei einer Leerlaufverstärkung a (Verstärkung ohne Gegenkopplung) ein Bruchteil 1/r des Ausgangssignals rückgeführt, so ist die Verstärkung der Stufe mit Gegenkopplung v=a/(1+a/r). Ist die Leerlaufverstärkung a hinreichend groß gegenüber dem Gegenkopplungsgrad 1/r, so ist näherungsweise v=r, d.h. die Verstärkung der Stufe ist nur vom Grad der Gegenkopplung abhängig.
Die Auswahl der Verbundröhre
Was folgt aus diesen Betrachtungen nun konkret für die Auswahl der Verbundröhre? Wenn wir eine Anodenspannung der Pentode von Ua=150V zugrunde legen, so erhalten wir eine nominale Vollaussteuerung an der Anode von 300Vss (siehe dazu wiederum den Thread "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von Tontrafos", Post #27 und #29). Um eine gute Linearisierung und damit geringe Verzerrungen zu erreichen streben wir einen Gegenkopplungsgrad von grob 10% (r=10) an. Nun sollte also die Leerlaufverstärkung der Pentodenstufe ohne Gegenkopplung (diese ist durch a=S*(Ri||RL) mit der Steilheit S, dem Innenwiderstand Ri und dem Lastwiderstand RL an der Anode gegeben) wesentlich größer als 10 sein, also mindestens bei 100 (a=100) liegen. In diesem Fall ist die Verstärkung der Pentodenstufe mit Gegenkopplung dann näherungsweise v=r=10, zur nominalen Vollaussteuerung werden also 30Vss als externes Steuersignal von der Triodenvorstufe gebraucht. Wenn wir nun von einem Line-Pegel Eingangssignal mit 0.894Vss ausgehen, so muss die Spannungsverstärkung der Triodenstufe grob 34-fach sein. Ein guter Richtwert für das µ der Triode (Spannungsverstärkung bei unendlich hohem Lastwiderstand) ist daher µ=60 oder höher.
Nun können wir uns mit den bisherigen Vorüberlegungen gängige ECL/PCL Verbundröhren ansehen. Dabei lohnt es sich auch solche zu betrachten, die nicht explizit für NF Vor- und Leistungsverstärkung vorgesehen sind. Eine Röhre, die den bisher ermittelte Bedingungen entspricht ist z.B. die ECL84 (6.3V Heizspannung, 720mA Heizstrom) bzw. PCL84 (15V Heizspannung, 300mA Heizstrom). Die beiden Röhren sind identisch und unterscheiden sich nur in der Heizung. Im vorliegenden Aufbau wurde die ECL84 verwendet.
Die Schaltung
Um den Leser nun nicht länger warten zu lassen ist hier die Schaltung der Mono-Version (ohne Stromversorgung), welche im Folgenden detailliert besprochen werden soll, gezeigt.
Ein wesentliches Element, welches an zwei Stellen verwendet wurde ist ein gewichteter Analogaddierer. Wir benötigen dieses Element einerseits um bei der Mono-Version das L+R Summensignal zu erzeugen. Andererseits ist der gewichtete Analogaddierer das zentrale Element der Gegenkopplung der Pentodenstufe auf das Steuergitter, der von der Ausgangsspannung einen Teil abnimmt und zur externen Steuerspannung addiert. Die Grundschaltung ist nicht weiter kompliziert:
AnalogAddierer.png (Größe: 3,94 KB / Downloads: 844)
Die Ausgangsspannung U_R3 am Widerstand R_3 lässt sich mit den Kirchhoffschen Regeln leicht zu
UR3_1.png (Größe: 4,11 KB / Downloads: 811)
ermitteln. In den meisten Fällen (auch in unserer Schaltung) ist R_3 wesentlich größer als R_1 oder R_2 und es ergibt sich näherungsweise
UR3_2.png (Größe: 4,74 KB / Downloads: 810)
Der Verstärker verfügt in der Mono-Version, wie bereits erwähnt, über eine Addiererstufe aus den Widerständen R1, R2 und R3, die das L und R Signal über die Koppelkondensatoren C1 und C2 an R3 zusammen führen. C1 und C2 haben bei einer angenommenen tiefsten vorkommenden Frequenz von 20Hz einen Blindwiderstand von ca. 8kOhm, so dass bei einem Wert von R3=100kOhm kein ungewollter Hochpass entsteht. Das Potentiometer R3 dient als Lautstärkeregler, da das Line Signal einer Audioquelle nicht der Lautstärkeregelung der Quelle unterworfen ist. Auch bei einem Kopfhörerausgang empfiehlt es sich aus Gründen der Störunterdrückung die Quelle mit möglichst großer Lautstärke zu betreiben und dann mit R3 am Verstärkereingang herunter zu regeln. Der Koppelkondensator C3 zwischen dem Abgriff des Potentiometers und dem Gitter der Triode sorgt dafür, dass der noch verbleibende geringe Anlaufstrom des Gitters (siehe "Röhrenverstärker für IPod mit PCL81", Post #15) nur durch den Gitterableitwiderstand R4 fließen kann und die dort entstehende sehr kleine negative Spannung (ca. -70mV) von der Stellung des Potentiometers unabhängig ist. C3 ist mit 1µF wiederum so dimensioniert, dass mit R4=1MOhm kein ungewollter Hochpass entstehen kann. Weiterhin ist R4 so groß gegenüber R3, dass die Funktion des Addierers von der Stellung des Potentiometers näherungsweise unabhängig ist.
Der Lastwiderstand an der Anode der Triode muss für eine möglichst hohe Verstärkung möglichst groß gegenüber dem (vom Arbeitspunkt abhängigen) Innenwiderstand der Triode (typisch für Trioden sind einige kOhm bis einige 10kOhm) sein. Wir wählen daher R6=120kOhm und setzen den Anodenstrom am Arbeitspunkt mittels R5 so, dass die Anode ungefähr auf der halben Betriebsspannung zu liegen kommt. Es ergibt sich dann eine Spannung an der Kathode von ca. 0.68V und insgesamt (inklusive der Gitterableitspannung von 70mV) eine negative Gitter zu Kathode Vorspannung von ca. -0.75V. Um für NF-Wechselspannungen die volle Verstärkung zu bekommen, wird eine Gegenkopplung durch R5 für NF-Wechselspannungen durch Überbrückung mit C4 weitgehend vermieden. Der eigentlich limitierende Faktor für tiefe Frequenzen ist der Ausgangsübertrager. Daher wird C4 so groß gewählt, dassdie untere Grenzfrequenz durch den Ausgangsübertrager und nicht durch C4 bestimmt wird. Der Verstärkungsfaktor dieser Stufe ohne Ankopplung der Folgestufe ist gemessen v=48. Die ECL84 Triode ist mit µ=65 (theoretische Verstärkung bei unendlich hohem Lastwiderstand) angegeben, woraus sich der Innenwiderstand Ri der Triode an diesem Arbeitspunkt zu Ri=(µ/v-1)*R6=42.5kOhm ergibt. Bei Ankopplung der Folgestufe und der damit verbundenen weiteren Verminderung des Lastwiderstandes sinkt die Verstärkung der Triodenstufe auf v=38.
Die NF-Wechselspannung der Triodenstufe wird nun über den aus R7, R10 und R8 bestehenden gewichteten Addierer mit einem Teil der NF-Wechselspannung an der Anode der Pentode zur gesamten Eingangsspannung am Steuergitter (g1) der Pentode addiert. Da die Pentodenstufe das NF-Signal am Ausgang invertiert (180° Phasenverschiebung) findet damit eine Gegenkopplung, wie weiter oben theoretisch betrachtet, statt. Der Koppelkondensator C7 ist so dimensioniert, dass sein Blindwiderstand selbst bei einer Frequenz von 20Hz gegenüber R10 vernachlässigt werden kann. Der kleinere Wert von C5 dient der Erhöhung des Gegenkopplungsgrades für tiefe Frequenzen unter der Grenzfrequenz des Ausgangsübertragers zur Verminderung von unerwünschten "Pumpeffekten" des Verstärkers.
Siehe dazu die ausführliche Diskussion weiter unten.
Für die Berechnung des Gegenkopplungsfaktors muss die Serienschaltung von R10 mit dem Anodenlastwiderstand der Pentode parallel zum Innenwiderstand der Pentode berücksichtigt werden. Der Innenwiderstand der ECL84 Pentode wird im Datenblatt mit typischerweise >100kOhm angegeben, ist also gegenüber dem Anodenlastwiderstand von 16kOhm vernachlässigbar. Die 16kOhm Anodenlastwiderstand sind aber wiederum gegen R10 vernachlässigbar. Für hinreichend hohe Frequenzen ist auch der Blindwiderstand von C5 gegenüber R7 vernachlässigbar. Es muss dann nur noch die Serienschaltung von R7 mit der Parallelschaltung aus R6 und dem Innenwiderstand der Triode (ca. 42.5kOhm, siehe oben) berücksichtigt werden. Es ergibt sich dann Näherungsweise ein Gegenkopplungsgrad von 12% (1/r = 0.12). Da die Spannungsverstärkung der ECL84 Pentode sehr viel höher als r = 1/0.12 = 8.7 ist (typische Steilheit S=10mA/V bei 16kOhm Lastwiderstand mit vernachlässigbar hohem Innenwiderstand ergibt eine Spannungsverstärkung von 160), wird das Verhalten der Pentodenstufe fast ausschließlich durch den Gegenkopplungsgrad bestimmt. Insbesondere sollte der Verstärkungsfaktor mit Gegenkopplung bei ungefähr v=r=8.7 liegen. In der Tat ergibt eine Messung (bei f=1kHz) v=9.0!
Sehen wir uns nun noch die restliche Beschaltung der Pentode an: Die Einstellung des Arbeitspunktes mit einem Anodenstrom von ca. 7.3mA erfolgt über den Kathodenwiderstand R9, der für entsprechend hohe NF Frequenzen mit dem Kondensator C6 überbrückt ist. Dem Leser wird auffallen, dass der Blindwiderstand von C6 gegenüber R9 für tiefe Frequenzen relativ hoch ist, wir werden darauf noch ausführlich zu sprechen kommen. Die negative Gitter zu Kathode Vorspannung von 2.1V mag zunächst überraschend klein sein und man könnte sich fragen ob das Gitter bei entsprechend hohen Ausgangsamplituden der Triodenstufe nicht positiv gegenüber der Kathode werden kann. Es sei aber daran erinnert, das die Gitterspannung die Summe aus der Ausgangsspannung der Triodenstufe und der Gegenkopplungsspannung ist. Die Gegenkopplung verhindert eine zu große Signalamplitude am Gitter.
Der Tontrafo im Anodenkreis ist ein einfach zu beschaffender 100V ELA Übertrager der Lautsprecher mit einer Nennimpedanz von 4, 8 oder 16Ohm auf nominale 16kOhm im Anodenkreis transformiert. Der Gleichstromwiderstand der Primärwicklung dieses Übertragers beträgt 465Ohm, womit die tatsächliche Anodenspannung am Arbeitspunkt bei 146.6V liegt. Im Falle eines vollständig ohmschen 16kOhm Widerstandes liegt damit die maximale Aussteuerung bei 234Vss was in einer Ausgangsleistung von 428mW an der Anode resultiert. Die tatsächliche an den Lautsprecher abgegebene Leistung hängt natürlich noch vom Wirkungsgrad des Ausgangsübertragers ab. (Der Anodengleichstrom bewirkt bei nicht für Class-A vorgesehenen Ausgangsübertragern eine Vormagnetisierung, die den Wirkungsgrad weiter herabsetzt.)
In der Praxis sind allerdings bei nicht zu tiefen Frequenzen auch deutlich höhere Aussteuerungen (Anodenwechselspannungen) möglich. Dies liegt daran, dass ein Lautsprecher ein recht komplexes Gebilde ist und eben nur in einem kleinen Frequenzbereich sich wie ein ohmscher Widerstand mit dem Nennwert der Lautsprecherimpedanz verhält. Weiterhin verhält sich ein realer Ausgangsübertrager, selbst wenn auf der Sekundärseite ein echter ohmscher Widerstand angeschlossen ist, auf der Primärseite auch nicht ausschließlich wie ein ohmscher Wechselstromwiderstand sondern es kommen je nach Frequenz auch noch induktive Blindanteile hinzu. Der Betrag der primärseitigen Impedanz kann daher in diesem Fall auch einiges über 16kOhm liegen. Die Blindanteile führen aber natürlich zu keiner höheren Wirkleistung.
Um die Auswirkungen der Rückkopplung auf die Linearität des Verstärkers zu zeigen geben wir ein 1kHz Sinus-Eingangssignal von jeweils 0.7Vss auf den L und R Eingang. Dies führt zu einer Aussteuerung an der Anode von 234Vss bei voll aufgedrehtem Potentiometer. Die Kurvenform der Ausgangsspannung ist unten im linken Bild gezeigt. Nun schalten wir die Gegenkopplungdurch Entfernen des Kondensators C7 ab und regeln die Eingangsamplitude soweit herunter, dass sich wiederum eine Aussteuerung von 234Vss an der Anode ergibt. Die Kurvenform dazu ist unten im rechten Bild gezeigt.
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Kommen wir nun noch zu der bis hier zurück gestellten Frage nach der relativ kleinen Kapazität von C6. Zunächst würde man ja versuchen wollen eine möglichst niedrige untere Grenzfrequenz zu erreichen und damit alle Kondensatoren im Signalweg und zur Überbrückung der Kathodenwiderstände im sinnvollen Rahmen möglichst groß zu machen. Es tritt bei tiefen Frequenzen, für die der jeweils verwendete Ausgangsübertrager aufgrund seiner Induktivität gar nicht mehr ausgelegt ist eine merkliche Verzerrung des Signals an der Anode der Pentode auf. Diese Verzerrung kommt dadurch Zustande, dass für diese tiefen Frequenzen der Betrag der primärseitigen Impedanz des Ausgangsübertragers dramatisch absinkt (siehe dazu "Ermittlung des Wechselstromwiderstandes (Impedanz) von Tontrafos", Post #33) und mit dem damit verbundenen Absinken der Anodenwechselspannung auch die Gegenkopplungsspannung absinkt. Die Triodenstufe, die mit ihrem echten ohmschen Lastwiderstand davon nicht betroffen ist, liefert natürlich weiterhin eine entsprechend hohe Signalamplitude die aufgrund der nun mehr oder weniger fehlenden Gegenkopplung die Pentode am Gitter übersteuert, was zu einem merklichen Gitterstrom führt.
Nun könnte man geneigt sein dieses als unkritisch abzutun. Schließlich treten diese Verzerrungen ja nur für solche tiefen Frequenzen auf, die vom Ausgangsübertrager sowieso praktisch nicht mehr an den Lautsprecher übertragen werden. Nun, es wäre unkritisch wenn es zu keinem Gitterstrom kommen würde. Kommt es aber durch die Übersteuerung durch entsprechend tiefe Frequenzen zu einem Gitterstrom, so verschiebt dieser durch Aufladung von C5 die Gittervorspannung an der Pentode zu negativeren Werten hin, die Pentode geht in einen flacheren Teil der Kennlinie und die Lautstärke des Gesamtsignals nimmt ab. Hat C5 sich wieder entladen, so steigt die Lautstärke wieder an. Dieser unerwünschte Effekt wird auch als "pumpen" bezeichnet. Ein typisches Symptom dafür ist die Modulation der Lautstärke des Gesangs im Rhythmus der Basstrommel.
Um diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden brauchen wir eine zweite Gegenkopplung, die nur für entsprechend tiefe Frequenzen wirkt und die bei diesen tiefen Frequenzen "ausgefallene" Steuergittergegenkopplung zumindest teilweise ersetzt. Die einfachste Lösung ist es C6 so zu wählen, dass dieser für diese tiefen Frequenzen einen im Vergleich zu R9 nennenswerten Blindwiderstand aufweist und damit zu einer nennenswerten Gegenkopplung der Pentodenstufe führt. Die Wahl von C6 muss natürlich anhängig vom Ausgangsübertrager erfolgen, denn wir wollen damit nur solche Frequenzen wirksam gegenkoppeln die sowieso praktisch nicht mehr vom Ausgangsübertrager an den Lautsprecher übertragen werden. Die untere Grenzfrequenz ist dann, so wie es sein soll, von der Qualität (in diesem Falle Induktivität) des Ausgangsübertragers abhängig.
Der Wert von C6 wird am besten experimentell bestimmt. Dazu werden mit einem Zweikanaloszilloskop die Spannungen (natürlich mit Gleichspannungsanteil!) am Gitter und an der Kathode der Pentode für tiefe Frequenzen bis unter den Hörbereich gemessen und C6 gerade so groß gewählt, dass das Gitter immer negativ gegenüber der Kathode ist und einen "Sicherheitsabstand" von z.B. 200mV aufweist. Je kleiner dieser "Sicherheitsabstand" desto mehr treten bei diesen tiefen Frequenzen zwar keine schweren Gitterstromverzerrungen, wohl aber leichte Anlaufstromverzerrungen auf. Für den verwendeten günstigen 100V ELA Ausgangsübertrager wurde C6 zu 4.7µF optimiert, die untere -3dB Frequenz des Verstärkers liegt dann bei ca. 60Hz.
Gruß Jochen