Radio-Bastler-Forum (RBF)

Normale Version: Der Sender Tegel in Berlin
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Hallo Freunde,

am 13. Mai dieses Jahres wird auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen an die Wiederinbetriebnahme des Senders Tegel vor 75 Jahren gedacht. Für manch einen von Euch ein wahrscheinlich unbekannter Sender und ein nicht so interessantes Datum. Daher möchte ich Euch diesen Sender hier mal näher vorstellen.
Vorab noch: Dieser Sender befindet sich in fast noch originalem Zustand im Senderhaus 2 in Königs Wusterhausen. Leider hatten vor Jahre mal Kupferdiebe wertvolle Senderteile entwendet.

Die Geschichte des Senders beginnt im Jahr 1933. Der Sender wurde als Ersatz für den am Funkturm gebauten Sender in Betrieb genommen. 1933 übertrug der Sender Tegel noch das Programm der Berliner Funkstunde AG. Ab 1934 wurde es dann der Reichssender Berlin. Später wurden alle deutschen Sender zum Großdeutschen Rundfunk vereinigt.

Die Programme wurden dem Sender Tegel über das Verstärkeramt vom "Haus des Rundfunks" zugeführt. https://www.visitberlin.de/de/haus-des-rundfunks
Dieses Gebäude steht ja noch heute in Berlin in der Masurenallee. Ein sehr imposanter Bau. Es ist ein sog. Poelzig-Bau. Dieses Gebäude wurde 1931 fertig gestellt und seiner Bestimmung übergeben. Es übertrug viele Jahre die Sendungen des SFB, danach kam es zum Zusammenschluss mit dem ORB in Brandenburg. Heute heißt die Anstalt bekanntlich RBB.

Auf dem Gelände des Haus des Rundfunks befand sich später dann noch ein Hochbunker. Von hier erfolgte bei Luftalarm der weitere Sendebetrieb. Er wurde dann ab 1944 ausschließlich über diesen Bunker bestritten.

In den letzten Apriltagen verstummte der Reichssender Berlin. Sowjettruppen besetzten den Sender Tegel. Das Funkhaus in der Masurenallee war äußerlich kaum beschädigt. Allerdings wurde die technische Inneneinrichtung durch abziehende Truppen der SS stark beschädigt. Die Übertragungswagen wurden für die Flucht der SS-Truppen kurzerhand beschlagnahmt. Das Senderkabel zum Sender Tegel war mehrfach stark beschädigt. Am 2. Mai besetzten dann Sowjetische Truppen das Funkhaus. Es sollte so schnell wie möglich wieder ein Sendebetrieb aufgenommen werden.

Deutsche Techniker, die sich noch im Funkhaus und im Hochbunker befanden sollten mit russischen Ingenieuren dafür sorgen. Was nun tun, alles war zerstört und somit unbrauchbar? Es wurde zunächst ein ehemaliger Übertragungswagen technisch wieder hergestellt. Er fuhr durch das zerstörte Berlin auf Umwegen (zerstörte Brücken) zum Sender Tegel. Das Programm wurde auf direktem Wege vom Ü-Wagen dem Sender zugespielt. Dazu schirmten sowjetische Soldaten das Areal um den Ü-Wagen ab, damit kein Krach in den Ü-Wagen gelangte, der noch nicht einmal mehr Glasscheiben besaß.

So konnte der Sender Tegel am 13. Mai wieder seinen Sendebetrieb aufnehmen. Die Sendung dauerte eine halbe Stunde und befaßte sich "mit der Befreiung vom Faschismus".

Mittlerweile gelang es dann sowjetischen Pionieren und deutschen Technikern wieder eine provisorische Kabelverbindung zum Sender Tegel herzustellen. So gelang es schließlich am 18. Mai ein öffentliches Konzert zu übertragen. Dies war wie ein Befreiungsschlag für die berliner Bevölkerung nach den schweren überstandenen Bombennächten. Allerdings kam es immer wieder zu Ausfällen, da das "Modulationskabel" immer wieder zerstört wurde. Entstörtrupps waren im Dauereinsatz, um das Kabel wieder zu reparieren.

Aber man wollte nun auch wieder Außenreportagen senden. Viele dieser erforderlichen Geräte waren verschollen oder zerstört. Man bediente sich zunächst der übrig gebliebenen Wehrmachtsfunkgeräte. Im Funkhaus selber wurden dann schon wieder Bandmaschinen zum Einsatz gebracht. Die in dieser Zeit sehr wertvollen Flaschenmikrofone (Neumann-Flasche) wurden nach Sendeschluß sorgsam verschlossen.

Am 5. Juni 1945 zogen die westlichen Alliierten in Berlin ein. Jetzt wurde der sowjetische Sendebetrieb zunehmend schwieriger. Berlin wurde 4 Sektorenstadt. Das Funkhaus lag nun im britischen Sektor. Der Sender Tegel stand im französischen Sektor und das zuständige Verstärkeramt lag im amerikanischen Sektor.

Es kam zu ersten richtigen Spannungen zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetischen Besatzungsmacht. Die französische Besatzungsmacht monierte, dass der Sender Tegel mit seinem hohen Sendemast den Flugbetrieb beeinträchtigt. So kam es, dass am 16.12.1948 der hölzerne Sendemast und der im Bau befindliche Stahrohrmast gesprengt wurden. Nun plötzlich war der ostdeutsche Berliner Rundfunk ohne Sender.

Sowjetische Techniker bauten dann den Sender Tegel ab. Seitdem befindet sich dieser Sender im Sendehaus 2 in Königs Wusterhausen.

Dieser 100 KW-Sender trägt den Namen "Sender21"

Wie ging es weiter mit dem Funkhaus in der Masurenallee? Die Lage für die Rundfunkmitarbeiter wurde zunehmend schwieriger. Um ihre Arbeit aufzunehmen mußten sie vor Dienstantritt im britischen Sektor zum Funkhaus und nach Dienstschluss wieder in den russischen Sektor. Die Spannungennahmen zur Berlin-Blockade zu. Die Briten riegelten das Funkhaus ab. Es kam kein Mitarbeiter mehr ins und auch kein Mitarbeiter mehr aus dem Funkhaus.

Mittlerweile wurde aber das Funkhaus für den Ost-Rundfunk in der Nalepastraße bezugsfertig, so dass die Sendungen dann von dort aus vorgenommen wurden. Das Funkhaus in der Masurenalle wurde dann von den Sowjets offiziell an die 3 westlichen Besatzungsmächte übergeben. Wieder war das Funkhaus stark verwüstet.

Aber das ist nun eine andere Geschichte.
Sehr interessant  Smile

Danke schön für diese historischen Info's, Andreas  Smiley32
Gibt es eine Fortsetzung?

Herzliche Grüße, von Peter
Wow, was für eine kurze, aber detailreiche Geschichte. Vielen Dank Andreas Smiley20
(13.02.2020, 13:42)Peter-MV schrieb: [ -> ]Sehr interessant  Smile

Danke schön für diese historischen Info's, Andreas  Smiley32
Gibt es eine Fortsetzung?

Herzliche Grüße, von Peter

...ich hoffe Ja!
Danke, Andreas!
Danke dir ebenfalls, für die interessante Geschichte um den Sender Tegel, der mir bislang unbekannt war.
Hallo Freunde,

ja danke, dass es Euch interessiert.

Es gibt ja am 13. Mai auf dem Funkerberg eine Gedenkstunde zum 75. Jubiläum der Wiederinbetriebnahme des Senders. Das findet am Senderhaus 2 statt. Leider ist das dann mitten in der Woche. Schade, wir hätten uns da gerne angeschlossen.

Ja, aber eine Fortsetzung direkt über den Sender Tegel kann ich Euch nicht bieten. Nur soviel, dass der Sender nach dem Umbau von Königs Wusterhausen aus weiterhin den Berliner Rundfunk mit voller Leistung sendete. Später wurde dann über diesen Sender bis 1985 das Programm des russischen Senders "Radio Wolga" abgestrahlt.
Manometer, ist das ein langer thread. Nachdem die Russen Berlin erobert hatten, fuhren viele Gueterzuege  mit Maschinen , Telefonen,  Radios und vielen anderen Sachen beladen Richtung Osten. Unser Sachsenwerk Olympia Super war auch dabei. Er war zum Abhoehren von BBC waehrend des Krieges bestens geeignet.  Schade. Nun sassen wir ohne Radio da. Irgentwie bekam meine Mutter einen sogenanten  "Berlin Stecker". Das ist ein, auf einen Sender fest eingestellter Detektor . Man steckt ihn einfach in eine Steckdose schliesst einen Kopfhoehrer an und hoehrt. Die Stromleitung diehnt als Antenne. VDE? Wir wohnten in Berlin -Tegel. Auf einmal war 'Sense'. Kein Empfang. Der Sendeturm  wurde gesprengt. Er stand auf dem Schiessplatz, suedlich vom Tegeler-See oestlich von der Havel.  Kann man auf alten Landkarten von Berlin sehen. Er wurde der franzoesische Militaer Flugplatz und spaehter der Flugplatz Tegel... Spaehter bekamen wir einen DKE mit einer voellig verbrauchten VCL11. Das sind die Erinnerungen aus meiner Kindheit. VY73 OH-Gerd.
Ein sehr interessanter Thread, danke Andreas.

Gruß
Wilhelm
Hallo Ihr Guten  Smile

Ich erwäge ernsthaft, am 13. Mai nach Königs Wusterhausen zu fahren, um diese Veranstaltung zu erleben.
Indes frage ich mich: Wird sie denn überhaupt stattfinden angesichts der aktuellen Lage unserer Gesellschaft?

Interessierte Grüße, von Peter
Natürlich entfällt auch diese Veranstaltung - leider Smiley26
Danke Andreas  Smile

Jo, damit hätte ich schon rechnen können. Wirklich schade  Undecided

Herzliche Grüße, von Peter
Hallo in die Runde,

die Veranstaltung mussten wir leider ausfallen lassen, aber unserem Sender Tegel (Sender 21) haben wir dennoch gedacht. 
Das war nämlich Thema im rbb radioeins Medienmagazin am Samstag und auch bei uns im Museumsradio Welle370 am Sonntag noch etwas ausführlicher.

Beide Sendungen findet Ihr im Podcast des radioeins Medienmagazins. 

Herzliche Grüße und viel Spaß, 
Matthias

https://www.radioeins.de/archiv/podcast/...gazin.html
oder
https://www.wwwagner.tv/?p=46936

[Bild: 20200516_podcast_1024%C3%97512.jpg][Bild: welle370_kopf.png]
Hallo Matthias,

als Freund und großer Fan des Funkerberg-Museums freue ich mich natürlich, dass Du hier bei uns Mitglied geworden bist. Wir hatten uns ja mit einigen Forumsfreunden im Februar auf dem Funkerberg eingefunden, um die Vorführung der Radios aus unterschiedlichen Epochen zu verfogen. Es war wie immer sehr interessant. Ich freue mich sehr, dass das Museum die Krisen alle bewältigt hat und heute ein fester Bestandteil von Königs Wusterhausen ist. Was habe ich damals hier in Peine Unterschriften für den Erhalt des Museums gesammelt und nach KW-H. geschickt. Auch muss ich immer wieder den Rainer Sukop mit seinen Ideen loben. Er ist schon ein Gewinn für das Museum. Aber auch die anderen "Macher" sind sehr engagiert. Ich mußte das mal los werden. Ja, die Feierstunde am Sender Tegel. Ich wäre da gerne mit meiner Frau dabei gewesen. Du hast ja weiter oben gelsen, dass ich mich mit dem Sender sehr befaßt habe. Es wäre schon ein Wunsch und großer Traum von mir, mal diesen geschichtsträchtigen Sender ansehen zu dürfen. Nach dem Desaster mit diesen verfluchten Kupferdieben ist er ja nicht mehr jedem zugänglich. Vielleicht könnte man sich ja nach der "C"-Krise mit ein paar Sammlerkollegen hier vom Forum verabreden und dann könnten wir evtl. mal vorsichtig nach einer Besichtigung des Senders fragen?

Ich sagte schon bei unserer letzten Zusammenkunft, dass wir uns einmal jährlich im kleinen Kreis in unserem gemütlichen Lokal in Königs Wusterhausen treffen könnten. Anschließend geht es dann zum Funkerberg. Wobei schade ist, dass der Wasserturm geschlossen ist. Wie gerne habe ich da früher im Sommer draußen gesessen und das gute Berliner Kindl getrunken.
Hallo Andreas. Danke für die netten Zeilen. Ich habe Rainer (Suckow) Deinen Text weitergeleitet. Ich selbst kenne diesen Sender auch nur von Fotos. Das Gebäude kenne ich nur zum Teil (Erdgeschoss), den inzwischen gut gesicherten Sender konnte ich auch noch nicht besichtigen. Das Haus 2 ist leider nicht Teil des Museums.

Viele Grüße, Matthias
Oh Andreas habe dein Beitrag #1 heute erst gelesen.

Ich finde solche Geschichten vergangener Zeiten immer sehr Spannend. Schön das auch unsere damaligen "Gegner o. Befreier" großes Interesse am Fortbestand der Sendeanlage zeigten.