06.01.2022, 17:03
Servus Freunde der analogen Photographie,
ich danke an dieser Stelle ganz herzlich Vagabund für seinen Thread über seine Rolleiflex.
Denn Philipp teilte mir darin nicht nur rein zufällig endlich den Namen meiner Kiste mit, sondern er fixte mich mit seinen Fotos seiner Rolleiflex sowas von an, so dass ich mir, nachdenklich geworden, sofort eine zweite Reflekta II zulegte.
Warum?
Nun, meiner Reflekta II fehlt das Typenschild:
[attachment=96901]
Und außerdem funktionierte sie nicht mehr. Ihr Filmtransportknopf lässt sich nicht mehr bewegen, der Entfernungseinsteller sitzt bombenfest und ihr Verschluß war gespannt, aber nicht auslösbar.
Getreu Moschtis Motto, sinngemäß sich eine Arbeit auszusuchen, die einem Spaß macht, kam meine Vitrinen-Reflekta II auf den Werkstatt-Tisch. Der erste der zu reparierenden Gitarrenamps geht morgen zum Kunden zurück, der Werkstatt-Tisch ist also grad frei. Der nächste Amp kann warten und mein Fernseher Patriot ebenfalls. Rennt mir alles nicht weg. Ist schließlich nur Hobby und Hobby ist das was, was Spaß macht und Philip hat mich zurückversetzt in meine aktive Foto-Zeit.
Vagabund hat also Schuld. Und überhaupt.
Hier meine erworbene Reflekta II (man beachte das Gütezeichen unter dem Ernemann-Turm):
[attachment=96896]
Bei ihr funktionieren der Filmaufzug, der Auslöser und der Verschluss (der allerdings bei Zeiten >1/2 Sekunde hängt). Ebenso wie bei der Reflekta II aus der Vitrine lässt sich die Blende einstellen. Der Hebel für die Entfernungseinstellung sitzt ebenfalls schusssicher fest, da geht nichts. Offenbar hat vorher jemand schon versucht, mit grober Gewalt ranzugehen, der Hebel ist leicht verbogen, was jedoch kein Problem darstellt, denn das kann man vorsichtig wieder gerade biegen.
Ich erspare mir alles weitere Technische und den gesellschaftlichen Kontext, in dem diese Kameras entstanden sind. Wer mag, der googelt und es finden sich viele Abhandlungen zur Reflekta II, stellvertretend für viele zum Beispiel diese hier. Auch zu den verschiedenen Verschlüssen (Prontor, Cludor, Vebur, Velax, etc.) und ihren zugehörigen Objektiven darf man sich bei Interesse gern selbst belesen. Meine beiden Reflektas haben einen Vebur-Verschluss zusammen mit einem Objektiv Pololyt 3,5/75 vom damaligen VEB Rathenower Optische Werke. Beim Kauf der zweiten Reflekta II habe ich drauf geachtet, eine Kamera mit der gleichen Verschluss-/Objektivkombination zu bekommen.
So. Alles geklärt, es geht los. Ich möchte als erstes die fest sitzende Entfernungseinstellung wieder gangbar machen.
Halt, noch eines: Die zweite Kamera wird meine "richtige" werden. Die Vitrinen-Kamera dient mir als Schraub-, Lehr- und Anschauungsobjekt zum Üben. Sollte bei der zweiten Kamera was defekt sein, dann dient mir die Vitrinen-Reflekta II als Ersatzteilspender (sofern nicht die gleichen Teile im Eimer sind). Und komme ich nicht weiter, zum Beispiel bei der Verschlußmechanik, dann geht im schlimmsten Fall nur die der Vitrinen-Kamera entzwei und an die der anderen Kamera gehe ich dann so ohne Weiteres nicht mehr ran, bis ich fachkundige Hilfe kriege.
So, jetzt aber.
Eine solche Blechkamera auseinander zu nehmen, ist relativ einfach, wenn man mit Bedacht zur Sache geht. Philipp, danke für Deine wertvollen Hinweise! Im Web gibt es wohl hie und da einige wenige Beschreibungen dazu, die finde ich etwas dürftig.
Mein Arbeitsplatz sieht so aus:
[attachment=96897]
Gutes Uhrmacherwerkzeug und eine Pinzette sind angezeigt. Als Unterlage benutze ich einen Lautsprecher-Bespannstoff für Marshall-Gitarrenboxen. Dieses papierähnliche und sehr feste Material ist nicht fasernd und aufgrund der groben Maschen bestens geeignet, die winzigen Schräubchen nicht davonkullern zu lassen, wenn eine doch mal vorwitzig aus der Pinzette flutscht.
Man schraubt die vordere Chromblende mit der Entfernungsskala ab. Dann sind am Lichtschacht rechts und links seitlich jeweils zwei Schräubchen zu lösen und der Lichtschacht lässt sich bequem nach vorn herauskippen. Interessantes Detail: Der Lichtschacht meiner Vitrinen-Reflekta II hat glattes Blech, während der Lichtschacht der gekauften Reflekta II ein Blech hat, welches mit einer Art Kräusellack versehen ist. Auch das Gehäuse ist im Gegensatz zum glatt Lackierten der Vitrinen-Kamera mit diesem Lack versehen. Sieht gut aus! Im Lichtschacht findet man übrigens den für Damals typischen Sportsucher und eine Lupe. Die Lupe der gekauften Kamera ist defekt, aber hier kann man möglicherweise eben aus zweien eine machen.
Vier seitliche Schräubchen an den Gehäuseecken sind zu lösen, dann kann man den Deckel u.U. mit Hilfe einer Schraubenzieherklinge (beherztes Drücken und Drehen hat bei mir genügt, es gibt keine Kratzer im lackierten Blech) abheben. Vorher ist das Sucherobjektiv abzuschrauben (auf dem Foto links oben zu sehen).
Der Deckel (auf dem Foto mittig unter dem Lichtschacht) geht mit etwas Ächzen und Würgen ab. Es verbiegt sich nichts, es geht nichts kaputt, man muss nur etwas drehen und fummeln. Elegant ist das allerdings nicht oder ich stelle mich hier zu blöd an. Philipp, hast Du eine Idee für eine elegante oder gar korrekte Lösung?
Ist der Deckel ab, dann sieht man die Technik vor sich: Auslösemechanik, Objektiv für das Bild unten und (hier bereits abgeschraubtes) Sucherobjektiv oben:
[attachment=96898]
Ein beherztes Umdrehen des Gehäuses: Man findet vier schwarz mattierte Schräubchen rund um das Schneckengetriebe des Bildobjektivs. Ab dafür und man kann nun die komplette Mimik abnehmen, die da beinhaltet: Objektiv fürs Bild mit dem davor befestigten Verschluss mit der innenliegenden Blende. Das obere Objektiv ist abgeschraubt:
[attachment=96899]
[attachment=96900]
Gut ist jetzt auch das festgebackene Schneckengetriebe mit seinem Verstellhebel zu sehen. Zur Funktion und seinen Bedienelementen schreibe ich später was. Jetzt ist erst einmal die erste Hürde geschafft: Die festgebackene Mechanik liegt frei. Den Verschluss konnte ich nun nach sicherlich vielen Jahrzehnten des Stillstandes ohne Probleme auslösen.
Falls jemand die korrekten Bezeichnungen der Mechaniken und Mimiken zur Hand hat, gerne her damit.
Gruß und Gut Licht
Michael
ich danke an dieser Stelle ganz herzlich Vagabund für seinen Thread über seine Rolleiflex.
Denn Philipp teilte mir darin nicht nur rein zufällig endlich den Namen meiner Kiste mit, sondern er fixte mich mit seinen Fotos seiner Rolleiflex sowas von an, so dass ich mir, nachdenklich geworden, sofort eine zweite Reflekta II zulegte.
Warum?
Nun, meiner Reflekta II fehlt das Typenschild:
[attachment=96901]
Und außerdem funktionierte sie nicht mehr. Ihr Filmtransportknopf lässt sich nicht mehr bewegen, der Entfernungseinsteller sitzt bombenfest und ihr Verschluß war gespannt, aber nicht auslösbar.
Getreu Moschtis Motto, sinngemäß sich eine Arbeit auszusuchen, die einem Spaß macht, kam meine Vitrinen-Reflekta II auf den Werkstatt-Tisch. Der erste der zu reparierenden Gitarrenamps geht morgen zum Kunden zurück, der Werkstatt-Tisch ist also grad frei. Der nächste Amp kann warten und mein Fernseher Patriot ebenfalls. Rennt mir alles nicht weg. Ist schließlich nur Hobby und Hobby ist das was, was Spaß macht und Philip hat mich zurückversetzt in meine aktive Foto-Zeit.
Vagabund hat also Schuld. Und überhaupt.
Hier meine erworbene Reflekta II (man beachte das Gütezeichen unter dem Ernemann-Turm):
[attachment=96896]
Bei ihr funktionieren der Filmaufzug, der Auslöser und der Verschluss (der allerdings bei Zeiten >1/2 Sekunde hängt). Ebenso wie bei der Reflekta II aus der Vitrine lässt sich die Blende einstellen. Der Hebel für die Entfernungseinstellung sitzt ebenfalls schusssicher fest, da geht nichts. Offenbar hat vorher jemand schon versucht, mit grober Gewalt ranzugehen, der Hebel ist leicht verbogen, was jedoch kein Problem darstellt, denn das kann man vorsichtig wieder gerade biegen.
Ich erspare mir alles weitere Technische und den gesellschaftlichen Kontext, in dem diese Kameras entstanden sind. Wer mag, der googelt und es finden sich viele Abhandlungen zur Reflekta II, stellvertretend für viele zum Beispiel diese hier. Auch zu den verschiedenen Verschlüssen (Prontor, Cludor, Vebur, Velax, etc.) und ihren zugehörigen Objektiven darf man sich bei Interesse gern selbst belesen. Meine beiden Reflektas haben einen Vebur-Verschluss zusammen mit einem Objektiv Pololyt 3,5/75 vom damaligen VEB Rathenower Optische Werke. Beim Kauf der zweiten Reflekta II habe ich drauf geachtet, eine Kamera mit der gleichen Verschluss-/Objektivkombination zu bekommen.
So. Alles geklärt, es geht los. Ich möchte als erstes die fest sitzende Entfernungseinstellung wieder gangbar machen.
Halt, noch eines: Die zweite Kamera wird meine "richtige" werden. Die Vitrinen-Kamera dient mir als Schraub-, Lehr- und Anschauungsobjekt zum Üben. Sollte bei der zweiten Kamera was defekt sein, dann dient mir die Vitrinen-Reflekta II als Ersatzteilspender (sofern nicht die gleichen Teile im Eimer sind). Und komme ich nicht weiter, zum Beispiel bei der Verschlußmechanik, dann geht im schlimmsten Fall nur die der Vitrinen-Kamera entzwei und an die der anderen Kamera gehe ich dann so ohne Weiteres nicht mehr ran, bis ich fachkundige Hilfe kriege.
So, jetzt aber.
Eine solche Blechkamera auseinander zu nehmen, ist relativ einfach, wenn man mit Bedacht zur Sache geht. Philipp, danke für Deine wertvollen Hinweise! Im Web gibt es wohl hie und da einige wenige Beschreibungen dazu, die finde ich etwas dürftig.
Mein Arbeitsplatz sieht so aus:
[attachment=96897]
Gutes Uhrmacherwerkzeug und eine Pinzette sind angezeigt. Als Unterlage benutze ich einen Lautsprecher-Bespannstoff für Marshall-Gitarrenboxen. Dieses papierähnliche und sehr feste Material ist nicht fasernd und aufgrund der groben Maschen bestens geeignet, die winzigen Schräubchen nicht davonkullern zu lassen, wenn eine doch mal vorwitzig aus der Pinzette flutscht.
Man schraubt die vordere Chromblende mit der Entfernungsskala ab. Dann sind am Lichtschacht rechts und links seitlich jeweils zwei Schräubchen zu lösen und der Lichtschacht lässt sich bequem nach vorn herauskippen. Interessantes Detail: Der Lichtschacht meiner Vitrinen-Reflekta II hat glattes Blech, während der Lichtschacht der gekauften Reflekta II ein Blech hat, welches mit einer Art Kräusellack versehen ist. Auch das Gehäuse ist im Gegensatz zum glatt Lackierten der Vitrinen-Kamera mit diesem Lack versehen. Sieht gut aus! Im Lichtschacht findet man übrigens den für Damals typischen Sportsucher und eine Lupe. Die Lupe der gekauften Kamera ist defekt, aber hier kann man möglicherweise eben aus zweien eine machen.
Vier seitliche Schräubchen an den Gehäuseecken sind zu lösen, dann kann man den Deckel u.U. mit Hilfe einer Schraubenzieherklinge (beherztes Drücken und Drehen hat bei mir genügt, es gibt keine Kratzer im lackierten Blech) abheben. Vorher ist das Sucherobjektiv abzuschrauben (auf dem Foto links oben zu sehen).
Der Deckel (auf dem Foto mittig unter dem Lichtschacht) geht mit etwas Ächzen und Würgen ab. Es verbiegt sich nichts, es geht nichts kaputt, man muss nur etwas drehen und fummeln. Elegant ist das allerdings nicht oder ich stelle mich hier zu blöd an. Philipp, hast Du eine Idee für eine elegante oder gar korrekte Lösung?
Ist der Deckel ab, dann sieht man die Technik vor sich: Auslösemechanik, Objektiv für das Bild unten und (hier bereits abgeschraubtes) Sucherobjektiv oben:
[attachment=96898]
Ein beherztes Umdrehen des Gehäuses: Man findet vier schwarz mattierte Schräubchen rund um das Schneckengetriebe des Bildobjektivs. Ab dafür und man kann nun die komplette Mimik abnehmen, die da beinhaltet: Objektiv fürs Bild mit dem davor befestigten Verschluss mit der innenliegenden Blende. Das obere Objektiv ist abgeschraubt:
[attachment=96899]
[attachment=96900]
Gut ist jetzt auch das festgebackene Schneckengetriebe mit seinem Verstellhebel zu sehen. Zur Funktion und seinen Bedienelementen schreibe ich später was. Jetzt ist erst einmal die erste Hürde geschafft: Die festgebackene Mechanik liegt frei. Den Verschluss konnte ich nun nach sicherlich vielen Jahrzehnten des Stillstandes ohne Probleme auslösen.
Falls jemand die korrekten Bezeichnungen der Mechaniken und Mimiken zur Hand hat, gerne her damit.
Gruß und Gut Licht
Michael