11.02.2022, 02:46
Hallo zusammen,
im folgenden habe ich zusammengestellt, welche Genauigkeiten bei Digitalmultimetern der unterschiedlichen Geräteklassen zu erwarten sind.
Diesen Artikel schreibe ich auch als Entscheidungshilfe, welche Geräteklasse für welchen Zweck zu wählen ist.
Zum anderen möchte ich aufklären, was tatsächlich an Messgenauigkeit zu erwarten ist.
Grundsätzlich gilt nach der 'reinen Lehre', dass ein Messmittel um den Faktor 10 genauer sein soll, als der zu messende Wert.
Möchte ich also z.B. eine Anodenspannung von 300V auf 1 Volt genau messen, so müsste mein Messmittel auf 0,1V genau anzeigen.
Die Auswahl der hier beschriebenen Messgeräte erfolgte zufällig aus dem Angebot eines bekannten deutschen Versandhändlers.
Geräte, für welche kein Datenblatt zur Verfügung standen, wurden nicht berücksichtigt.
1. Messgerätegenauigkeit und Kalibriergenauigkeit
Die Messgerätegenauigkeit beschreibt die zulässige Abweichung, welche der Gerätehersteller seinem Gerät zugesteht.
Diese Genauigkeiten sind im Datenblatt spezifiziert.
Hier lauert aber bereits die erste Falle!
Im allgemeinen gelten die von den Herstellern angegebenen Genauigkeiten für 1 Jahr und bei einer Temperatur von 23°C +-5°C.
Dies ist auch der Grund dafür, dass Messmittel im gewerblichen Umfeld regelmäßig, im Regelfall einmal jährlich, zur Kalibrierung in ein Kalibrierlabor gehen.
Die Kalibriergenauigkeit hingegen zeigt den tatsächlichen Messwert, welche das Gerät bei einem vom Kalibrator vorgegebenen Referenzwert anzeigt, hier ist dann auch die Kalibrierunsicherheit angegeben, da ja auch der beste Kalibrator Abweichungen hat.
Bei den nun folgenden Betrachtungen zur zu erwartenden Genauigkeit bleiben wir beim Beispiel einer Anodenspannung von 300V, welche zu messen sei.
2. Genauigkeiten einiger handelsüblicher Digitalmultimeter
Die hier betrachteten Multimeter habe ich zufällig aus dem Angebot eines bekannten deutschen Versenders ausgewählt!
Bei der vorgenommen Auswahl handelt es sich nicht um irgendwelche Empfehlungen, allein schon deswegen nicht, weil sich keines der besprochenen Geräte in meinem Besitz befindet!
Die angegebenen Spezifikationen beziehen sich auf den für die beschriebene Messaufgabe benötigten Messbereich.
Bei der Auswahl habe ich bewusst Geräte berücksichtigt, welche sich vom Kaufpreis her an den Möglichkeiten eines Hobbyisten orientieren!
Aufgrund des Hinweises eines aufmerksamen Forumskollegen wurden bei zwei Geräten die technischen Angaben präzisiert!
Hier sind wohl beim Versender veraltete Datenblätter hinterlegt.
Beispiel 1: Uni-T UT 139A, True-RMS, 2000 Counts, 39,99 €
Dieses Gerät ist eines der wenigen Geräte in der 2000-Counts Klasse, welches einen Messbereich > 200V besitzt!
Aufgrund der für diese Geräteklasse unüblichen Ausstattung mit Autorange, beleuchtbarem Display usw. ist es für diese Geräteklasse relativ teuer.
Zu erwartende Genauigkeit:
Der 600V-Bereich ist im Datenblatt nicht spezifiziert, daher lege ich die Spezifikation des 200V-Bereichs zu Grunde.
Messfehler +-(0,7% +3 Digits), 1 Digit ist im 600V-Bereich 1V.
Somit ergibt sich der zulässige Messfehler zu 300V * 0,5% = 1,5V + 2V (= 2 Digits) = 3,5V.
Das bedeutet, wenn das Gerät einen Wert von 300V anzeigt, liegt der tatsächliche Wert zwischen 296,5 und 303,5 Volt!
Beispiel 2: Xlabs VAL MS0110, True-RMS, 4000 Counts, 28,95 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 400V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, somit 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(0,5% + 3 Digits)
Somit ergibt sich der zulässige Messfehler zu 300V * 0,5% = 1,5V + 0,3V (= 3 Digits) = 1,8V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 298,2 und 301,8 Volt!
Beispiel 3: PEAKTECH 3320, True-RMS, 6000 Counts, 72,95 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 600V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, also 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(1% + 2 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 1% = 3V + 0,2V (= 2 Digits) = 3,2V
Bei einem Anzeigewert von 300V ist dann der tatsächliche Wert irgendwo zwischen 296,8 und 303,2 Volt!
Beispiel 4: PEAKTECH 2030, True-RMS, 6000 Counts, 69,99 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 600V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, also 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(0,5% + 3 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,5% = 1,5V + 0,3V (= 3 Digits) = 1,8V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 298,2 und 301,8 Volt!
Beispiel 5: RND 355-00010, True-RMS, 50000 Counts, 119,- € (Sonderangebot, sonst 199,99 €)
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 500V-Bereich eine Auflösung von 0,01V, also 1 Digit = 0,01V.
Spezifikation: +-(0,05% + 5 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,05% = 0,15V + 0,05V (= 5 Digits) = 0,18V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 299,82 und 300,18 Volt!
3. Geht es auch noch genauer?
Ja, es geht auch noch genauer!
Hier kommt jetzt die bereits oben erwähnte Kalibriergenauigkeit ins Spiel.
Wir wollen obiges Beispiel mal für mein VOLTCRAFT VC940 durchspielen, ein Gerät mit 40000 Counts Auflösung.
Dieses Gerät wird schon seit etlichen Jahren nicht mehr hergestellt, ich lasse es jedoch regelmäßig kalibrieren, wobei ich mich hier für einen zweijährigen Kalibrierzyklus entschieden habe.
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 400V-Bereich eine Auflösung von 0,01V, also 1 Digit = 0,01V.
Spezifikation: +-(0,1% + 10 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,1% = 0,3V + 0,1V (= 10 Digits) = 0,4V
Nun kenne ich aber aus dem Kalibrierschein die tatsächliche Abweichung!
Diese beträgt im 400V-Messbereich -60mV bei einer Kalibrierunsicherheit von +- 40mV.
Somit liegt der tatsächliche Messfehler nur noch zwischen -0,02 und -0,1V (im 400V-Messbereich).
Auch liegt bei diesem Messbereich die tatsächliche Abweichung des Gerätes bereits in der Nähe der Kalibrierunsicherheit!
Allerdings, und das sei nicht verschwiegen, kostet so eine Kalibrierung durch ein Kalibrierlabor auch Geld!
Bei dem von mir ausgewählten Labor kostet die Kalibrierung dieses Gerätes incl. Hin- und Rückversand rund 70,-€!
Eine Alternative zur Kalibrierung durch ein Labor ist der Vergleich mit einem bekannt genauen Messgerät, für das dann im Idealfall auch der Kalibrierschein einsehbar ist.
4. Fazit
Dieses Fazit gibt meine ganz persönliche Einschätzung wieder!
Welche Messgenauigkeit die Leser dieses Artikels haben wollen, bleibt einem jeden selbst überlassen, ich will hier nur aufzeigen, wie die Datenblattangaben zu interpretieren sind.
- Bei Geräten, für welche kein Datenblatt verfügbar ist: Finger weg, ihr wisst nicht, welche Messfehler möglich sind!
- Vor der Bestellung oder Kauf eines Messgerätes das Datenblatt sorgfältig studieren.
- Der Genauigkeitsgewinn zwischen 4000 und 6000 Counts ist unbedeutend, es sei denn, es wären häufig Spannungen zwischen 400V und 600V zu messen.
- Die Aussagekraft der ermittelten Messwerte lässt sich durch Kalibrieren oder überprüfen mit einem bekannt genauen Messgerät erheblich verbessern.
5. Zum Schluss
So, zum Schluss hoffe ich, dass ich nicht zu viel Verwirrung gestiftet habe!
Sollte noch Erklärungsbedarf bestehen, meldet euch bitte.
Ich stehe für weitere Erklärungen gerne bereit.
Viele Grüße
Martin
im folgenden habe ich zusammengestellt, welche Genauigkeiten bei Digitalmultimetern der unterschiedlichen Geräteklassen zu erwarten sind.
Diesen Artikel schreibe ich auch als Entscheidungshilfe, welche Geräteklasse für welchen Zweck zu wählen ist.
Zum anderen möchte ich aufklären, was tatsächlich an Messgenauigkeit zu erwarten ist.
Grundsätzlich gilt nach der 'reinen Lehre', dass ein Messmittel um den Faktor 10 genauer sein soll, als der zu messende Wert.
Möchte ich also z.B. eine Anodenspannung von 300V auf 1 Volt genau messen, so müsste mein Messmittel auf 0,1V genau anzeigen.
Die Auswahl der hier beschriebenen Messgeräte erfolgte zufällig aus dem Angebot eines bekannten deutschen Versandhändlers.
Geräte, für welche kein Datenblatt zur Verfügung standen, wurden nicht berücksichtigt.
1. Messgerätegenauigkeit und Kalibriergenauigkeit
Die Messgerätegenauigkeit beschreibt die zulässige Abweichung, welche der Gerätehersteller seinem Gerät zugesteht.
Diese Genauigkeiten sind im Datenblatt spezifiziert.
Hier lauert aber bereits die erste Falle!
Im allgemeinen gelten die von den Herstellern angegebenen Genauigkeiten für 1 Jahr und bei einer Temperatur von 23°C +-5°C.
Dies ist auch der Grund dafür, dass Messmittel im gewerblichen Umfeld regelmäßig, im Regelfall einmal jährlich, zur Kalibrierung in ein Kalibrierlabor gehen.
Die Kalibriergenauigkeit hingegen zeigt den tatsächlichen Messwert, welche das Gerät bei einem vom Kalibrator vorgegebenen Referenzwert anzeigt, hier ist dann auch die Kalibrierunsicherheit angegeben, da ja auch der beste Kalibrator Abweichungen hat.
Bei den nun folgenden Betrachtungen zur zu erwartenden Genauigkeit bleiben wir beim Beispiel einer Anodenspannung von 300V, welche zu messen sei.
2. Genauigkeiten einiger handelsüblicher Digitalmultimeter
Die hier betrachteten Multimeter habe ich zufällig aus dem Angebot eines bekannten deutschen Versenders ausgewählt!
Bei der vorgenommen Auswahl handelt es sich nicht um irgendwelche Empfehlungen, allein schon deswegen nicht, weil sich keines der besprochenen Geräte in meinem Besitz befindet!
Die angegebenen Spezifikationen beziehen sich auf den für die beschriebene Messaufgabe benötigten Messbereich.
Bei der Auswahl habe ich bewusst Geräte berücksichtigt, welche sich vom Kaufpreis her an den Möglichkeiten eines Hobbyisten orientieren!
Aufgrund des Hinweises eines aufmerksamen Forumskollegen wurden bei zwei Geräten die technischen Angaben präzisiert!
Hier sind wohl beim Versender veraltete Datenblätter hinterlegt.
Beispiel 1: Uni-T UT 139A, True-RMS, 2000 Counts, 39,99 €
Dieses Gerät ist eines der wenigen Geräte in der 2000-Counts Klasse, welches einen Messbereich > 200V besitzt!
Aufgrund der für diese Geräteklasse unüblichen Ausstattung mit Autorange, beleuchtbarem Display usw. ist es für diese Geräteklasse relativ teuer.
Zu erwartende Genauigkeit:
Der 600V-Bereich ist im Datenblatt nicht spezifiziert, daher lege ich die Spezifikation des 200V-Bereichs zu Grunde.
Messfehler +-(0,7% +3 Digits), 1 Digit ist im 600V-Bereich 1V.
Somit ergibt sich der zulässige Messfehler zu 300V * 0,5% = 1,5V + 2V (= 2 Digits) = 3,5V.
Das bedeutet, wenn das Gerät einen Wert von 300V anzeigt, liegt der tatsächliche Wert zwischen 296,5 und 303,5 Volt!
Beispiel 2: Xlabs VAL MS0110, True-RMS, 4000 Counts, 28,95 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 400V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, somit 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(0,5% + 3 Digits)
Somit ergibt sich der zulässige Messfehler zu 300V * 0,5% = 1,5V + 0,3V (= 3 Digits) = 1,8V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 298,2 und 301,8 Volt!
Beispiel 3: PEAKTECH 3320, True-RMS, 6000 Counts, 72,95 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 600V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, also 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(1% + 2 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 1% = 3V + 0,2V (= 2 Digits) = 3,2V
Bei einem Anzeigewert von 300V ist dann der tatsächliche Wert irgendwo zwischen 296,8 und 303,2 Volt!
Beispiel 4: PEAKTECH 2030, True-RMS, 6000 Counts, 69,99 €
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 600V-Bereich eine Auflösung von 0,1V, also 1 Digit = 0,1V.
Spezifikation: +-(0,5% + 3 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,5% = 1,5V + 0,3V (= 3 Digits) = 1,8V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 298,2 und 301,8 Volt!
Beispiel 5: RND 355-00010, True-RMS, 50000 Counts, 119,- € (Sonderangebot, sonst 199,99 €)
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 500V-Bereich eine Auflösung von 0,01V, also 1 Digit = 0,01V.
Spezifikation: +-(0,05% + 5 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,05% = 0,15V + 0,05V (= 5 Digits) = 0,18V
Daraus ergibt sich bei einem Anzeigewert von 300V ein tatsächlicher Wert zwischen 299,82 und 300,18 Volt!
3. Geht es auch noch genauer?
Ja, es geht auch noch genauer!
Hier kommt jetzt die bereits oben erwähnte Kalibriergenauigkeit ins Spiel.
Wir wollen obiges Beispiel mal für mein VOLTCRAFT VC940 durchspielen, ein Gerät mit 40000 Counts Auflösung.
Dieses Gerät wird schon seit etlichen Jahren nicht mehr hergestellt, ich lasse es jedoch regelmäßig kalibrieren, wobei ich mich hier für einen zweijährigen Kalibrierzyklus entschieden habe.
Zu erwartende Genauigkeit:
Das Gerät hat im 400V-Bereich eine Auflösung von 0,01V, also 1 Digit = 0,01V.
Spezifikation: +-(0,1% + 10 Digits)
Der zulässige Messfehler ergibt sich somit zu 300V * 0,1% = 0,3V + 0,1V (= 10 Digits) = 0,4V
Nun kenne ich aber aus dem Kalibrierschein die tatsächliche Abweichung!
Diese beträgt im 400V-Messbereich -60mV bei einer Kalibrierunsicherheit von +- 40mV.
Somit liegt der tatsächliche Messfehler nur noch zwischen -0,02 und -0,1V (im 400V-Messbereich).
Auch liegt bei diesem Messbereich die tatsächliche Abweichung des Gerätes bereits in der Nähe der Kalibrierunsicherheit!
Allerdings, und das sei nicht verschwiegen, kostet so eine Kalibrierung durch ein Kalibrierlabor auch Geld!
Bei dem von mir ausgewählten Labor kostet die Kalibrierung dieses Gerätes incl. Hin- und Rückversand rund 70,-€!
Eine Alternative zur Kalibrierung durch ein Labor ist der Vergleich mit einem bekannt genauen Messgerät, für das dann im Idealfall auch der Kalibrierschein einsehbar ist.
4. Fazit
Dieses Fazit gibt meine ganz persönliche Einschätzung wieder!
Welche Messgenauigkeit die Leser dieses Artikels haben wollen, bleibt einem jeden selbst überlassen, ich will hier nur aufzeigen, wie die Datenblattangaben zu interpretieren sind.
- Bei Geräten, für welche kein Datenblatt verfügbar ist: Finger weg, ihr wisst nicht, welche Messfehler möglich sind!
- Vor der Bestellung oder Kauf eines Messgerätes das Datenblatt sorgfältig studieren.
- Der Genauigkeitsgewinn zwischen 4000 und 6000 Counts ist unbedeutend, es sei denn, es wären häufig Spannungen zwischen 400V und 600V zu messen.
- Die Aussagekraft der ermittelten Messwerte lässt sich durch Kalibrieren oder überprüfen mit einem bekannt genauen Messgerät erheblich verbessern.
5. Zum Schluss
So, zum Schluss hoffe ich, dass ich nicht zu viel Verwirrung gestiftet habe!
Sollte noch Erklärungsbedarf bestehen, meldet euch bitte.
Ich stehe für weitere Erklärungen gerne bereit.
Viele Grüße
Martin