Radio-Bastler-Forum (RBF)

Normale Version: Dein UKW-Tuner, das unbekannte Wesen
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Inhalt

in diesem Artikel:
  • Schaltungsprinzip am Beispiel des UKW-Tuners aus dem NORA Boston
  • Außenansicht und Innenleben des Tuners
  • Mögliche Schwachpunkte
  • Beispiel einer Fehlersuche
in Artikel 2:
Warum wandern eigentlich Empfänger-Oszillatoren?
  • Frequenzbestimmende Komponenten des Oszillators
    • Schwingkreisspule
    • Drehkondensator
    • Festkapazitäten
      • Übersicht der TK-Kennzeichnungen
    • Röhreneingangsimpedanz
  • Unterschiedliche Aufwärmgeschwindigkeiten
  • Tunergehäuse
  • Ursachen fürs Weglaufen der Oszillatorfrequenz nach einigen Jahren
  • Unterschiedliche Fabrikate der ECC85
    • Glas-Ätzcodes
in Artikel 3:
  • Schaltungskonforme Spannungswerte
  • Widerstandswerte überprüfen
  • Gitteremission
  • Komponentenauswahl der Hersteller
in Artikel 4:
Reparatur des UKW-Tuners vom NORA Boston
  • Referenzröhre überprüfen
    • an einem Röhrenprüfgerät
    • an einem Referenztuner
  • Ankopplung per twisted-pair-Leitung
  • zu reparierenden Tuner mit der guten Röhre testen
in Artikel 5:
Folgefehler
  • Amplitudenschwankungen des Oszillatorsignals
  • Oszillatorschwingungen setzen nach einiger Zeit aus
  • Drift der Oszillatorfrequenz

Hallo Kollegen,

vor mir steht ein NORA Boston. Er funktioniert zwar auf den AM-Bändern, aber auf UKW leider nicht. Was tun?
Häufig lese ich im Forum: Hat nicht zufällig jemand einen Tuner gleicher Bauart, den er mir zukommen lassen möchte.
Warum eigentlich? Man kann die Dinger doch reparieren! Aha, hier sind wir beim Thema.
Den meisten von uns gibt die Funktion und Reparatur der UKW-Tuner ein schwer lösbares Rätsel auf.

Woher kommt diese Phobie vor UKW-Tunern? Liegt es an den hier verarbeiteten hohen Frequenzen, am gedrängten Aufbau, an den messtechnisch nicht so einfach zugänglichen Parametern? Am mangelnden Instrumentarium?
Natürlich vereinfacht es die Reparatur ganz ungemein, wenn man außer einem Spannungs- und Strommessgerät und einer Lupe auch einen Messsender und einen Oszillographen besitzt, dessen Y-Verstärker und Triggereinheit bis 100 MHz reichen. Muss man aber nicht. Ob der Oszillator des UKW-Tuners schwingt, kann man genauso gut mit einem 2. Radio mit funktionierendem UKW-Bereich feststellen. Der Oszillator schwingt nämlich zwischen 88 +10,7 MHz = 98,7 MHz und 100 + 10,7 MHz = 110,7 Mz. Das obere Ende kann man also auf einem normalen UKW-Radio nicht mehr empfangen, das untere - und noch ein wenig höher - aber schon.

Aber der Reihe nach:
Ich beschränke mich hier auf UKW-Tuner mit einer ECC85, also einer Bestückung, die man in der Mehrzahl der Geräte aus den Fünfzigern vor sich hat.

Schaltungsprinzip am Beispiel des UKW-Tuners aus dem NORA Boston
Das Schaltungsprinzip ist meist das folgende:

1. Triode der ECC85:
Vorverstärker und Trennung der Oszillatorstufe vom Antenneneingang zwecks Vermeidung parasitärer Abstrahlung der Oszillatorfrequenz.

2. Triode: Selbstschwingende Mischstufe: Die 2. Triode ist also Oszillator und Mischstufe in einem.

Schauen wir uns mal den Schaltplan des UKW-Tuners des NORA Boston an:

[attachment=109670]

Links der mit 1.11 bezeichnete Dipol-Anntenneneingang. Die Ankopplung des Antennensignals an das Gitter der 1. Triode erfolgt breitbandig mit Hilfe eines Ferrit-Lochkerntransformators (1.2). Das Gitter der 1. Triode erhält vom Ratio-Detektor über 220 kOhm eine negative Regelspannung. Um einen für diese Regelung geeigneten Spannungshub zu produzieren, wird die sich am Ratio-Elko aufbauende Spannung um einen Faktor 6 heruntergeteilt.
Die Anode der 1. Triode führt über ein Dämpfungsglied 1.3 (zur Vermeidung wilder Schwingungen) auf den ersten abgestimmten Kreis, bestehend aus dem Drehko 1C6, einem Trimmkondensator 3-15pF und einer Spule.

Das Signal vom Hochpunkt dieses Kreises wird symmetriert auf den Gitterkreis der 2. Triode eingekoppelt. Dieser koppelt induktiv auf den Oszillatorschwingkreis, bestehend aus
- der Schwingkreisspule, deren Mittelzapf über 16 pF auf die Anode geht (also eine Rückkopplung so wie beim Audion)
- einem Trimmkondensator 2-10 pF
- dem zweiten Drehkopaket mit parallel liegendem Festkondensator 7 pF.
- Wenn man mit zwei identischen Drehkopaketen arbeitet, muß man das Oszillatorpaket natürlich mit einem Paddingkondensator verkürzen (die Oszillatorfrequenz soll ja um 10,7 MHz höher liegen als die des Eingangssignals. Deswegen liegt in Reihe zum Drehko der Kondensator von 60 pF.

Die Anode der 2. Triode führt auf das erste 10,7-MHz-Zwischenfrequenzfilter. Dessen Sekundärseite wird bei UKW-Empfang auf das Steuergitter der ECH81 geschaltet. Während das Steuergitter der ECH81 bei AM-Empfang über 1 MOhm eine Schwundregelspannung erhält, wird es bei UKW-Empfang über den Sekundärwickel des 1. ZF-Filters mit 470 KOhm parallel 100 pF auf Masse gelegt. Die ECH81 arbeitet in diesem Fall also als 1. (ungeregelte) 10,7-MHz-Verstärkerstufe.

Das war's schon - also kein großes Mysterium!

Außenansicht und Innenleben des Tuners
Jetzt mal ein paar Bilder vom NORA Boston Tuner.

[attachment=109671][attachment=109672]

Hier sieht man die Außenansicht mit den Anschlussleisten: Einmal 3-polig für den Anschluss des ZF-Ausgangs und Masse, einmal 7-polig für den Anschluss der Versorgungsspannungen und den Dipol-Antennen-Eingang.

Nun zum Innenleben:

[attachment=109673][attachment=109674]

Das linke Bild zeigt die Oszillatorsektion mit der komplizierten Oszillatorspule, Trimmkondensator 2-10 pF und Restbeschaltung; das rechte Bild zeigt die Spule des abgestimmten Kreises an der Anode des 1. Triodensystems und ihren Paralleltrimmer 3-15pF. In dem gelben Isolierschlauch versteckt sich das Dämpfungsglied - 120-Ohm-Widerstand mit draufgewickelter Spule. Auf beiden Bildern sieht man dicht bei der 7-poligen Anschlussleiste den braun lackierten Ferrit-Lochkerntrafo, der das Antennensignal auf den Eingang der 1. Triode koppelt.

Die Unterseite der Schaltung ist weniger spektakulär:

Man sieht den langen Spulenkörper des ersten 10,7 MHz ZF-Filters und die Widerstände zur Einstellung der Arbeitspunkte.

[attachment=109675][attachment=109676]

Mögliche Schwachpunkte
Irgendwie fragt man sich, was da eigentlich kaputt gehen soll? Ist ja kaum etwas drin. Also die Röhrenfassung kann's schon mal nicht sein. Keramische Fassungen der Fa. Preh halten die Röhren wie einzementiert. Aber es gibt schon Schwachpunkte:

  1. Die Trimmkondensatoren, deren Rotor- oder Statorkontaktierung aufgeht, oder bei denen die Silberbeschichtung des Rotors durch atmosphärische Einflüsse über die Jahre zu Silberoxid oder - sulfid geworden ist. Das ist häufig schwer erkennbar, da auch eine alte Silberschicht schwarz aussieht. In solchen Fällen male ich die Silberbeschichtung mit einem 000 Künstlerpinsel unter Verwendung einer Silberkolloidlösung nach. Auch bei Kontaktproblemen zwischen dem Kopf der Stellschraube und der Silberbeschichtung des Rotors sowie bei Kontaktproblemen zwischen dem Hohlniet und der Silberbeschichtung des Stators verwende ich diese Lösung. Hier sieht man mal Bilder der drei im NORA-Boston-Tuner verwendeten Trimmkondensatoren.

    [attachment=109677][attachment=109678][attachment=109679]

    Ob es wirklich Kontaktprobleme gibt, wird sich demnächst herausstellen.

  2. Die Widerstände: Im vorliegenden Modell werden Widerstände der Fa. VITROHM verwendet, die gerne mal ihre Werte ändern. Man hatte sie gerne verwendet, weil sie aufgrund ihres inneren Aufbaus induktivitätsarm sind.

  3. Die Koppelkondensatoren - besonders die Scheibenkondensatoren. Durch den sehr kompakten Aufbau der Tuner sind die gelöteten Verbindungen sehr starr. Bei Erwärmung - und die Tuner erwärmen sich ziemlich, weil die ECC85 mit hohem Anodenstrom gefahren wird - treten durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten mechanische Spannungen auf, die schon mal einen Draht von einem Scheibchenkondensator abheben können. Muss man mal mit der Lupe gucken und an den Drähtchen zupfen.

  4. Natürlich werden durch die Erwärmung auch die Lötstellen belastet.

  5. Natürlich kann auch eines der dünnen Spulendrähtchen des ZF-Filters wegkorrodiert sein, weil es das Flussmittel nicht vertragen hat. Habe ich aber noch nicht erlebt. 

  6. Schlechter Kontakt in der Röhrenfassung. Ist bei Pertinaxfassungen häufiger anzutreffen, bei Keramikfassungen eigentlich selten.
Beispiel einer Fehlersuche
Wie kann man nun bei der Fehlersuche vorgehen?
  • Ich bestücke den Tuner mit einer ECC85, die auf dem RPM370 möglichst nahe bei den spezifizierten Werten liegt, und schaue mal, welche Ströme bei der im Schaltbild angegebenen Außenbeschaltung fliessen.

  • Sind die Ströme so ungefähr i.O., schaue ich, ob und wo der Oszillator schwingt. Dazu lege ich einen Tastkopf in die Nähe der Oszillatorspule und gehe damit auf meinen 100 MHz IWATSU Oszillographen oder meinen Frequenzzähler. Der Tastkopf darf nichts berühren, damit die Frequenz nicht zu stark verstimmt wird. Hat man keine solchen Instrumente, kann man einen Draht in die Nähe der Oszillatorspule legen und damit auf den Antenneneingang eines UKW-Radios. Sehe oder höre ich trotz intakter ECC85 kein Oszillatorsignal, oder ist die Frequenz total daneben, schaue ich mir die Komponenten des Oszillator-/Mischerkreises genauer an. Das heisst ja, dass entweder die Rückkopplungsbedingung nicht erfüllt ist, oder sie ist erfüllt, aber der Oszillatorkreis ist verstimmt. Zu dieser Überprüfung gehört auch, daß man schaut, ob die Schleifkontakte des Drehkos intakt sind. Die kann man mit einer feinen Pinzette, einem Miniknüddel Kleenex und einem Silberputzmittel reinigen.
    Eigentlich ist es nur eine Frage der konsequenten Überprüfung jeder Komponente des Oszillatorkreises, bis man den Wurm gefunden hat.

  • Schwingt der Oszillator korrekt, und ich höre trotzdem nichts, muss man sich die Beschaltung der 1. Triode anschauen... auch, ob sich vielleicht eines der Drähtchen der Ferrit-Lochkerntrafos oder des 1. ZF-Filters gelöst hat.

  • Manchmal werden die Heizspannung, Regelspannung und Anodenspannung über Durchführungskondensatoren in das Tunerkästchen geführt. Sind diese beschädigt, kann das dazu führen, daß hochfrequente Spannungen an den hinter den Durchführungen liegenden Komponenten kein definiertes Massepotential mehr sehen. Auch das kann zum Funktionsausfall eines Tuners führen. Kurzschlüsse durch defekte Durchführungskondensatoren erkennt man übrigens an der Stromaufnahme.

Sicher, es gibt viele verschiedene Schaltungsvarianten, die sich aber in den Grundzügen immer ähneln. Ich wollte hier nur an einem aktuellen Beispiel erläutern, was so alles an einem Ausfall des UKW-Empfangs Schuld sein kann.

Natürlich kann die Ursache auch in der darauf folgenden Aufbereitung des 10,7-MHz-ZF-Signals bis hin zum Ratio-Detektor oder sogar einem der Schalter zur Umschaltung des Signalweges (vor der ECH81 oder dem Eingang des NF-Verstärkers) liegen.
In diesem Artikel:
Warum wandern eigentlich Empfänger-Oszillatoren?
  • Frequenzbestimmende Komponenten des Oszillators
    • Schwingkreisspule
    • Drehkondensator
    • Festkapazitäten
      • Übersicht der TK-Kennzeichnungen
    • Röhreneingangsimpedanz
  • Unterschiedliche Aufwärmgeschwindigkeiten
  • Tunergehäuse
  • Ursachen fürs Weglaufen der Oszillatorfrequenz nach einigen Jahren
  • Unterschiedliche Fabrikate der ECC85
    • Glas-Ätzcodes

Warum wandern eigentlich Empfänger-Oszillatoren?
Die Schwingungsfrequenz von Oszillatoren wird bestimmt durch die L- und C-Werte des frequenzbestimmenden Schwingkreises. Da, wie unten noch näher erläutert wird, diese Werte temperaturabhängig sind, versucht man durch geschickte Wahl der einzelnen Temperaturkoeffizienten TK (das sind die relativen Änderungen der Kapazitäts- bzw. Induktivitätswerte pro °C)  zu einem Aufbau zu gelangen, bei dem die Schwingungsfrequenz über einen möglichst weiten Temperaturbereich konstant ist - weil sich eben die Auswirkung der ganzen aller Temperaturkoeffizienten kompensiert. Einfach gesagt: "L" läuft genau so viel in der einen Richtung weg wie "C" in der anderen. Dann erhält man aus der Thomsonschen Schwingungsgleichung, in der das Produkt aus L und C steht, immer die gleiche Frequenz:
[attachment=113416]

Läuft ein Oszillator während der Aufwärmphase eines Gerätes weg, so ist die Temperaturkompensation offensichtlich nicht vollständig. Das Phänomen kennt man nicht nur von UKW-Tunern, sondern schon von früheren Kurzwellenempfängern. Bei GELOSO gab's mal einen KW-Empfänger, den die Kurwellenamateure liebevoll den "Wanderwellenempfänger" nannten. Auf UKW ist das noch ein viel kniffligeres Problem, da Änderungen in den L- und C-Werten der frequenzbestimmenden Komponenten im Oszillator noch viel schlimmere Auswirkungen auf die Oszillatorfrequenz haben. Da gibt es tatsächlich Radios, bei denen die UKW-Skala während der Aufwärmphase zunächst nach links und dann nach rechts läuft.

Um zu verstehen, was da passiert, muss man sich zunächst einmal klarmachen, welche die frequenzbestimmenden Komponenten des Oszillators sind:
  1. Die Schwingkreisspule hat einen positiven Temperaturkoeffizienten. Das heisst: Steigt ihre Temperatur an, so dehnt sich die Spule aus und ihre Induktivität steigt. Warum? Weil die Induktivität mit dem Quadrat des Durchmesser steigt, aber nur linear mir der Länge abnimmt.
    Schwierig wird die Sache bei Tunern mit induktiver Abstimmung (wie den TFK-Tunern bei Jubilate, Gavotte etc.). Da muss man spezielle mechanische Vorkehrungen treffen, damit sich der Spulenkern nicht durch die differentielle thermische Ausdehnung der Spule aus der Spule herauszieht.

  2. Der Drehko hat einen negativen Temperaturkoeffizienten - wenn er sich erwärmt, dehnt er sich aus und der Plattenabstand vergrößert sich. Die Kapazität des Plattenkondensators sinkt mit wachsendem Plattenabstand.

  3. Alle in den Schwingkreis eingehenden Festkapazitäten - also Scheibchen, Röhrchen und Trimmer. Hier wird die Sache schon interessanter. Man kann nicht irgendwelche Kondensatoren nehmen, nur weil sie den richtigen Kapazitätswert haben, sondern muss darauf bedacht sein, dass der Temperaturkoeffizient dieser Kondensatoren so gewählt wird, dass im Endeffekt die Temperaturdrift der Oszillatorfrequenz von Kaltzustand bis zum Warmzustand des Gerätes möglichst gering ist. So erklärt sich, dass man in Oszillatoren meist Kondensatoren mit orangem Farbpunkt antrifft. Die haben nämlich einen leicht negativen Temperaturkoeffizienten (150 x 10^-6 / K), der in der Mehrzahl der Fälle gerade so die Temperaturdrift der anderen Komponenten ausgleicht. Hier mal ein paar Bilder von einem Telefunken Gavotte Tuner mit solchen orangen Kondensatoren (es gibt auch einen mit lila Punkt, der ist aber nicht frequenzbestimmend):

    [attachment=109681][attachment=109682][attachment=109683]

    Nachfolgend eine Übersicht der TK-Kennzeichnungen

    [attachment=109680]

    Verwendet man Kondensatoren mit lila Farbpunkt im Oszillatorkreis, bekommt man den Oszillator nie stabil!

    Ich habe übrigens bei einem solchen "Wanderwellenempfänger" auch schon einmal versucht, die Oszillatorkreis-Kondensatoren gegen solche mit anderem TK auszutauschen. Ich habe da größere Vorräte mit unterschiedlichen Farbpunkten. Bekommt man letztenendes auch hin, ist aber sehr mühsam, weil man ja auch noch die Distanz zu den sich erwärmenden Beinchen der Röhrenfassung richtig hinbekommen muss.

  4. Und nun kommt das Unangenehmste: Alle über induktive Kopplung in den Oszillatorkreis hinein transformierten Impedanzen beeinflussen natürlich ebenfalls die Oszillatorfrequenz und die Röhreneingangsimpedanz. Schauen wir mal in den Schaltplan vom NORA Boston Tuner. Da sieht man bei Position 1.6 am Gitter der 2. Triode den Oszillatorschwingkreis, dessen gezapfte Spule mit 16 pF Rückkopplungs-Kondensator auf die Anode geht. Aber der Oszillatorschwingkreis hängt nicht direkt am Gitter der 2. Triode, sondern über eine Koppelwicklung. Die Eingangsimpedanz der Triode transformiert sich also quadratisch in den Oszillatorkreis. (Spannungen transformieren sich im Windungsverhältnis, Impedanzen im Quadrat der Windungsverhältnisses) Das ist eine ganz schlechte Neuigkeit. Ändert sich die Gitter/Kathodenkapazität der Röhre, so schlägt das voll auf die Oszillatorfrequenz durch. Ändert sich dieser Parameter während der Anlaufphase der Röhre - und es dauert es eine Weile, bis sich im Röhrensystem thermischen Gleichgewicht eingestellt hat - so hat man das Vergnügen, auch diesen TK noch kompensieren zu dürfen.

Unterschiedliche Aufwärmgeschwindigkeiten
Alle diese Einflüsse spielen also eine Rolle bei der Frequenzstabilität der Abstimmung. Nun muss man nicht denken, das bekommt man ja gleich hin. Denkste. Die Aufwärmgeschwindigkeiten der Tunerkomponenten hängt nämlich davon ab, wie dicht sie an der Röhrenfassung (die Röhre wird ja langsam warm) oder an irgendwelchen Anodenvorwiderständen liegen. Man sah schon am NORA Tuner, daß man die Widerstände auf der einen Seite der Basisplatte versammelt hatte und die L/C Komponenten auf der anderen Seite. Die größeren Anodenspannungs-Vorwiderstände hat man schon außerhalb des Kästchens positioniert.

Tunergehäuse
Es kommt vor, dass ein Tuner funktioniert, man schiebt die Abschirmhaube drüber und er funktioniert nicht mehr. Daher teste ich die Tuner immer noch ein letztes Mal, bevor sie wieder ins Gerät eingebaut werden. Was passiert da?

Meistens ist es so, dass die Tuner nur verstimmt werden, weil durch  das Überstülpen der Haube metallische Teile in die Nähe frequenzbestimmender Komponenten geraten.  Die metallische Haube fungiert also als eine Ansammlung zusätzlicher Luft-Kondensatoren nach Masse. Da hat man dann das Vergnügen, den Tuner nach dem Zusammenbau noch einmal nachzugleichen. Diese Verstimmung kann auch so weit gehen, dass der Oszillator nicht mehr anschwingt und ein größerer Neuabgleich nötig ist, weil man ja diese zusätzlich aufgetauchten "Erdkondensatoren" mit in den Abgleich einbeziehen muss.

Man sieht schon, die Sache ist kniffelig.

Ursachen fürs Weglaufen der Oszillatorfrequenz nach einigen Jahren
Was machten die Firmen, wenn sie neue Tuner entwickelten? (Ich sage "machten", da die Dinger heutzutage sowieso in PLL laufen) Sie betrieben realitätsnahe Testaufbauten in einer sich realistisch aufwärmenden Umgebung. Der Tuner wärmt sich auf, die Umgebung wärmt sich auf, und die verschiedenen Komponenten im Tuner wärmen sich daher auch auf - alle schön unterschiedlich schnell. Jetzt wurde getüftelt, wie man das Ding am besten stabilisiert. Wenn man das endlich hinbekommen hatte, konnte man die Kiste verkaufen. Hätte man von vornherein "Wanderwellenempfänger" verkauft, hätte man bald Ärger mit den Reklamationen gehabt. Man kann also davon ausgehen, daß die Sender bei Neugeräten nicht wegliefen. Aber warum denn jetzt? 

( a ) Kann sein, dass sich die Eigenschaften einer oder mehrerer der Kondensatorkeramiken über die Jahre geändert hat? Da hat man schlechte Karten.

( b ) Kann sein, dass sich durch Nachgleichen (oder einfach so durch Alterung der Mechanik) der induktiven Abstimmung (Jubilate und Brüder) die Kompensation der differentiellen thermischen Ausdehnung des Spulenaggregats nicht mehr stimmt. Da hat man noch schlechtere Karten.   

( c ) Aber es gibt auch noch eine interessante andere Fehlerursache:
Unterschiedliche Fabrikate der ECC85
Ich hatte mal einen NORDMENDE Othello zur Reparatur, bei dem nach Austausch aller notwendigen Komponenten die UKW-Abstimmung lief wie ein VW. Nun war auch die ECC85 ziemlich heruntergebrannt (schwang aber noch) und ich hatte sie probeweise durch eine neue Röhre ersetzt. Fazit: Die Oszillatorfrequenz lief immer noch - und wie! Dann kam mir die Erleuchtung: Es liegt an der Röhre. Da habe ich mal versuchsweise lauter gute, neue ECC85 unterschiedlicher Fabrikate draufgesteckt und siehe da: Bei Verwendung einer VALVO Röhre /Fabrikation PHILIPS - Herleen lief die Abstimmung nicht mehr weg. Daraufhin habe ich mir mal die Röhren genauer angeschaut und Erstaunliches entdeckt. Hier ein paar Bilder von 2 Röhren, beide VALVO gestempelt, aber mit vollkommen unterschiedlichem Systemaufbau:

[attachment=109684][attachment=109686][attachment=109685][attachment=109687]

Die Glas-Ätzcodes besagen:

Linke Röhre:
"tU7"    =  ECC85 Systemaufbau Variante 7
Delta 1H1 = PHILIPS Röhrenfabrik Herleen 1961 August 1. Kalenderwoche

Rechte Röhre:
"tU?"    =  ECC85 Systemaufbau Variante ?
D8G = PHILIPS Röhren- und Halbleiterfabrik VALVO Hamburg 1958 Juli

Schaut man sich den Systemaufbau an, sieht man signifikante Unterschiede - bis hin zu den Perforierungen des Anodenblechs und den Getterhalter im Röhrendom. Tja, und beide sind VALVO ECC85 gestempelt.

Nun soll das nicht etwa heißen, dass die ECC85 Röhren aus Herleen, also die mit dem "Delta" Zeichen in der zweiten Zeile des Ätzcodes immer das Oszillator-Wanderproblem lösen und alle anderen Fabrikate keine Chance haben. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass die Hersteller einen ganz bestimmten Röhrentyp verwendet haben und die Tunerdrift darauf minimiert haben. Steckt man andere Fabrikate drauf, hat man den Ärger.
Probiert mal, ECC85 von verschiedenen Herstellern auf Eure UKW-Tuner zu stecken. Was zählt, ist eben nicht nur, dass die Dinger volle Möhre Anodenstron zeigen, sondern dass ihre Eingangsimpedanz möglichst stabil ist. Vielleicht habt Ihr ja Glück.
Manchmal ist es besser, eine schon stark verbrauchte Originalröhre (die natürlich noch schwingen muss) im Tuner zu lassen, als eine neue Röhre anderen Fabrikats einzusetzen, die zwar volle Möhre emittiert, aber eben die Frequenz wandern läßt. Man darf nicht den Aufwand unterschätzen, den die Firmen damals investiert haben, um die Tuner richtig schön hinzubekommen. War dann ein Röhrenfabrikat nicht mehr lieferbar, hatten die auch ihre Probleme.

Die Bilder von den beiden VALVO-Varianten zeigen, daß man selbst bei dem gleichen Aufdruck nicht sicher sein kann, daß das gleiche System drin steckt. Von Hersteller zu Hersteller gab es dann richtig markante Unterschiede. TFK, RFT, TUNGSRAM usw. sehen unterschiedlich aus und verhalten sich eben auch unterschiedlich. Bei der Fertigung ihrer Geräte haben sich die Hersteller für ein bestimmtes Fabrikat entschieden, und damit liefen die Geräte stabil.
Ich habe neulich mal eine TUNGSRAM Röhre in einen UKW Tuner gesteckt ... und der schwang dann auf der ZF, also 10,7 MHz. Er schwang zwar auch noch auf UKW - da wo er soll - aber eben moduliert mit einer 10,7MHz Schwingung. - Witzig, oder?

Wenn man sich über das Driftproblem von UKW-Tunern umfassend informieren will, muss man mal den PITSCH "Lehrbuch der Funkempfangstechnik" durcharbeiten.
In diesem Artikel:
  • Schaltungskonforme Spannungswerte
  • Widerstandswerte überprüfen
  • Gitteremission
  • Komponentenauswahl der Hersteller

Schaltungskonforme Spannungswerte
Die Wiederherstellung der schaltungskonformen Spannungswerte ist wichtig.
Man muss sich natürlich auch die Widerstände - insbesondere die in Anodenzuleitungen - genauer anschauen. Die bestimmen ja die elektrischen Betriebswerte der Röhre und damit auch ihre Impedanz - und damit haben die Widerstände natürlich auch einen Einfluss - nicht nur auf die Funktion an sich - sondern auch auf die Frequenz und Frequenzdrift des Oszillators.

Widerstandswerte überprüfen
Also: Haben die Widerstände ihre Werte verändert? Kann man ja leicht nachmessen. 10% mehr oder weniger machen nichts. AAABER. Das ist natürlich nur die halbe Geschichte. Driften vielleicht die Widerstandswerte beim Warmwerden des Gerätes? Gibt's nicht? Doch, gibt's! Das kann man natürlich messtechnisch nicht ganz so einfach überprüfen - aber man kann mal die Stromaufnahme in der Anodenspannungszuleitung anschauen. Läuft diese während des Betriebs weg, kann es die Röhre selbst sein, oder eben doch ein driftender Widerstand. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, kann man mal Metallschichtwiderstände einbauen - die driften jedenfalls garantiert nicht. Wenn der Fehler immer noch da ist, ist's wohl doch die Röhre selbst, die durch thermische Deformation ihres Elektrodensystems ihre Impedanz und/oder ihren Elektrodenstrom ändert.
Ihr habt ja gesehen, daß in dem NORA Boston Tuner VITROHM-Widerstände mit Farbringen verarbeitet waren. Nicht nur, dass diese Widerstände ihre Werte über lange Zeiträume manchmal recht deftig ändern - besonders die hochohmigen Werte - nein, sie sind auch noch temperaturempfindlich. Nun muß man nicht immer gleich zum Seitenschneider greifen und alle herausknipsen. Wenn der Tuner auch mit den Widerständen funktioniert - einfach lassen - "never touch a running system Wink"
Beim Tausch von Widerständen muss man darauf achten, welche Typen man einsetzt, und daß sie so positioniert sind wie ihre Vorgänger.

Gitteremission
Es gibt übrigens noch ein weiteres Szenario, warum bei manchen Röhren der Anodenstrom hochläuft: Gitteremission. Bei strommäßig hoch gefahrenen Röhren lagert sich auf dem Steuergitter über lange Zeiträume hin gerne ein wenig vom Beschichtungsmaterial der Kathode ab (Barium/Strontium carbonat/Oxid ... und andere... eine lange Geschichte) Da die Systemtemperatur der Röhre im Betrieb langsam ansteigt, und die des Steuergitters aufgrund seiner örtlichen Nähe zur Kathode ganz besonders, fängt das Ding auch an, Elektronen zu emittieren. Damit rutscht sein elektrisches Potenzial ein wenig in Richtung positiv, was wiederum den Anodenstrom ein wenig ansteigen lässt. Damit wird alles wärmer und die Drift treibt sich selbst voran. usw.

Komponentenauswahl der Hersteller
Die Temperaturkoeffizienten der verschiedenen Komponenten müssen sorgfältig gewählt werden; die Verbindungen der Komponenten untereinander müssen im Oszillatorteil sehr starr und kurz sein, damit Erschütterungen die Freuqenz des Oszillators nicht "wobbeln" und keine parasitären Induktivitäten auftreten. Die Widerstände sollten induktionarm (nicht gewendelt) sein. Das sprach für den Einsatz der VITROHM Widerstände. Sogar der Arbeitspunkt der Röhre will sorgfältig gewählt sein, da sonst die Gefahr besteht, dass die Impedanz - oder genauer gesagt: ihr zeitliches Verhalten - nicht zu den restlichen Temperaturkoeffizienten passt.
In diesem Artikel:
  • Referenzröhre überprüfen
    • an einem Röhrenprüfgerät
    • an einem Referenztuner
  • Ankopplung per twisted-pair-Leitung
  • zu reparierenden Tuner mit der guten Röhre testen

Reparatur des UKW-Tuners vom NORA Boston
Ich gehe stets folgendermaßen vor:
  1. Teströhre überprüfen
    • Ich habe eine meiner geliebten VALVO - Herleen ECC85 (die mit dem Delta-Zeichen im Glascode) zur Teströhre erkoren. Sie zeigt auf dem RPM370 100%.

    • Ich habe als Referenz einen UKW-Tuner aus einem GRAETZ-Musica, der wunderbar funktioniert. Um sicherzustellen, daß die Röhre noch i.O. ist, stecke ich sie vor jedem neuen Projekt auf diesen Tuner und schaue mir die Oszillatorschwingung an.

  2. Ankopplung per twisted-pair-Leitung
    Damit ich den Tuner nicht öffnen muss, und ich nicht gerne blind mit einem Draht darin herumstochere, um das Oszillatorsignal aufzufangen, verwende ich einen "magnetic pick-up" in Verbindung mit einer "twisted pair" Wellenleitung:
    [attachment=109688]
    Die Schleife mit den 3 Windungen wird über den unteren Teil der Röhre gelegt und fängt sehr schön das hochfrequente magnetische Wechselfeld der Oszillatorschwingung ein. Die twisted-pair-Leitung, die so um die 100 Ohm haben sollte, habe ich nicht abgeschlossen. Wenn man befürchtet, dass stehende Wellen auf der Leitung einen ungünstigen Einfluss auf die Messung haben, kann man die Leitung ja am Oszillographen oder Frequenzzähler mit der Kabelimpedanz abschließen.
    Die 3 Windungen wurden extra labberig gelassen, damit man diesen Pick-up auch dann über die Röhre schieben kann, wenn diese - wie in dem GRAETZ-Tuner in einem Schacht sitzt.
    Der Tuner wurde mit 235 V betrieben. Die Pick-up Schleife liefert ca. 15 mVss. Die Frequenz lag bei herausgedrehtem Drehko bei 110,73 MHz - also um die ZF höher als das Bandende von 100 MHz. Hier der Aufbau:

    [attachment=109689]

    Der GRAETZ Tuner läuft übrigens - man glaubt es nicht - selbst bei einer Anodenspannung von 110 V noch stabil, nur die Frequenz sinkt auf 110,55 MHz, also um 180 KHz.

  3. zu reparierenden Tuner mit der guten Röhre testen
    • Nachdem sichergestellt war, daß die Röhre noch läuft, wurde sie in den zu reparierenden NORA Tuner gesteckt. Hierfür wurde dieser schaltungskonform mit Ua = 235 V und Anoden-Vorwiderständen von 8,2 KOhm und 27 KOhm betrieben. Wieder wurde der Pick-up um den Röhrenfuß geschlungen. Die Anodenstromaufnahme war 16,1 mA. Ergebnis -> keine Schwingung.
      So sah der Aufbau aus:

      [attachment=109690]

    • Also wurde die Abschirmhaube abgeschraubt und der Tuner wieder in Betrieb genommen -> immer noch keine Schwingung.
      Messung der Widerstände ergab zwar Abweichungen von den  Nennwerten, aber - oh Wunder bei VITROHM - keine Abnormitäten.

    • Also gings ans Nächstliegende: die Trimmkondensatoren. Für diesen Test benutze ich einen kleinen selbst gebastelten Kupferhaarpinsel:

      [attachment=109691]

      Mit diesem berühre ich seitlich den Kopf der Rotorschraube und gleichzeitig den Silberbelag. So sieht man gleich, ob die Schwingungen einsetzen.

      [attachment=109692]

      Schon beim Berühren des ersten Trimmers schwang der Oszillator an.

      [attachment=109695]

      Also wurde bei diesem der Rotorkopf neu mit dem Silberbelag kontaktiert und auch der Silberbelag neu nachgezeichnet... wie immer unter Benutzung von Electrodag 1415.

      [attachment=109693]

    • Blöderweise schwang der Oszillator nur bei mehr als 2/3 herausgedrehtem Drehko. Auch lag die Frequenz bei ganz herausgedrehtem Drehko bei 111,75 MHz. Verdächtig! Auf der Unterseite der Aufbauplatte sitzt noch ein Trimmer genau gleicher Bauform.

      [attachment=109694]

      Kupferpinsel her, überbrückt, aha, jetzt stimmt auch die Frequenz am oberen Bandende: 110,7... MHz.
In diesem Artikel:

Folgefehler
  • Amplitudenschwankungen des Oszillatorsignals
  • Oszillatorschwingungen setzen nach einiger Zeit aus
  • Drift der Oszillatorfrequenz

Folgefehler
  • Die erste böse Überraschung waren Amplitudenschwankungen des Oszillatorsignals. Ihr erinnert Euch, das hatte ich mit einer Pick-Up-Schleife um den unteren Teil der ECC85 überwacht. Es ist natürlich nicht das ersten Mal, dass ein soeben repariertes und ganz gut funktionierendes Gerät eine ganze Reihe von Folgefehlern entwickelt.

    Also wurden als erstes die Pins der Röhre mit feinem Schleifleinen poliert - keine Verbesserung.

    Danach wurde die VITROHM Widerstände gegen Metallschichtwiderstände getauscht. Deren statische Messung mit einem Multimeter hatte zwar keine enormen Abweichungen vom Nennwert gezeigt, aber ich habe schon erlebt, daß sich die Widerstände erst dann abnormal verhalten, wenn sie mit hohen Spannungen oder hochfrequenten Signalen beaufschlagt werden.

    So sah das Innenleben der Tuners nach der "Widerstandskur" aus:

    [attachment=109696]
    Schon nicht mehr ganz so schön original. Aber es half; die Amplitudenschwankungen waren verschwunden.

    Nun wurde mal ein mehrstündiger Dauerlauf gestartet.

  • Die Oszillatorschwingungen setzten am niederfrequenten Ende nach 3 Stunden Betriebszeit aus.

    Ich habe dann mal den üblichen Temperaturtest durchgeführt. 
    • Ein wenig Isopropanol auf ein feines Pinselchen und damit nacheinander alle keramischen Kondensatoren berührt - immer mit einer kleinen Pause, weil es ja einen Moment dauert, bis sich das Bauteil durch die Verdunstungskälte abkühlt. Fehlanzeige!

    • Danach mit meiner allerdünnsten Lötspitze die Anschlussdrähte der Kondensatorn dicht neben deren Körper berührt (nicht so lange, bis der Lack stinkt!!!) Und siehe da, bei einem Styroflex-Kondensator fing der Oszillator wieder an zu schwingen. Zu sehen war nichts, und der dann ausgelötete Kondensator zeigte auch auf dem KARU seinen Sollwert (hätte mich auch gewundert, wenn ein Styroflex Probleme macht).

    Es war offenbar eine korrodierte Lötstelle. Also habe ich mich dran gemacht und alles nachgelötet.

    Nun wurde es ernst. Ich habe den reparierten Tuner - den ich jetzt mal "externen Tuner" nennen will - mit meinem SIEMENS B7 Spezialsuper gekoppelt. Dieser enthält nämlich exakt den gleichen Tuner. Da ich zu faul war, den im Gerät vorhandenen Tuner auszubauen, bin ich folgendermassen vorgegangen:
    1. Wie schon bei den bisherigen Tests wurde der externe Tuner mit eigener Heiz- und Anodenspannung versorgt.

    2. Der Antenneneingang des B7 wurde vom dort eingebauten Tuner gelöst und in den externen Tuner eingespeist.

    3. Der ZF-Ausgang des eingebauten Tuners wurde vom Tastenkontakt abgelötet und an Stelle dessen der ZF-Ausgang des externen Tuners angeschlossen. Das ist nun eine etwas unangenehme Geschichte, da die Verbindung zwischen Tuner-Ausgang und Tastensatz im B7 mit Hilfe eines sehr kurzen hochohmigen (also niederkapazitiven) Koaxialkabels hergestellt wird. Man kann nun nicht einfach irgendein normales Koaxialkabel nehmen, um den Ausgang des externen Tuners (der liegt ja ein Stück entfernt) auf den Tastensatzkontakt zu geben. Das würde nämlich das ZF-Filter im Tunerausgang unzulässig verstimmen. Hier gibt es einen Trick. Man verwendet für diese Verbindung ein 240 Ohm UKW Flachbandkabel. Eine Ader verwendet man für die Signalleitung, die 2. Ader verwendet man aber nicht als Erdverbindung zwischen Muttergerät und externem Tuner, sondern verbindet diese nur am Muttergerät mit Masse. So erreicht man eine niederkapazitive Übergabe des ZF-Signals über eine Leitung mit definiertem Wellenwiderstand.  Das ist der Unterschied zu einem Verbindungsdraht, der einfach in der Luft herumhängt.

    4. Die Masseverbindung wird dadurch hergestellt, dass man die Tuner-Einhausung niederinduktiv (kurze Leitung!) mit dem Chassis des Muttergerätes verbindet.

    5. Die Regelspannungsleitung vom Ratiodetektor des Muttergerätes wird schaltplankonform auf Anschluss 6 des externen Tuners gegeben. So sieht das Drahtverhau aus:
      [attachment=109697]

      Man sieht links das Gehäuse und Chassis des SIEMENS B7, den externen (reparierten) Tuner mit seinen Verbindungsleitungen, das Oszillatorsignal auf dem Oszi und die Frequenz auf meinem Selbstbauzähler mit 1/10 Prescaler. Zwischen meinen magnetischen Pick-Up und den Oszillographeneingang habe ich noch einen Breitbandverstärker 40 - 800 MHz gehängt, um das Signal etwas aufzupäppeln. Den habe ich mal vor 35 Jahren nach einer VALVO Applikationsnotiz mit 2 x BFX89 (Transitfrequenz > 1 GHz) aufgebaut.

    6. Und nun der Funktionstest mit einem UKW-Sender. SWR2 - Heidelberg  eingestellt (88,8 MHz). Funktioniert! Nach einer halben Stunde krächzt der Sender -> der Oszillator ist weggelaufen - oh diese Freude. Also mal eine andere ECC85 draufgesteckt - eine von SIEMENS - aha, läuft schon weniger.

  • Drift der Oszillatorfrequenz
    Der Tuner funktioniert ohne Aussetzer stundenlang - aber der Oszillator läuft halt ein wenig nach unten. Jetzt muss man mal schauen, ob das Problem durch Tauschen der ECC85 - ich habe genug unterschiedliche Fabrikate - erschlagen werden kann. Wenn nicht, wird der 7pF-Parallelkondensator im Oszillatorkreis gegen einen mit etwas höherem negativen TK ausgewechselt.

    Nach anfänglichen erfolglosen Versuchen, das Problem durch Verwendung von ECC85-Röhren unterschiedlicher Hersteller zu reduzieren, habe ich mich letzten Endes entschlossen, doch in die Oszillatorschaltung einzugreifen. Hier noch einmal die Oszillatorschaltung:

    [attachment=113288]

    Wie man sieht, liegt parallel zum Oszillatordrehko ein Festkondensator von 7pF und ein Trimmkondensator von 2-10pF. So sah der Originalkondensator aus:

    [attachment=113289]

    Man erkennt ihn auch im Übersichtsbild, das schon früher gezeigt wurde. Gleich links neben dem Drehko, rechts unterhalb des grünen 10pF-Scheibenkondensators, steht eine vertikale graue Scheibe mit gelbem Punkt:

    [attachment=113290]

    Ich habe diesen Festkondensator von 7pF mit gelbem Punkt (TK= -220x10hoch-6) ausgebaut und durch einen Röhrchenkondensator mit blauem Punkt (TK= -440x10hoch-6) ersetzt. Die Idee dahinter war, die bei Temperaturerhöhung nach unten weglaufende Oszillatorfrequenz abzufangen und auf einem akzeptablen Niveau zu stabilisieren. Der originale Scheibenkondensator mit Nominalwert 7 pF hatte übrigens nur 6,5+-0.1pF, der von mir eingesetzte Röhrchenkondensator mit Nominalwert 6pF hatte 5,8+-0.1pF.

    Hier ist das Ergebnis:

    [attachment=113291]
    [attachment=113292]

    Der Austausch des Parallelkondensators hat die Drift des Oszillators bei Verwendung einer SIEMENS ECC85 am oberen und unteren UKW Bereichsende (angegeben sind die Oszillatorfrequenzen) auf eine maximale Ablage von ca. 20 KHz reduziert. Mit dem Original-Scheibenkondensator lag bei Verwendung derselben Röhre die Drift etwa doppelt so hoch.
    Man hört bei einmal eingestellten Sendern am oberen und unteren UKW-Bereichsende über eine Laufzeit von 2-3 Stunden keine Verzerrungen.

(Das Hauptthema - "Entmystifizierung" des UKW-Tuners mit einem praktischen Reparaturbeispiel - ist an dieser Stelle komplett. Der Originalthread geht hier weiter; es werden noch einige technische Hintergründe erörtert.)