Radio-Bastler-Forum (RBF)

Normale Version: Wie funktionieren eigentlich die Schattenzeiger
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Hallo Kollegen,

Andreas_P stieß bei den Restaurationsarbeiten an einem SIEMENS 56WL Aetherzepp auf folgendes Problem:

Er hatte zwar den Original SIEMENS Schattenzeiger für dieses Gerät, aber leider hatte die Spule keinen elektrischen Durchgang. Glücklicherweise besaß er auch noch einen Schattenzeiger von einem AEG - Gerät der gleichen Generation. Da sich die Siemens und AEG-Geräte dieser Serie wirklich sehr ähnlich sahen, stellte sich die Frage, ob man das Anzeigesystem vom AEG nicht einfach in die  SIEMENS - Einhausung umsetzen könnte.
Die Aufgabe interessierte mich, auch weil ich verstehen wollte, wie die Schattenanzeiger funktionieren und warum Schattenzeiger in den Schaltplänen meist mit diesem Symbol gekennzeichnet werden.
[attachment=113078]
Was ist die Aufgabe eines Schattenanzeigers?
Er soll auf einen Leuchtschirm (Milchglas oder Zelluloid) einen Lichtbalken projizieren, dessen Länge sich mit der Stärke eines empfangenen Radiosenders ändert.
Wie sind sie aufgebaut?
Andreas hat mir seine beide Modelle (den intakten AEG und den defekten SIEMENS) zugeschickt, und ich werde versuchen zu dokumentieren, was ich daran gelernt habe.
Hier die Frontansicht der beiden Schattenanzeiger-Modelle. Links AEG, rechts SIEMENS.
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Zunächst ein paar Detailbilder des funktionierenden AEG-Modells: Links die Außenansicht, rechts die Frontansicht mit abgezogener Frontblende. In dem schrägen Schacht auf der Unterseite steckt eine Glühbirne, die die Mechanik von hinten her beleuchtet.
[attachment=113079][attachment=113080]
Bei dem rechten Bild sieht man, wie man auf das Schaltbildsymbol gekommen ist: Eine Zunge im hellen Umfeld.
Funktionsprinzip:
Eine dünne, schwach magnetisierte Stahlscheibe (das ist die rostige mit dem diabolo-ähnlichen Fensterausschnitt) ist mit zwei Spitzen drehbar in einer Stahlhülse aufgehängt. Diese dünne Stahlscheibe trägt eine hauchdünne schwarze Aluminiumzunge, die, wenn sich die Stahlscheibe um ihre Achse dreht, den von hinten kommenden Lichtstrahl einer Glühbirne mehr oder weniger abblendet. Die Stahlhülse hat 2 gegenüber liegende Lagerkörnungen zur Aufnahme der Drehscheibenpitzen und sitzt stramm in einer geschlitzten Messinghülse, die wiederum durch einen Hufeisen- (oder besser Seegerring-) förmigen Stahlring unter Spannung gehalten wird. Dieser Stahlring ist magnetisch! So wie bei einem Hufeisenmagneten stehen sich an seinen Enden (rechts im Bild) Nord- und Südpol gegenüber. Das Streumagnetfeld zwischen diesen Magnetpolen greift in den Innenraum des Aufbaus und sorgt dafür, dass sich die (schwach magnetisierte) dünne Drehscheibe im Ruhezustand in eine vertikale Position dreht - gerade so wie eine Kompassnadel im Erdmagnetfeld. So sieht man von vorn auf die Schmalseite der erwähnten Aluminiumzunge. Von hinten kommendes Licht wird demnach maximal durchgelassen und beleuchtet den Leuchschirm aus Zelluloid über die ganze Höhe.

Zwischen dem vorderen, also dem Betrachter zugewandten Ende des Messwerks und der Pertinax-Basisplatte trägt die geschlitzte Messinghülse eine körperlose Spule aus 70µm Draht - die Messinghülse ist also der Wickelkörper. Der Widerstand dieser Spule liegt bei ca. 3.7 kOhm... viele Windungen! Wird die Spule von einem Strom durchflossen überlagert sich das dadurch entstehende Magnetfeld dem Streumagnetfeld des "Hufeisenmagneten" und die Drehscheibe wird entsprechend der resultierenden neuen Richtung der magnetischen Feldlinien aus ihrer Ruheposition gedreht. Damit kippt auch die an der Drehscheibe befestigte schwarze Aluminiumzunge aus ihrer Ruhestellung und stellt sich nun mehr oder weniger quer in den Lichtstrahlengang -> der Leuchtschirm wird von dem von hinten kommenden Licht nur noch oben und unten angestrahlt, in der Mitte ist sie dunkel: Eine mechanische EM84.

Nun schauen wir uns zum Vergleich den Aufbau des defekten SIEMENS Schattenanzeigers an. Zunächst die Außenansicht mit der Rückenbeleuchtung:
[attachment=113081][attachment=113082]
Den Zelluloid-Leuchtschirm hatte ich hier schon entfernt.
Nun wieder der zentrale Blick auf den Innenaufbau. Zum Vergleich links noch einmal das AEG-Modell
[attachment=113080][attachment=113083]
Sieht genauso aus wie beim AEG-Modell, oder? Nicht ganz:
(i) Die Alumiumzunge ist nach vorne hin umgebogen. Vielleicht hat sich da jemand dran vergangen, oder man hat beabsichtigt nur die eine Hälfte des Zelluloidschirms zu beleuchten. Die Blende wäre dann nur in zwei Bereichen beleuchtet worden : unten dunkel, oben hell. Wie moderne Pegelmesser mit Leuchtdiodenbändern.
(ii) Auch ist die Halterung der Messinghülse auf der Basisplatte bei AEG und SIEMENS unterschiedlich (sieht man in meinen Bildern nicht).
Der Spulenaufbau des defekten SIEMENS Modells wurde zerlegt. So sehen die Einzelteile aus.
[attachment=113084][attachment=113085].
Und hier die körperlose Spule in Nahaufnahme, die gleich anfing, sich aufzudröseln.
[attachment=113086][attachment=113087]
Deutlich sieht man die Korrosionsspuren. Ein wenig mit der Stecknadel in den grünen Stellen herumgestochert, und schon fielen mir die ersten Spulenwindungen entgegen.

Nun könnte man überlegen, ob man nicht das gesamte Messswerk des AEG-Modells ins SIEMENS Modell umsetzt. Das ist leider auch nicht so einfach möglich, weil die Aufbauplatte ganz anders aussieht. Sie passt mechanisch nicht in die SIEMENS - Einhausung. Man kann auch nicht die Spule alleine umsetzen. Wie man an der Demontage des SIEMENS Modells sieht,  zerfallen einem nicht fixierte Spulen körperlose Spulen unter den Händen.
Also musste die Spule doch neu gewickelt werden.
So sieht der Spulenkörper aus, auf den nun viele Windungen CuL kommen. Immerhin weiß ich jetzt wie die Schattenanzeiger funktionieren.
[attachment=113088]

Den Wickelkörper hatte ich ja schon gezeigt und gestern habe ich mich also dran gemacht und nochmal nach Draht gesucht. Das Passendste, was ich in ausreichender Menge verfügbar hatte, war 0,07mm =70µm. Dieser Draht hat eine Lackschicht von 2,5µm, ergibt einen Außendurchmesser von 75µm. Der Originaldraht hatte 70 µm. Das heißt, dass nun weniger Windungen draufpassen werden. Dazu kommt noch der geringere Füllfaktor durch unordentliches wickeln an Stelle von maschinenwickeln.
Also wurden auf die Messinghülse des Wickelkörpers 2 Lagen von 25µm KAPTON Isolierfolie aufgewickelt. Die Isolationsfestigkeit von 25µm KAPTON liegt bei 7,7KV. Vor unkontrollierten Leckströmen braucht man also bestimmt keine Befürchtungenzu haben.
Danach wurde der Wickelkörper randvoll gewickelt und außen noch einmal mit 2 Lagen KAPTON umwickelt.
Eine Messung des Gleichstromwiderstandes des neuen Wickels ergab 2,5KOhm.
Nun kam der eigentliche schwierige Teil, der Zusammenbau:

Man muss die seitlichen Spitzen der Drehschbeibe in die Körnungen des Lagerrings einsetzen, den letzteren zusammen drücken und ihn in die Messingbuchse hineinschieben. Sitzen die seitlichen Spitzen nicht richtig in den Körnungen, werden die Spitzen und / oder die Drehscheibe verbogen. Dann hat man ein richtiges Problem. Selbst wenn man alles richtig macht, kann man nicht verhindern, daß man den Lagerring beim Einsetzen in die Messingbuchse ein wenig zu viel zusammendrückt. Schaut man sich hinterher die Drehscheibe an, sieht man, dass sie durchgebogen ist.... bei mir war sie nach hinten durchgebogen. Und nun? Man nimmt eine Haarnadel, schneidet beide Enden gleich lang, biegt die äußersten 3mm an jedem Ende rechtwinklig gegensinnig nach außen um, greift damit durch den zentralen Ausschnitt in der Drehscheibe beidseits der Aluminiumzunge und zieht die Scheibe sachte nach vorn. Wenn sie plan erscheint, zieht man nicht mehr. Nun sitzt sie auch mit weniger Spiel in den Körnungslagern.

Danach kam die zweite Herausforderung:

Die räumliche Orientierung der Lagerpunkte der Drehscheibe muss ja horizontal sein. Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, war bei dem SIEMENS-Model die Aluminiumzunge nach vorne hin umgebogen. Das hat man wahrscheinlich gemacht, um auf den Leuchtschirm ein unsymmetrisches Bild zu bekommen. Beim Telefunken Modell war das Leuchtbild ja symmetrisch, wie eine EM84. Bei SIEMENS ist im Originalzustand ohne Signal der ganze Leuchtschirm dunkel und wird dann nur auf der oberen Hälfte mit steigender Signalstärke sukzessive hell. Auch ganz nett. Nur dass es mit der umgebogenen Zunge praktisch unmöglich ist, zu beurteilen, wann die Lagerpunkte hirozontal liegen. Ich war also frech, und habe die Zunge flach gebogen. Wie man an den Bildern sieht, kann man so gut beurteilen, wann die Justierung stimmt. Mit abgewinkelte Zunge habe ich das nicht geschafft. Nun muss man nicht denken, man könnte die Zunge nach der Horizontaljustierung wieder umbiegen. NICHT VERSUCHEN! Wenn man das macht, verzieht man die ganze Drehscheibe....das ist alles ganz dünnes Blech!
Hier ein paar Bilder:
[attachment=113090][attachment=113091][attachment=113092]
Nach der Justierung wurde der Schattenzeigerkorpus wieder an die Frontplatte gesetzt und eine neue Glühbirne in die Bajonetthalterung gelötet. Nun kommts. Das Leuchtbild sollte ja dem des Telefunken-Modells entsprechen - also dunkler Schirm bei 7mA, bei niedrigerem Strom von beiden Seiten symmetrisch aufhellend.

So sieht es bei 0, 3.5, 7, 9 mA aus:
[attachment=113093][attachment=113094][attachment=113095][attachment=113096]

Die Umgebungsbeleuchtung war etwas unterschiedlich, also bitte nicht zu genau hinschauen.

Ja, nun ist es ein SIEMENS Schattenzeiger mit Telefunken Leuchtbild. Wer sich traut, kann ja probieren, die Zunge wieder nach unten zu biegen. Hier noch mal zwei Bilder des Gesamtaufbaus.
[attachment=113097][attachment=113098]


Externe Links zum Thema:
https://www.radiomuseum.org/forum/histor...e_led.html
http://www.jogis-roehrenbude.de/Roehren-...etauge.htm