Radio-Bastler-Forum (RBF)

Normale Version: Midget-Receiver Type 31/1- Vorstellung und Nachbau
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Midget-Receiver Type 31/1 - Ein pfifiges Herzchen

Vorstellung



Heute möchte ich kein Radio beschreiben, das ich habe, sondern eines, was meiner Meinung nach ein sehr ausgeklügeltes Teil ist, aber bis jetzt als reales Gerät noch nirgendwo aufgetaucht ist. Dieses Gerät wurde um das Jahr 1943 in einer Auflage von 50.000 Stück in England gebaut. Entwickelt wurde es von einem norwegischen Ingenieur. Es ist einerseits unter dem Namen "Sweetheart", andererseits unter seinem offiziellen Namen Midget-Receiver Type 31/1 verzeichnet. Es ist ein 0V2-Audion für den Kurzwellenbereich von 50 m bis 25m, entsprechend 6 bis 12MHz ausgelegt. Das ist weiter noch nicht aufregend, aber die Zweckbestimmung war schon was Besonderes. Das Gerät wurde nämlich über den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten, wie Norwegen, Dänemark, Finnland, Frankreich und den Niederlanden abgeworfen, um es den Kämpfern der nationalen Widerstandsbewegungen zu ermöglichen, die Sendungen der BBC abzuhören, die im normalen Programm auch chiffrierte Nachrichten übertragen hat.

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Das Abwurfpäckchen aus Wellpappe beinhaltete den o.a. Empfänger, eine separate Batteriebox, eine Schachtel mit einem auf einer Haspel aufgewickelten 10 m langen Antennendraht und einer 3 m langen Erdleitung mit Clips, sowie eine luftdichte Blechdose mit den beiden Kristallkopfhörern. Luftdichte Blechdose deswegen, da die damals verwendeten Kristalle den niedrigen Luftdruck über 5000 m Flughöhe sonst nicht vertragen hätten. Weiterhin waren noch Batterien drin.
Die drei verwendeten Röhren sind amerikanische Miniaturpentoden vom Typ 1T4. die drei 1,4-V-Heizungen sind in Reihe geschaltet, sodaß eine 4,5-V-Flachbatterie dafür verwendet werden konnte, die ca. 30 h durchhielt. Als Anodenspannungsquelle kam eine damals gebräuchliche 30-V-"hear-aid" Batterie, also Hörgerätebatterie zum Einsatz, die eine Lebensdauer von 100 h hatte, da der Empfänger lediglich 0,5 mA (!) Anodenstrom zog!

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Nun meine Frage. Hat jemand aus dem Forum schonmal irgendwo so ein interessantes Gerät in Natura gesehen, oder besitzt sogar eines? Denn was mich wundert, ist der Fakt, dass trotz der produzierten Menge von 50.000 Geräten scheinbar nahezu keine größere Anzahl bis heute überlebt hat? Das Radio selbst war trotz seiner Röhrenbestückung sagenhaft klein, nur 120 mm lang, 107 mm breit und 32 mm hoch und wog noch nicht einmal 1 kg.
Mich reizt es, eine Replika von dem "Herzchen" zu fertigen, um mal die Leistung der verwendeten Röhrenschaltung zu testen. Ich habe zwar einige Unterlagen und Fotos, aber die sind recht dürftig. Um möglichst originalgetreu zu bauen, kann man nie genug Papier haben. 
Viele Grüße

Wolfram
Nachbau

Nachdem mir heute das Wetter die Lust auf Außenarbeiten genommen hat, habe ich mich entschlossen, den Nachbau des "Sweetheart" zu starten. Die vergangenen Tage habe ich anhand der mir vorliegenden Fotos versucht, eine möglichst genaue Zeichnung des Chassis zu entwerfen. Anhand bekannter Größen, wie Röhrendurchmesser und -länge habe ich die Maße von den meist perspektivisch verzerrten Fotos umgerechnet und bin scheinbar der Realität recht nahe gekommen. Hier die vorläufige Zeichnung.

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Wie schon angedeutet, habe ich heute früh die Blecharbeiten gestartet, da auch mein Rücken "grünes Licht" gegeben hat und man sich doch ein bisschen bewegen soll.
Als Material für das Chassis habe ich 1 mm dickes Alu genommen. Vielleicht nicht entsprechend dem Original, denn auf einem meiner Fotos ist die Innenseite eines solchen Chassisbleches angerostet, was eigentlich auf Stahlblech hindeutet. Aber weil sich Alu mit Amateurmitteln besser bearbeiten läßt, habe ich das eben genommen. Nach etwa 5 Stunden Klempnerei hier das Ergebnis.

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Alle Bohrungen sind noch nicht ausgeführt, besonders die für die zwei Bedienknöpfe, aber das kommt noch. Wenn die Bearbeitung abgeschlossen ist, montiere ich die Röhrenfassungen und den Drehko wieder ab. Dann Alu-Haftgrund drauf und zum Schluß die Endlackierung. Den originalen Kräusellack bekommt man nicht mehr, vielleicht tut es ein dunkelgrauer Seidenglanzlack auch. Aber so weit bin ich noch nicht. Nun kommt noch die rückseitige Pertinaxplatte und die Skalentrommel dran, die ich wahrscheinlich aus Messing drehen werde.

Der Stand von heute abend. Der Rückkopplungsdrehko ist schon mal probeweise drin, da muß ich noch eine längere Achse anlöten. Ich habe nur einen Trimmer mit Schraubenziehereinstellung, die Achse ist da zu kurz. Die rückseitige Pertinaxplatte ist auch soweit fertig. Die 2mm Buchsen für Antenne und Erde, sowie ein paar Lötösen für Anoden- und Heizspannung sind schon drin. Es fehlt nur noch die Spulenbefestigung und die KH- Buchse. Ich werde wahrscheinlich eine offene 3,5-mm-Mono-Klinkenbuchse verwenden.

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Dummerweise sind die beiden Trimmer und die Röhrenfassungen aus amerikanischer Produktion und haben UNF #4-40, also 7/64" Gewinde. Eigentlich mehr original so, da für den Empfänger amerikanische Röhren, und auch englische Bauelemente verwendet wurden. Also habe ich die und auch die restlichen Gewinde mit 7/64" geschnitten. Genügend Schrauben habe ich noch da.

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Morgen geht's dann weiter.
Heute am Sonntag habe ich noch die restlichen Durchbrüche für die Drehkos gebohrt. Damit die vier Schrauben, mit denen zukünftig die Abdeckkappe befestigt werden soll, auch nach mehrmaligem Gebrauch noch ein Gewinde vorfinden, habe ich aus 1,5 mm starkem Messingblech entsprechende Gewindeverstärkungen gefertigt. Die 5x16 mm großen Klötzchen bekamen das nun schon übliche UNF #4-40-Gewinde. Am Alu-Blech des Chassis habe ich sie mit jeweils zwei vernickelten Messinghohlnieten 1,5x5 mm befestigt.

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Fertig grundiert sieht das Chassis schon recht passabel aus.

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Die Nietlötösen, die neben der Befestigung des Röhrentragers auch die Masseverbindung der Schaltung herstellen, hatte ich während des Grundierens mit Schrumpfschlauch überzogen. Dadurch sind sie schön blank verzinnt geblieben.

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Beim nächsten Anfall von Bastelwut geht es an das Drehen der Skalentrommel und die Achsverlängerung für die Rückkopplung. Danach muß ich mir noch überlegen, woraus und wie ich die beiden Bedienknöpfe fertige. Wahrscheinlich werde ich schwarzes PVC oder POM nehmen.

Die Spule macht mir noch Kopfzerbrechen, da ich nicht weiß, was für ein Typ von Spulenkörper original dafür verwendet wurde. Es steht lediglich da: 1/2", also rund 12,7 mm Durchmesser. Wenn man aber die angegebenen Induktivitätswerte in die Schwingungsgleichung einsetzt, kommt man nicht auf den angegebenen Frequenzbereich. Nirgendwo ist vermerkt, ob der Spulenkörper eventuell einen Abgleichkern hat. Wahrscheinlich bleibt mir nichts anderes übrig, als zu probieren.
Hallo Wolfram!

Wieder ein sehr interessantes Projekt! Ich bin immer wieder verblüfft über Deine mechanischen Fertigkeiten, das Gerät sieht wirklich aus wie industriell gefertigt.

Zwei Dinge, die Dir hoffentlich weiterhelfen:

1) Grauen Schrumpflack (aus der Spraydose) gibt es noch, und sicherlich auch von anderen Anbietern.

2) Hattest Du nicht gesehen, dass die Diskussion in antiqueradios.com fortgeführt wurde? Dort mehr Details zum Nachbau der Spule und den im originalen Schaltplan verwendeten Begriffen D.S.C. (Double Silk Covered) und S.W.G. (Standard Wire Gauge).
Demnach:
L1 / 85 µH / 80 Wdg. / 0,2 mm
L2 / 7,1 µH / 18 Wdg. / 0,3 mm
L3 / 14,5 µH / 25 Wdg. / 0,15 mm

In dem antiqueradios.com-Artikel steht weiterhin: "The coil has a tuning slug inside the form (composition and dimensions not specified) attached to a threaded and slotted stud for tuning. [...] The core material (I used) is unknown but looks like iron dust and is about 3/8" diameter and 1/2" long on a 4 BA brass screw."

Wenn ich für die frequenzbestimmende Spule L2 mit den obigen Werten rückwärts rechne, komme ich auf einen Kern mit einem Al-Wert von zirka 21 nH -- vielleicht nach einem solchen Kern Ausschau halten.

Gruß,
Eric

Edit:
(17.04.2016, 11:54)scotty schrieb: [ -> ][...] Wenn man aber die angegebenen Induktivitätswerte in die Schwingungsgleichung einsetzt, kommt man nicht auf den angegebenen Frequenzbereich. [...]

Wieso, 7,1 µH || 100 pF ergibt ziemlich genau 6 MHz.
Heut habe ich in der Bucht wahrscheinlich einen Volltreffer gelandet. Ich glaube, ich habe einen Spulenkörper geschossen, der dem Original bestimmt recht nahe kommt.

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Das einzige, was ich nicht sehen kann, ist das Vorhandensein eines Kernes. Aber warten wir erst mal ab, bis das Ding in meinen Händen liegt.
Mit dem in der Bucht geschossenen 12mm Spulenkörper (Bild in Antwort #14) habe ich doch nicht so den Hauptgewinn gezogen. Es ist kein Kern vorhanden und auch keine Möglichkeit vorgesehen, einen Kern zu montieren. Auch ist die Befestigungsmutter aus Bakelit von ihrem Durchmesser zu groß. So viel Platz habe ich nicht auf der rückseitigen Montageplatte. Also, "selbst ist der Mann", Spulenkörper aus grauem PVC gedreht.

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Für die Befestigungsmutter, die gleichzeitig die Kernbremse ist, habe ich 12 mm Rundmessing genommen. In den Spulenkörper habe ich über die ganze Länge eine axiale Bohrung von 9 mm Durchmesser eingebracht, die im am montageseitigen Ende ein Gewinde M10x1,0, etwa 10 mm lang, erhalten hat. Die Befestigungsmutter erhielt dem entsprechend ein M10x1,0-Außengewinde und M4-Innengewinde für die Kernspindel.

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Übrigens, dieser Kern stammt aus einem Funkgeräteschrottchassis unbekannter Herkunft.

Da verschiedene Bohrungen auf der schon vor einiger Zeit gefertigten Montageplatte aus Pertinax nicht so richtig stimmten, habe ich eine neue Platte ausgesägt und fertig gebohrt. Hier eine Gesamtansicht.

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Hier seht ihr die verlängerte Achse des Rückkopplungstrimmers aus 6 mm Rundmessing. Was nicht mehr zu sehen ist, ist der Schraubendreherschlitz in der Trimmerachse. Um eine einigermassen kraftschlüssige Verbindung zur ansonsten stumpf aufgelöteten Achsverlängerung zu erreichen, habe ich einen entsprechend geformten Keil stehen lassen, der genau in den Schlitz passt. Scheint ganz gut zu halten!

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Das mit dem Kräusellack ist gar nicht so einfach! Da muß man einen goldenen Mittelweg finden, zwischen zu wenig gespritzt, "keine Kräuselung" und zu viel, "Nase läuft". Big Grin
Nun weiter zum Aufbau. Heute Nachmittag habe ich das Massenetz laut der Fotos auf der norwegischen Sammlerseite gelegt. Dazu habe ich 1,0 mm versilberten Kupferdraht genommen und mich in etwa am Originalverlauf gehalten. Hier ein Detail am Rückkopplungstrimmer.

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Dann habe ich mich daran gemacht, die Bauelemente ordentlich unter HF-technischen Gesichtspunkten, wie kurze Drähte, einzulöten. Die Widerstände sind amerikanische "Vintage"- Ausführungen, die ich immer von der kanadischen Firma "justradios.com" beziehe. Von der gleichen Firma sind auch die gelben axialen Kondensatoren, die sich mit 400 V und 630 V Spannungsfestigkeit bei einer Anodenspannung von 30 V zwar veralbert vorkommen, aber die sind von guter Qualität und passen ganz gut hier rein. Die originalen, viel größeren, in Pertinax-Röhrchen verkapselten Papierkondis habe ich nun nicht auch noch irgendwie versucht, in alt zu gestalten. Mir kommt es ja primär auf die Funktion und nicht auf das 100%-ige Klonen an!

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Morgen folgt der Rest der Verdrahtung, also die Drehkos. Dann werde ich mich mit dem Aufbau der Spule befassen. Ich berichte dann weiter.
Abschließend für dieses Wochenende. Die Kabel für das Batteriekästchen habe ich glücklicherweise in den originalen Farben gefunden.

Schwarz   - -Pol der 30-V-Anodenbatterie und +Pol der 4,5-V-Flachbatterie, Masse
Gelb        - -Pol der 4,5-V-Flachbatterie
Rot         - +Pol der 30-V-Anodenbatterie

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Also, Röhren reingesteckt, Spannungen kontrolliert und mal NF-mässig auf Funktion getestet. Geht gut. Heizstrom 50mA, wie in den Datenblättern der 1T4 ausgewiesen. Betriebsstromaufnahme wie in den Daten für das Gerät ausgewiesen 0,5 mA bei 30 V!
Im Laufe der kommenden Woche geht es an die Inbetriebnahme der Audionstufe. Die Anfertigung der Skalentrommel habe ich als abschließende Arbeiten nach hinten verschoben.

Vielleicht hilft dieses Thema anderen Forumsfreunden, Tipps für die Realisierung ähnlicher Empfänger- und HF-Projekte, besondern im KW-Bereich zu finden.
Da ich ein solches "Herzilein" noch nicht in Natura in den Händen halten durfte, war ich bisher immer unsicher, was sich hinter der doch sehr aufwendigen Achsverlängerung des Abstimmdrehkos verbergen könnte, die auf allen Fotos, die ich im www finden konnte, zu sehen ist. Auch in den Publikationen wurde sich über diese Detail nicht ausgelassen. Nun habe ich eine Notiz gefunden, dass sich zwischen Drehko und Abstimmknopf ein axiales Mini-Kugelumlaufgetriebe mit einer Untersetzung von 6:1 befindet. Es stammt von der US-amerikanischen Firma "Jackson Brothers", die leider nach dem 2. WK in den Ruin gewirtschaftet wurde. Es gibt aber "Mainline Electronics Ltd" in UK, die einen Teil der ehemaligen Produktpalette weiterführt und auch vertreibt. Hier seht ihr ein solches Getriebe. Die 6:1-Untersetzung gibt es nicht mehr, aber mit 10:1-Untersetzung ist es noch erhältlich.

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Ist sogar für eine feinfühlige Abstimmung besser geeignet. Es ist schon toll, welche Miniaturisierung von mechanischen Funktionseinheiten vor fast 80 Jahren schon möglich war. Die Durchmesser der beiden Achsen ist 1/4", also 6,3 mm. Ich habe mir gleich 2 Stück für umgerechnet je 8,95 € bestellt.
hier ist ein Bild von der Unterseite des Chassis.

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Heute ist zwar Sonntag, aber der 1. Mai, "Tag der Arbeit".
Also habe ich weiter an meinem Sweetheart gebaut. Den Spulenkörper hatte ich ja schon gedreht, nun habe ich den Draht drauf gebracht. Die Antennenwicklung ist lt. Unterlagen eine Kreuzwickelspule. Da ich die dafür notwendige Vorrichtung für eine solche Bauart nicht habe, fiel mir ein Trick ein. Ich habe mal etliche Fragmente von ZF-Filtern im Konvolut in der Bucht geschossen und da waren Kreuzwickelspulen aus 1,1 mm dickem CuLS-Draht mit sehr vielen Windungen (ca. 3 mH) drauf. Ich habe bei einer vorsichtig den 8mm- Bakelitspulenkörper rausgepfriemelt und von innen her so lange den Draht rausgewickelt, bis die restliche Spule auf den 1/2"-Spulenkörper passte. Dann habe ich von außen her weiter abgewickelt und immer mal mit dem L-Meter die Induktivität kontrolliert. Als die dann stimmte, habe ich die Wicklung mit Bienenwachs, vorsichtig mit dem Lötkolben geschmolzen, getränkt. Das Wicklungsende habe ich noch mit einer Zwirnmanschette gesichert, dann die beiden restlichen Wicklungen als konventionelle einlagige Wicklungen drauf und an die Lötstützpunkte angelötet. Dazu habe ich in den Kragen des Spulenkörpers 1,2-mm-Löcher reingebohrt und aus durchgestecktem verzinntem 0,6-mm-Draht vier Lötösen gebastelt.

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So sieht das Chassis jetzt mit der montierten und verdrahteten Spule aus.

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So, das soll erst mal für heute reichen. Ich hoffe, euch gefällt die doch etwas ausführlichere Berichterstattung und ich langweile niemanden.
So, weiter geht's. Nach ziemlich umfangreichen Frühlings-Instandsetzungsmaßnahmen am Haus und im Garten habe ich mich heute früh wieder an den Weiterbau des Sweetheart gemacht. Wie schon angedeutet, ist jetzt die Skalentrommel und der Einbau des Kugelumlaufgetriebes für den Abstimmungsdrehko dran. Die Skalentrommel ist leider nirgendwo so richtig beschrieben, also mußten wieder die Fotos unter Heranziehung von bekannten Maßen und die Proportionalrechnung die nötigen Angaben liefern.
Die Skalentrommel habe ich mit 26 mm Durchmesser bestimmt, im Original bestimmt 1", also 25,4 mm. Die Breite ist 1/2", also rund 13 mm. Die Achsenbohrung für den Drehko ist 1/4", also 6,3 mm, denn der Drehko ist eine 1/4"-Ausführung.
Die Trommel kann nicht auf der gesamten Breite massiv sein, da durch die beengten Platzverhältnisse auch noch die Achsmuffe des Getriebes auf dem Stumpf des Drehkos Platz finden muß. Also habe ich die Trommel bis zu einer Tiefe von 7 mm auf 20 mm ausgedreht.
Nun zum Material. Stahl sollte es nicht sein, der kann rosten und macht auch nichts her. Ich habe dann zwischen Messing oder Alu geschwankt, aber dann ein ganz anderes Material genommen, nämlich Neusilber. Das ist eine Kupfer-Nickel-Legierung, die sich hervorragend drehen und fräsen läßt, bis auf eine leichte Patinabildung nicht oxidiert und eine silbrige Farbe mit einem leichten Touch ins Gelbliche hat. Das gleiche Material übrigens, aus dem viele Gedenkmünzen, u.a. auch alle 5, 10 und 20 Markstücke der DDR geprägt wurden.

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Für die Fixierung auf der Drehko-Achse habe ich eine M3-Madenschraube vorgesehen.

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Damit ich die beiden Schrauben der Achsmuffe des Getriebes anziehen kann, sind in der Trommel zwei Durchsteckbohrungen für den Imbusschlüssel drin, die dann genauso wie die eigentliche Befestigungsschraube von dem Skalenaufkleber verdeckt wird. Der Durchmesser der Trommel von 26mm ergibt einen Umfang von 82 mm. der Drehko hat einen MIN-MAX-Stellbereich von 180°, also eine halbe Umdrehung. Die Skalierung von 50 m bis 25 m muss somit 41 mm Breite haben.
Als Schrift habe ich die alte DIN-Normschrift genommen.

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Hallo Wolfram,

weiterhin ein superspannendes Projekt! Jeder Museumsrestaurator kann da nur neidisch werden!

Zu der Skala: Du hast einen linearen Drehko, also mit linearem Kapazitätsverlauf über den Drehwinkel. Damit die Skala halbwegs stimmt solltest Du nicht die Skalenteilung auch linear ausführen, sondern sie quadratisch radizieren (resp. anpassen -- für eine Meterskala ist der Verlauf nochmal anders, meine ich mich zu erinnern aus den verschiedenen Plattenschnitten für Drehkondensatoren).
Kann man auf den Originalbildern sehen. Der Maßstab der beiden Aufnahmen ist zwar unterschiedlich, aber bei den kleinen Wellen stehen die zweistelligen Zahlen näher zusammen als bei den großen Wellen.

Zu der Spule: Ist es nicht problematisch, den ferromagnetischen Kern auf einer Messingspindel zu montieren? Das Messing verringert doch die Güte der Spule.

Zu dem Kugelumlaufgetriebe: Kugelumlaufspindeln kannte ich, aber keine Kugelumlaufgetriebe. Wie funktionieren die? Ich habe nichts dazu finden können. Kann ich mir das vorstellen wie ein normales Kugellager, bei dem der Außenring festsitzt, der Innenring die Eingangswelle und der Käfig die Ausgangswelle bildet? Dann wäre der Aufbau doch recht einfach.

Gruß,
Eric
Eric,
ich habe auch noch nicht gewußt, das es solche Minigetriebe gibt. Wie die funktionieren, ist mir erst einmal für mein Projekt schnuppe. Hauptsache es funktioniert, und das tut es. Auf keinen Fall werde ich so ein Teil schlachten, um meine Neugier zu befriedigen. Smiley64
Der Spulenkern mit der Ms-Spindel stammt von einem hochwertigen Keramikspulenträger aus einem amerikanischen WWII KW-Funkgerät. Ich hatte da mal ein halbbestücktes Schlachtchassis bekommen. Da waren am Bereichsschalter mindestens 10 solche Spulen dran. Ich glaube, dass die Entwickler wußten, was sie getan hatten, als sie die Spulenkerne auf die Spindeln geklebt hatten. Ob da irgendwelche magnetische Eigenschaften negativ beeinflusst werden, merke ich dann evtl. bei der Inbetriebnahme.
Zu der Skala möchte ich mich für Deine Hinweise bedanken. Ich hatte aber auch schon diese "Nichtlinearität" bemerkt. Aber ich glaube, dass diese Skala mit einer Länge von 41 mm und einem überstrichenen Frequenzbereich von 6 MHz (!!!) doch eher als eine Orientierungsskala angesehen werden sollte, denn selbst wenn man sie nach einer quadratischen Funktion anpasst, kann von einer frequenzgenauen Eichung und Einstellung wohl keine Rede sein. Wichtig für den Benutzer ist, dass er bei dem doch recht breiten Abstimmbereich von 50 m bis 25 m den Drehko sehr feinfühlig betätigen kann.
Die Resistance sollte ja eigentlich zu ihrer Information nur die BBC abhören, denn die sendeten ja die codierten Mitteilungen an die Kämpfer der jeweiligen Untergrundorganisationen. Wenn die nach Abwurf des Gerätes das erste mal den gewünschten Sender gefunden hatten, dann wird es wohl so sein wie bei den DKE's und anderen Geräten mit lediglich einer linearen Gradskala: "... zweieinhalb Striche rechts neben der 35 kommt die BBC, da müssen wir das nächste mal wieder suchen ...!"
So, nach mächtig viel Gefummel auf kleinstem Platz ist die Trommel und der Feintrieb im Gerät.

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So sieht das komplette Chassis aus. Die Skalenbeschriftung und die Drehknöpfe fehlen noch, bzw. die habe ich noch nicht fertig.

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Für heute ist im Keller in der Werkstatt Schluß. Aber Eric hat mich mit dem unterschiedlichen Abstand der Striche auf der Skalentrommel "heiß" gemacht. So habe ich mal eine "angepaßte" Teilung versucht.

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Ich meine, das kommt dem Original ein wenig näher.
Heut erst mal ein wenig Computerarbeit, weniger Arbeit in der Werkstatt. Bei allen im Netz kursierenden Fotos befindet sich eine in Norwegisch verfasste Kurzbedienungsanleitung für die Inbetriebnahme und die Handhabung des Receivers in Gestalt eines dünnen Blechschildchens an der Oberseite des Gehäuses. Das Schild ist aus 0,3 mm dünnem Messingblech. Der Hintergrund ist schwarz gebeizt, die Schrift ist messingfarben naturell. Das will ich auch versuchen nachzuempfinden. Einen Fotoprint als Druckvorlage zu nehmen, habe ich verworfen, da die vorhandenen Fotos sehr viele Fehlstellen haben. Also habe ich mit verschiedenen Schriften und Größen so lange experimentiert, bis meine Druckvorlage dem Original einigermaßen nahe kam. Dazu mußte ich auch die skandinavischen Schriftzeichen, wie das "Ø", mit der Eingabe von "Alt + 0216" auf dem Nummernblock einfügen.
Es gibt positiv-fotobeschichtete Messingbleche, die von verschiedenen Modellbaufirmen angeboten werden. Die Verarbeitung ist identisch mit der von Leiterplatten. Der Positivlack wird durch UV-Licht chemisch zersetzt, also bleibt der Lack an allen Stellen, die auf der Vorlage schwarz sind, erhalten. Alle bellichteten Partien werden während der Entwicklung mit Ätznatron blank und damit ätzfähig.

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Ich werde aber das Blech nicht dünner ätzen, wie man das im Modellbau mit feinen Mini-Bauteilen macht, sondern ich werde die blanken Stellen schwarz beizen. Dazu gibt es eine Chemikalie, sie nennt sich sinnigerweise "Messing-Schwarzbeize". Wenn alles klappt, müßte die Schrift messingfarben bleiben, der Hintergrund sollte, wie beim Originalempfänger schwarz sein. Es ist das erste mal, daß ich dies ausprobiere, aber --- schau mer ma !  Smiley43

Nun noch ein Foto von der Skalentrommel mit dem Beschriftungsblatt. Ich habe mein Muster auf ein Zweckform-Selbstklebeetikettenblatt gedruckt. Hintergrundfarbe ein lichtes Grau.

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Von der Größe her hat der Streifen genau gepaßt. Druckerskalierung 1:1, HP-Laserdrucker.
Da heute beschi..... Wetter ist, habe ich an meinem Receiver weitergearbeitet. Nun ist die Gehäuseabdeckung dran. Ich habe dafür, schon in Hinsicht auf das Bördeln und die Radiusabbiegungen, leicht zu bearbeitendes Al-Blech, 0,5 mm stark, ausgewählt. Das Gehäuse ist 120 mm lang und 100 mm breit. Da das Abdeckblech vorn und hinten 2 mm umgebördelt ist, habe ich den Blechstreifen mit meiner Handhebelblechschere 125 mm breit und 150 mm lang abgeschnitten und vorn und hinten je 2 mm mit 0,5 mm Radius um 90° umgebogen. Da die beiden Gehäuselängskanten mit einem Radius von 15 mm versehen sind, mußte ich mir ein Werkzeug bauen, das einerseits den Radius formen kann, andererseits verhindert, dass die umgebogenen 2-mm-Streifen aus der Biegung ausbrechen. Das Vorbild für dieses Werkzeug habe ich mir im Netz geholt. Auch in der RM.org-Beschreibung des Empfängers ist das Teil abgebildet. Hier meine Version.

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Für die Führung der abgebördelten Streifen habe ich links und rechts 30-mm-Karosseriescheiben genommen. Dazwischen jeweils eine Distanzscheibe aus dem verwendeten Gehäuseblech, die noch mit zwei Papierscheiben aus Druckerpapier "verdickt" wurden. Die Biegehilfe für den Radius sind zwei 30-mm-PVC-Rollen. Durch die Zweiteilung konnte ich den Abstand der Streifenführung genau einstellen.

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Hier seht ihr eine solche Bördelführung mit der Distanzscheibe.
Und so sieht die Gehäuseabdeckung aus, schon versehen mit dem Fenster für die Skala, den dazu gehörenden Löchern für die Rohrniete und den Bohrungen für die 4 Befestigungsschrauben.

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Ich habe die Abdeckung zum Fotografieren schon mal grundiert, da sonst die Reflexionen des Blechs zu sehr gestört hätten.
Gestern Abend habe ich das Cover mit dem Kräusellack lackiert und über Nacht trocknen lassen. Die Kräuselung ist mit der Hilfe des Heißluftföns ganz gut geworden. Für das Einnieten des Skalenfensterchens habe ich unisolierte Aderendhülsen für 0,5 mm² genommen. Den Kragen habe ich noch etwas gestaucht und dann mit dem Proxxon auf 2,5 mm abgelängt. Die weichen Kupferröhrchen lassen sicht leicht nieten und die Gefahr ist geringer, daß das dünne Plastikfensterchen reißt. Die Plastikscheibe stammt übrigens von einer "Mon Cheri"-Verpackung. Die Markierung habe ich mit einem umgeschliffenen Uhrmacherschraubendreher von unten eingraviert und den Ritz danach mit einem roten Lackstift ausgefüllt. Danach die übergetretene Farbe mit Aceton abgewaschen.

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Die Drehknöpfe habe ich aus Alu mit einem Durchmesser von 25 mm gedreht. Zuerst mit einem Zentrierer den Drehpunkt für einen mitdrehenden Reitstockkörner eingebracht. Das ist zur stabilen Zentrierung des Werkstückes, besonders beim Rändeln, unheimlich wichtig. Danach mit einem achsparallel gerieften Rändelrädchen auf eine Länge von 30 mm gerändelt, damit es für die beiden Drehknöpfe von je 9,5 mm Länge auch wirklich reicht. Da die Drehkoachsen unterschiedliche Durchmesser haben, der RK-Drehko hat 6 mm und das Kugelgetriebe hat 1/4" (6,3 mm), habe ich erst mal mit 6-mm-Bohrer 30 mm tief gebohrt. Dann die Ausdrehung auf der Stirnseite des Knopfes eingebracht. Mit einem 45°-Meißel noch eine Zierfase dran und anschließend den RK-Knopf abgestochen. Genauso habe ich mit dem Abstimmknopf verfahren, habe aber vor dem Abstechen die Achsbohrung auf 1/4" aufgebohrt.

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Ich werde die Knöpfe noch schwarz eloxieren. Das ist besser und haltbarer als matt lackieren, da ich dabei die Befürchtung habe, dass sich die sehr dekorativ aussehende Rändelung mit Lack zusetzt.
Jetz fehlen nur noch die Messing-Platte mit der Bedienungsanleitung auf dem Cover und der kleine Alu-Streifen mit der Fabrikationsnummer.

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Aber das Schwarzbeizen von Messing für den Schrifthintergrund habe ich auch noch nicht gemacht. Das muß ich erst mal probieren.
Ich werde den Kasten so groß bauen, dass die 4 Stück 9-V-Blöcke und 2 Stück AA reinpassen. Kleiner geht ja immer! Big Grin
Ich will aber auch mal eine Modifikation ausprobieren, die in der englischsprachigen Bedienungsanleitung drin steht. Und zwar geht es da um die Kristallohrhörer. Dem Hersteller des Empfängers war bekannt, dass die verwendeten Hörgeräte-Ohrhörer ziemlich empfindlich gegen Umwelteinflüsse waren. Deshalb wurden die auch beim Abwurf des Empfängerpacks aus einem Flugzeug in einer hermetisch versiegelten Schuhcremedose aus Weißblech verpackt, weil der verwendete Seignettesalzkristall bei dem geringen Luftdruck, der in über 5000 m Flughöhe herrschte, zerstört wurde. Warum und wodurch, steht da nicht mit bei.
Um in diesem Fall das Radio auch nutzen zu können, wurde eine Modifikation vorgeschlagen, um normale 2+2-kOhm-Kopfhörer verwenden zu können. Dazu mußte nur der Auskoppel-Kondensator C12 kurzgeschlossen werden. Nunmehr war der Kopfhörer auch der Arbeitswiderstand der NF-Endröhre. Um den strommäßig anderen Arbeitspunkt zu erhalten, mußte weiterhin der Schirmgitterwiderstand R10 ebenfalls kurzgeschlossen werden, um die Ug2 zu erhöhen. Wie gesagt, wenn ich das Radio mit dem Kristallhörer (ich habe nur einen davon) zum Spielen gerbracht habe, will ich das Teil dann auch mit dem dynamischen Kopfhörer ausprobieren. Ich erhoffe mir davon als zusätzlichen Effekt eine größere Lautstärke. Der Nachteil dieser Modifikation ist aber laut Bedienungsanleitung, dass der Anodenstrombedarf auf das 5-fache ansteigt. Aber die Erhöhung des Gesamtstromes von 0,5 mA auf 2,5 mA (!!) sollte bei den modernen Alkali-Batterien und deren Verfügbarkeit (wir haben ja keinen Krieg mehr, oder? Big Grin ) kein Thema sein.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber es ernährt sich. Ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg zur fertigen Replik ist fertig.

Nach der Arbeit ist nicht mehr viel Zeit, aber heute habe ich das Messingschild mit der norwegischen Kurzbedienanleitung fertiggestellt. Es ist 0,3 mm stark und war ursprünglich mit Photopositivlack beschichtet, der sich leider nicht UV-belichten ließ. Wahrscheinlich war die Beschichtung zu alt. Die Schrift und die beiden Füllelemente oben und unten habe ich mit Word entworfen, wie ich es schon beschrieben habe. Als Alternative zum Lack habe ich das Layout mit Spezial-Tonertransfer-Papier aus der Bucht auf die Platte gebügelt und mit Messingbeize von Saemann Ätztechnik braunschwarz gebeizt. Nach dem Neutralisieren mit heißem Wasser und dem Trocknen ließ sich der Toner mit Aceton abwischen. Versiegelt habe ich mit Zaponlackspray. Das erhält den Messingglanz, vergilbt nicht und bildet eine strapazierfähige Oberfläche. Es war mein erster Versuch und er ist ganz gut gelungen. Da doch ein paar Fehler in der Tonerdeckung waren, sieht die Platte jetzt recht "historisch" und gebraucht aus.
Die glänzende Platte ließ sich sehr besch.... fotografieren!

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Als Nächstes ist das Eloxieren der Alu-Knöpfe dran. Mal sehen, ob ich das bis zum Wochenende schaffe.
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