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Junghans Elektronom Pendeluhr
#1
Ich hab seit ein paar Jahren eine alte Junghans Elektronom Pendeluhr ohne Schlagwerk in meiner Sammlung.

Kurze Zusammenfassung des Systems:
Eine "Kompressorlampe" ist über einen Schlauch mit einer Luftpumpe und eine elektrischen Schaltkontakt im Uhrwerk verbunden.
Die Kompressorlampe ist keine gewöhnliche Glühbirne mit Vakuum oder Schutzgas, sondern ist oben am Schlauchanschluss offen und mit normaler Luft mit normalem Luftdruck gefüllt.
Der elektrische Kontakt im Uhrwerk wird einmal jede Minute für 3 Sekunden geschlossen. Nun fließt ein Strom durch den in der Lampe befindlichen Draht und erwärmt diesen. So wird auch die in der Lampe befindliche Luft erwärmt und dehnt sich durch den Schlauch bis in die Luftpumpe aus. In der Pumpe hebt sich der Kolben und spannt eine Sperrklinke vor. Nach den 3 Sekunden schaltet das Uhrwerk die Lampe wieder ab. Die Luft zieht sich zusammen und senkt den Kolben. Die vorgespannte Sperrklinke zieht die Antriebsfeder des Uhrwerks nun um etwas mehr als den Betrag auf, den sie zuvor abgelaufen war. Im Federhaus befindet sich eine Schleppfeder (ähnlich der von Automatikuhren), sodass die Feder nicht "überzogen" werden kann.

   

   

   

   

   

Bei meiner war die Kompressorlampe defekt. Diese werden natürlich schon lange nicht mehr hergestellt und nachdem sämtliche Versuche mit Drahtwiderständen aus dem Elektronikbereich gescheitert sind, habe ich eine etwas aufwendigere Konstruktion gebaut.
Als erstes habe ich eine alte Glühbirne ihrer Fassung beraubt und diese von Kittresten gereinigt. Dann wurde ein Messinggestell gelötet. Eine Glimmerplatte hatte ich noch auf Vorrat, aber den Konstantandraht habe ich bestellt.
Konstantan hat einen recht hohe elektrischen Widerstand. So kann man mit relativ wenig Draht eine hohe Spannung anlegen, ohne dass es einen Kurzschluss gibt oder der Draht verglüht.

(Im Hintergund eine intakte Kompressorlampe, welche ich zur Vorlange verwendet habe. Sie stammt aus einer Uhr die wir in der Museumssammlung haben)

   

Ich habe vier Glimmerplatten, welche ich noch übrig hatte, zurechtgeschnitten und mehrfach geschlitzt. Sie ließen sich recht einfach in das Messinggestell klemmen. Dann wurde der Konstantandraht an das Messing einseitig angelötet und in der Drehmaschine von Hand über die Glimmerplatten gewickelt. Am oberen Ende wurde der Draht mit einem Tropfen Sekundenkleber im letzten Schlitz befestigt, damit er sich nicht wieder von selbst abwickelt. Das ist nur nötig, damit ich in Ruhe ein Kabel im Inneren der "Spule" entlanglegen konnte, wleches das "obere" Ende des Drahtes mit dem Gewinde der Fassung verbindet. Das "untere" Ende ist mit dem Gestell verbunden, welches wiederum mit dem unteren Pin der Fassung verbunden ist. Das gesamte Gestell wurde mit 2K Kleber in die Fassung geklebt.

   

   

   

   

   

Unser Glasbläser im Museum war so freundlich und hat mir in der Mittagspause einen passenden Glaskolben angefertigt.

   

   

Wieder in der Werkstatt habe ich den Kolben und die Fassung provisorisch mit Rodeco (eine Art Knetmasse zum Reinigen aus dem Uhrmacherbereich) abgedichtet.
Der erste Versuch war ein Erfolg. Die Lampe bringt genügend Wärme und Druck auf um den Kolben der Uhr wieder zu bewegen
Nunja, ein Teilerfolg. Ich habe Konstantandraht mit einer Stärke von 0,1mm verwendet. Er ist zu wenig Draht auf der Fläche untergebracht, sodass die Lampe nur mit 110V betrieben werden kann. Das ist nicht besonders problematisch, da es US-Spannungswandler zu kaufen gibt, mit welchen sich die Lampe auch problemlos betreiben ließe. Ich werde jedoch eine weitere Lampe bauen und 0,05-0,06mm Draht verwenden um auf ca. 230V Betriebsspannung zu gelangen.

Alles in allem, wenn ich die Experimentierzeit herausrechne, hat mich die Anfertigung der Lampe ca. 1h gekostet.

   
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#2
Hallo Phalos,

statt einen 220V=>110V-Trafo zu verwenden, müsste doch auch eine Diode reichen, so daß nur mit einer Halbwelle geheizt wird, oder?

Gruß Ingo.
Die Konvergenz der Apokalypse führt unweigerlich zur Hybris.
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#3
Kann man auch machen, ja. Einen Vorwiderstand, wenn auch kleineren, wird man dennoch vorsehen müssen.
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#4
“alles in Allem ...hat mich die Anfertigung der Lampe 1Std. gekostet“
Aber das man sich so was ausdenkt muss man etwas in der Birne haben. Respekt! Thumbs_up
Gruß,
Ivan
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#5
Hallo Phalos,

...wie sieht es mit einem Vorschaltkondensator aus? Der wird nicht warm, da er keine Wirkleistung verbrät. Ausserdem startet er die Glühlampe 'sanft' was bei den vielen Einschaltvorgängen - jede Minute - der Lebensdauer gut tun sollte. Der Kondensator macht auch keine Geräusche (Trafo)  und verursacht keine Funkstörungen (Diode [steile Flanken], elektronische Wandler [breites Störspektrum]).

'Kompressorlampe' habe ich bisher noch nie gehört, vor allem hätte ich so ein Teil niemals in einer Uhr vermutet. Was man sich nicht alles einfallen lassen kann? Danke, für die Vorstellung dieses Prinzips, anhand deiner Elektronum Pendeluhr.
Freundliche Grüße, Peter R.
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#6
Hallo Phalos!
Du weist ja das ich mich auch für Uhren interessiere aber solch eine Uhr habe ich noch nie gesehen.Es ist schon erstaunlich was alles gebaut und erfunden wurde um die Uhrzeit an zu zeigen darum danke das du diese Uhr hier gezeigt hast Thumbs_up  Thumbs_up
Gruß Detlef aus dem Harz!
wenns geraucht hat und gestunken wars bestimmt ein Telefunken Smiley58
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#7
(09.10.2021, 12:06)detlef 2 schrieb: Es ist schon erstaunlich was alles gebaut und erfunden wurde um die Uhrzeit an zu zeigen ...
Hallo Leute, das was der Phalos da gezeigt hat habe ich nicht als zeitbestimmendes Uhrwerk aufgefasst 
sondern als ein elektrisch/thermisch/pneumatisch wirkendes Aufzugssystem für eine Antriebsfeder.
Liege ich da falsch?
Gruß Manfred
Wozu Fortschritt, wenn früher doch alles besser war?
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#8
Ich habe mich jetzt für einen Vorschaltkondensator entschieden, den ich in ein Steckernetzteilgehäuse einbauen werde.
Der Wert wurde experimentell ermittelt und liegt nun bei 3,7µF, sodass an der Lampe nur noch 80V anliegen, wenn die Uhr "mit" 230V Netzspannung betrieben werden soll. Mit dieser Spannung wird noch genügend Kraft aufgebaut um den Kolben der Luftpumpe zu bewegen, bei gleichzeitig minimalster Belastung des Heizfadens.

Die Luftpumpe dient nur zum Aufziehen der Antriebsfeder. Reguliert wird das Werk durch eine einfache Ankerhemmung mit Pendel.

   

   

   

   
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#9
Hallo Phalos,
Auch ich finde die Idee und vor allem die Reparatur  echt gelungen.
Mit freundlichem Gruß  Heiko
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