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Körting-Saxonia 3300W
#1
Hallo Freunde,

heute möchte ich euch mal ein Radio vorstellen. Es handelt sich um den Körting-Saxonia 3300W. Dieses Gerät befindet sich schon eine geraume Zeit in meiner Sammlung. Ich habe es in der Zeit erhalten, als fast jedes Gerät aus dieser Zeit seiner Lautsprecher beraubt wurde. Es war an sich unter Sammlern klar, dass man diesen "Lautsprecher-Räubern" solche gefledderten Geräte nicht ab nimmt.

Dieses Gerät animierte mich aber dazu, weil ich kurz vor dem Kauf solch ein Gerät für einen Bekannten restauriert hatte.

Ich bekam dieses Gerät aus Brandenburg für einen geringen Kaufpreis über eBay. Im Angebot sah man nur ein stark verrußtes, inkomplettes Radio.

Was fehlte? Zunächst die Rückwand, dann der komplette Lautsprecher. Die Halterung für die beiden Skalenlampen. Die oben an der Schallwand befindliche Eisendrossel. Die Glasabdeckung der Radioskala war zerdeppert. Sämtliche Röhren und Bedienknöpfe fehlten. Die vorderen und hinteren Gerätefüße fehlten und mußten nachgefertigt werden.  Eine arme Wurst!! Trotzdem Glück: Die hinter das Glasscheibe befindliche Skala war heile. Oft blättern diese Skalen durch schlechte Lagerung ab. Diese war völlig intakt.

Die Aktion "Radiorettung" sollte starten. Als das Gerät zu mir kam, hatte ich zunächst mal mit der Reinigung vom Ruß und Staub lange zu tun. In jeder kleinsten Ritze befand sich Dreck.

Das Gerät stellte sich jetzt schon mal so da:

   

Wie man sieht, hatte ich die Füße vorn und hinten neu rekonstruiert. Die Bedienknöpfe hatte ich nachgegossen. Die Glasscheibe wurde zunächst vom Glaser gefertigt.

Als die technische Revision erfolgen sollte, die nächste negative Überraschung: Die Primärseite vom Netztrafo hatte keinen Durchgang. Das ist leider bei vielen Körting-Geräten so. Der Eisenkern, bestehend aus zusammen geschobenen Lamellen ist aufgebläht und die mechanische Spannung läßt den dünnen Draht auf dem Wickelkörper reißen. Nun hat dieser alte Kupferlackdraht ja auch nicht mehr die Güte heutigen Materials. Das hätte es an sich für das Radio sein können. Trotzdem wollte ich das Gerät spielklar bekommen.

Dazu hier zunächst mal das Schaltbild:

   


Die Körting-Netztrafos sind alle mit einem Metallgehäuse auf Höhe des Trafos verkleidet. Was spricht also dagegen, einen mechanisch passenden Netztrafo unter die Abdeckung zu bauen? Leider paßten meine Doppelweg-Trafos nicht an die Halterungen. In einem 50 er SABA-Radio fand ich einen passenden Netztrafo. So begann die Bastelei im wahrsten Sinne des Wortes. Der NT. hatte nur eine durchgehende Sekundärwicklung. Ein Betrieb einer Doppelweg-Gleichrichterröhre AZ1 schied ganz klar aus. Ich verbaute unter der Gleichrichterplatte oben am NT. einen modernen Brückengleichrichter. Ohne! Schutzwiderstand. Etwas höhere Spannung war ja in diesem Falle erwünscht, weil ich ja einen elektrodynamischen Lautsprecher betreiben wollte.

Die Heizwicklung wurde auf 4 Volt reduziert. Und schon konnte das Experiment los gehen. Wie auf dem Schaltbild ersichtlich, besitzt das Gerät 2 Heizkreise für die Radioröhren. Es kommen zum Einsatz: Eine AF3 und eine AF7. Diese Röhren sind indirekt beheizt. Sie werden zusammen mit den Skalenlampen an einem Heizkreis betrieben. Als Endröhre wird eine AL1 verwendet. Diese ist direkt beheizt. Sie besitzt einen extra-Heizkreis mit Entbrummer. Um meine Neuschöpfung hier überhaupt betreiben zu können, mußte ich alle Röhrenheizungen gemeinsam betreiben. Sicher hätte man jetzt einen gemeinsamen entbrummer verwenden können und die AL1 im Gerät zu belassen. Das Radio besaß natürlich auch keine Röhren mehr. Eine AL1 besaß ich nicht.

Ich verwendete die indirekt geheizte Röhre AL4. Ich mußte also die Kathode mit einem Widerstand und einem Elko versorgen.  Zuletzt kam noch auf die Gleichrichterröhren-Fassung ein Dummy in Form einer defekten AZ1. Gehäuse über den Netztrafo und die weiteren Arbeiten könnten beginnen. Natürlich wurde jetzt ein Kondensatortausch vorgenommen. Die beiden Sammelblöcke bekamen neue Kondensatoren. Die Siemens-Kondensatorhüllen bekamen neue Kondensatoren. So nach und nach konnte ich diese Arbeiten beenden.

Das Gerät erhielt eine neue Körting-Eisendrossel. Nun eine erste Inbetriebnahme. Die Spannungen an den Röhren erschienen mir zwar etwas niedrig. Trotzdem, das Radio lebte schon mal.

Was nun entdeckt wurde, war unglaublich....
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#2
Ich wollte nun mal prüfen, wie leistungsfähig jetzt mein Radio ist.

Es war recht lautstark. Rückkopplung setzte auch ein. Beanstandung: Es ließ sich die Lautstärke nicht regeln. Der Empfang war nicht trennscharf, so wie man das von einem Dreikreiser erwarten würde. Wenn man auf das Schaltbild sieht, ist der Eingangskreis passiv. D. h. er ist zwar abgestimmt, besitzt aber keine Röhre. Die eigentliche HF-Verstärkung beginnt bei der Regelröhre AF3.

In der Kathodenleitung der AF3 befindet sich ein regelbarer 300 Ohm-Widerstand. Dieser Drahtwiderstand wurde durch ein Kohlepoti ersetzt. Es hatte keinerlei Durchgang. Beim Öfnnen zeigte sich, dass die gesamte Kohlebahn völlig verkokelt war. Das Poti wurde durch einen Drahtregler ersetzt. Der Empfang immer noch wie oben. Gitterprobe auf der AF3 verlief negativ!

Nun kam mir die Erleuchtung: Da hatte doch solch ein Lümmel einen versteckten Draht von der Antennenbuchse bis zum Gitterkreis der AF7 gelegt. So hatte er zwar Empfang aber mit der Qualität eines Einkreisers. Nach Entfernen des provisorischen Zuleitungsdrahtes und Wiederherstellung der alten Verbindungen hatte mein Radio einen äußerst trennscharfen Empfang und auch eine gute Wiedergabe. Am Prüflautsprecher.

Ich habe übrigens als Ersatzlautsprecher einen französischen verwendet. Die Feldspule hiervon wurde bereits bei der 1. wieder Inbetriebnahme angeschlossen, damit die Speisespannungen nicht zu hoch wurden.

Nun wurde auch der Tontrafo mit angeschlossen. Siehe da, alles funktioniert wie gewünscht. Das Gerät hat eine kräftige, laute Wiedergabe.

Aber damit ist es ja noch nicht getan. Das Gerät kam zunächst mal auf seinen neuen Platz in meiner Radiosammlung. Man konnte es schon mal vorführen. Aber von nun an fing ich an Ersatzteile für das Radio zu beschaffen. Wie das geklappt hat dann....
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#3
Gratuliere, dass Du dieses Gerät noch wiederbeleben konntest!

Denk Dir nur, wie ein Nachbesitzer nach Dir sich Deine Neukonstruktion anschauen wird, wenn er die Vorgeschichte nicht kennt...

Bravo!
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#4
Hallo Roland,

ja, man mußte zugeben, das Radio hatte jetzt lange in dem Zustand gespielt. Aber wenn dort ein technisch erfahrener Sammler angefangen hätte zu suchen, dann hätte der gesagt, was wurde denn da gemacht? Das wäre noch die freundliche Art gewesen.

Also habe ich über die Jahre immer Ersatzteile für das Radio gesucht. Als Erstes konnte ich seinerzeit eine originale Rückwand erwerben.
Vor 2 Jahren dann der große Wurf. Ich bekam den lange ersehnten Original-Netztrafo, überprüft und i. O. Ferner eine Bakelitfassung für die Skalenlampen. Auch erhielt ich von einem Teileträger den originalen Lautsprecher und die besagte Eisendrossel.

Tja und begann der Wahnsinn wieder von vorne. Den Ersatz-Netztrafo ausbauen. Die gesamte Schaltung mußte wieder auf den Original-Netztrafo zurück gestrickt werden. Viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt.

Zum Lautsprecher: Ich hatte seinerzeit viel Mühe darauf verwandt, den französischen Lautsprecher in das Gerät zu bauen. Dazu wurde der originale Lautsprecherstoff von der Schallwand genommen. Die Halteschrauben mit den versenkten Köpfen erhielten neue Löcher. Die alten wurden verspachtelt. Nun wurde der Stoff wieder verklebt.

Hätte ich jetzt darauf bestanden, den originalen Lautsprecher wieder einzubauen, dann hätte ich den Bespannstoff zerstört. Die alten Löcher wieder zu aktivieren wäre das geringste Problem gewesen.

Da der französische Lautsprecher optisch und auch technisch zu dem Gerät paßt, werde ich ihn belassen. Das erste Mal konnte ich bei dem Gerät die Skalenbeleuchtung in Aktion sehen. Sie wird je nach eingestelltem Empfangsbereich beleuchtet.

Was jetzt natürlich noch ins Gewicht fiel: Das Gerät hatte keinen Ein- und Ausschalter mehr. Dieser wird übrigens vom Rückkopplungs-Drehko betätigt. Am Drehko kann man den Schalter nicht ersetzen. Keine Chance! Bleibt nur der Ersatz. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Ganz einfach - in meiner Schublade im Arbeitstisch liegt schon ewig solch ein teil. Der Kippschalter schaltet natürlich nicht mehr. Hier hat sich in vielen Fällen der bewegliche Schaltkontakt verklebt. Ich habe ihn zunächst mit Kontaktspray gangbar bekommen. Der funktionierte wunderbar.

Also, Radio zusammen setzen. Alles war fertig -nur mein Schalter hing wieder. Also alles wieder raus. Diesmal hatte ich WD 40 verwendet. Der Schalter wurde immer wieder betätigt. Erst jetzt läuft alles.

Wichtiger Hinweis: Natürlich befindet sich das WD 40 noch lange im Schalter. Würde man jetzt den Schalter unter Spannung betätigen, würde es im schlimmsten Fall im Schalter zu einem Brand kommen. Also, Betätigung nach Anwendung des Sprays, nur bei stromlosem Gerät.

Tja und jetzt nach Abschluß aller Arbeiten ist aus dem ehemaligen Teileträger wieder ein schönes, stattliches Gerät geworden.

   

Hier steht er schon, der originale Körting Netztrafo

   

Dieser SABA-Netztrafo hatte über Jahre das Gerät betrieben.

   

Schon ist der Körting-Trafo im Radio. Aber so schnell ging es doch nicht

   

Hier der Rückkopplungs-Drehko mit defektem Netzschalter

   

Hier der Rückkopplungs-drehko aus der Schreibtisch-Schublade

   

   

Hier der Bakelitkasten, der die Skalenlampen aufnimmt.

Montiert drückt er mit seinen 3 Zapfen auf die Kontakte der Skalenbleuchtung

   

Hier noch mal ein Einblick von hinten in das Gerät
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#5
Nachreichen muss ich euch natürlich noch mal 2 Bilder der beleuchteten Skala.

Einmal Schaltung auf LW und einmal auf MW gestellt.

Was wird nun aus dem Original-Lautsprecher mit Übertrager und der Eisendrossel? Ich sag's euch - der Ivan kann die Teile für seinen Körting Novum gebrauchen. Die Ausführungen sind identisch.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#6
Gelungene Rettung eines "Alptraum-Gerätes" für die meisten bzw einer willkommenen Herausforderung für Andreas Smiley20

PS @WD40: Ich hätte das ganz unbedarft drin gelassen und auch unter Strom geschaltet. Was durch den Funken zündbar ist, das sind nur die leicht flüchtigen Anteile und die sind -weil eben flüchtig - schnell verdunstet.
Gruß,
Uli
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#7
Hallo Andreas  Smile

Vielen Dank für Deinen interessanten Bericht, war spannend für mich zu lesen. Das mit dem versteckten Draht von der Antennenbuchse
bis zum Gitterkreis der AF7 ist ja eine dolle Sache, da muß man erstmal drauf kommen. Es freut mich, daß Du den Lautsprecher gut ersetzen
konntest, und auch nach und und nach einige fehlende Teile beschaffen konntest. Na, und das mit dem Netzschalter hast Du ja
auch schon fast gelöst, und das mit dem WD40 kriegst Du schon noch hin  Maus

Ich bin schon neugierig, Deine Photos von der beleuchteten Skala zu sehen. Erstaunlich für mich, daß es ein reines Wechselstrom~Radio ist.
Schon toll, wie Du ein 82~Jahre altes Radio wieder zum Leben erweckst, und wieder herstellst,
mit originalem Netz~Trafo usw. Diesen Körting würde ich gern mal live erleben bei einem Besuch  Blush

Herzliche Grüße, von Peter
~~~~~ DE - MV  /  Connected ~~~~~
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#8
Gratulation zu der gelungenen Wiederbelebung des Körting. Wenn auch der Zahn der Zeit ordentlich für Beschäftigung sorgte, so ist dieses Radio der Nachwelt erhalten.

So ein Albtraum-Radio, wie Uli schreibt, wartet auch noch bei mir auf diese Kur. Diesen Körting hatte ich seinerzeit von Michel bekommen und die Erkenntnis der meist defekten Netztrafos und der berüchtigten Ferrocart Spulen schreckt mich momentan doch etwas ab, dort zu beginnen. Mich würde wirklich interessieren, ob diese Ferrocart-Spulen direkt bei Körting gefertigt wurden, oder ob man auf Erzeugnisse von Görler zurück gegriffen hat.

   
Mein Saxonia, der seine Defekte noch verbirgt.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#9
Hallo Detlef, da du die Ferrocart Spule angesprochen hast, ich aber diesen Begriff noch nie gehört habe, hab ich mal bei Org gelinst und einen riesen Bericht von DiRu gefunden, Klasse Bericht, sehr lesenswert
https://www.radiomuseum.org/forum/ferrocart.html

@Andreas, wie immer alles toll gelöst Smiley20
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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