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Rechteckwellengenerator RWG2 WF Berlin
#1
Hallo zusammen,

mit dem nun folgenden Gerät verlasse ich nicht nur die Gilde der Spannungsmesser, sondern auch die Geräte von Clamann & Grahnert. Ich wende mich nun entgültig den Funktionsgeneratoren zu und begebe mich mit dem ebenfalls etwas sperrig benamsten Rechteckwellengenerator RWG2 auf das Feld des Herstellers WF Berlin.

- -

Zur Erinnerung: In der damaligen Zeitschrift "Radio und Fernsehen", Heft 19/1955 wurde auf den Seiten 582 bis 584 unter "Die Geräte des neuen Standardmeßplatzes" veröffentlicht, dass man Meßgeräte für den Massenbedarf im Rundfunk und Fernsehbereich schaffen will. Die Geräte sollen universell einsetzbar, klein, leicht, robust und aber vor allem preisgünstig sein. Sie sollen sowohl in Forschung und Entwicklung als auch wie in jeder Rundfunkmechaniker-Werkstatt oder in jedem Servicewagen der damaligen PHG Rundfunk und Fernsehen - ja, so etwas wurde damals auch angestrebt! - zur Verfügung stehen. Ein heres Ziel!

Clamann & Grahnert kam als Hersteller im Artikel nicht vor. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, denn Glamann & Grahnert waren ja zu dieser Zeit noch privat und kein VEB. 1959 wurde die Firma halbstaatlich. 1972 wurden sie dann verstaatlicht und durch die ehemaligen Firmengründer in VEB Präcitronic Dresden umfirmiert. (Quelle: http://www.oldtimeradio.de/firma-162.php)

Und so wurde neben dem VEB Technisch-Physikalische Werke Thalheim insbesondere der VEB WF Berlin in die Pflicht genommen, einen entsprechenden Gerätepark zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.

Das WF Berlin... Aus dem damaligen Werk für Fernmeldewesen-HF-Oberspreewerk wurde ab 1951 das Werk für Fernmeldewesen. 1955 bis 1964 hieß es dann VEB-Werk für Fernmeldewesen Berlin (RFT) und anschließend firmierte es unter dem Namen VEB-Werk für Fernsehelektronik Berlin-Oberschöneweide. Ab 1955 bekamen die Geräte das WF-Logo. (Quelle: http://www.hts-homepage.de/OSW/OSW.html)

Das Universalröhrenvoltmeter URV1 vom WF Berlin hatte ich schon vorgestellt.

- -

Mein RWG2 ist nicht mehr im aktiven Gebrauch. Er steht so halberwegs gut funktionsfähig im Regal. Trotzdem darf er sich gelassen ausruhen.

   

Die Rückseite ziert wieder die für diese Geräte typische Bügeleisen- oder Backofensteckdose nebst Sicherungshalter plus Erdbuchse und Spannungsumschaltung für die damaligen 110V-Netze:

   

Man schraube die Frontplatte ab und begutachte:

   

Die Skala begann abzublättern. Mit Hilfe meiner Fotomethode (irgendwo im www habe ich es beschrieben) fertigte ich eine neue an. Diesmal beließ ich es beim Reinweiß, denn im Original war sie auch so. Das Original war übrigens tatsächlich auch rot und grün beschriftet.

Dieses grundsätzliche Design wird uns bei allen Geräten des WF immer wieder begegnen. Die unter einem Blechgehäuse und mit einer Glassscheibe abgedeckte Skala befindet sich links. Entweder ist die Skala fest und wird mittig direkt mit dem Knopf bedient (Zeiger dreht mit), oder sie ist drehbar und wird mittels separater Kurbel angetrieben (Zeiger dann fest). Keine Regel ohne Ausnahme: Wobbelgenerator WG2 - der hat Kurbel mit beweglichem Zeiger bei fester Skala Big Grin. Alle weiteren Bedienelemente befinden sich (bei altherkömmlichen Hammerschlagdesign auf schwarzer Frontplatte) grundsätzlich rechts. Voilá - ich greife etwas vor:

   

Vielleicht war diese Standardisierung auch mit ein Grund, warum ich diese Kisten mag. Denn man ist an und für sich schnell mit ihnen vertraut.

(Wird fortgesetzt)
Gruß Michael

Penthode?
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#2
die Lackierung der Geräte find ich einfach klasse.
Vielen Dank fürs Zeigen.
lG Martin
wenn die Welt untergeht sieht man es zuerst auf dem Oszilloskop
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#3
Der RWG2 sollte hauptsächlich zur Überprüfung von Breitbandverstärkern, wie zum Beispiel Videoverstärkern an TV dienen. In Verbindung mit einem Oszillografen konnte man es sich somit ersparen, punktweise die Verstärkungskurve aufzunehmen: An der durch den Prüfling veränderten Form der Rechteckwelle sollen sich sowohl der Frequenzausgang als auch Ein- und Ausschwingvorgänge erkennen lassen. Als Fernseher standen zu dieser Zeit allerdings lediglich der "Rembrandt" und der gerade neu aufkommende "Rubens" zur Verfügung, beides waren Paralleltonempfänger.

Nun ja. Umständlich und viel Erfahrung voraussetzend, würde ich sagen. Dazu muss man wissen, dass zu dieser Zeit noch keine Wobbeltechnik in genügender Menge zur Verfügung stand, aber irgendwas brauchte der Praktiker draußen im Feld: Zeit kostete auch damals in der DDR Geld. Außerdem sollte man mit dem RWG2 Balkenmuster auf dem TV-Bildschirm darstellen können. Auch hier wieder: eigenständige Bildmustergeneratoren gab es noch keine; zumindest nicht im Handel. Und sollte sich jemals eine Werkstatt in Eigenregie so etwas gebastelt haben, dann rückte die dieses Bastelgerät niemals raus - es war zu kostbar.

Die ECC91s wurde als kathodengekoppelter Multivibrator beschaltet. S1 schaltet die Frequenzbereiche grob um und zur Feinabstimmung dient das Tandempoti. An der zweiten Anode der ECC91s steht bereits die Rechteckspannung an, die die EF80 übersteuert. Von dort gelangt sie über C8 an die ECC81, deren beide Systeme als Kathodenverstärker arbeiten. RW3 regelt die Ausgangsspannung. Das Netzteil ist ohne Besonderheiten.

   

An dieser Stelle möchte ich, wie übrigens auch bei den weiteren Geräten meiner Vorstellungen, etwas ausführlicher auf die Bedienungsanleitungen eingehen. Denn sie gehören ja quasi unabdingbar zu den Geräten mit dazu; machen doch erst sie das Ganze so etwas wie komplett und somit sammelwürdig.

Das WF Berlin brachte Bedienungsanleitungen sowohl in DIN A5 als auch in DIN A4 heraus. Manche der Anleitungen sind schon ganz schön vergilbt, andere wiederum sind auf Hochglanzpapier und in zeitgenössischem Design gedruckt, wie zum Beispiel beim Prüfgenerator PG1, den ich auch noch gern präsentieren würde - für Exportgeräte gab es dann einfach besseres Druckmaterial?

Die Anleitung des RWG2 ist eine in DIN A5 gedruckte:

   

Schlägt man sie auf, so findet man die Röhren-Garantieurkunde und einen zunächst merkwürdigen eingeklebten Streifen Papier:

   

Die Bedienungsanleitung gibt unter dem aufgeklebten Streifen Auskunft: es ist nämlich nicht jede ECC91s geeignet!

Das Geräteinnere bestätigt es. Tatsächlich. Herrlich, eine an den Kabelbaum angetüderte Röhrenschachtel mit einer ECC91s darinnen: Smile

   

Frühe Anleitungen hatten tatsächlich noch richtige, eingeklebte Schwarzweiß-Fotos drin, was irgendwie skurril wirkt. Bei späteren, so wie dieser hier, waren die Fotos abgedruckt, oft jedoch mit nur mäßiger Qualität:

   

(Wird fortgesetzt)
Gruß Michael

Penthode?
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#4
Der Aufbau des RWG2 zeigt einen vergleichsweise zu modernen Geräten ziemlichen Aufwand, der getrieben wurde. Alleine schon die Befestigung der Kondensatoren ist sehenswert:

   

Auf der dicken Isolierplatte wurde alles sorgsam ausgerichtet.

   

Vor der Siebdrossel und dem Sicherungshalter erkennt man gut die riesige Öffnung für eine Stahlröhrenfassung, sowie eine weitere für eine Miniaturröhrenfassung (für einen Stabi?) - vermutlich war der Netzteil (oder heißt es eigentlich "das Netzteil"?) erst einmal für eine universelle Verwendung in den verschiedenen Geräten vorgesehen.

   

Die Unterseite zeigt ebenfalls einen soliden Aufbau. Sogar ein paar Sikatrop-Kondensatoren sind verbaut. Die untensitzenden Anschlüsse der Blockkondensatoren haben eigene Aussparungen in der Isolierplatte.

   

Lohnt es sich, so ein Gerät zu reparieren? Irgendwo in einem alten Buch steht beschrieben, wie man einen Rechteckwellengenerator verwenden kann, um solide und gute NF-Verstärker zu überprüfen, ob das, was man in sie reinschickt, auch wirklich wieder rauskommt. Nun ja, kann man machen. Nur - Gitarrenverstärker, mit denen ich es zu tun habe, sind alles andere als HiFi-Boliden, sondern eigenständige Klangeffektgeräte...

Für mich kommt ein Gebrauch des RWG2 nicht mehr infrage und so habe ich mich entschlossen, das Gerät nicht wieder herzurichten, sondern den Aufbau quasi als zeitgenössisches Denkmal im Original so zu belassen. Moderne Kleinbauteile würden das nur ruinieren.

Und mal Hand auf's Herz: Muss das überhaupt sein? Ich meine, bei einem so betagten Gerät in unverändertem Originalzustand (!) bei 1000 Hz:  Smiley53

   

Eigentlich müsste man sich diesen RWG2 ohne Gehäuse auf einem Drehteller in die Vitrine stellen. Allein schon wegen der Röhrenschachtel. Smile

Vielen Dank für's Lesen!

Gruß Michael
Gruß Michael

Penthode?
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#5
Eine wertvolle Dokumentation, danke

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#6
Dankeschön! Smile

Mit dem geplanten nächsten Gerät, dem Wobbelgenerator WG1, wird es allerdings noch dauern.
Der Graetz Sinfonia 4R eines Kunden steht an, es hat sich der nächste Kunde mit einem defekten VOX-Gitarrenamp angemeldet und inzwischen spiele ich nicht nur in einem Trio, sondern ab heute läuft die erste Probe mit einer sich neu formierenden Rockband an.

Ich kann momentan nur um Geduld bitten...

Gruß Michael
Gruß Michael

Penthode?
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#7
"Irgendwo in einem alten Buch steht beschrieben, wie man einen Rechteckwellengenerator verwenden kann, um solide und gute NF-Verstärker zu überprüfen, ob das, was man in sie reinschickt, auch wirklich wieder rauskommt. "

Z.B. in "Schulz, W.: Messen und Prüfen mit Rechtecksignalen, Philips techn. Bibliothek, 1966"

Hieraus z.B. folgende Abbildung zum Frequenzgang eines Verstärkers und den verformten Rechtecksignalen an seinen 3dB Grenzfrequenzen.

   

Mit etwas Erfahrung kann man mit der Meßmethode mit Rechtecksignalen sehr schnell zu den gewünschten Ergebnissen kommen.

MfG DR
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#8
Herzlichen Dank für die schöne Ergänzung! Smile
Gruß Michael

Penthode?
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