Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Mende - 198WL von 1937
#1
Bevor ich zum Mende selbst komme, habe ich das Bedürfnis die Vorgeschichte zum Gerät zu erzählen:

Vor über 25 Jahren - es muss 1993 oder 1994 gewesen sein lernte ich über einen Funkerkameraden einen Radio- und Fernsehtechniker kennen. Beim ersten oder zweiten Besuch schenkte mir Jürgen (besagter R/F-Techniker) ein schwarzes Telefon und ein altes Radio, nachdem ich erzählte, dass mich Röhrenradios interessieren.
Beide Geräte standen bei ihm im Schuppen, eher dunkel und feucht gelagert, waren verstaubt und beim Radio fehlte die Rückwand.
Das Telefon stellte sich als W48 heraus, welches ich noch bis zur Jahrtausendwende in meiner elterlichen Bleibe betrieb.

Beim Radio handelt es sich um das im Titel erwähnte Mende 198WL. Jürgen riet mir, das Radio nicht anzuschließen, da Bauteile explodieren oder brennen könnten. Nunja, anschließen ließ es sich sowieso nicht, da die Netzschnur fehlte.
Damals besaß ich sonst nur mein Siemens G7, dass mir mein Großvater schenkte und dass ich nur zerlegte und reinigte. Sonst hatte ich als Lehrling der Energieanlagenelektronik noch keine Ahnung von Radios.
So erfuhr auch das gute Mende eine Demontage mit Reinigung, wurde wieder zusammengebaut und diente über die Jahre als Dekoration. Mit der Zeit kamen weitere Geräte hinzu und meine Erfahrung - auch in der Reparatur erweiterte sich.
Alle paar Wochen besuchten wir ihn nun in seiner Werkstatt und ich schnappte wissbegierig alles auf, was ich dort über die Rundfunk- und Fernsehtechnik mitbekam. Als ich dann etwas später meinen Führerschein und das erste eigene Auto besaß, häuften sich die Besuche. Es wurde für mich zum Ritual Freitags nach Feierabend um 12 Uhr von der Lehrwerkstatt die 40km zu ihm zu fahren. Seinerzeit schenkte er zwei Schuhkartons mit alten dicken Widerständen aus der Röhrenära und andere Radioteile.

Irgendwann rentierte sich das Geschäft nicht mehr, trotz fester Zeitkontingente für Behörden und Firmen für Funktechnik - und er schloss die Werkstatt. Die Besuche wurden weniger, da ich inzwischen auch berufstätig und viel unterwegs war und so haben wir uns aus den Augen verloren.

Es muss vor fünf oder sechs Jahren gewesen sein, als sich herausstellte, dass ein Vereinskollege vom Radiomuseum im Nachbarort wohnte. Ich fragte ihn, ob er denn den Jürgen kenne und er erzählte mir, dass Jürgen bereits vor zwei Jahren an Krebs starb.

Aus diesem Grund ist dieses Mende ein ganz besonderer Schatz für mich. Es war mein zweites Röhrenradio überhaupt und ich bekam es von einem Menschen geschenkt, mit dem ich viele spannende Erlebnisse verbinde.


Nach über 25 Jahren sollte das gute Mende nun wieder zum Leben erweckt werden - auch in Jürgen's Gedenken Smile

Zuerst musste eine Bestandsaufnahme gemacht werden:

Das Chassis stand seit Jahren auf einem Regal als Bücherstütze und Dekorationsobjekt. Einige Teerkondensatoren tragen das Datum von 1952, in den einst freien Bohrungen beim Netztrafo sind Siemens-Elkos verschraubt und der Blockkondensator, der ab Werk hinter dem Lautsprecher auf dem Gehäusboden verbaut war fehlt - wie bei den meisten Exemplaren dieses Modells. Einige Kondensatorwerte weichen von den Originalwerten ab und vom G2 der AL4 hat jemand einen Teerkondensator mit nicht mehr ablesbarer Kapazität auf Masse gelegt.
Lautsprecher und Gehäuse lagen im Keller. Ersterer wurde von mir einst im jugendlichen Forscherdrang ausgebaut und sollte für andere Zwecke herhalten - damals wusste ich noch nichts von Lautsprechern mit Feldspule - daher waren die Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Das Gehäuse ist wurmfrei, die Rückwand fehlt, es gibt schrammen und Lackschäden, das Mende M ist silber gepinselt und wirkt wie nachträglich lackiert.

Die Röhren fanden sich alle in einer Schublade, wo sie die letzten 10 Jahre fristeten. Die AL4 hatte ich mal mit dem µTracer gemessen: Emission 30%. Die anderen Röhren sind ungebrüft.
Kleinteile und Knöpfe befinden sich irgendwo in einem Beutel.


Als nächstes überlegte ich mir, was nun aus dem Radio werden sollte:
Nun, der Zustand ist wohnzimmertauglich, aber keine Note 1, eher 3-4. Ich will kein neuwertig aussehendes Radio haben und eine Neulackierung, Ölung oder Schellackbehandlung ist mir einfach zu viel Arbeit.
Da ein 198WL keine Seltenheit ist, muss auch die Elektronik nicht 100% werksnah sein.
Fazit: Das Radio muss funktionieren, alle Komponenten werden gereinigt und aufbereitet, aber die Macken der Jahre darf das Radio gerne zeigen!

   
Das Bild ist von 2006 und etwas aufpoliert. Vom Gehäuse habe ich derzeit keine weiteren Fotos.

Leider hat der Lautsprecher im Laufe der Jahre einen Membranschaden erlitten
       
Zum Glück ist die Feldspule noch intakt und die Membran kratzt nicht.

Also Premiere für meine Erste Lautsprecherreparatur.
Mit stark verdünntem Holzleim wurde die Membran beidseitig mit Stücken aus Seidenpapier (war bei Schuhen dabei) geflickt.
   
Das Ergebnis ist zwar nicht perfekt, aber soviel kann ich schon verraten - der Lautsprecher klingt einwandfrei und er soll ja nicht alltäglich stundenlang spielen.

Ein Blick unter's Chassis im Ausgangszustand:
   

Das Schaltbild:
   

Fortsetzung folgt...
Smiley47
Zitieren
#2
-Fortsetzung-

Nachdem alle Teerkondensatoren ersetzt und der Blockkondensator in der Mitte des Chassis noch für gut befunden war (C & ESR i.O.), wurde das Chassis ohne Röhren, aber schon mit dem reparierten Lautsprecher angeschlossen, langsam unter Spannung gesetzt.
Nachdem die Stromaufnahme hier unauffällig blieb, wurde der Vorgang mit eingesetzten Röhren wiederholt.
Die Spannung wurde unter Beobachtung der Stromaufnahem über mehrere Minuten langsam erhöht.
Aus dem Lautsprecher begann es zu brummen, aber von Empfang war nichts festzustellen. An der Anode der RENS1294 war keine Spannung messbar. Übeltäter war der 40kOhm Widerstand, der über den darauf folgenden 30kOhm Widerstand und über die Spulen des Filters die Anode versorgen soll. Dieser war äußerlich unbeschädigt, aber hochohmig.
Ein identischer 40kOhm Widerstand aus dem Fundus brachte zunächst keine Änderung. Nach kurzer Fehlersuche stellte sich dieser als ebenfalls defekt heraus!
   
Ein weiterer - nun vorher geprüfter - Widerstand löste das Problem. Auf Langwelle war das Radio nun schon recht lebendig und brüllte mir die ganzen HF-Störungen aus dem Umfeld entgegen Smile
Auf Mittelwelle war dem Gerät fast nichts zu entlocken. Mit dem Prüfsender direkt an der Antennenbuchse angeschlossen war das Signal nur schwach hörbar. Darauf wurden die Kontakte des Nockenschaltaggregats überprüft, in dem ich diese mit dem Schraubenzieher nach und nach parallel überbrückte. Dabei stellte sich mindestens ein Kontakt als schlecht heraus.
Mit einem Kontakt WL getränkten kleinen Briefchen aus 800er Schleifpapier und der langen Spitzzange ließen sich die Kontakte gut reinigen. Nun war auch die Mittelwelle wieder lebendig.
   
.jpg   MENDE - 198WL 2020 01 08 103741 4.900kB B.jpg (Größe: 355,64 KB / Downloads: 294)
Derzeit kann man auf LW die Rückkopplung zum Pfeifen bringen, auf MW aber nicht. Außerdem wird der Empfänger auf MW im ersten viertel der Skala (auf den höchsten Frequenzen) sehr breitbanding und schwach.
Das hat sich durch einen Abgleich nach Vorschrift gebessert, aber da ist noch Luft nach oben.
Die Trimmkondensatoren in den Filtern sitzen bombenfest. Vielleicht ist hier noch Handlungsbedarf...

Ich hoffe, ich habe Euch mit meiner kleinen Geschichte nicht gelangweilt und werde weiter über die Genese des Mende berichten Smile

Gruß,
Daniel
Smiley47
Zitieren
#3
Ich glaub Jeder der sich mit alten Radios schon mal befasst hat, hat auch so einen MENDE schon mal gesehen oder besessen - auch ohne die sehr lesenswerte Geschichte dahinter lohnt eine (Wieder-) Instandsetzung - das sind einfach heimelige Apparate, finde ich. Auch die Maserung ist was sehenswertes - soweit ich erkennen kann ist die Skala ohne Sprünge oder Beschädigungen - da haperts so manches mal daran. Weiterhin Viel Freude und Erfolg damit !
Zitieren
#4
Hallo Daniel 

Schöne Geschichte zum Radio . 

Viel Spass beim herrichten des Gerätes .  Smiley47
mit freundlichen Gruss

Uli



Wo alle dasselbe denken , wird nicht viel gedacht .

( Walter Lippmann ) 
Zitieren
#5
Hallo Daniel,

Danke für den ausführlichen Bericht und die Hintergründe. Ich finde schon wegen der Historie die daran hängt hat dieses Radio es verdient wieder hergerichtet zu werden. Oft steht ja nicht die Technik im Vordergrund, sondern besondere Erfahrungen und Menschen die ein Gerät für einen selbst erst wertvoll machen.

Ich wünsche dir viel Freude bei der Restaurierung.
Viele Grüße
Semir
---------------------------------
"Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer der wußte das nicht, und hat es gemacht."
(Prof. Hilbert Meyer, Uni Oldenburg)
Zitieren
#6
Ja, Daniel das ist ein sehr schöner Reflexempfänger. Der hat auch eine sehr schöne Wiedergabe.

Die Front hat ein schönes Wurzelfurnier. Hier den Altlack runter nehmen. Er sieht schon etwas schäbig aus. Dann werden die runden Leisten natürlich hell. Die also anbeizen damit sie aussehen, wie der Rest vom Furnier. Dann mit einer oder 2 Schichten Hartöl bearbeiten. Das feuert das Furnier richtig an. Und dann zum Schluß Schellackpolitur. Durch die Bakelitblenden und die tolle Skala sieht das Radio dann wirklich toll aus und Du hättest Deine Freude dran. Ist schließlich ein Andenken.

Vorschlag: Ich weiß, dass Du diese Gehäusearbeiten nicht magst. Rüste das Gehäuse ab und gib das Gehäuse dem Semir mit. Ich würde Dir da etwas richtig schönes draus machen. Du hast mir ja neulich auch so toll weiter geholfen. Ich würde das gerne für Dich machen. Dauert dann aber noch etwas, es muss erst wieder wärmer werden. Aber unsere Radios laufen ja nicht weg.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
Zitieren
#7
Hallo Andreas, Hallo Daniel,

Klar mache ich das gerne. Ende Januar treffe ich ja den Andreas, da könnte ich es mit bringen.
Viele Grüße
Semir
---------------------------------
"Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer der wußte das nicht, und hat es gemacht."
(Prof. Hilbert Meyer, Uni Oldenburg)
Zitieren
#8
Hallo Andreas,
vielen Dank für Dein Angebot.
Vielleicht beize ich das Gehäuse demnächst mal ab. So Umfangreich wie ein 50er Jahre Gehäuse ist es ja - wenn ich so überlege - nicht. Da muss ja nicht viel abgebaut werden.
Vielleicht juckt's mich ja doch noch in den Fingern Smile
Ansonsten komme ich gerne auf Dein Angebot zurück. Ich kann dir für den Fall aber auch an dieser Stelle schon versichern, dass ich durchaus weiß was das für eine Arbeit ist.
Smiley47
Zitieren
#9
Und - jetzt wo ich das gerade lese - Danke auch an Dich Semir für Dein Angebot. Vielleicht bring ich das Gehäuse dann zum Stammtisch nächste Woche mit.


PS: Den FK100R DVBT-2 Umbau schaffe ich nicht 100%. Aber vielleicht krieg ich den soweit zusammen, dass ich ihn nächste Woche mal vorführen kann.

Jetzt habe ich mal ein paar Spannungen am Mende gemessen:
Bei Radiomuseum.Org ist ein Schaltbild mit nachträglich eingezeichneten Messwerten eines funktionierenden Gerätes.
Bei meinem Exemplar weichen die Spannungen alle deutlich ab.
Alle Messwerte "IST / SOLL":

RENS1294
A : 90/73V
G1: -1,2/k.A
G2: 48/57V
K : 0,7/1,25V

AL4
A : 273/218V
G1: 0/k.A
G2: 283/237V
K : 3,7/5,8V

Ich gehe auf Grund der Messwerte davon aus, dass die Messwerte auf müde Röhren zurückzuführen sind. Die AL4 hatte ich ja schon mit 27% Emission gemessen. Da die aber noch sauber klingt, würde ich die nichz zwingend ersetzen. Anders sieht es bei der RENS1294 aus.
Ich überlege, da mal testweise eine Bastelschaltung mit einer E-Röhre reinzufriemeln. Mit einer Kaskade müsste man ja die Heizspannung entsprechend hochbekommen. Den Rest mache ich freiverdrahtet oder so... Ist ja nur zum Testen.
Smiley47
Zitieren
#10
Testweise habe ich mal - dank eines Tipps - eine PF86 an Stelle der RENS1294 ins Radio gebastelt. Der Empfang ist besser, aber im oberen Frequenzbereich ist MW noch immer sehr dünn. Am Zustand der RENS1294 liegt's nicht. Morgen werde ich mich nochmal näher mit der Schaltung befassen.
Smiley47
Zitieren
#11
Daniel,

für gewisse Leute mache ich das gern. Du gehörst dazu! Diese Gehäuse braucht man nicht abbeizen. Da verwendet man Nitro-Verdünnung. Lappen tränken, auf das Gehause legen, abdecken und abwarten. 15 Minuten und eine Seite ist lackfrei. Also, überlege Dir das. Nur wie gesagt, ich muss dann noch warten, bis es etwas wärmer wird, sonst läßt sich die Schellack-Politur nicht verarbeiten. Und wirklich keine weiter Vorbereitungen. Ich habe manchmal Gehäuse bekommen, die wurden "zu viel vorbereitet".
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
Zitieren
#12
Lieber Andreas, Dein Angebot nehme ich gern an.
Ich werde das Gehäuse ausräumen und reinigen, ansonsten bleibt es unbehandelt.
Dann bringe ich es am Dienstag zum Stammtisch mit.
Inzwischen werde ich dem Chassis noch die restlichen Kondensatoren spendieren, dann kann es samt Lautsprecher in den Keller, bis sein Häuschen wieder kommt.
...dann hab ich endlich wieder Platz auf der schmalen Werkbank Smile
Smiley47
Zitieren
#13
Hallo Daniel,

genau richtig. Mach Du die Technik. Frage, wenn was unklar ist und ich kümmere mich gerne um den Rest. Ich mag diese Gehäuse. Wenn die richtig aufgearbeitet sind, dnn sind das Augenweiden. Am 24. Januar kommt der Semir eh zu uns. Dann kann er das Gehäuse mit bringen. Ja und Platz schafft daas doch auch.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Nord Mende 258 W Hanskanns 79 11.927 28.02.2022, 20:03
Letzter Beitrag: Hanskanns
  Mende 138W navi 11 2.958 05.05.2021, 17:31
Letzter Beitrag: klausw
  Mende 415 WU Thorsten 9 7.310 30.07.2015, 07:28
Letzter Beitrag: Dietmar
  Mende 147W Radio Mann 4 5.289 06.03.2015, 12:09
Letzter Beitrag: Andreas_P

Gehe zu: