Hallo zusammen,
ich habe mir "viel Spaß" gewünscht und mache mich nun an mein nächstes Projekt.
Die Aufgabe ist vom Wortlaut her recht einfach: Diesen Rubens wieder zum Spielen bringen. Und wenn das mal der Fall ist, dann könnte ich an diesem Chassis meine Meßtechnik durchprobieren.
Diese Serie wird für die geneigten Mitleser diese Serie allerdings nicht so schnell fertig. Schon weil meine Zeitfenster, wie ich schon an anderer Stelle schrieb, immer begrenzt sind und schon auch deswegen, weil ich angesichts der Meute an fehlenden Ersatzteilen erst einmal meinen Fundus durchwühlen muss und sicherlich wäre es nicht schlecht, ein Ersatzchassis zur Hand zu haben, welches man "plündern" kann. Vielleicht wird das hier auch gar nichts, wenn ich merke, dass es partout nicht weitergehen will oder einfach spezielle Teile fehlen... Auch werde ich an späteren Stellen Hilfe benötigen. Schaun' mer einfach erst mal.
Hier seht Ihr das Chassis:
Es handelt sich um einen FE 855C "Rubens", gebaut lt. Stempelaufdruck im Chassis am 07. Dezember 1955. Gefertigt wurde es vom damaligen Hersteller, dem VEB Sachsenwerk (RAFENA) Radeberg, wobei das RAFENA für "Radeberger Fernseh- und Nachrichtentechnik" steht. Der Name entstand im November 1956 nach einem Namenswettbewerb aus dem VEB Sachsenwerk Radeberg.
Den HV-Käfig habe ich abmontiert, die Befestigung der Bildröhre nebst der Kleinteile liegt separat, ebenso wie das Schirmblech für den Zeilengenerator und die Zeilenendstufe unter dem Chassis. Der Ionenfallenmagnet liegt mit bei.
Was gibt es zum Ist-Zustand des Chassis zu sagen?
Es fehlen viele Becherelkos. Es fehlen fast sämtliche Potis auf der Chassisober- und Chassisrückseite. Sicherlich fehlen auch noch ein paar Kleinwiderstände etc. Einige der Widerstände sind angekokelt, d.h. waren thermisch belastet - möglicherweise durch Fehlfunktionen der an ihnen angeschlossenen Kondensatoren. Diese schwarzen Dinger...
Ansonsten...
Die abgeklemmte und abgelötete Ablenkeinheit ist hin. Eine der Ablenkspulen ist durchgebrannt. Man sieht das Loch, wenn man in die Öffnung hineinschaut, in der normalerweise der Bildrohrhals ruht. Ein leidiges Problem. Da muss Ersatz her. Der Netzschalter des Potis ist hinüber - wenn schon, dann ist alles richtig hin. Die Kondensatoren erwähne ich erst gar nicht...
Was die Röhren angeht - Eine Bildröhre B30M1 liegt noch verpackt in der Garage. Mal schauen, ob sie noch funktionsfähig ist. Die EL84 (Tonendstufe) fehlt und die ECC82 (Phasenvergleicher und Zeilengenerator) ist ein Luftzieher - da ist Ersatz da, kein Problem.
Entsprechend des gestempelten Datums auf dem Chassis ist der Fernseher mit einem Penthoden-Tuner ausgestattet. Der hat noch die rot gestempelten OIR-Segmente. Lediglich der Kanal 6 ist mit gelben Abziehbildern versehen. Der Deckel des Trommel-Kanalwählers fehlt leider.
Eigentlich soll das eine Restaurations-Serie werden. Viel Bilder, nicht soviel theoretisch-technisch-trockener Hintergrund. Aber so ganz ohne Theorie geht es bei diesen Fernsehern, damals aus der DDR, nicht. Ich versuche, mich damit kurz zu fassen.
= = = =
Schreibt man was zu diesen Fernsehern, so schreibt man was zu den Trommel-Kanalwählern aus dieser Zeit. Und schon kommt man um ein Thema nicht drumrum: Es ist das Thema "OIR(T) vs. CCIR", das heißt, speziell die aufgrund politischer Entscheidungen resultierende Umrüst- und Abgleichthematik an den Geräten. Es ist ein spezielles und sehr interessantes Thema. Das in aller Ausführlichkeit hier darzustellen, würde den Rahmen dieser Serie sprengen. Denn es ist ja nicht nur das. Hinzu kommt der Umstieg vom Parallelton- auf das Intercarrierverfahren, somit verbunden, unterschiedliche Bild- und Ton-ZF und deren Abstände in den Geräten. Dann haben wir diese beiden "Sonderkanäle Leipzig und Dresden", welche zunächst auf Schalterstellung 4 des Kanalwählers (Leipzig) und auf Schalterstellung 11 (Dresden) eingesetzt werden sollten, dann aber offenbar rastlos und unstetig hin und her geschoben wurden...
Manche der neuen CCIR-Segmente wurden bis auf weiteres für den DDR-Markt nicht gefertigt; solange, bis diese beiden Sonderfrequenzen wieder frei wurden, so daß hier die OIR-Segmente zum Einsatz kamen... *1)
Die Kanalwähler wurden auch aufgrund politischer Entscheidungen innerhalb der DDR damals nicht mit allen Segmenten ausgestattet, so dass nicht jeder alles sehen konnte (Westfernsehen!): wo der "Klasenfeind" möglicherweise einstrahlte, ließ man die Segmente ab Werk einfach weg... Zwar ließ man von diesem unsinnigen Vorhaben bald ab, weil man merkte, dass es nichts brachte - die findige Bevölkerung wusste sich zu helfen. Aber das dauerte eben einige Zeit. Hinzu kommt, dass die Tuner auch noch abweichend vom DDR-Markt für das sozialistische Ausland, wo weiterhin in der OIR-Norm gesendet wurde, unterschiedlich bestückt wurden.
Man kann grob davon ausgehen, dass die meisten der Kanalwähler ab Werk etwa um 1957 komplett für alle Kanäle bestückt sind und die 1957 noch erwähnten fehlenden Segmente nun produziert werden bzw. auch noch die Sonderfrequenzen Leipzig und Dresden aufgegeben bzw. bereinigt wurden. Der entsprechende Hinweis taucht in einer kleinen Meldung in "Radio und Fernsehen" 14/57, S. 436 auf: "Umstellung der DDR-Fernsehsender am 15.08.1957 abgeschlossen". Der letzte Sender, der noch auf CCIR umgestellt werden mußte, war Dresden. Das wurde, so eine mir in Schriftform vorliegende Aussage, im Zeitraum vom 05.08 - 15.08.1957 durchgeführt. Ende damit? Mitnichten!
1956 beschloß man ganz kleinlaut, von OIR auf CCIR umzusteigen. Der Abschluß dieser ganzen Geschichte fand sich tatsächlich erst im Mai 1960 (!), wie in einer eher nebensächlich wirkenden Notiz zu lesen ist. *2)
In Summe bedeutet das schlicht und einfach, dass jeder dieser alten Fernseher bis etwa Baujahr 1959/60 aus der DDR, die man heutzutage ersteht, nicht zwangsläufig mit allen Kanalsegmenten ausgestattet sein muss. Das hängt nämlich auch noch davon ab, wie lange er in Betrieb war, ob er vorher defekt ging und wann er repariert wurde. Strenggenommen wurden sie damals gehegt und gepflegt, aber heutzutage? Ob einfach jemand, der heute so einen alten Fernseher verkaufen möchte, irgendwelche Kanalwählersegmente da reinbastelt in Unkenntnis zu den ZF-Einstellungen des übrigen Gerätes oder absichtlich, frei nach dem Motto: Irgandwas rein, Hauptsache, da ist was drin, merkt eh' keiner...
Eine wirre Gemengelage!
- - -
Der "Rubens" wurde bis Mai 1956 mit dem Tuner mit EF80 und ECC81 ausgerüstet und hier sieht man auch gleich seine Röhrenbestückung *3):
DSC07676.jpg (Größe: 311,62 KB / Downloads: 1.555)
Das ist der FE 855C. Der zugehörige Trommel-Kanalwähler war schon im Vorgänger des "Rubens" zu finden: im FE 852E "Rembrandt". Mit vermutlichem Namen FE 852.309 war er von der Schaltung her sehr ähnlich, wenn man einen vergleichenden Blick in die Schaltpläne der beiden Fernseher wirft. Hier - schön nicht, aber selten - ein Foto aus beiden der Service-Hefte zur Verdeutlichung der Bauart:
Ab Mai 1956 wechselte man diesen Penthoden-Tuner (wer es ganz genau wissen möchte: "Kanalwähler FE 855.209 Pentodeneingang") gegen einen empfindlicheren Kaskode-Tuner aus: "Kanalwähler FE 855.409 Kaskodeeingang" mit den Röhren ECF82 und ECC84. Und aus dem FE 855C wurde der FE 855C1. Dieser Kaskode-Tuner ward fortan - zunächst unabhängig vom Parallelton- oder Intercarrierverfahren (!) - als VHF-Tuner unter verschiedenen Namen, wie FE 855.409B im "Dürer" (der erste Intercarrier-Empfänger der DDR, aber auch noch sowohl OIR als auch dann CCIR!) und "Format" & Co oder 1959 als FE 855.2200B im "Derby" und "Cranach" zu finden. Bis hin dann zum "Patriot", dann aber mit P-Röhren bzw. ebenfalls im "Rubens" FE 855D1. Ich habe mal hier - auch wieder schön nicht, aber selten - ein Foto dreier Abbildungen aus drei Service-Heften zum Verdeutlichen gemacht:
Immer mit verschiedenfarbigen Segmenten. Verschiedenfarbig??? Richtig, denn zu der obigen Gemengelage kommt noch die Farbe der Segmente des Tuners verwirrend hinzu. Und auch wieder Politik, denn selbst 1959 noch sprach man im Kundendienst-Heft des "Derby" etwas sperrig von "...DDR-Norm und CCIR-Norm bzw. Sonderbestückung (Pol)". Wenigstens schrieb man schon: "Die Segmente für DDR sind mit der Kanalzahl grün und die für CCIR-Kanäle weiß gestempelt". *4)
Zurück zum "Rubens" und was hat es mit den Segmentfarben auf sich?
Sowohl die C- als auch C1-Geräte empfingen nach der OIR-Norm im Parallelton-Verfahren mit dem gesendeten Bild-Tonabstand von 6,5 MHz. Dementsprechend waren in den Tunern ab Werk die farbig gestempelten Kanalwählersegmente zu finden:
Penthode-Tuner: rot = OIR
gelb = CCIR
Kaskode-Tuner: grün = OIR
weiß = CCIR
Rot für alle verfügbaren OIR-Kanäle und (Abziehbild-) Gelb also für den CCIR-Kanal 6. Wer wissen möchte, was nun hier was ist, bittesehr. Das Service-Heft gibt bereitwillig Auskunft (bezieht sich allerdings nur auf OIR):
Das bedeutet, dass dieses Chassis offenbar noch auf OIR empfing. Aber es ist ein CCIR-Kanal mit dem Bild-Tonabstand von 5,5 MHz dabei! Wie ist das Gerät, speziell der Bild-ZF-Verstärker, abgeglichen? 5,5 MHz und 6,5 MHz ging hier nicht. Der Fernseher war kein Mehrnormen-Empfänger. Und wie sieht die Kurve des ZF-Tonverstärkers aus? Bei den Paralleltönern musste man aufpassen: Jede Änderung der Oszillatorfrequenz durch Temperaturdrift sorgte dafür, dass die Ton-ZF aus dem Maximum der Kurve des Ton-ZF-Verstärkers wanderte mit dem unangenehmen Ergebnis, dass alles verzerrte... Mit dem Intercarrierverfahren gab es dieses Problem nicht mehr dank des gemeinsamen Bild-Ton-ZF-Verstärkers und der Differenzfrequenz an der Videodiode.
Aber wie sind die ZF-Verstärker hier eingestellt? Vermutlich sind die ZF-Kurven auf den CCIR-Abstand nachträglich irgendwie "gezogen" worden. Ich weiß es momentan nicht.
Rubens (und damit lasse ich jetzt die Gänsefüßchen beim Namen weg), die man heute auf Flohmärkten ersteht, sind oft FE 855C, haben aber einen Kaskode-Tuner drin, die ab Werk offiziell eigentlich erst in die C1-Geräte kamen. Wie kommt's? Ganz einfach! Wenn jemand nämlich seinerzeit einen guten Draht zum Rundfunkmechanikermeister hatte oder wie auch immer an den Kaskode-Tuner herankam, dann wurden die Tuner auch schon bei den C-Geräten nachträglich ausgetauscht (ob die Kaskode-Tuner auch schon ab Werk in die C-Serie aufgrund eines Tuneraustauschprogrammes eingebaut wurden, weiß ich nicht). Passt hoffentlich dann die Segmentfarbe? Siehe wieder oben!
= = = =
"Der Worte sind genug gewechselt. Lasst Taten folgen!"
Los geht's in einem ersten, kleinen Schritt.
Ich wollte zu allererst testen, ob der Netztrafo überhaupt noch was von sich gibt und wie es mit dem Trockengleichrichter aussieht. Die gefährlichen Kondensatoren auf der Primärseite des Trafos habe ich abgelötet. Vorsichtig am Trenntrafo hochgefahren, machte es "Flapp" und eine der beiden Feinsicherungen verabschiedete sich sofort.
Ja, nee, Himmel, da wird doch nicht etwa der Netztrafo schon gleich mal primärseitig???
Nein. Es zeigte sich, dass nicht nur der Netzschalter nicht mehr schaltete, sondern er schloß intern vor der Primärseite des Netztrafos kurz. Das hatte ich beim Durchklingeln der Primärseite glatt übersehen. Ich habe den Schalter einseitig ab- und die zugehörigen Anschlüsse zuammengelötet. Nun kann er zwar nicht mehr schalten, richtet aber auch keinen Schaden mehr an.
Eine neue Sicherung eingesetzt und siehe da, die Röhren beginnen zu heizen und am Pluspol des Trockengleichrichters zeigt sich am Oszillograf eine schöne Wechselspannung. Probeweise ein 100µF-Elko - der hohe Wert ist hier entsprechend des Schaltplanes erlaubt - gegen Masse angeklemmt (im Bild links unten zu sehen) und schon habe ich auf dem Oszillograf eine schöne Gleichspannung und das mit angeschlossene Voltmeter zeigt mir was um +275 Volt an.
Na prima, dann kommt gleich auch noch ein Siebelko mit 50µF hinter die Drossel geklemmt und mal geschaut, was passiert: Aha, die Drossel ist in Ordnung. Kein Köcheln, kein Müffeln, kein warm werdender Netztrafo: die Schienenspannungen aus dem Netzteil sind somit schon mal alle da.
Ein hoffnungsvoller Anfang!
(wird fortgesetzt)
*1) RAFENA - Anleitung zur Umstellung auf CCIR-Norm, 1957.
*2) Informationen für den Fernseh-Kundendienst, Januar 1960, Nr. 12, Seite 22.
*3) Kundendienstanleitung Fernsehempfänger FE 855.
*4) Kundendienstanleitung Fernsehempfänger Cranach / Derby, S. 8.
ich habe mir "viel Spaß" gewünscht und mache mich nun an mein nächstes Projekt.
Die Aufgabe ist vom Wortlaut her recht einfach: Diesen Rubens wieder zum Spielen bringen. Und wenn das mal der Fall ist, dann könnte ich an diesem Chassis meine Meßtechnik durchprobieren.
Diese Serie wird für die geneigten Mitleser diese Serie allerdings nicht so schnell fertig. Schon weil meine Zeitfenster, wie ich schon an anderer Stelle schrieb, immer begrenzt sind und schon auch deswegen, weil ich angesichts der Meute an fehlenden Ersatzteilen erst einmal meinen Fundus durchwühlen muss und sicherlich wäre es nicht schlecht, ein Ersatzchassis zur Hand zu haben, welches man "plündern" kann. Vielleicht wird das hier auch gar nichts, wenn ich merke, dass es partout nicht weitergehen will oder einfach spezielle Teile fehlen... Auch werde ich an späteren Stellen Hilfe benötigen. Schaun' mer einfach erst mal.
Hier seht Ihr das Chassis:
Es handelt sich um einen FE 855C "Rubens", gebaut lt. Stempelaufdruck im Chassis am 07. Dezember 1955. Gefertigt wurde es vom damaligen Hersteller, dem VEB Sachsenwerk (RAFENA) Radeberg, wobei das RAFENA für "Radeberger Fernseh- und Nachrichtentechnik" steht. Der Name entstand im November 1956 nach einem Namenswettbewerb aus dem VEB Sachsenwerk Radeberg.
Den HV-Käfig habe ich abmontiert, die Befestigung der Bildröhre nebst der Kleinteile liegt separat, ebenso wie das Schirmblech für den Zeilengenerator und die Zeilenendstufe unter dem Chassis. Der Ionenfallenmagnet liegt mit bei.
Was gibt es zum Ist-Zustand des Chassis zu sagen?
Es fehlen viele Becherelkos. Es fehlen fast sämtliche Potis auf der Chassisober- und Chassisrückseite. Sicherlich fehlen auch noch ein paar Kleinwiderstände etc. Einige der Widerstände sind angekokelt, d.h. waren thermisch belastet - möglicherweise durch Fehlfunktionen der an ihnen angeschlossenen Kondensatoren. Diese schwarzen Dinger...
Ansonsten...
Die abgeklemmte und abgelötete Ablenkeinheit ist hin. Eine der Ablenkspulen ist durchgebrannt. Man sieht das Loch, wenn man in die Öffnung hineinschaut, in der normalerweise der Bildrohrhals ruht. Ein leidiges Problem. Da muss Ersatz her. Der Netzschalter des Potis ist hinüber - wenn schon, dann ist alles richtig hin. Die Kondensatoren erwähne ich erst gar nicht...
Was die Röhren angeht - Eine Bildröhre B30M1 liegt noch verpackt in der Garage. Mal schauen, ob sie noch funktionsfähig ist. Die EL84 (Tonendstufe) fehlt und die ECC82 (Phasenvergleicher und Zeilengenerator) ist ein Luftzieher - da ist Ersatz da, kein Problem.
Entsprechend des gestempelten Datums auf dem Chassis ist der Fernseher mit einem Penthoden-Tuner ausgestattet. Der hat noch die rot gestempelten OIR-Segmente. Lediglich der Kanal 6 ist mit gelben Abziehbildern versehen. Der Deckel des Trommel-Kanalwählers fehlt leider.
Eigentlich soll das eine Restaurations-Serie werden. Viel Bilder, nicht soviel theoretisch-technisch-trockener Hintergrund. Aber so ganz ohne Theorie geht es bei diesen Fernsehern, damals aus der DDR, nicht. Ich versuche, mich damit kurz zu fassen.
= = = =
Schreibt man was zu diesen Fernsehern, so schreibt man was zu den Trommel-Kanalwählern aus dieser Zeit. Und schon kommt man um ein Thema nicht drumrum: Es ist das Thema "OIR(T) vs. CCIR", das heißt, speziell die aufgrund politischer Entscheidungen resultierende Umrüst- und Abgleichthematik an den Geräten. Es ist ein spezielles und sehr interessantes Thema. Das in aller Ausführlichkeit hier darzustellen, würde den Rahmen dieser Serie sprengen. Denn es ist ja nicht nur das. Hinzu kommt der Umstieg vom Parallelton- auf das Intercarrierverfahren, somit verbunden, unterschiedliche Bild- und Ton-ZF und deren Abstände in den Geräten. Dann haben wir diese beiden "Sonderkanäle Leipzig und Dresden", welche zunächst auf Schalterstellung 4 des Kanalwählers (Leipzig) und auf Schalterstellung 11 (Dresden) eingesetzt werden sollten, dann aber offenbar rastlos und unstetig hin und her geschoben wurden...
Manche der neuen CCIR-Segmente wurden bis auf weiteres für den DDR-Markt nicht gefertigt; solange, bis diese beiden Sonderfrequenzen wieder frei wurden, so daß hier die OIR-Segmente zum Einsatz kamen... *1)
Die Kanalwähler wurden auch aufgrund politischer Entscheidungen innerhalb der DDR damals nicht mit allen Segmenten ausgestattet, so dass nicht jeder alles sehen konnte (Westfernsehen!): wo der "Klasenfeind" möglicherweise einstrahlte, ließ man die Segmente ab Werk einfach weg... Zwar ließ man von diesem unsinnigen Vorhaben bald ab, weil man merkte, dass es nichts brachte - die findige Bevölkerung wusste sich zu helfen. Aber das dauerte eben einige Zeit. Hinzu kommt, dass die Tuner auch noch abweichend vom DDR-Markt für das sozialistische Ausland, wo weiterhin in der OIR-Norm gesendet wurde, unterschiedlich bestückt wurden.
Man kann grob davon ausgehen, dass die meisten der Kanalwähler ab Werk etwa um 1957 komplett für alle Kanäle bestückt sind und die 1957 noch erwähnten fehlenden Segmente nun produziert werden bzw. auch noch die Sonderfrequenzen Leipzig und Dresden aufgegeben bzw. bereinigt wurden. Der entsprechende Hinweis taucht in einer kleinen Meldung in "Radio und Fernsehen" 14/57, S. 436 auf: "Umstellung der DDR-Fernsehsender am 15.08.1957 abgeschlossen". Der letzte Sender, der noch auf CCIR umgestellt werden mußte, war Dresden. Das wurde, so eine mir in Schriftform vorliegende Aussage, im Zeitraum vom 05.08 - 15.08.1957 durchgeführt. Ende damit? Mitnichten!
1956 beschloß man ganz kleinlaut, von OIR auf CCIR umzusteigen. Der Abschluß dieser ganzen Geschichte fand sich tatsächlich erst im Mai 1960 (!), wie in einer eher nebensächlich wirkenden Notiz zu lesen ist. *2)
In Summe bedeutet das schlicht und einfach, dass jeder dieser alten Fernseher bis etwa Baujahr 1959/60 aus der DDR, die man heutzutage ersteht, nicht zwangsläufig mit allen Kanalsegmenten ausgestattet sein muss. Das hängt nämlich auch noch davon ab, wie lange er in Betrieb war, ob er vorher defekt ging und wann er repariert wurde. Strenggenommen wurden sie damals gehegt und gepflegt, aber heutzutage? Ob einfach jemand, der heute so einen alten Fernseher verkaufen möchte, irgendwelche Kanalwählersegmente da reinbastelt in Unkenntnis zu den ZF-Einstellungen des übrigen Gerätes oder absichtlich, frei nach dem Motto: Irgandwas rein, Hauptsache, da ist was drin, merkt eh' keiner...
Eine wirre Gemengelage!

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Der "Rubens" wurde bis Mai 1956 mit dem Tuner mit EF80 und ECC81 ausgerüstet und hier sieht man auch gleich seine Röhrenbestückung *3):

Das ist der FE 855C. Der zugehörige Trommel-Kanalwähler war schon im Vorgänger des "Rubens" zu finden: im FE 852E "Rembrandt". Mit vermutlichem Namen FE 852.309 war er von der Schaltung her sehr ähnlich, wenn man einen vergleichenden Blick in die Schaltpläne der beiden Fernseher wirft. Hier - schön nicht, aber selten - ein Foto aus beiden der Service-Hefte zur Verdeutlichung der Bauart:
Ab Mai 1956 wechselte man diesen Penthoden-Tuner (wer es ganz genau wissen möchte: "Kanalwähler FE 855.209 Pentodeneingang") gegen einen empfindlicheren Kaskode-Tuner aus: "Kanalwähler FE 855.409 Kaskodeeingang" mit den Röhren ECF82 und ECC84. Und aus dem FE 855C wurde der FE 855C1. Dieser Kaskode-Tuner ward fortan - zunächst unabhängig vom Parallelton- oder Intercarrierverfahren (!) - als VHF-Tuner unter verschiedenen Namen, wie FE 855.409B im "Dürer" (der erste Intercarrier-Empfänger der DDR, aber auch noch sowohl OIR als auch dann CCIR!) und "Format" & Co oder 1959 als FE 855.2200B im "Derby" und "Cranach" zu finden. Bis hin dann zum "Patriot", dann aber mit P-Röhren bzw. ebenfalls im "Rubens" FE 855D1. Ich habe mal hier - auch wieder schön nicht, aber selten - ein Foto dreier Abbildungen aus drei Service-Heften zum Verdeutlichen gemacht:
Immer mit verschiedenfarbigen Segmenten. Verschiedenfarbig??? Richtig, denn zu der obigen Gemengelage kommt noch die Farbe der Segmente des Tuners verwirrend hinzu. Und auch wieder Politik, denn selbst 1959 noch sprach man im Kundendienst-Heft des "Derby" etwas sperrig von "...DDR-Norm und CCIR-Norm bzw. Sonderbestückung (Pol)". Wenigstens schrieb man schon: "Die Segmente für DDR sind mit der Kanalzahl grün und die für CCIR-Kanäle weiß gestempelt". *4)
Zurück zum "Rubens" und was hat es mit den Segmentfarben auf sich?
Sowohl die C- als auch C1-Geräte empfingen nach der OIR-Norm im Parallelton-Verfahren mit dem gesendeten Bild-Tonabstand von 6,5 MHz. Dementsprechend waren in den Tunern ab Werk die farbig gestempelten Kanalwählersegmente zu finden:
Penthode-Tuner: rot = OIR
gelb = CCIR
Kaskode-Tuner: grün = OIR
weiß = CCIR
Rot für alle verfügbaren OIR-Kanäle und (Abziehbild-) Gelb also für den CCIR-Kanal 6. Wer wissen möchte, was nun hier was ist, bittesehr. Das Service-Heft gibt bereitwillig Auskunft (bezieht sich allerdings nur auf OIR):
Das bedeutet, dass dieses Chassis offenbar noch auf OIR empfing. Aber es ist ein CCIR-Kanal mit dem Bild-Tonabstand von 5,5 MHz dabei! Wie ist das Gerät, speziell der Bild-ZF-Verstärker, abgeglichen? 5,5 MHz und 6,5 MHz ging hier nicht. Der Fernseher war kein Mehrnormen-Empfänger. Und wie sieht die Kurve des ZF-Tonverstärkers aus? Bei den Paralleltönern musste man aufpassen: Jede Änderung der Oszillatorfrequenz durch Temperaturdrift sorgte dafür, dass die Ton-ZF aus dem Maximum der Kurve des Ton-ZF-Verstärkers wanderte mit dem unangenehmen Ergebnis, dass alles verzerrte... Mit dem Intercarrierverfahren gab es dieses Problem nicht mehr dank des gemeinsamen Bild-Ton-ZF-Verstärkers und der Differenzfrequenz an der Videodiode.
Aber wie sind die ZF-Verstärker hier eingestellt? Vermutlich sind die ZF-Kurven auf den CCIR-Abstand nachträglich irgendwie "gezogen" worden. Ich weiß es momentan nicht.
Rubens (und damit lasse ich jetzt die Gänsefüßchen beim Namen weg), die man heute auf Flohmärkten ersteht, sind oft FE 855C, haben aber einen Kaskode-Tuner drin, die ab Werk offiziell eigentlich erst in die C1-Geräte kamen. Wie kommt's? Ganz einfach! Wenn jemand nämlich seinerzeit einen guten Draht zum Rundfunkmechanikermeister hatte oder wie auch immer an den Kaskode-Tuner herankam, dann wurden die Tuner auch schon bei den C-Geräten nachträglich ausgetauscht (ob die Kaskode-Tuner auch schon ab Werk in die C-Serie aufgrund eines Tuneraustauschprogrammes eingebaut wurden, weiß ich nicht). Passt hoffentlich dann die Segmentfarbe? Siehe wieder oben!
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"Der Worte sind genug gewechselt. Lasst Taten folgen!"

Los geht's in einem ersten, kleinen Schritt.
Ich wollte zu allererst testen, ob der Netztrafo überhaupt noch was von sich gibt und wie es mit dem Trockengleichrichter aussieht. Die gefährlichen Kondensatoren auf der Primärseite des Trafos habe ich abgelötet. Vorsichtig am Trenntrafo hochgefahren, machte es "Flapp" und eine der beiden Feinsicherungen verabschiedete sich sofort.
Ja, nee, Himmel, da wird doch nicht etwa der Netztrafo schon gleich mal primärseitig???
Nein. Es zeigte sich, dass nicht nur der Netzschalter nicht mehr schaltete, sondern er schloß intern vor der Primärseite des Netztrafos kurz. Das hatte ich beim Durchklingeln der Primärseite glatt übersehen. Ich habe den Schalter einseitig ab- und die zugehörigen Anschlüsse zuammengelötet. Nun kann er zwar nicht mehr schalten, richtet aber auch keinen Schaden mehr an.
Eine neue Sicherung eingesetzt und siehe da, die Röhren beginnen zu heizen und am Pluspol des Trockengleichrichters zeigt sich am Oszillograf eine schöne Wechselspannung. Probeweise ein 100µF-Elko - der hohe Wert ist hier entsprechend des Schaltplanes erlaubt - gegen Masse angeklemmt (im Bild links unten zu sehen) und schon habe ich auf dem Oszillograf eine schöne Gleichspannung und das mit angeschlossene Voltmeter zeigt mir was um +275 Volt an.
Na prima, dann kommt gleich auch noch ein Siebelko mit 50µF hinter die Drossel geklemmt und mal geschaut, was passiert: Aha, die Drossel ist in Ordnung. Kein Köcheln, kein Müffeln, kein warm werdender Netztrafo: die Schienenspannungen aus dem Netzteil sind somit schon mal alle da.

Ein hoffnungsvoller Anfang!
(wird fortgesetzt)
*1) RAFENA - Anleitung zur Umstellung auf CCIR-Norm, 1957.
*2) Informationen für den Fernseh-Kundendienst, Januar 1960, Nr. 12, Seite 22.
*3) Kundendienstanleitung Fernsehempfänger FE 855.
*4) Kundendienstanleitung Fernsehempfänger Cranach / Derby, S. 8.
Gruß Michael
Penthode?
Penthode?