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Neuer Tonkopf für den Philips Mignon
#1
Ein Mitglied des Nachbarforums bat mich nachzusehen ob ich Ersatz für den fehlenden Tonkopf/Systemhalterung seines Mignons hätte. Bei Durchforsten stellte ich fest dass ich selbst einige Mignons rumstehen hatte bei denen dieser absenkbare Teil des Tonarms fehlte. So unternahm ich den Versuch das Teil nachzubauen und so zu modifizieren dass das bekannte China System verwendet werden kann.

Dafür wurde zunächst einmal ein Original geopfert und unter einer Presse platt gemacht.
   


Die erste Überlegung war, auf ein Messingblech die Konturen zu übertragen und dann auszusägen und abzukanten. Das erschien mir dann aber sehr aufwändig und mangels geeigneter Abkantwerkzeuge kaum durchführbar.
Daher entschloss ich mich das Teil aus Bronze zu gießen da mir das einfacher erschien.

Gießen klappt nur nach dem Prinzip der "verlorenen Form". Das heisst man muss das gewünschte Objekt aus einem verbrennbaren Material herstellen das dann in eine Formmasse eingegossen und ausgebrannt wird. Der entstehende Hohlraum wird dann mit flüssigen Metall gefüllt.

Damit stellt sich die Frage was man als Material nimmt. Der Originalhalter hat eine wandstärke von 0,5mm. Optimal für den Ausbrennprozess ist Wachs geeignet. In dem Fall aber nicht anwendbar denn irgendwie müssen die Konturen ja aus dem material geschnitten werden und da kommen eigentlich nur Schneidplotter oder Laser in Frage. Wachs lässt sich mit beidem nicht schneiden, also kommt nur eine 0,5mm starke Kunststoffplatte in Frage. Die kann der Plotter aber nicht schneiden, bleibt also nur der Laser. Der wiederum schneidet aber nur schwarze Materialien und so begann die Suche nach einer 0,5mm starken schwarzen Kunststoffplatte die auch noch so gut wie möglich ausbrennbar sein sollte.  Fündig wurde ich schließlich bei einem Schnellhefter von Leitz dessen Einband die erforderliche Materialstärke aufwies und der auch schwarz genug war. Leider war er auf einer Seite mit einer Struktur versehen was aber nicht tragisch ist da man die Seite eben als Innenseite verwenden kann, so dass die Struktur nicht störend in Erscheinung tritt.

Als erstes wurde nun von dem platten Original ein Scan angefertigt und die Datei in CorelDRAW importiert und anschließend nachgezeichnet. Dabei wurden gleich die für das Chinasystem erforderlichen Modifikationen vorgenommen sowie die Gußkanäle links und rechts vom eigentlichen Halter mit eingezeichnet.

Zum Verständnis:   Irgendwie muss das Metall nachher ja in die Hohlräume gelangen und das geschieht über Gusskanäle die an günstiger und möglichst später leicht zu entfernender Stelle am Objekt angebracht werden. Anzahl, Dimensionierung und Anbringung sind ein bisschen Erfahrungssache. Da 0,5mm für den Guß schon recht dünn ist, mussten ausreichend viele Kanäle vorgesehen werden. In dem Fall insgesamt sechs Stück.
   


Die fertige Zeichnung wird dann skaliert und als Tif-Datei in die Software des Lasers importiert, Pixeldateien sind zum Schneiden denkbar ungeeignet, aber leider funktioniert der Import von Cad Dateien nicht.
   


Die Einstellung des Lasers ist Erfahrungssache und man muss ausprobieren was die besten Ergebnisse bringt.
Ich habe hier max. Leistung, eine Impulsdauer von 3ms und zwei Durchgänge gewählt.
Hier sieht man nun ein zugeschnittenes Stück des Aktendeckels aus dem der Laser die Konturen schneiden soll
   


Der Kunststoff wird nun auf dem Schneidtisch fixiert, der Laser ausgerichtet und gestartet. Der Schneidvorgang dauert ca. 30 Minuten
   


So sieht das Ergebnis dann aus. Die gestrichelten Linien sind nicht durchgeschnitten und dienen als Falzhilfe beim Biegen
   


Das ausgelöste Teil sind dann so aus.
   


Für die Aufnahme der Drahtklammern muss ein Teil der Kunststoffplatte nach innen umgestülpt werden. Das kann man nur vor dem Guß machen. Dazu wurde als Hilfe aus Sperrholz mit dem Laser eine kleine Schablone geschnitten
   


Die Bronze lässt sich grundsätzlich nach dem Guss noch ganz gut biegen. Mangels geeigneter Werkzeuge ist das aber schwierig, deshalb wird so weit wie möglich alles schon in Kunststoff vorgebogen.
   
   
   
   


Die Gusskanäle werden nun noch mit Wachs verstärkt und alle Fehlstellen mit Wachs korrigiert
   
   



Anschließend wird das Objekt auf einen Gusstricherformer aufgesetzt und angewachst. Der Gusstrichterformer ist nicht zwingend erforderlich, man kann den Trichter nachher auch in die Einbettmasse einschneiden, aber er erleichtert die Arbeit schon enorm.
   



Damit die Formmasse nicht wegläuft wird ein Stahlring auf den Gusstrichterformer aufgesetzt und mit einer Lage Steinwollevlies  ausgeschlagen.
Das ist deshalb notwendig weil die Formmasse sich beim Abbinden und beim Erhitzen stark ausdehnt um den Volumenschwund der Schmelze auszugleichen wenn sie vom flüssigen in den festen Zustand übergeht. Nur so sind maßhaltige Gussobjekte machbar.
   


Danach wird die Formmasse angerührt und bis zur Oberkante des Rings eingefüllt. Dabei müssen Lufteinschlüsse unbedingt vermieden werden.
   
   
   


Nach dem Aushärten wird der Stahlring mit der Einbettmasse vom Gusstrichterformer abgezogen.  In den entstandenen Trichter wird dann das flüssige Metall eingegossen.
   
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#2
Die Muffel wird nun in einem Ofen auf 800 Grad erwärmt, 30 min auf dieser Temoeratu8r gehalten und dann wieder auf knapp 700 Grad abgesenkt. Da der Aktendeckel kein explizit ausbrennfähiger Kunststoff ist, ist die höhere Temperatur erforderlich damit so wenig Asche wie möglich in der Form zurückbleibt. Optimal kann der Guß allerdings nicht werden. Das klappt nur mit Wachs, PMMA oder PE
   


Wichtig ist ausreichend viel Metall zu vergießen damit nach dem Guß ein entsprechend großer Gusskegel verbleibt. Der dient als Schmelzreserve und gleicht den Schwund aus. Ansonsten gibt es üble Lunker im Objekt.
   


Wenn die Muffel abgekühlt ist wird die Formmasse mechanisch grob entfernt und hinterher abgestrahlt.
   
   


Mit einer Trennscheibe werden die Gusskanäle abgetrennt
   


Und das Systemhalter anschließen mit Schleifpapier, Schleifsteinchen, ect. sorgfältig ausgearbeitet.
   
   


Damit sich der neue Halter später harmonisch in den Tonarm einfügt wird er noch galvanisch verzinkt
   


Anschließend wir die Halteklammer aus 0,4mm Federstahl gebogen
   


Und in den Halter eingeschoben
   


Das Chinasystem muss nur geringfügig modifiziert werden in dem man den Höcker auf der Oberseite einfach abschleift.
   
   


Das System kann nun in den Halter eingesetzt und verschraubt werden.
   
   
   


Fertig. Der Spurwinkel kann durch Nachbiegen der Blechlasche noch feinjustiert werden.
   
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#3
Boahh Achim, das hast Du Dich ja mal wieder selbst übertroffen! Wenn das nicht so unglaublich aufwendig wäre, könntest Du damit echt eine Serienfertigung anfangen. Toller Bericht!
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#4
Das ist echt der Wahnsinn. Oberklasse!
Immer guten Empfang und viele Grüße - Uwe
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#5
Ich bin sprachlos über so viel Fachverstand, tolle Arbeit Smiley20
Herzliche Grüße

Pitter
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#6
Unglaublich Achim, ganz großes Kino. Ich finde das total Klasse wenn man versucht, für den Zuschauer Kleinigkeiten, absolut perfekt nachzubauen.
Das ist dann die Freude an der Perfektion, koste was es wolle.

Gruß Frank
sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit
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#7
Unglaublich Achim! Ich habe für einen MK10 von meinem Kumpel das Chinasystem mit Heißkleber in dem Bügel fixiert. Mehr schlecht als recht. Ich kann Anton da nur zustimmen. Solltest Du eine Kleinserie auflegen, würde ich direkt 3 Stück bei Dir erwerben wollen. Vielleicht hat ja noch jemand eine Idee wie man das lasern und kanten kann?
Gruß aus Bremen

Enno
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#8
Unfassbar!
Was kostet sowas? 30€ wenn man die Arbeit mit 0€ berechnet?
Sowas bieten die Chinesen nicht irgendwie an? Das wäre wahrscheinlich die praktikabelste Lösung.
Gruß,
Uli
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#9
Hallo Achim
Ich habe den allergrößten Respekt vor Deinen Kenntnissen und Fähigkeiten.
Du bist ein Tüftler der absoluten Spitzenklasse.
Danke dafür, dass Du Deine Arbeiten hier im RBF vorstellst.
Grüße aus Bornheim (Rheinland)
Werner
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#10
wo hast Du das Chinasystem her?
was kostet das
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Gruß Matthias

Wer mißt, mißt Mist
Die letzten Worte des Radiobastlers: Wofür ist denn dieser Draht?
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#11
Hallo,
hier gibt es das System.

https://pulsar.ebay.de/plsr/clk/0/SADS/9...5570%22%7D

Viele Grüße aus Peine

Detlef
Jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.
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#12
Danke
Der Preis ist ja ein Knaller
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Gruß Matthias

Wer mißt, mißt Mist
Die letzten Worte des Radiobastlers: Wofür ist denn dieser Draht?
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#13
Danke Jungs für das feedback .
Ich werde peu a' peu immer wieder mal eines anfertigen wenn da Bedarf besteht. So teuer ist das gar nicht. Die Bronze ist fast vernachlässigbar wenn man sie aus Kupfer und Zinn selbst zusammen legiert. Das einzige was richtig was kostet ist die Einbettmasse. Die kann man aber immer wieder mal günstig bei Ebay kriegen wenn sie überlagert ist schlägt dann mit etwa 3 Euro/Guẞ zu Buche.
Da ich in absehbahrer Zeit in Rente darf muss ich mich allmählich nach dem ganzen Equipment umsehen das ich bis dahin brauche.
Das größte Problem ist dass das Haus einfach viel zu klein ist. Der Platz reicht hinten und vorne nicht. Aber mit dem Problem stehe ich sicher nicht alleine da. Vielleicht doch noch mal umziehen?

Gruß,
Achim
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#14
(20.01.2021, 20:54)sabafon schrieb: Danke
Der Preis ist ja ein Knaller

Wenn du bei Ali 100 Stück bestellst kommst du auf einen Gesamtpreis mit Transport von gut 1 Euro
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#15
Hallo Achim,
Deine Arbeit und Dein Bericht haben mich begeistert. Da kann ich richtig
nachempfinden, welchen Spaß Du bei der Herstellung dieses Teils hattest.

Hier kann man auch feststellen: "Der Weg ist das Ziel" Smiley32

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#16
Hallo zusammen,
der Achim hats schon drauf. Aber bitte nicht vergessen, man braucht viel Platz; Gerätschaften und wahnsinnig viel Wissen dazu. Klar, die Lust und Zeit spielen auch ne Rolle. 
Ich kann nur sagen: Hut ab vor solch einer Leistung, Achim und Dankeschön für diesen Beitrag.
LG aus Schwerin, Holger


@Admins, gibt es nicht ein Smilie für "Hut ab"?
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