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Die Siemens-Schuckert Liliput-Bogenlampe
#1
Mit der Erfindung der Voltaschen Säule als erste konstante Stromquelle um 1900 wurden erste Versuche zur Nutzung der elektrischen Energie zur Beleuchtung möglich.
So war es Anfang des 19. Jahrhunderts schon möglich einen Lichtbogen zwischen zwei Kohlestäben zu erzeugen. Die größte Schwierigkeit eine konstante Helligkeit zu erzeugen besteht darin, mit einer automatischen Nachstellung den Elektrodenabstand in Abhängigkeit vom Elektrodenabbrand konstant zu halten.
Im Jahr 1879 verwendete Werner Siemens erstmalig eine von ihm entwickelte Bogenlampe zur Straßenbeleuchtung. (Quelle: Wikipedia) Die Konstanthaltung des Elektrodenabstandes realisierte er mit einer Differential-Steuerung. Ein Kohlestab wird in senkrechter Lage von einem Elektromagneten mit zwei Wicklungen gehalten.
Eine hochohmige Wicklung liegt dabei parallel zum Lichtbogen, eine niederohmige in Reihe. Brennt die Elektrode ab, wird der Spalt größer, die Brennspannung steigt und die Stromstärke sinkt. Die Magnetkraft der Spannungswicklung wird größer als die der Stromwicklung und lässt die Kohleelektrode nach unten sinken, bis Magnetkraft der Strom- und Spannungswicklung wieder im Gleichgewicht sind.

Die Kohlebogenlampen wurden ständig weiterentwickelt und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden so genannte "Liliputlampen" geschaffen, die auch in Wohnungen und Büros genutzt werden konnten.
Die etwa 1905 von den Siemens-Schuckert hergestellte Liliputbogenlampe gab es für eine Brennspannung von ca. 70Volt und Stromstärken von 2-2,5 Ampere. Betrieben wurden sie im 110Volt Gleichstromnetz mit einem Vorwiderstand.

   
.jpg   Graetz_Figur_136.jpg (Größe: 23,26 KB / Downloads: 448)

Quellen: "Die Elektrizität" A.Wilke 5.Auflage von 1906, "Die Elektrizität" Prof. Dr. Graetz 4.Auflage von 1906

Durch einen glücklichen Umstand bin ich in den Besitz einer Siemens-Schuckert Liliputlampe gekommen und wollte sie auch in Betrieb nehmen.
In Versuchsaufbauten stellte sich heraus, dass es nicht trivial ist, aus einem Einphasen-Wechselstrom eine ausreichend geglättete Gleichspannung für eine Kohlebogenlampe mit ca. 2,5A Stromaufnahme bereitzustellen. Im Ruhezustand berühren sich die Kohleelektroden und bilden einen Kurzschluss. Nach dem Zünden des Lichtbogens wird der Ladekondensator nicht schnell genug aufgeladen und die pulsierende Spannung führt zum mehrmaligem Zurückfallen der Elektrode. Erst mit einem Ladekondensator von 10000µF und einem 12Ohm Vorwiderstand bei 100V Betriebsspannung konnte ein befriedigendes Ergebnis erziehlt werden.
Nach diesem Erfolg habe ich dann ein stationäres Netzteil für die Deckenmontage hergestellt. Ein Bekannter hatte mir vor langer Zeit ein Lautsprechergehäuse aus Edelstahl für den Außeneinsatz im Garten hergestellt. Dieses Projekt wurde aber nie realisiert und für mein Netzteil kam mir das Gehäuse gerade recht.
Der Ringkerntransformator hat zwei 36Volt Wicklungen, die 72Volt~ haben aber nicht ausgereicht. Zum Glück ließ sich der Silikon-Kern leicht entfernen und ich konnte noch zusätzlich 40 Windungen aufbringen. Bei 2,5A erhalte ich eine Gleichspannung von 100V.
Bei meinem Versuchsaufbau hat der 12Ohm/200W Vorwiderstand einen verkohlten Fleck auf meinem Arbeitstisch verursacht. Um die beträchtliche Wärmemenge des Vorwiderstandes abzuleiten, habe ich den Gesamtwiderstand auf drei Einzelwiderstände mit je 100W aufgeteilt und auf der Gehäusewand verteilt.

           

   

Interessant ist, dass die helle Leuchterscheinung nicht vom eigentlichen Lichtbogen kommt. Das Plasma leuchtet nur schwach blau, wie der Kern einer Schweißbrenner-Flamme. Das weiße Licht stammt von den Kohleelektroden, die sich in Bogennähe auf etwa 3000°C aufheizen.
Bei den Liliputlampen steht der Lichtbogen nicht still sondern wandert ständig um die Elektroden herum. In der zeitgenössischen Literatur wird deshalb empfohlen eine lichtstreuende Glocke zu verwenden.

   
Gruß Gerald
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#2
Ein tolle Geschichte! Und technisch wirklich ausgefuchst.

Danke fürs Zeigen!
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#3
Klasse Beschreibung! Auf dem Foto sieht das Licht schon klasse aus. Kann man in etwa sagen was für einer Wattzahl es in etwa einer normalen Glühlampe entspricht?
Gruß aus Bremen

Enno
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#4
Die Lichtleistung wurde damals in NK = Normalkerzen oder HK = Hefnerkerzen angegeben. Eine NK entspricht etwa 0,9cd.
Die Lampe mit gemessener 2,3A Stromaufnahme soll entsprechend der oben genannten Literaturquellen 200 - 230NK haben.
Das entspricht etwa einer 200W Glühlampe.
Gruß Gerald
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#5
Hier noch eine Ergänzung zu den Liliput-Lampen aus "Beck, W.: Die Elektrizität und ihre Technik, 7.A., Bd. 3, Wiest, 1906"

   

In "Multhaupt,O.: Die moderne Elektrizität, Bd. 1, 3.A., 1912, Naumann, 1912" liest sich das bereits so:

   

Gruß, Dietmar
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#6
Danke Dietmar für Deine Ergänzungen.

Hier noch ein kurzes Video von der Inbetriebnahme: https://youtu.be/Zwb59Gyxrpk

Sehr schön ist nach dem Ausschalten das Nachglühen der Kohlestäbe zu sehen. Den Grund für das mehrmalige Zünden habe ich oben beschrieben.
Gruß Gerald
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#7
Hallo Gerald,

danke fürs Vorstellen, die gefällt mir sehr gut. Gibts eigentlich noch eine Quelle für solche Lampenkohlen?
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#8
Hallo Mark,

zur Zeit habe ich noch 4 Ersatz-Kohlestäbe, die ich von einem Händler für technische Antiquitäten bekommen habe.
Für kurzzeitiges Einschalten, um die Lampe mal vorzuführen, reiche ich damit lange Zeit.
Bei Händlern für Schweißzubehör werden Kohleelektroden mit ca. 300mm Länge in unterschiedlichen Durchmessern angeboten. Diese Stäbe sind mit einer Kupferschicht überzogen. Es wäre mal einen Versuch wert, ob sie in dieser Lampe verwendet werden können. Wahrscheinlich muss das Kupfer vorher entfernt werden, weil sich die Dämpfe auf der Innenseite der Glasglocke niederschlagen würden.
Gruß Gerald
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#9
Hallo Gerald,

eventuell würden auch Kohlen aus dem Material von Kommutatorbürsten eines Motors gehen? Hier weiß ich jedoch nicht, wie es um die Temperaturstabilität bestellt ist. Zumal das dann auch auf Sonderanfertigungen hinauslaufen würde.
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#10
(02.12.2021, 11:01)Gerald-G schrieb: ... zur Zeit habe ich noch 4 Ersatz-Kohlestäbe, die ich von einem Händler für technische Antiquitäten bekommen habe.
Für kurzzeitiges Einschalten, um die Lampe mal vorzuführen, reiche ich damit lange Zeit....

Hallo Gerald, genau so würde ich es auch halten, antikes Gerät und nur für Vorführzwecke verwenden.
Aber es gibt aus der Zeit der ersten AM-Versuche ein nettes Experiment: Die singende Bogenlampe!
Einfach die Speisespannung tonfrequenzmodulieren.
Bei Betrieb aus glatter Gleichspannung sollte die Lampe leise sein, 
bei Betrieb an Zweiweg-gleichgerichteter und ungesiebter Spannung sollte 100 Hz hörbar sein.
Oder NF-Verstärker über Trafo in Reihe zur Speisespannung der Lampe. 
Dann spricht die Lampe oder singt oder spielt ein Instrument, je nach NF-Signal. 
Gruß Manfred
Wozu Fortschritt, wenn früher doch alles besser war?
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#11
Servus,
Ich habe vor einigen Jahren eine solche Lampe mt den Kohlestaeben aus 1,5V Monozellen gebaut. Funktionierte!
Gruss, Volker
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#12
Ja, mit diesen Kohlestäben aus einer Flachbatterie und einem Eisenbahntrafo haben wir schon als Kinder experimentiert.
Ich war etwa 10 oder 11 Jahre alt und hatte einen sehr experimentierfreudigen älteren Cousin. Wir haben dann einen Lichtbogen "unter Wasser" erzeugt.
Die anfängliche Begeisterung war allerdings dahin, als einige Fische in seinem Aquarium wohl Spannung und Hitze nicht vertragen haben. Smiley26
Gruß Gerald
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#13
Bei meinen Schwiegervater liegen solche stäbe auf der werkbank, und werden als grober Bleistift verwended.
Er hat sie noch aus der zeit wo er grosse (sehr grosse Schifsmotoren geschweist hat)
Es sind die elektroden für automatische pulverschweissanlagen.
Eventuel wird man fündig im Industriellen Schweisszubehör geschäfft fündig.
Ich selbst komm an die Stäpchen erst im Sommer rann. Die sind auf dem Dorf wo im moment keiner vorbeischauen wird (250Km weit weg)
Viele Grüße, Juan
Printed on recycled Data
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