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2,5 Millionen Tefi-Schallbandkassetten!
#1
Wie viele Schallbandkassetten wurden insgesamt für das Tefifon produziert? Waren es mehr als 100.000? So ganz genau wird man das wohl nie wissen, denn bislang ist nirgends ein Dokument aufgetaucht, aus dem dies hervorgeht. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass nochmal mehr Informationen ans Licht kommen - es ist einfach alles schon zu lange her. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit die Anzahl der produzierten Kassetten doch irgendwie grob zu schätzen?

Ich lehne mich heute mal ganz weit aus dem Fenster und wage zu behaupten, dass ich die Zahl der produzierten Schallbandkassetten relativ gut benennen kann. Dabei beschränke ich mich rein auf die 19cm/s-Kassetten. Die zuvor produzierten Schnellläufer-Kassetten bleiben leider außen vor - von ihnen wurden aber ziemlich sicher auch wesentlich weniger produziert.

1. Akt

Ausgangspunkt für meine Schätzung ist die Untersuchung der Prüfstempel auf den Kassetten. Hierzu hatte ich vor Kurzem einen ausführlichen Artikel gepostet, in dem auch beschrieben ist, wie man das Produktionsjahr daraus ableiten kann. Bei der Auswertung aller mir zur Verfügung stehenden Stempel komme ich auf folgende Verteilung über alle Produktionsjahre hinweg:

.png   jahre.png (Größe: 5,57 KB / Downloads: 221)

Wenn wir davon ausgehen, dass meine Stichprobe ausreichend repräsentativ ist, dann lassen sich alleine aus dieser Grafik schon einige Entwicklungen ableiten:
  • Von 1954 bis 1958 hat die Produktion ein enormes Wachstum hingelegt.
  • 1959 könnte sich eine Absatzproblem abzeichnen, etwa eine gewisse Marktsättigung
  • 1960 wurde letztmalig nochmal viel produziert - dies könnte mit dem Erscheinen des Holiday zusammenhängen, durch das nochmal neue Marktsegmente erreicht werden konnten
  • ab 1961 ging die Produktion massiv zurück. Das kann direkt mit verringerter Nachfrage zusammenhängen. Es kann aber auch bedeuten, dass schon 1960 eine Überproduktion stattfand, die die Lager füllte, aber keine Käufer fand. Dieses würde sich gut mit der Aussage decken, die man in der Tefi-Umschau häufiger findet: Vertreter sollen nicht nur die neuesten Bänder verkaufen, sondern auch die vorhandenen Bestände bereits produzierter Kassetten.

Aufstieg und Niedergang der Firma Tefi scheinen also direkt ablesbar zu sein. Es passt alles auch mit dem sonstigen Bild zusammen, das ich aus den Tefi-Umschauen erhalte:  Zu den nachlassenden Absatzzahlen kamen Verluste durch Rabattaktionen für alte Schallbandbestände dazu. Man hatte wohl über das Ziel hinausgeschossen und vielleicht wurde Tefi schon 1961 klar, dass es mit den Schallbändern allmählich nur noch bergab gehen würde. Die Firma brachte ab 1960 und bis 1962 vermehrt Geräte ohne Schallbandspieler auf den Markt: Das Tefilady, die Koffergeräte Atlantik und Jockey, sowie diverse Fernsehgeräte. Bei diesen Geräten hatte Tefi aber keine Alleinstellungsmerkmale mehr, dafür aber enorme Konkurrenz...

Ok, genug des Exkurses: Wie kommen wir jetzt endlich auf die Anzahl der Kassetten? Hierzu geht es weiter mit dem

2. Akt

Auch vor nicht allzu langer Zeit habe ich über die Entdeckung der Tefi-Umschau berichtet. In der Oktober-Ausgabe von 1959 wird auf Seite 42 berichtet, dass monatlich 300km Schallband produziert werden. Geht man einfach mal von einer sogenannten Kleinklassette - also von 1h-Bändern - aus, so entspricht das einer Produktion von ca. 30.000 Kassetten im Monat. Wenn man diesen Aussagen Glauben schenkt (etwas besseres zum Glauben werden wir wohl so schnell nicht finden...), dann war das Produktionsvolumen im Jahr 1959 insgesamt 360.000 Kassetten. Und weil wir die Verteilung über die Jahre hinweg oben schon ermittelt haben, können wir das jeweilige Produktionsvolumen für alle Jahre hochrechnen:

.png   jahresproduktion.png (Größe: 10,66 KB / Downloads: 221)

Und da ist sie auch schon: Die erste Schätzung der Gesamtzahl jemals produzierter Schallbandkassetten: ca. 2,7 Millionen. Mein Bauch sagt mir, dass es etwas weniger waren, daher gehe ich von 2,5 Mio. aus.

Ist es nicht toll, was sich mit so ein bisschen Statistik erreichen lässt? Ich bin total begeistert. Aber Vorsicht: Die Zahl ist nicht so genau, wie sie auf den ersten Blick scheint. Man sollte sie schon auch folgendes beachten:

Mögliche Fehlerquellen

Die obige Methode hat noch ein paar Schwächen und mögliche Fehlerquellen:
  • Mein Stichprobenumfang ist mit 231 Prüfstempeln noch nicht sehr groß. Das lässt sich verbessern, wenn Ihr mithelft! Schickt mir per PN möglichst viele Stempel, die Ihr eindeutig entziffern könnte. Mehr Details dazu in meinem Artikel über die Tefi-Stempel.
  • Mein Stichprobenumfang ist möglicherweise nicht repräsentativ. Es kann sein dass ich durch meine Bevorzugung einzelner Kassetten beim Sammeln keinen repräsentativen Querschnitt durch die Jahre habe. Dadurch dass in meiner Sammlung aber auch einige zufällige Konvolute enthalten sind, hoffe ich dass dieser Effekt eher gering ist. Natürlich gibt es hier auch noch andere Einflussfaktoren, etwa wenn es einen Jahrgang gegeben hätte, bei dem die Kassetten überproportional oft kaputtgegangen sind und dann weggeworfen wurden, so dass sie meiner Statistik entzogen sind. So ein Effekt ist aber nicht in größerem Maße bekannt geworden. Höchstens zu den Anfangszeiten der Holiday-Geräte, als beim Picknick in der Sonne Bänder geschmolzen sind...
  • Die Aussage mit 300km Schallbandproduktion könnte überzogen oder falsch sein. oder sie hat nur den produktionsstärksten Monat in 1959 benannt. Hier haben wir aber wohl keine Chance genauere Informationen zu erhalten und müssen mit dem arbeiten, was da ist.
  • Daneben gibt es noch weitere Fehlerquellen, etwa falsch abgelesene Jahreszahlen aus den Prüfstempeln oder falsch aufgebrachte Prüfstempel. Auch hier hilft nur wieder, den Stichprobenumfang weiter zu erhöhen, damit diese Fehler in den Hintergrund gedrängt werden.

Weitere Überlegungen

Mit obiger Statistik könnte man auch nochmal ein Stück weiter gehen: 10% der Kassetten waren angeblich für den Export. Das heißt in Deutschland blieben etwa 2,4 Mio. Wie groß war die durchschnittliche Schallbandsammlung? Das ist extrem schwer zu ermitteln, daher befrage ich meinen Bauch, der da sagt: 12 Stück. Demnach gab es 200.000 Tefianer. Bei seinerzeit etwa 25.000.000 Haushalten in der BRD wäre in 0,8% aller Haushalte mindestens ein Wiedergabegerät zu finden gewesen, also in jedem 124ten.

So, jetzt aber genug der Statistiken und Spekulationen.

Schöne Grüße
Markus

PS: Am Ende nochmal der Hinweis: Ich suche noch nach Prüfstempel-Spendern, damit ich mit der Statistik genauer werden kann und vielleicht auch noch hinter weitere Geheimnisse komme!
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#2
Das ist eine gewaltige Zahl, die ich so niemals erwartet hätte. Von einem "Nischendasein" kann man da,eigentlich nicht mehr sprechen. Es wäre auch eine Erklärung dafür, dass selbst 70 Jahre später noch immer eine so große Zahl an Kassetten in Umlauf ist. Ich werde dieses WE nachsehen, ob auf meinen Originalscans der Stempel erkennbar ist. Ausserdem hab ich noch ziemlich viele Originaletiketten.

Gruß,
Achim
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#3
Da ich in den letzten Wochen einige Stempel zugeschickt bekam und auch selbst unheimlich viele sammeln konnte, hier nun eine Aktualisierung der Statistik:

.png   statistik_stand_2022-04-10.png (Größe: 11,38 KB / Downloads: 86)

Das grundsätzliche Bild hat sich durch die Ergänzung von 88 weiteren Stempeln mit Produktionsjahren weiter gefestigt. Die Blütezeit von Tefi muss wohl wirklich 1957/1958 gewesen sein. Ein letztes Aufbäumen gab es dann mit der neuen Strategie in 1960.

Was sich in der Statistik jedoch verändert bzw. verfestigt hat ist die Anzahl produzierter Kassetten: Die 3 Millionen sind jetzt deutlich überschritten. Mit den 2,5 Millionen habe ich wohl doch noch zu tief gestapelt.

Hinzugekommen ist übrigens eine Kassette aus 1953: Das war noch vor dem Erscheinen der 19cm/s-Bänder auf dem Markt im Frühjahr 1954. Es handelt sich dabei um "Die große Tefi-Revue" - das sieht mir also auch grundsätzlich stimmig aus.

Nebenbei habe ich auch eine Reihe weiterer Sonderstempel gesammelt, die ich dann irgendwann auch im anderen Thread ergänzen werde.

Vielen Dank an alle, die mich mit Stempeln versorgt haben! Danke auch die fleißigen Anbieter in der Bucht, die freundlicherweise vermehrt Fotos von Rückseiten der Kassetten mit einstellen. Ein Trend, der gerne anhalten darf! Weitere Stempel sind immer gerne willkommen!

Schöne Grüße
Markus
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