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Wozu braucht das Radio einen Oszillator?
#1
Die nachfolgenden Ausführungen sind für den Hobbyisten gedacht und sind auch so geschrieben. Der Fachmann mag streckenweise schmunzeln und/oder Manches vermissen. Vielleicht wird dem interessierten Bastler und Restaurator aber hierdurch ein leichterer Zugang zur Rundfunktechnik ermöglicht.

„Wozu braucht ein Radio einen Oszillator?“ oder „Das Superhetprinzip“

Teil 1

Wozu braucht ein Radio einen Oszillator? Antwort: Es braucht eigentlich keinen … aber er vereinfacht vieles. Grundsätzlich kann man die Antennenspannung in mehreren Stufen verstärken, sie dann demodulieren und die so gewonnene NF wieder verstärken und einem Lautsprecher zuführen. Das wurde auch eine Zeit lang so gemacht; das nennt man dann Geradeausempfänger.

Der Nachteil eines solchen Gerätes war seine Bedienungsunfreundlichkeit. Man benötigte einige Verstärkerstufen. Jede dieser Verstärkerstufen musste einen Schwingkreis enthalten. Jeder Schwingkreis musste beim Senderwechsel auf die neue Empfangsfrequenz eingestellt werden. Dazu musste man einen 4 – 6-fach-Drehko (= Drehkondensator) einbauen oder jedem Schwingkreis einen eigenen Drehko spendieren. Der Mehrfachdrehko war groß (tief) und teuer, und alle Schwingkreise waren unter Garantie nicht auf der exakt gleichen Frequenz. Baute man in jede Verstärkerstufe einen Drehko ein, brauchte man entsprechend 4 – 6 davon und hatte an der Frontplatte des Radios 4 – 6 Knöpfe, die allesamt beim Senderwechsel neu eingestellt werden mussten … welcher Laie schaffte das?

Edwin Armstrong erhielt 1918 ein Patent für sein Superheterodynprinzip, welches alle diese Nachteile umging. Radios nach diesem Prinzip nennt man Superheterodynempfänger – oder kurz Superhet – oder noch kürzer: Super. Auch der Begriff Überlagerungsempfänger ist üblich.

Nahezu alle unsere Geräte arbeiten nach diesem Prinzip. Hierzu ist ein Oszillator erforderlich! Aber was ist ein Oszillator? Grundsätzlich ist ein Oszillator ein schwingungsfähiges Gebilde z.B. eine Schaukel, ein Pendel und natürlich eine elektronische Schaltung, die elektrische Schwingungen (= Wechselspannung) erzeugen kann.

Erzeugt ein Oszillator 1 Schwingung pro Sekunde, so beträgt die Frequenz 1 Hz (Hertz); 5 Schwingungen pro Sekunde bedeuten eine Frequenz von 5 Hz. 300 kHz (Kilohertz)  wären 300 000 Hz  bzw. 300 000 Schwingungen pro Sekunde.

Auch das Herzstück (jetzt ohne tz) eines Rundfunksenders ist ein Oszillator – er erzeugt die Sendefrequenz (oder Bruchteile davon).

Die Oszillatoren in unseren Radios bestehen immer aus einem aktiven Verstärkerelement (Röhre oder Transistor) und einer frequenzbestimmenden Schaltung. In der Regel ist die frequenzbestimmende Schaltung ein Parallelschwingkreis (Abb. 1).


.jpg   Parallel Abb1.jpg (Größe: 2,93 KB / Downloads: 849)
Abb. 1: Parallelschwingkreis

Der Parallelschwingkreis besteht aus dem Kondensator C und der Spule L. Wird die Kapazität des Kondensators verändert, ändert sich auch die Resonanzfrequenz des Kreises und somit die Oszillatorfrequenz. Gleiches gilt für die Spule.

Will man also die Oszillatorfrequenz verändern, muss man „lediglich“ eines der beiden Bauteile ändern. In unseren Radios wird meist die Kapazität des Kondensators (Drehkondensator) einstellbar gemacht; es gibt aber auch Geräte mit Induktivitätsabstimmung. Dabei wird ein Kern in der Spule hin- und  hergeschoben.

   
Abb. 2: Schaltplanausschnitt Graetz 151W

Die Abb. 2 zeigt einen Schaltplanausschnitt des Graetz 151W. Der Oszillator enthält als aktives Bauteil das C-System der ECH4. Der Schwingkreis ist – wie bei anderen Radios auch - nicht sofort erkennbar. Dies liegt zum einen daran, dass bei der Wellenbereichsumschaltung die Oszillatorfrequenz geändert werden muss und zum anderen noch Reihen- und Parallelkondensatoren eingebaut wurden.
Man erkennt aber sofort den Drehko – er ist mit A gekennzeichnet. Auch die übereinanderliegenden Schwingkreise für die verschiedenen Wellenbereiche sind erkennbar. Weiterhin sind zu Abgleichzwecken noch Trimmkondensatoren parallelgeschaltet, und die Spulen sind Teil eines Transformators. Dies alles ist für die grundsätzliche Funktion nicht entscheidend.

Die Oszillatorfrequenz lässt sich auch sehr schön mit dem Oszilloskop darstellen. Mit einem 10:1-Tastkopf berührt man entweder die feststehenden oder die beweglichen Platten des Drehkos. Natürlich muss man an den zum Oszillator gehörenden Platten messen – das andere Plattenpaket gehört zur Vorstufe. Einfach ausprobieren.

   
Abb. 3: Tastkopf am Drehko

Sobald der Tastkopf den Drehko berührt, wird sich ein evtl. eingestellter Sender verändern. Dies liegt daran, dass der Tastkopf selbst eine Kapazität von einigen pF hat und diese den Schwingkreis leicht verstimmt. Die grundsätzliche Funktion des Oszillators lässt sich aber so gut prüfen.
Dreht man während der Messung am Drehko, lässt sich die damit einhergehende Frequenzänderung am Oszilloskop gut beobachten.

Wie man die Frequenz am Oszilloskop bestimmt, wurde ja bereits in einem anderen Beitrag beschrieben.

   
Abb. 4: Gemessene Oszillatorschwingung

Fassen wir kurz zusammen: Im Radio befindet sich eine Schaltung, der Oszillator, die eine elektrische Wechselspannung erzeugt. Die Frequenz des Oszillators lässt sich mit einem Drehkondensator verändern bzw. einstellen.

Ungewollt ist, dass diese hochfrequente Wechselspannung auch vom Radio abgestrahlt wird. Stellt man zwei Radios nebeneinander und schaltet jeweils den Mittelwellenbereich ein, lässt sich dieses beobachten. Das eine Radio wird auf ca. 600 kHz eingestellt. Bei dem anderen Radio müsste sich die Oszillatorfrequenz dann ca. 450 – 500 kHz höher abhören lassen. So kann man die Oszillatorfunktion ohne Oszilloskop testen. Woher dieser Frequenzversatz kommt, wird im Teil 2 erklärt.

…. und so sieht der Graetz 151 W aus:

   
Abb. 5: Graetz 151 W


Teil 2

Für die weitere Betrachtung unseres Überlagerungsempfängers müssen wir – außer dem Oszillator – noch zwei weitere Baugruppen betrachten: Den Mischer und einen Verstärker. Beides soll zunächst nur als Funktionsblock dargestellt werden.

Von oben nach unten sind dargestellt: Oszillator, Verstärker und Mischer:


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Abb. 6: Oszillator, Verstärker und Mischer

Betrachten wir zunächst den Mischer. Wie oben zu sehen, hat er zwei Eingänge und einen Ausgang. Auf jeden dieser Eingänge gibt man eine Wechselspannung. Am Ausgang erscheinen nun eine ganze Reihe verschiedener Signale.  So z.B. eine Spannung, deren Frequenz die Summe der beiden Frequenzen an den Eingängen ist. Auch die Differenz der beiden Frequenzen erscheint am Ausgang.

Zahlenbeispiel:

Am Eingang 1 liegt eine Wechselspannung mit fe = 1000 kHz.
Am Eingang 2 liegt eine Wechselspannung mit fo = 1500 kHz.

Am Mischerausgang erscheint die Summe, also eine Wechselspannung mit 2500 kHz und eine Wechselspannung mit der Differenz der beiden Eingangsspannungen, also 500 kHz.
Am Mischerausgang sind noch weitere Frequenzen vorhanden, diese sind für unsere Betrachtungen nicht von Interesse, und deshalb ignorieren wir sie einfach.

In dem Graetz 151W wird der Mischer durch das H-System der ECH4 (Abb. 2 und 7) realisiert. Der Eingang 1 ist das Gitter 1 (Steuergitter); ihm wird die Antennenspannung über den 600 pF-Kondensator zugeführt (grün). Das Oszillatorsignal liegt an Eingang 2 und kommt über den 50 pF (roter Signalweg). Die Mischung findet im H-System der Röhre statt.

Der Mischerausgang ist die Anode des Hexoden-Systems (ECH4).


.jpg   graetz mixer Abb6.jpg (Größe: 48,85 KB / Downloads: 849)
Abb. 7: Mischer- und Oszillatorschaltung im GRAETZ 151W

Wozu das Ganze? Das wird hoffentlich gleich klar. Die Zusammenhänge sind nachfolgend nochmals als Blockschaltbild (Abb. 8) dargestellt.


.jpg   mxer Abb7.jpg (Größe: 7,26 KB / Downloads: 849)
Abb. 8: Mischer und Oszillator als Funktionsblöcke

Im Mischer wird also das Antennensignal mit der Frequenz fe und das Oszillatorsignal mit der Frequenz fo „gemischt“. Für die weiteren Betrachtungen benötigen wir zunächst nur das Differenzsignal der beiden Eingangsfrequenzen. Unser System ist so aufgebaut, dass die Oszillatorfrequenz fo immer deutlich größer ist als fe. Somit ergibt sich als Ausgangssignal die Frequenz fz. Als Formel ausgedrückt:

fz = fo - fe

Wofür stehen die Indizes z, o und e?

fo: Oszillatorfrequenz
fe: Eingangsfrequenz (von der Antenne kommend)
fz: Zwischenfrequenz

Diese so genannte Zwischenfrequenz gibt man jetzt auf einen selektiven Verstärker – den ZF-Verstärker. Eine wesentliche Eigenschaft dieses Verstärkers ist, dass er nur eine Frequenz (die Zwischenfrequenz, ZF) verstärkt. Die Höhe der ZF wurde bei jedem Radio vom Hersteller festgelegt – beim GRAETZ 151W sind dies 472 kHz.

Einige Zahlenbeispiele verdeutlichen die Zusammenhänge vermutlich besser:

Wir möchten einen Sender auf der Frequenz fe = 800 kHz empfangen. In diesem Fall muss unser Oszillator auf 1272 kHz eingestellt sein, denn
1272 kHz – 800 kHz = 472 kHz.

Nur diese Frequenz wird weiter verstärkt; alle anderen Frequenzen am Mischerausgang werden somit unbedeutend.

Ein weiteres Beispiel:
Unser Oszillator beim erwähnten Graetz-Radio steht auf fo =  625 kHz. Welche Frequenz wird empfangen?

fe = 625 kHz – 472 kHz = 153 kHz

Dies war die Frequenz des Deutschlandfunks auf LW (Sender Donebach).

Immer wenn also die Frequenzdifferenz der beiden Eingangssignale des Mischers exakt die ZF ergeben, kann man den Sender hören.

Probleme würde jedoch das folgende Zahlenbeispiel bereiten:
Nehmen wir an, auf 1872 kHz und auf 928 kHz würde jeweils ein Sender abstrahlen. Unsere Antenne am Graetz empfängt beide und leitet diese beiden Frequenzen an den Eingang 1 des Mischers. Die Oszillatorfrequenz sei auf 1400 kHz eingestellt. Der Mischer erzeugt an einmal durch 1872kHz – 1400 kHz die ZF von 472 kHz und zum anderen durch 1400 kHz – 928 kHz ebenfalls die ZF von 472 kHz.

Dies bedeutet in der Praxis, dass man beide Sender gleichzeitig hören würde. Dieser Fall darf also nicht eintreten und man kann ihn auch relativ einfach vermeiden. Man schaltet einfach vor den Mischereingang 1 ein Filter, welches immer nur eine Frequenz durchlässt. Ein solches Filter muss natürlich einstellbar sein. In unserem Beispiel müsste das Filter also z.B. auf 928 kHz eingestellt werden. Der 1872-kHz-Sender könnte das Filter nicht passieren und käme somit gar nicht erst zum Mischer. In der Praxis besteht dieses Filter meist aus ein oder mehreren Schwingkreisen. Die Abstimmung erfolgt über einen zweiten Drehko … dieser ist auf der gleichen Achse wie der Oszillatordrehko montiert. Mit Umstellen der Oszillatorfrequenz wird also auch das Filter verstellt.

Das ist das Superhet-Prinzip. Wir benötigen nur einen Drehknopf zur Senderwahl. Bei der Senderwahl werden also die Oszillatorfrequenz und die Vorkreise gleichzeitig abgestimmt. Weiterverarbeitet wird immer nur die Zwischenfrequenz.

In Abb. 7 lässt sich das abstimmbare Filter gut erkennen. Es besteht aus mehreren Schwingkreisen, die mit dem Drehko (A) abgestimmt werden können. Diese Vorkreise müssen natürlich exakt abgeglichen sein.

Die Frequenz 1872 kHz im obigen Beispiel nennt man übrigens Spiegelfrequenz.

In den AM-Bereichen liegt die ZF meist zwischen 455 kHz und 480 kHz; im UKW-Bereich wird meist 10,7 MHz benutzt. Daher enthält der ZF-Verstärker je Verstärkerstufe je zwei Schwingkreise: Einen für 10,7 MHz und einen für die AM-ZF. Diese Schwingkreise sitzen häufig zusammen in einem Metallgehäuse; man nennt sie dann ZF-Filter.

Natürlich treten bei diesem Empfangsprinzip jede Menge Detailprobleme auf … diese gehören aber nicht in einen Grundlagenaufsatz für Einsteiger.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



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