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Die Frequenzregelschleife beim Loewe Opta ST 22
#1
Die Frequenzregelschleife beim Loewe Opta ST 22

1972 Jahre brachte LOEWE OPTA den HiFi-Stereo-Empfänger-Verstärker (Loewe nannte ihn so!) ST 22 Sensotronic auf den Markt. Er war Bestandteil der line 2001 und elektrisch baugleich mit dem SD 2610. Es handelte sich um ein so genanntes Designgerät in flacher Bauweise. An dem Gerät erscheinen mir zwei technische Details so bemerkenswert, dass diese hier näher beschrieben werden sollen.


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Abb. 1: Der ST 22 bzw. SD 2610


Was ist nun das Besondere an diesem Gerät?

Die Oszillatoren für die AM-Bereiche und für UKW werden über einen Regelkreis frequenzstabilisiert (kein PLL!). Hierbei nutzt man die relativ konstante Laufzeit einer Ultraschallwelle durch einen Glaskörper aus. Der übliche L/C-Abgleich der Oszillatoren ist daher nicht möglich und auch nicht erforderlich. Die Arbeitsweise dieser Frequenzregelung soll in diesem Aufsatz beschrieben werden.

Eine weitere Besonderheit des Gerätes ist ein durchgängiger LW-MW-Bereich. Der Nicht-Rundfunkbereich wird beim Durchstimmen dabei automatisch stumm geschaltet.

Betrachten wir zunächst das Blockschaltbild (Abb. 2) der Frequenzregelung.


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Abb. 2: Blockschaltbild der Frequenzregelung


Der eigentliche Oszillator ist als VCO (voltage controlled oscillator, deutsch: Spannungsgesteuerter Oszillator) ausgeführt und somit durch eine Gleichspannung in der Frequenz abstimmbar. Die erzeugte HF-Spannung (oberer Ausgang) wird der Mischstufe zugeführt. Gleichzeitig wird diese Wechselspannung auf den Eingang eines Frequenz-Spannungs-Wandlers (f/U-Wandler) geleitet. In diesem Wandler wird die Oszillatorfrequenz in eine frequenzproportionale Gleichspannung umgewandelt. Der Wandler arbeitet absolut linear. Diese Gleichspannung wird in einem Differenzverstärker mit einer zweiten Spannung verglichen. Dies ist die Gleichspannung vom Abstimmpoti (R400 im Gerät). Die Ausgangsspannung des Differenzverstärkers regelt dann über einen Tiefpass die Oszillatorfrequenz. Wird die Spannung am Abstimmpoti verändert, ändert sich auch die Spannung am Ausgang des Tiefpasses und damit die Oszillatorfrequenz f. Die Frequenzstabilität der Schaltung hängt somit von der Stabilität der Gleichspannung am nicht-invertierenden Eingang des Operationsverstärkers und vom f/U-Wandler ab. Das Stabilisieren von Gleichspannungen ist kein Problem; auch gibt es gute OPs auf dem Markt. Das Hauptaugenmerk der Entwickler lag wohl auf der Entwicklung eines stabilen f/U-Wandlers. Nachfolgend wird dieser mit Hilfe des Blockschaltbildes (Abb. 3) beschrieben.


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Abb. 3: Prinzipschaltung des f/U-Wandlers

Die VCO-Ausgangsfrequenz wird zunächst mit einem Frequenzteiler durch den Faktor N (AM-Bereiche: N = 160; UKW: N = 1920) herunter geteilt. Das rechteckförmige Ausgangssignal f’ bzw. ω’ setzt das RS-Flipflop am Ausgang Q auf logisch „1“. Dieser Setzimpuls durchläuft aber auch die Verzögerungsleitung mit der konstanten Laufzeit und setzt das Kippglied nach t ≈ 64 µs zurück. Am Ausgang des Flipflops entsteht somit eine Rechteckspannung Uq , deren Tastverhältnis proportional der VCO-Frequenz ist. Diese Spannung wird mit dem Integrierglied (R und C) in eine Gleichspannung gewandelt und dem Komparator (Differenzverstärker) zugeführt. Ein für den Radiosammler ungewöhnliches Bauteil ist die Ultraschall-Verzögerungsleitung vom Typ DL50. Die hier benutzte Leitung ist für Laufzeit-Decoder-Schaltungen in Farbfernsehempfängern, die nach dem PAL-System arbeiten, bestimmt. Die Verzögerungszeit entspricht in etwa der Dauer einer Zeile, also ca. 64 µs. Das zu verzögernde elektrische Signal wird in dieser Leitung zunächst durch einen Wandler in ein Ultraschallsignal umgewandelt. Die Ultraschallwelle durchläuft eine Glasplatte und wird danach wieder in ein elektrisches Signal zurück gewandelt. Den typischen Signalverlauf am Flipflop zeigt Abb. 4.


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Abb. 4: Signalverlauf am RS-Kippglied

Wenden wir uns der realen Schaltung (Abb. 5) zu.

   
Abb. 5: Der f/U -Wandler (Schaltplanausschnitt LOEWE OPTA ST 22)

Die integrierten Schaltungen I 1100 (7493) und I 1101 (7490) bilden den Frequenzteiler durch N. Das Rechtecksignal am Ausgang des Teilers wird nun zunächst durch C 1101 (220 pF) und R 1105 (15 k) differenziert - also in nadelförmige Impulse umgewandelt. Die Diode D 1100 sperrt den positiven Impulsanteil. A1100 ist die Verzögerungsleitung DL50 von VALVO. Das Flipflop wird durch zwei NAND-Gatter aus dem 7400 (I 1102) gebildet.

Abb. 6 zeigt einen weiteren Ausschnitt aus dem Schaltplan des ST 22. Deutlich erkennbar sind der f/U-Wandler (Block F), der Differenzverstärker I 1001 sowie der AM- und der FM-Oszillator.

Im unteren Teil des Schaltplanausschnitts erkennt man den so genannten Schwellwertschalter MW/LW. Hier wird mit Transistoren der Nicht-Rundfunkbereich zwischen LW und MW stumm geschaltet - s.o.

   
Abb. 6: Schaltplanausschnitt des ST 22: HF-Eingangsteil, Mischer und Oszillatoren.


Der f/U-Wandler - mathematisch gesehen

Die Funktion des f/U-Wandlers lässt sich nur mit Hilfe der Mathematik exakt beschreiben. Die nachfolgenden Variablen beziehen sich auf die Abbildungen 3 und 4. Die Signalform der Spannungen Uo und Uv ist bei der mathematischen Beschreibung des Wandlers unbedeutend; allein ihre Phasendifferenz ist für die Funktion entscheidend. Um die mathematische Funktion hier zu vereinfachen, können Uo und Uv auch als sinusförmig angenommen werden. Für Uo wird somit willkürlich festgelegt:


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Für Uv muss dann unter Berücksichtigung der Verzögerungsleitung mit der konstanten Laufzeit gelten:


.png   1_2.png (Größe: 1,45 KB / Downloads: 101)

Nach t = τ hat damit Uv erstmalig die Phase ωv = 0 bzw. ist Uv = 0. Für Uo ergibt sich
.png   1_3v.png (Größe: 444 Bytes / Downloads: 85) , d.h.

.png   1_3.png (Größe: 1,11 KB / Downloads: 101)

Die Phasendifferenz der Spannungen Uo und Uv erhält man somit als Differenz der Argumente der Sinusfunktionen der Gleichungen (1.1) und (1.2):

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Berücksichtigt man noch den Einfluss des Vorteilers, dann ergibt sich mit:

.png   1_5.png (Größe: 1,45 KB / Downloads: 101)

.png   1_6.png (Größe: 1,21 KB / Downloads: 101)

Gleichung (1.6) ist auch dann gültig, wenn die Signalformen von Uo und Uv nicht sinusförmig sind, sondern eine periodische Impulsfolge darstellen, wie sie zum Setzen bzw. Rücksetzen des RS-Kippgliedes benötigt werden. Abb. 4 zeigt den typischen Signalverlauf an diesem Flipflop. Hier erkennt man auch, dass am Q-Ausgang des FF eine rechteckförmige Impulsfolge entsteht, deren Tastverhältnis durch die Phasendifferenz zwischen Uo und Uv eindeutig festgelegt ist. Weiterhin ist ersichtlich, dass hierbei die Anzahl der ganzzahligen Vielfachen von 2π, die die Phasendifferenz Δφ enthält, keinen Einfluss hat. Entscheidend für das Tastverhältnis von Uq ist somit allein die um alle ganzzahligen Vielfachen von 2n verminderte Phasendifferenz Δφ, die hier mit Δφ’ bezeichnet und aus (1.6) wie folgt berechnet wird:

.png   1_7v.png (Größe: 1,68 KB / Downloads: 99)

.png   1_7.png (Größe: 1,95 KB / Downloads: 101)


.png   1_8.png (Größe: 1,48 KB / Downloads: 101)

Aus der Spannung Uq wird mit Hilfe des RC-Gliedes der ihrem Tastverhältnis und mit (1.7) damit auch der Frequenz f proportionale Gleichspannungsmittelwert gebildet. Dieser Mittelwert U1(f) kann mit Hilfe von Bild 3 wie folgt berechnet werden:

.png   1_9.png (Größe: 1,84 KB / Downloads: 98)

Da innerhalb der Periodendauer T’ nur für die Zeit ΔT ’ ein konstantes Uq, nämlich Ûq auftritt, so ergibt sich

.png   1_10.png (Größe: 1,83 KB / Downloads: 98)

.png   1_11.png (Größe: 1,43 KB / Downloads: 101)

Mit
.png   1_12v1.png (Größe: 572 Bytes / Downloads: 101) und
.png   1_12v2.png (Größe: 768 Bytes / Downloads: 101) erhält man


.png   1_12.png (Größe: 2,15 KB / Downloads: 101)

Wird (1.7) in (1.12) eingesetzt, dann erhält man die gesuchte Abhängigkeit der Wandlerausgangsspannung U1(f) von der Frequenz f:


.png   1_13.png (Größe: 1,69 KB / Downloads: 101)

mit
.png   1_13v.png (Größe: 1,24 KB / Downloads: 91)

Aus dieser Darstellung geht hervor, dass ein und derselben Wandlerausgangsspannung theoretisch unendlich viele Frequenzen zugeordnet sind, die untereinander einen konstanten Abstand haben. Diese Mehrdeutigkeit kann jedoch besser diskutiert werden, wenn man (1.13) nach f auflöst:

.png   1_14.png (Größe: 1,59 KB / Downloads: 102)

.png   1_15.png (Größe: 1,81 KB / Downloads: 102)
Mit


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und

.png   1_17.png (Größe: 1,13 KB / Downloads: 101)
ergibt sich:

.png   1_18.png (Größe: 2,29 KB / Downloads: 101)


Die Abhängigkeit der Ausgangsspannung des Wandlers von der Frequenz ist somit durch eine periodische, sägezahnförmige Funktion mit der Periode gegeben. Dies ist in Abb. 7 dargestellt.

Wird ein solcher f/U-Wandler in einer Frequenzregelschleife nach Abb. 2 eingesetzt, so muss dafür gesorgt werden, dass der VCO nur in dem jeweils gewünschten Bandsegment arbeitet, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden.


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Abb. 7: Verlauf der Wandlerausgangsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz


Die Verzögerungsleitung

Die hier verwendete Verzögerungsleitung gehört zur Gruppe der akustischen Verzögerungsleitungen. Hierbei wird das zu verzögernde elektrische Signal durch einen geeigneten Wandler in ein Ultraschallsignal umgewandelt. Dieses Signal durchläuft ein Verzögerungsmedium und wird anschließend in ein elektrisches Signal zurück gewandelt.

In Abb. 8 sind die Form des als Verzögerungsmedium dienenden Glaskörpers einer Ultraschall-Verzögerungsleitung sowie der Weg (gestrichelt) der Ultraschallwelle zu sehen.


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Abb. 8: Glaskörper der Verzögerungsleitung

Die Wandler befinden sich an den abgeschrägten Seiten. Sie arbeiten nach dem piezoelektrischen Prinzip.

Ein piezoelektrischer Wandler lässt sich näherungsweise durch das in Abb. 9 dargestellte Ersatzschaltbild beschreiben.


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Abb. 9: Ersatzschaltbild des piezoelektrischen Wandlers

Dabei bedeuten:

Co : Kapazität des Wandlers weit außerhalb der Resonanzfrequenz abzüglich Cl
C1 : Kapazität des mechanischen Kreises
R1 : durch mechanische Verluste bedingter Widerstand
RL : Widerstand der Nutzlast, hervorgerufen durch abgestrahlte Energie
L1 : Induktivität des mechanischen Kreises

Beim Anlegen eines elektrischen Feldes an einen solchen Wandler entsteht eine elastische, reversible Materialverformung, welche eine Ultraschallwelle erzeugt. Es handelt sich hier um Transversalwellen mit einer Geschwindigkeit von ca. 2500 m/s. Auf dem Glaskörper ist beidseitig eine dämpfende Schicht aus Epoxy aufgebracht. Der Zweck dieser Massepunkte besteht darin, denjenigen Anteil der Ultraschallwellen zu absorbieren, der sich sonst außerhalb des vorgeschriebenen Weges durch das Glas fortpflanzen würde. Bei dem Verzögerungsmedium handelt es sich um Kalium-Bleiglas, das bei sorgfältiger Auswahl der Bestandteile eine nahezu temperaturunabhängige Verzögerungszeit garantiert.

Die Abb. 10 zeigt die steckbare Wandlerplatine. Das große blaue Teil ist die Verzögerungsleitung. Da auf dieser Platine mit Rechtecksignalen gearbeitet wird, würden die AM-Bereiche hierdurch gestört (viele Grüße an Herrn Fourier). Daher erhält die Wandlerplatine im Gerät eine Alu-Abschirmung (Abb. 11).


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Abb. 10: Wandlerplatine ohne Abschirmung


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Abb. 11: Wandlerplatine mit Abschirmung im Gerät


Welche Vorteile hat nun diese Schaltungstechnik?

1. Alle Sender haben auf der Skala den gleichen Abstand; die Skala ist linear.
2. Die Frequenzstabilität des Oszillators ist wesentlich höher, als es von der konservativen Schaltungstechnik her bekannt ist. Dies macht sich besonders im KW-Bereich bemerkbar. Im UKW-Bereich entfällt die AFC. Der Hersteller gibt die Frequenzdrift mit 40-50 Hz/K in den AM-Bereichen und mit 400 Hz/K im UKW-Bereich an.
3. Es ergeben sich einige Fertigungsvereinfachungen für den Hersteller.
Literatur:
Allner, O., Dennewitz, R.-D.: Neuartige AM/FM-Diodenabstimmung, FUNKSCHAU 19/1973, S.730ff.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
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