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Herstellung selbstklebender Silikon-Teile (am Beispiel Tefifon Holiday/KC-4)
#1
Ich möchte heute mal über ein Projekt berichten, bei dem das Ergebnis relativ unspektakulär, der Herstellungsprozess aber umso interessanter ist. Bislang habe ich noch kein anderes Projekt gesehen, bei dem dieser Lösungsansatz gewählt wurde. Daher hoffe ich mit meinem Bericht die Community zu inspirieren, die Vorgehensweise auch für andere Projekte zu nutzen. Es geht um die Herstellung selbstklebender Teile aus Silikon-Kautschuk.

Ausgangspunkt

Die beiden Tefifone Holiday und KC-4 haben auf ihrer Oberseite jeweils 3 graue Gummi-Scheiben, auf denen beim Betrieb die Schallbandkassette aufliegt:
   
.jpg   02_problem_kc4.jpg (Größe: 108,01 KB / Downloads: 340)

Falls die Gummischeiben nicht schon verlorengegangen sind, so sind sie nach den vielen Jahrzehnten auf jeden Fall verhärtet und vergilbt, manchmal auch deformiert. Sie erfüllen ihre Aufgabe zur gedämpften Lagerung der Kassette nicht mehr gut und sind vor allem auch nicht mehr schön anzusehen.

Herausforderung

Es ist ohne Frage, dass diese Gummischeiben durch neue ersetzt werden müssen. Und wie schwer kann es schon sein, diese 8mm Scheiben in einer Dicke von 2,6mm herzustellen und dann aufzukleben? Mit der breiten Verfügbarkeit von Silikon- und PU-Kautschuk sollte das doch nicht allzu schwer sein. Doch weit gefehlt:
  • PU-Kautschuk lässt sich gut herstellen und auch kleben, verfärbt sich dann bei Tageslicht aber aufgrund des Materials sehr schnell gelblich und ist dann nicht mehr schön (ich habe es ausprobiert).
  • Silikon-Kautschuk hat das Problem mit dem Vergilben nicht. Aber hat es schon mal jemand geschafft, Silikon zu verkleben? Das ist quasi unmöglich. Silikon zeichnet sich dadurch aus, dass nichts wirklich daran haften bleibt. Im Dentalbereich gäbe es zwar Adhäsiv, mit dem man das Silikon beim Anrühren an Metall binden kann. Vielleicht könnte man Silikon damit auf eine Metallfolie aufbringen und dann die Silikonscheiben mithilfe der Folie festkleben? Kein Ahnung ob das funktionieren würde. Aber da man an diese Chemikalie als Privatmensch nicht herankommt, habe ich diesen Lösungsansatz verworfen.

Der neue Lösungsansatz

Ich habe mich dafür entschieden, die Ersatzteile aus Silikonkautschuk zu gießen. Die Haftung der Scheiben über einen Klebefilm zu Gerät wird über eine Basis aus PLA-Kunststoff hergestellt. Hierzu wird eine 3D-geruckte Struktur in das Silikon eingegossen. Hier zur Veranschaulichung ein Blick auf das 3D-Modell:

.jpg   03_roentgen.jpg (Größe: 31,11 KB / Downloads: 340)  

In rot ist das Silikon angedeutet, in grün sieht man den eingegossenen Sockel aus PLA. Durch die vielen Löcher in der 3D-Struktur kann sich das Silikon nach dem Aushärten ausreichend gut am PLA-Teil festhalten. Auf das PLA wird ein Klebefilm aufgebracht, der dann die Haftung zum Gerät herstellt.

An dieser Stelle herzlichen Dank an Achim, der mir den entscheidenden Tipp gegeben hat diese Vorgehensweise, die ich schon an anderer Stelle genutzt habe, auf die Gummischeiben zu übertragen!

Die praktische Umsetzung

Wie bei vielen meiner Projekte ist das 3D-Design einer der entscheidenden Aspekte, um die Theorie in die Praxis umzusetzen. Nach mehreren Iterationen bin ich bei diesem Design gelandet:
   

Es besteht aus zwei Komponenten. Das Herzstück ist natürlich die Basisstruktur aus PLA, die dann in gedruckter Form so aussieht:
   

Bei 8mm Durchmesser und 2,6mm Höhe der Scheiben bleibt hier nicht viel Platz für die innere Struktur. Vor allem wenn man der Silikonscheibe am Ende das Innenleben nicht ansehen soll und wenn man berücksichtigt, dass das Stanzen der Scheiben auch nicht auf den 10tel Millimeter genau geht. Im Slicer sieht man, dass es hier nur um wenige Fäden an Kunststoff geht, die hier vom Drucker gezogen werden:
   

Am Druckteil kann man auch von unten gut sehen, wie die Basis-Teile jeder einzelnen Scheibe in einer hexagonalen Struktur auf einer 0,2mm dünnen Schicht angeordnet sind:

.jpg   07_core2.jpg (Größe: 104,22 KB / Downloads: 340)

Geradezu simpel ist dagegen das Design der aus PETG gedruckten Gießform:
   

In einem Schwung werden 3 der Silikonkautschuk-Rohlinge gegossen. Damit die Scheiben eine matte Oberfläche erhalten, wird die Gießform oben mit einer Platte aus Acrylglas abgeschlossen, die mit 400er Wasserschleifpapier aufgeraut wurde. Eine Siebdruckplatte dient dann dem gleichmäßig planen Pressen.

Die PLA-Teile werden zunächst mit einem hauchdünnen Klebefilm beschichtet. Die Firma 3M hat mit dem 467MP hervorragend geeignetes Material dafür im Angebot:
   

Drei der Streifen werden dann in die Gießform eingesetzt:

.jpg   10_prepared.jpg (Größe: 132,62 KB / Downloads: 340)

Beim Silikon nutze ich Typ 12 von Troll Factory und schwarze Silikon-Farbe vom selben Hersteller:

.jpg   11_ingredients.jpg (Größe: 121,77 KB / Downloads: 340)

Die Rezeptur ist:
  • 9g Teil A
  • 9g Teil B
  • 0,08g schwarz.

Das Grau liegt in etwa bei RAL 7046 Telegrau 2.

Nach dem Anrühren wird das Silikon zunächst einmal im Vakuum entlüftet:

.jpg   12_entlueften1.jpg (Größe: 38,98 KB / Downloads: 340)

Das Silikon wird in die Gießform eingefüllt:

.jpg   13_pouring.jpg (Größe: 62,73 KB / Downloads: 340)

Ich denke es ist jedem klar, dass sich in der zerklüfteten Struktur viele Luftblasen verstecken. Sie werden durch dreimaliges Entlüften im Vakuum entfernt:

.jpg   14_entlueften2.jpg (Größe: 91,98 KB / Downloads: 340)

Die Acrylglasplatte wird mit der rauen Seite auf das Silikon aufgerollt und die Form wird mithilfe der Siebdruckplatte und mehrerer Zwingen gepresst:

.jpg   15_press.jpg (Größe: 104 KB / Downloads: 340)

Nach 6-8 Stunden ist das Silikon ausgehärtet:

.jpg   16_hardened.jpg (Größe: 78,09 KB / Downloads: 340)

Durch die Acrylscheibe sieht man jetzt auch nochmal gut die hexagonale Struktur des PLA-Teils. Sie dient einerseits dazu, das PLA-Teil am Boden der Gießform zu halten. Eine weitere Funktion ist dass man darüber sehen kann, wo sich die einzelnen Scheiben für das Ausstanzen befinden.

Das Herauslösen aus der Form muss vorsichtig geschehen, damit die PLA-Struktur dabei nicht zerbricht. Das Silikon löst sich zuerst von der Gießform aus PETG und bleibt am Acryl hängen:

.jpg   17_unmold_top.jpg (Größe: 101,88 KB / Downloads: 339)

An der Unterseite sieht man, dass sich ein klein wenig des Silikons auch unter die Schutzfolie des Klebefilms gedrückt hat:

.jpg   18_unmold_bottom.jpg (Größe: 155,73 KB / Downloads: 339)
Das Silikon kann hier leicht abgerubbelt werden und stört damit nicht mehr weiter. Entscheidend ist dass das Silikon nicht zwischen das PLA und den Klebefilm eindringt - und damit hatte ich zum Glück noch keine Probleme.

Die Rohlinge sind damit fertig und die Gießform ist bereit für die nächste Befüllung:
   

Das ist das Schöne an der Verarbeitung von Silikonkautschuk: Man kann es ganz leicht wegrubbeln und muss auch nicht mit Trennmittel o.ä. hantieren.

Jetzt gilt es noch die Scheiben aus den Rohlingen zu stanzen. Hierzu kommt ein Locheisen zum Einsatz, das ich mit einem aus PCCF gedruckten Adapter an meine Ösenprese angepasst habe:

.jpg   20_adapter.jpg (Größe: 71,84 KB / Downloads: 338)

Der Adapter hat zusätzlich auch noch die Funktion eines Auswerfers, wie wir später sehen werden.

Das Locheisen wird mit dem Adapter in die Ösenpresse eingeschraubt. Unten dient ein aus PA (Nylon) gedrucktes Tei als Klingenschonendes Gegenstück:

.jpg   21_punch1.jpg (Größe: 85,33 KB / Downloads: 338)

Bei guter Beleuchtung kann man jetzt anhand der PLA-Markierungen sehen, wo zu stanzen ist:

.jpg   22_punch2.jpg (Größe: 94,9 KB / Downloads: 338)

Beim Stanzen selbst ist das Locheisen nicht ganz auf den Adapter aufgeschraubt. Dadurch ist unter dem Stempel im Inneren des Locheisens genug Platz für die Gummischeibe. Um das ausgestanzte Teil dann aus dem Locheisen auszutreiben, wird es bis zum Anschlag auf den Adapter aufgeschraubt. Der Stempel drückt damit die Gummischeibe aus:

.jpg   23_punch3.jpg (Größe: 79,27 KB / Downloads: 338)

Dieser Auswurfmechanismus ist extrem wichtig: Durch das feste PLA an der Unterseite verklemmt sich die Scheibe im Locheisen. Versuche, das Austreiben mit einem Feder-Mechanismus zu erreichen, waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Wichtig ist auch die Scheibe beim Austreiben oder sonstigen Nacharbeiten nicht ungleichmäßig zu belasten, da sonst die Stützstruktur im Inneren brechen kann, was dann auch äußerlich sichtbar würde.

Mit etwas Übung geht das Stanzen relativ gut von der Hand:

.jpg   24_punch_results.jpg (Größe: 117,34 KB / Downloads: 337)

Die Ausbeute einer Charge sind 72 Scheiben. Durch gelegentliche Luftblasen und vor allem durch Fehler beim Stanzen des PLAs muss man mit knapp 10% Ausschuss rechnen:

.jpg   25_ausbeute.jpg (Größe: 102,69 KB / Downloads: 337)

Die Verwendung der selbstklebenden Silikon-Scheiben

Nach all der Mühe zur Produktion kommt jetzt endlich der befriedigende Moment des Anbringens der Gummischeiben an den Geräten. Das Abziehen der Schutzfolie geht ganz gut:

.jpg   26_sticker.jpg (Größe: 51,8 KB / Downloads: 337)

Man sieht die am äußeren Rand lediglich 0,2mm dicke Schicht aus PLA mit den typischen Linien des 3D-Drucks. Der Klebefilm hält perfekt darauf. Man könnte fast den Eindruck haben, ein industriell gefertigtes Produkt vor sich zu haben.

Auf dem Holiday (und auch auf dem KC-4) machen die Gummischeiben einen wesentlich besseren Eindruck, als die alten Originale:
   

Und wieder einmal bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis dieses kleinen Projekts. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass man die Gummischeiben gar nicht mehr sieht, sobald eine Kassette aufgelegt ist:

.jpg   28_hidden.jpg (Größe: 111,56 KB / Downloads: 337)

Und schön ist auch, dass mit der gezeigten Vorgehensweise nun endlich eine Grenze gefallen ist: Silikonkautschuk lässt sich mithilfe von Trick 17 dann halt doch auch kleben!
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#2
Meine Frage wäre, ist es nicht einfacher alles mit TPU auszudrucken? Daran hält auch doppelseitiges Klebeband und es vergilbt auch nicht.
War jetzt nur so ein Gedanke von mir.
Liebe Grüße,
der Jens wars gewesen...

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Die Wege der Elektronen sind unergründlich.
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#3
Einfacher wäre es schon, es direkt zu drucken, aber gerade mit TPU sieht man auf den ersten Blick, dass es gedruckt ist. Und TPU kann man noch nicht mal schleifen o.ä., um das Ergebnis per Nachbearbeitung zu optimieren.

Das Silikon hingegen ist wesentlich elastischer als TPU (TPU hat in etwa die Härte wie die inzwischen ausgehärteten Original-Scheiben) und die Füße sind aller Wahrscheinlichkeit nach vom Original (also im Zustand von 1960) nicht zu unterscheiden. Ein weiterer Vorteil ist dass ich die Farbe exakt so einstellen kann, wie ich möchte. Bei grauen TPUs ist der Markt schon recht übersichtlich.

Schöne Grüße
Markus
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#4
Dieses Thema hat mich auf einige großartige Ideen gebracht! Danke, dass ihr eure Projekte mit anderen teilt und andere Menschen damit inspiriert  Blush Smile
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#5
Schon immer wieder beeindruckend was geht.
Was spricht gegen die Silikon Klebefüßchen, die es käuflich zu erwerben gibt? Ausser langweilig natürlich Wink
Gruß,
Uli
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#6
Wo gibt‘s denn welche in der richtigen Größe und der richtigen Farbe?
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#7
Für den Fall dass jemand so verrückt ist, die gezeigte Technik selbst mal nachstellen zu wollen: Ich habe die 3D-Dateien dafür auf Printables veröffentlicht: https://www.printables.com/model/218919-...ts-example

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Projekt allzu viele Downloads kriegt  Smile

Schöne Grüße
Markus
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#8
Durch Rumtüfteln und etwas Glück habe ich jetzt doch noch eine Möglichkeit gefunden, Silikonkautschuk durch chemische Behandlung direkt mit einem Klebefilm zu versehen. Dadurch wir der oben beschriebene Prozess mit dem Eingießen der PLA-Plättchen hinfällig.

Und hier ist die geänderte Vorgehensweise:

Zunächst wird das Silikon wie oben beschrieben hergestellt - allerdings ohne Klebefilm und ohne Kunststoff-Einlage. Dann besorgt man sich im Baumarkt oder bei den wiederkehrenden Angeboten beim Discounter Silikon-Entferner. Dieser wird normalerweise genutzt, um die Reste von Silikonfugen rückstandlos zu entfernen. Dazu enthält er Lösungsmittel, durch das ausgehärtetes Silikon angelöst wird.

Auf die Unterseite der Silikonplatte wird der Silikon-Entferner mit einem Pinsel einigermaßen dick aufgetragen:

.jpg   brush.jpg (Größe: 130,63 KB / Downloads: 58)

Der Silikon-Entferner dringt in das Material ein. Sollten sich trockene Stellen bilden, so pinselt man weiteren Entferner nach. Die Einwirkzeit sollte etwa eine Minute betragen, etwas mehr dürfte nicht schaden. Dann wischt man mit einem Küchentuch mit Isopropanol den Silikon-Entferner vom Silikon ab, so dass das Material wieder sauber und ohne störende Rückstände ist:
   

Durch das Aufweichen wölbt sich das Silikon abhängig von seiner Dicke. Für dünnes Material dürfte die Vorgehensweise daher problematisch sein.

Der Klebefilm wird unverzüglich auf das aufgeweichte Silikon aufgeklebt:

.jpg   sticker.jpg (Größe: 88,46 KB / Downloads: 58)

Um sicherzugehen, dass der Klebefilm sich gut mit dem angelösten Silikon verbindet, legt man für eine Stunde eine schwere Platte darauf. Danach lässt man das Ganze an der Luft einen Tag lang ablüften. Das Lösungsmittel verteilt sich weiter im Silikon und verflüchtigt sich allmählich. Die Verformung geht dann mit der Zeit auch wieder weitestgehend zurück.

Jetzt können die Füßchen wie oben beschrieben ausgestanzt werden. Da man jetzt nicht mehr wie oben auf das feste Raster achten muss, ist die Ausbeute größer:

.jpg   efficiency.jpg (Größe: 62,38 KB / Downloads: 58)

...und das Ergebnis begeistert:

.jpg   result.jpg (Größe: 65,69 KB / Downloads: 58)

Ich schwenke jetzt bei der Produktion dieser Gummischeiben vollständig auf die neue Vorgehensweise um. Ich bin mir aber sicher, dass es Anwendungsfälle gibt, in denen es gut ist, auf die andere Vorgehensweise mit den eingegossenen Druckteilen zurückzugreifen zu können.
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