Den folgenden Bericht widme ich unserem leider kürzlich verstorbenen Forumskollegen Bernd ("Klammi")
Ich berichte hier über die Restaurationsarbeiten an einem Gerät, das Bernd im September 2016 hier vorgestellt hatte. Zur Erinnerung hier noch einmal ein Bild des Gerätes im Fundzustand:
Bernd hatte mir auf Wunsch seines Freundes Snoopy das Gerät zur Restauration überlassen. Diesem Wunsch komme ich gerne nach.
Allgemeiner Aufbau
Hier zunächst 2 Aufnahmen, die ich vor dem Beginn der Arbeiten gemacht habe:
Das Holzchassis mit anhängender Frontplatte konnte aus dem umgebenden Gehäuse herausgezogen werden. Die elektrische Verbindung zwischen den Chassisaufbauten und der Gehäuserückwand erfolgte über eine Reihe von versilberten Steckkontaken. Um einen besseren Blick auf die Chassisaufbauten zu erlauben, wurden die seitlichen Stützbretter der Frontplatte entfernt (sie waren gebrochen und mussten sowieso neu verleimt werden.)
Unmittelbar ins Auge fallen der großformatige Spulensatz mit dem darunter sitzenden Schwenkkoppler und die ungewöhnlichen TeKaDe-Röhren mit den Bezeichnungen "TEKADON", VT111 und VT112. Die Größe der Spulen ließ zunächst die Vermutung aufkommen, dass es sich bei dem Gerät um einen Amateurfunksender handelte. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber sofort die für einen Audion-Empfänger typische RC - Kombination am Gitter der Audionröhre "TEKADON".
Was ebenfalls ins Auge fällt sind die teilweise mehrfach abgebogenen und krummen Verbidungsdrähte. Während im HF-Teil die Verdrahtung noch schön geradlinig und ordentlich erfolgte, wurde der NF-Teil offensichtlich umgebaut oder nachgerüstet.
Der Rest war eigentlich recht einfach: Man musste nur noch die Leitungen verfolgen und die Spulenparameter ausmessen und es war klar, dass es sich um einen MW-Empfänger mit rückgekoppeltem Audion und nachfolgender zweistufiger NF-Verstärkung handelte. Die Stufenkopplung erfolgte über NF-Transformatoren. Der überstreichbare Frequenzbereich liegt bei ca. 450 kHz - 1,5 Mhz (gemessen mit den Exciter)
Die beiden Klinkensteckerbuchsen auf der Vorderseite des Gerätes erlaubten den wahlweisen Anschluss eine Kopfhörers oder Lautsprechers. Sollte die Wiedergabe über Kopfhörer erfolgen, wurde der Klinkenstecker in die linke Buchse (von vorn) gesteckt. Schaltkontakte an dieser Buchse übten zwei Funktionen aus:
- Sie unterbrachen die Verbindung von der Anode der Audionröhre zur Primärseite des 1. Nf-Trafos und legten anstatt dessen den Kopfhörer zwischen Anode und Anodenspannungsversorgung.
- Sie legten die Heizspannung an die Audionröhre. Bei Kopfhörerbetrieb wurde nur diese geheizt! Das war damals wichtig, denn bei Kopfhörerempfang sollten ja die übrigen Röhren nicht den Heizakku belasten und somit auch keinen Anodenstrom ziehen.
Schaltung
Hier das aufgenommene Schaltbild. Zwecks besserer Übersichtlichkeit wurden die Schaltkontakte der Klinkenbuchsen nicht mit eingezeichnet. Die gezeigten Verbindungen gelten für Lautsprecherempfang.
Wie man sieht, folgen auf eine übliche Audionstufe 2 trafo-gekoppelte NF-Verstärkerstufen mit der VT112 als Vorverstärker und der VT111 als Endverstärker. Während die Endröhre an der vollen Heizspannung liegt, kann die Heizspannung für die Audion- und die Vorverstärkerröhre über 50 Ohm Dahtregler individuell herunter geregelt werden.
Die Schaltung weist keine Besonderheiten auf. Die verwendeten Komponenten hingegen sind schon besonders. Diese sollen nun im Folgenden detailliert beschrieben werden.
Der Röhrensatz
Vor irgendwelchen weiteren Aktionen habe ich den seltenen Röhrensatz aus dem Gerät entfernt und in die Vitrine gestellt - wo er bis zum Ende der Restaurationsarbeiten bleiben wird.
1. Die Audionröhre "TEKADON"
Die Röhre hat ein vertikal stehendes, nach einer Seite offenes System. Worin der Vorteil des offenen Systems bestanden haben soll, hat sich mir bisher nicht erschlossen. Auch der Erscheinungszeitpunkt der Röhre ist mir nicht bekannt - vermutlich in der 2. Hälfte der zwanziger Jahre.
Leider waren bei dieser Röhre große Teile des TeKaDe Stempels schon vor dem ersten Hantieren abgefallen und lagen als kleine helle Brösel auf dem Boden des Holzchassis. Um den verbliebenen Rest zu stabilisieren, dachte ich zunächst an ein Übersprühen mit Klarlack. Dann fiel mir ein, dass sich durch das Lösungsmittel vielleicht der Rest auflösen könnte. Letzten Endes habe ich dann Sprühkleber verwendet. Der bleibt zwar nach dem Antrocknen etwas milchig, hat aber immerhin die Reste des Aufklebers an Ort und Stelle gelassen.
FUNKE gibt als Paralleltype für das TEKADON eine RE084 an, andere Quellen die A409, RE074, G407 und H406. Ich werde wohl zunächst eine LP2 (A410) einsetzen, über die ich in RMorg ausführlich berichtet habe.
2. Die Nf-Vorverstärkerröhre "VT112"
Der Systemaufbau entspricht dem des "TEKADON". Die erste Erwähnung dieser Röhre geht nach RMorg auf 1928 zurück.
Ungewöhnlich ist die Typprägung im Anodenblech der Röhre.
FUNKE gibt auch für die VT112 als passende Paralleltype eine RE084 an, andere Quellen wieder die A409, RE074, G407 und H406. Auch hier werde ich eine LP2 einsetzen.
3. Die Nf-Endverstärkerröhre "VT111"
Der Systemaufbau entspricht den beiden anderen Röhren. Das Anodenblech trägt wieder die eine Typprägung. Fertigung der 1. Serie nach RMorg: 1927.
FUNKE gibt als Paralleltype für die VT111 eine RE154/134 an, andere Quellen nennen die B406, RE154, L415 und L410. Ich werde hier zunächst eine RE134 einsetzen.
Der Spulenkoppler
Die Antennenankopplung erfolgt über die große äußere Spule (120 mm Durchmesser) aus versilbertem Kuperdraht (CuAg) mit quadratischem Querschnitt 1,5 x 1,5 mm. Die Induktivität liegt bei 5,8 µH.
Im Innern der Antennenspule liegt die MW-Kreisspule, gewickelt aus seide-umsponnenem Cu-Draht. Die Induktivität liegt bei 240 µH.
Unter den beiden Spulen liegt die schwenkbare Rückkopplungsspule mit 250 µH.
Die ganze Spuleneinheit ist so solide aufgebaut, dass man den Eindruck kommerzieller Fertigung hat. Vielleicht wurden ja in den späten zwanziger Jahren solche kompletten Baugruppen für Bastler angeboten?
Der Abstimm-Drehkondensator
- Hersteller: R/U (Radio-Union)
- Modell: Timatameter "Frequenz"
- Kapazitätsvariation: 35 - 550 pF.
Eine ausführliche Beschreibung von Drehkondensatoren mit unterschiedlichem Plattenschnitt und deren Charakteristik findet man in DiRu's RMorg-Artikel. Interessanterweise zeigt Dietmar in seinem Artikel ein ganz ähnliches Drehkomodell mit doppelter Friktionsuntersetzung.
Der Rückkopplungs-Drehkondensator
Viel interessanter ist der Rückkopplungs-Drehkondensator - eine wirklich außergewöhnlich Konstruktion. Von außen wirkt er ja nicht besonders spektakulär:
- Hersteller: Ritscher
- Modell: Doppelplatten-Frequenz-Drehkondensator
- Kapazitätsvariation: 18 - 190 pF.
Hier ein wenig Werbung der Fa. Ritscher aus den zwanziger Jahren:
Die ersten beiden Bilder stammen aus RMorg, das dritte aus eigener Quelle.
Was bedeutet nun Doppelplatten-Frequenz-Drehkondensator? Auch diesen Drehkotyp beschreibt Dietmar in seinem RMorg-Artikel als "Drehko mit ausgewogenem Plattenschnitt". Hier ein Auszug:
Da die Funktion in diesem Auszug schon beschrieben ist, hat es mich natürlich ungemein gereizt, diesen Drehko einmal von innen zu sehen. Also habe ich ihn schrittweise zerlegt und dann doch noch eine Überraschung gefunden.
Zunächst wurde die hintere Deckplatte entfernt und es kommt der äußere Feintrieb (ca. 1 zu 13) zum Vorschein. Das Ritzel der zentralen 3-mm-Achse greift über Schrägverzahnung in das äußere Zahnrad (40mm Außendurchmesser) ein.
Danach wurde die Übersetzung ausgehängt und man sieht das innere Zahnrad. Auch hier liegt das Überstzungsverhältnis bei ca. 1 zu 13:
Danach wurde ich mutig, habe die vordere Deckplatte abgenommen und die Statorpakete nach außen gespreizt.
Also kann man einen frequenzlinearen Dreho auch so bauen: Anstatt des sichelförmigen Plattenschnitts mit seinen bekannten mechanischen Schwachpunkten kann man die Platten auch mit Fenstern versehen - und zwar sowohl die Stator- als auch die Rotorpakete.
Wie Dietmar schon schrieb, ist jeder Drehkoanschluss mit einem Stator und einem Rotor verbunden. Je nach Winkelstellung des Rotors liegt er in seinem "eigenen" Stator, oder in dem des anderen Anschlusses. Die folgenden zwei Bilder zeigen die relative Stellung von Rotoren und Statoren bei minimaler Kapazität (rot markierter Rotor in rot markiertem Stator und blau markierter Rotor in blau markiertem Stator)
und bei maximaler Kapazität:
Wo liegt denn nun eigentlich der Vorteil dieser Doppelplatten-Drehkos? Bei einem normalen Luftdrehko liegt bei minimaler Kapazität der Rotor ganz außerhalb des Stators - benötigt also ungenutzten Platz. Bei einem Doppelplattendrehko wird kein Platz verschwendet, da der Rotor immer innerhalb der Statorplatten bleibt. Darauf bezieht sich der Satz in der Werbung des Hirrlinger Kataloges von 1929/1930:
Es ist das erste Mal, dass mir ein solcher Doppelplatten-Drehko begegnet - daher die Begeisterung!
Die Heizstromregler
Die hier eingesetzten 50 Ohm Drahtregler sind insofern ungewöhnlich, als man nicht einen Schleifer über eine Widerstandbahn bewegt, sondern letztere unter den Schleifer hindurchdreht.
Ich frage mich, wie man es geschafft hat, den Widerstandsdraht so auf den Keramikkörper zu wickeln, dass er auch vor und nach der Spirale fest am Körper anliegt.
Der NF - Übertrager
Der Hersteller des 1. NF - Übertragers "ANETTO" war mir bisher noch nicht begegenet.
Der Gleichstromwiderstand des Primärwickels liegt bei 740 Ohm, der Sekundärwickel ist leider offen. Meine Hoffnung, dass sich die Unterbrechung des Sekundärwickels in der Nähe des äußeren Anschlusses befindet, hat sich leider nicht bestätigt. Also entweder neu wickeln, ersetzen oder den Primärwickel verwenden und die folgende Röhre über RC koppeln.
Der Hersteller des 2. NF - Übertragers ist "WEILO" - eine ab Mitte der zwanziger Jahre bekannte Trafo-Firma.
Das Übersetzungsverhältnis liegt bei 1 : 6. Glücklicherweise ist dieser Trafo intakt!
Die Gehäusearbeiten
Wie in den eingangs gezeigten Bildern erkennbar, war das Holzgehäuse teilweise gebrochen, verzogen und entleimt. Also habe ich zunächst alle elektrischen Einbauten und die Zierleisten entfernt und mich an die Holzarbeien gemacht ... die ich nicht so besonders liebe. Aber was sein muss ....
Im Moment sieht das Gehäuse so aus. Es wird!
Als nächstes wird dann noch geschliffen, gebeizt und lackiert. Darüber berichte ich dann später.
Damit ist die Arbeit natürlich noch lange nicht zu Ende. Der elektrische Kontakt aller Schraubverbindungen - und da gibt es so einige - hat über die letzten 90 Jahre durch Korrosion stark gelitten. Man muss also alle Verbindungen öffnen und die Kontaktflächen und Drähte mit einem Glasfaserpinsel reinigen. Selbst die Lötstellen müssen alle nachgelötet werden.
Erst dann kann der Rückbau der elektrischen Komponenten auf das Chassis beginnen.
WIR SCHAFFEN DAS!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
Harald