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Außergewöhnlicher Eigenbau MW-Empfänger ca. 1928
#1
Den folgenden Bericht widme ich unserem leider kürzlich verstorbenen Forumskollegen Bernd ("Klammi")

Ich berichte hier über die Restaurationsarbeiten an einem Gerät, das Bernd im September 2016 hier vorgestellt hatte. Zur Erinnerung hier noch einmal ein Bild des Gerätes im Fundzustand:
   

Bernd hatte mir auf Wunsch seines Freundes Snoopy das Gerät zur Restauration überlassen. Diesem Wunsch komme ich gerne nach.

Allgemeiner Aufbau

Hier zunächst 2 Aufnahmen, die ich vor dem Beginn der Arbeiten gemacht habe:
   

Das Holzchassis mit anhängender Frontplatte konnte aus dem umgebenden Gehäuse herausgezogen werden. Die elektrische Verbindung zwischen den Chassisaufbauten und der Gehäuserückwand erfolgte über eine Reihe von versilberten Steckkontaken. Um einen besseren Blick auf die Chassisaufbauten zu erlauben, wurden die seitlichen Stützbretter der Frontplatte entfernt (sie waren gebrochen und mussten sowieso neu verleimt werden.)
   

Unmittelbar ins Auge fallen der großformatige Spulensatz mit dem darunter sitzenden Schwenkkoppler und die ungewöhnlichen TeKaDe-Röhren mit den Bezeichnungen "TEKADON", VT111 und VT112. Die Größe der Spulen ließ zunächst die Vermutung aufkommen, dass es sich bei dem Gerät um einen Amateurfunksender handelte. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber sofort die für einen Audion-Empfänger typische RC - Kombination am Gitter der Audionröhre "TEKADON".

Was ebenfalls ins Auge fällt sind die teilweise mehrfach abgebogenen und krummen Verbidungsdrähte. Während im HF-Teil die Verdrahtung noch schön geradlinig und ordentlich erfolgte, wurde der NF-Teil offensichtlich umgebaut oder nachgerüstet.

Der Rest war eigentlich recht einfach: Man musste nur noch die Leitungen verfolgen und die Spulenparameter ausmessen und es war klar, dass es sich um einen MW-Empfänger mit rückgekoppeltem Audion und nachfolgender zweistufiger NF-Verstärkung handelte. Die Stufenkopplung erfolgte über NF-Transformatoren. Der überstreichbare Frequenzbereich liegt bei ca. 450 kHz - 1,5 Mhz (gemessen mit den Exciter)

Die beiden Klinkensteckerbuchsen auf der Vorderseite des Gerätes erlaubten den wahlweisen Anschluss eine Kopfhörers oder Lautsprechers. Sollte die Wiedergabe über Kopfhörer erfolgen, wurde der Klinkenstecker in die linke Buchse (von vorn) gesteckt. Schaltkontakte an dieser Buchse übten zwei Funktionen aus:
  1. Sie unterbrachen die Verbindung von der Anode der Audionröhre zur Primärseite des 1. Nf-Trafos und legten anstatt dessen den Kopfhörer zwischen Anode und Anodenspannungsversorgung.
  2. Sie legten die Heizspannung an die Audionröhre. Bei Kopfhörerbetrieb wurde nur diese geheizt! Das war damals wichtig, denn bei Kopfhörerempfang sollten ja die übrigen Röhren nicht den Heizakku belasten und somit auch keinen Anodenstrom ziehen. 
Bei Lautsprecherwiedergabe wurde die rechte Klinkenbuchse verwendet. Der an dieser Buchse vorhandene Schaltkontakt legte die Heizspannung an alle 3 Röhren. Wurde in keine der beiden Buchsen ein Stecker gesteckt, wurde die Heizspannungsversorgung für alle Röhren unterbrochen. So sparte man einen separaten Ein/Ausschalter.

Schaltung

Hier das aufgenommene Schaltbild. Zwecks besserer Übersichtlichkeit wurden die Schaltkontakte der Klinkenbuchsen nicht mit eingezeichnet. Die gezeigten Verbindungen gelten für Lautsprecherempfang.
   

Wie man sieht, folgen auf eine übliche Audionstufe 2 trafo-gekoppelte NF-Verstärkerstufen mit der VT112 als Vorverstärker und der VT111 als Endverstärker. Während die Endröhre an der vollen Heizspannung liegt, kann die Heizspannung für die Audion- und die Vorverstärkerröhre über 50 Ohm Dahtregler individuell herunter geregelt werden.

Die Schaltung weist keine Besonderheiten auf. Die verwendeten Komponenten hingegen sind schon besonders. Diese sollen nun im Folgenden detailliert beschrieben werden.

Der Röhrensatz

   

Vor irgendwelchen weiteren Aktionen habe ich den seltenen Röhrensatz aus dem Gerät entfernt und in die Vitrine gestellt - wo er bis zum Ende der Restaurationsarbeiten bleiben wird.

1. Die Audionröhre "TEKADON"

           

Die Röhre hat ein vertikal stehendes, nach einer Seite offenes System. Worin der Vorteil des offenen Systems bestanden haben soll, hat sich mir bisher nicht erschlossen. Auch der Erscheinungszeitpunkt der Röhre  ist mir nicht bekannt - vermutlich in der 2. Hälfte der zwanziger Jahre. 

Leider waren bei dieser Röhre große Teile des TeKaDe Stempels schon vor dem ersten Hantieren abgefallen und lagen als kleine helle Brösel auf dem Boden des Holzchassis. Um den verbliebenen Rest zu stabilisieren, dachte ich zunächst an ein Übersprühen mit Klarlack. Dann fiel mir ein, dass sich durch das Lösungsmittel vielleicht der Rest auflösen könnte. Letzten Endes habe ich dann Sprühkleber verwendet. Der bleibt zwar nach dem Antrocknen etwas milchig, hat aber immerhin die Reste des Aufklebers an Ort und Stelle gelassen.

FUNKE gibt als Paralleltype für das TEKADON eine RE084 an, andere Quellen die A409, RE074, G407 und H406. Ich werde wohl zunächst eine LP2 (A410) einsetzen, über die ich in RMorg ausführlich berichtet habe.   

2. Die Nf-Vorverstärkerröhre "VT112"

           

Der Systemaufbau entspricht dem des "TEKADON". Die erste Erwähnung dieser Röhre geht nach  RMorg auf 1928 zurück.

Ungewöhnlich ist die Typprägung im Anodenblech der Röhre.

FUNKE gibt auch für die VT112 als passende Paralleltype eine RE084 an, andere Quellen wieder die A409, RE074, G407 und H406. Auch hier werde ich eine LP2 einsetzen.

3. Die Nf-Endverstärkerröhre "VT111"

           

Der Systemaufbau entspricht den beiden anderen Röhren. Das Anodenblech trägt wieder die eine Typprägung. Fertigung der 1. Serie nach RMorg: 1927.  

FUNKE gibt als Paralleltype für die VT111  eine RE154/134 an, andere Quellen nennen die B406, RE154, L415 und L410. Ich werde hier zunächst eine RE134 einsetzen.

Der Spulenkoppler

       

Die Antennenankopplung erfolgt über die große äußere Spule (120 mm Durchmesser) aus versilbertem Kuperdraht (CuAg) mit quadratischem Querschnitt 1,5 x 1,5 mm. Die Induktivität liegt bei 5,8 µH.
Im Innern der Antennenspule liegt die MW-Kreisspule, gewickelt aus seide-umsponnenem Cu-Draht. Die Induktivität liegt bei 240 µH.
Unter den beiden Spulen liegt die schwenkbare Rückkopplungsspule mit 250 µH.
Die ganze Spuleneinheit ist so solide aufgebaut, dass man den Eindruck kommerzieller Fertigung hat. Vielleicht wurden ja in den späten zwanziger Jahren solche kompletten Baugruppen für Bastler angeboten?

Der Abstimm-Drehkondensator

           
  • Hersteller: R/U (Radio-Union)
  • Modell: Timatameter "Frequenz"
  • Kapazitätsvariation: 35 - 550 pF. 
Wie man sofort am sichelförmigen Plattenschnitt erkennt, handelt es sich um einen Drehko mit frequenz-linearem Plattenschnitt.

Eine ausführliche Beschreibung von Drehkondensatoren mit unterschiedlichem Plattenschnitt und deren Charakteristik findet man in DiRu's RMorg-Artikel. Interessanterweise zeigt Dietmar in seinem Artikel ein ganz ähnliches Drehkomodell mit doppelter Friktionsuntersetzung.
   

Der Rückkopplungs-Drehkondensator

Viel interessanter ist der Rückkopplungs-Drehkondensator - eine wirklich außergewöhnlich Konstruktion. Von außen wirkt er ja nicht besonders spektakulär:

           
  • Hersteller: Ritscher
  • Modell: Doppelplatten-Frequenz-Drehkondensator
  • Kapazitätsvariation: 18 - 190 pF.
Der Zusatz "Frequenz" deutete in diesen Jahren offenbar auf einen frequenz-linearen Plattenschnitt hin.
Hier ein wenig Werbung der Fa. Ritscher aus den zwanziger Jahren:

           

Die ersten beiden Bilder stammen aus RMorg, das dritte aus eigener Quelle.

Was bedeutet nun Doppelplatten-Frequenz-Drehkondensator? Auch diesen Drehkotyp beschreibt Dietmar in seinem RMorg-Artikel als "Drehko mit ausgewogenem Plattenschnitt". Hier ein Auszug:
   

Da die Funktion in diesem Auszug schon beschrieben ist, hat es mich natürlich ungemein gereizt, diesen Drehko einmal von innen zu sehen. Also habe ich ihn schrittweise zerlegt und dann doch noch eine Überraschung gefunden.

Zunächst wurde die hintere Deckplatte entfernt und es kommt der äußere Feintrieb (ca. 1 zu 13) zum Vorschein. Das Ritzel der zentralen 3-mm-Achse greift über Schrägverzahnung in das äußere Zahnrad (40mm Außendurchmesser) ein.
       

Danach wurde die Übersetzung ausgehängt und man sieht das innere Zahnrad. Auch hier liegt das Überstzungsverhältnis bei ca. 1 zu 13:
       

Danach wurde ich mutig, habe die vordere Deckplatte abgenommen und die Statorpakete nach außen gespreizt.
   

Also kann man einen frequenzlinearen Dreho auch so bauen: Anstatt des sichelförmigen Plattenschnitts mit seinen bekannten mechanischen Schwachpunkten kann man die Platten auch mit Fenstern versehen - und zwar sowohl die Stator- als auch die Rotorpakete.

Wie Dietmar schon schrieb, ist jeder Drehkoanschluss mit einem Stator und einem Rotor verbunden. Je nach Winkelstellung des Rotors liegt er in seinem "eigenen" Stator, oder in dem des anderen Anschlusses. Die folgenden zwei Bilder zeigen die relative Stellung von Rotoren und Statoren bei minimaler Kapazität (rot markierter Rotor in rot markiertem Stator und blau markierter Rotor in blau markiertem Stator)
   

und bei maximaler Kapazität:
   

Wo liegt denn nun eigentlich der Vorteil dieser Doppelplatten-Drehkos? Bei einem normalen Luftdrehko liegt bei minimaler Kapazität der Rotor ganz außerhalb des Stators - benötigt also ungenutzten Platz. Bei einem Doppelplattendrehko wird kein Platz verschwendet, da der Rotor immer innerhalb der Statorplatten bleibt. Darauf bezieht sich der Satz in der Werbung des Hirrlinger Kataloges von 1929/1930:
   

Es ist das erste Mal, dass mir ein solcher Doppelplatten-Drehko begegnet - daher die Begeisterung!

Die Heizstromregler

Die hier eingesetzten 50 Ohm Drahtregler sind insofern ungewöhnlich, als man nicht einen Schleifer über eine Widerstandbahn bewegt, sondern letztere unter den Schleifer hindurchdreht.
   

Ich frage mich, wie man es geschafft hat, den Widerstandsdraht so auf den Keramikkörper zu wickeln, dass er auch vor und nach der Spirale fest am Körper anliegt.

Der NF - Übertrager

Der Hersteller des 1. NF - Übertragers "ANETTO" war mir bisher noch nicht begegenet.
   

Der Gleichstromwiderstand des Primärwickels liegt bei 740 Ohm, der Sekundärwickel ist leider offen. Meine Hoffnung, dass sich die Unterbrechung des Sekundärwickels in der Nähe des äußeren Anschlusses befindet, hat sich leider nicht bestätigt. Also entweder neu wickeln, ersetzen oder den Primärwickel verwenden und die folgende Röhre über RC koppeln.

Der Hersteller des 2. NF - Übertragers ist "WEILO" - eine ab Mitte der zwanziger Jahre bekannte Trafo-Firma.
       

Das Übersetzungsverhältnis liegt bei 1 : 6. Glücklicherweise ist dieser Trafo intakt!

Die Gehäusearbeiten

Wie in den eingangs gezeigten Bildern erkennbar, war das Holzgehäuse teilweise gebrochen, verzogen und entleimt. Also habe ich zunächst alle elektrischen Einbauten und die Zierleisten entfernt und mich an die Holzarbeien gemacht ... die ich nicht so besonders liebe. Aber was sein muss ....

Im Moment sieht das Gehäuse so aus. Es wird!
           

Als nächstes wird dann noch geschliffen, gebeizt und lackiert. Darüber berichte ich dann später.

Damit ist die Arbeit natürlich noch lange nicht zu Ende. Der elektrische Kontakt aller Schraubverbindungen - und da gibt es so einige - hat über die letzten 90 Jahre durch Korrosion stark gelitten. Man muss also alle Verbindungen öffnen und die Kontaktflächen und Drähte mit einem Glasfaserpinsel reinigen. Selbst die Lötstellen müssen alle nachgelötet werden.

Erst dann kann der Rückbau der elektrischen Komponenten auf das Chassis beginnen.

WIR SCHAFFEN DAS!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#2
Liebe Kollegen,

das Holgehäuse war wirklich in katastrophalem Zustand. Anfangs dachte ich schon daran, die Sache meinem Tischler zu übergeben. Der freut sich immer wenn er dem Lehrling eine vernünftige Arbeit geben kann.
Aber dann habe ich mich doch entschlossen, selbst zu Werke zu gehen. Es gibt ja Spannzwingen und Ponal. Der Gehäusedeckel hatte sich stark gewölbt. Ich habe ihn ein paar Tage gewässert und dann mit Hilfe von 4 Spannzwingen mit Gewalt auf das Unterteil gepresst und verleimt. Führung war ja durch Nut und Feder vorhanden.

Das RC-Glied (2 MOhm parallel zu 250 cm) hatte ich fotografiert und dann doch vergessen zu kommentieren. Hier die Bilder:
           

Die Firma Jahre kannte ich bis dahin nur von ihren hochqualitativen Glimmer-Kondensatoren. Wie man auf dem 3. Bild sieht, handelt es sich hier wirklich um einen Luft-Plattenkondensator.

Die 2 MOhm haben nach 90 Jahren eher 3,5 MOhm. Da werde ich vielleicht einen Subminiatur-Widerstand mit 3,3 MOhm parallel löten. Oder ich durchbohre den vorhandenen "KONSTANT" Widerstand und schiebe den Parallelwiderstand innen hinein. Ich werde berichten.

Als Ersatzröhre für die "TEKADON" und die "VT112" werde ich 2 Stück aus meinem Vorrat an "LP2"-Röhren verwenden. Die haben eine Steilheit von nur 0,65 mA/V, also noch weniger als die "TEKADON" mit ihren 0,9mA/V.

https://www.radiomuseum.org/tubes/tube_lp2_philips.html

Die drei Röhren bekommen übrigens individuelle Anodenspannungen.

Die Sekundärseite des defekten NF-Trafos von Anetto ist mit 0,07 CuL-Draht gewickelt. Ich weiß nicht, ob ich mir das antun soll. Immerhin habe ich noch einen Vorrat solcher Trafos, z. B. den hier von der französischen Firma "Cef":
       

Dieser ist kaum größer als der von Anetto und hätte auch ein passendes Übersetzungsverhältnis von 1 : 5.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#3
Das Gerät hatte ja in einem Schuppen gestanden, in dem es möglicherweise durchs Dach geregnet hat. Jedenfall war der größte Teil der Gehäusedeckplatte total verwittert. Nur eine Stelle ausgenommen: Dort hat in einem Regal darüber offensichtlich eine Dose mit Motorenöl gestanden, das lange Zeit heruntertropfte und dadurch die Gehäusepartie rechts vorne imprägnierte. Das Holz war dort jedenfalls viel weniger verwittert. Das merkte man sehr schön daran, dass der Holzabtrag beim Schleifen viel schwieriger von statten ging, als auf der restlichen Fläche.

Das Wasser hat natürlich auch in der Frontplatte seine Spuren hinterlassen. Das Holzchassis war ursprünglich stumpf gegen die Frontplatte genagelt worden. Nur wenige Nägel ließen sich noch herausziehen, die meisten rissen ab. Über die Jahre hat der Rost im unteren Bereich der Frontplatte das Holz verfärbt. Das ist wiederum nicht so schlimm, da diese Partie durch Zierleisten abgedeckt wird. Überhaupt wird man im Endeffekt wenig vom Holz der Frontplatte sehen, denn die großen Drehknöpfe und Zierleisten kaschieren alles.

Und was ist das nun für Holz? Frontplatte, Gehäusedeckplatte und -Seitenwände sind aus guter alter deutscher Eiche! Chassis, Gehäusebodenplatte, und seitliche Chassisstützwangen sind aus Nadelholz, die Rückwand ist aus Sperrholz.

Ich habe die Gehäusedeckplatte wirklich sehr lange geschlffen, aber das Bild ändert sich kaum.  Im Verlauf des Schleifens habe ich auch mal einen mit Nitroverdünnung getränkten Lappen auf den Fleck gelegt, um eventuell vorhanden Ölreste zu entfernen. Man bekommt trotzdem keinen gleichmäßigen Farbton zustande.

So sieht das Gehäuse jetzt aus - vorher:
   

nachher:
               

Nun bin ich natürlich am überlegen, wie ich das Holz behandele.

Im Prinzip könnte man das ganze Gehäuse natürlich dunkel beizen und danach lackieren. Dann würden die Farbsprünge in der Gehäusedeckplatte wahrscheinlich kaum noch auffallen.
Da die verwitterte Partie aber nicht sehr hart ist und leicht zerkratzt wird, wollte ich das Ganze erst einmal mit Schnellschleifgrund fixieren, zwischenschleifen  und dann mit Nitrolack lackieren. Mir gefällt die originale Eichenmaserung, und möchte sie eigentlich nicht durch abdunkeln verfälschen.

Was denkt Ihr?
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#4
Hallo Harald,

wenn man sich den vorherigen Zustand des Gehäuses ansieht, dann hast Du schon gute Fortschritte mit dem Gehäuse erzielt. Diese Echtholz-Gehäuse neigen dazu, sich bei langjähriger Feuchtigkeit zu verziehen. Später hat man dann ja mehrere Holzschichten entgegen gesetzt und verleimt. Der Vorteil beim Echtholz-Gehäuse ist natürlich, dass man nicht beginnen muss, die aus dem Leim gegangenen Schichten mühsam zu verleimen und das Furnier zu erneuern.

Ich hatte vor vielen Jahren auch mal vor solch einem Problem gestanden. Das Gehäuse ist ebenfalls Eiche. Die dicken Holzplatten waren teilweise schon gerissen. Ich weißt also, was das für ein enormer Aufwand ist. Schaut aber mal bitte, was das heute immer noch für ein imposantes Radio ist. Das hier im Radiomuseum.org gezeigte ist mein Gerät:
https://www.radiomuseum.org/r/ahemo_a4w_a_4_w.html

Das Problem bei ungebeizter Eiche ist, dass das Holz ursprünglich recht hell ist. Es hat im Laufe der vielen Jahre etliche Schmutzreste aufgesogen. Die erscheinen durch die helle Holzoptik als unschöne dunkle Flecken. Du wirst sicher so keine Freunde am Erscheinungsbild der Truhe haben.

Ich habe seinerzeit für meinen Ahemo und für einige andere Eichengehäuse die Farbe Nußbaum dunkel gewählt. Jetzt kommt bei Deinem Holzgehäuse natürlich der Ölfleck ins Spiel. Die heutige Holzbeize besitzt keine Lösungsmittel mehr. Die wird nur noch mit Wassr angesetzt. Also wird das Holz an besagter Stelle die Beize nicht gut oder gar nicht aufnehmen. Du hast also eine dann hellere Stelle. Für solche Fälle besorge ich mir von ebay Holzbeize zum Anmischen. Die versetze ich mit Spiritus. Die wird auch auf dem Fleck haften. Wenn Du Glück hast, dann wird man den Fleck kaum noch sehen. Allerdings dürfte jetzt z. B. nicht mit Schellack-Politur gearbeitet werden. Das Zeug würde dann natürlich den dunklen Farbton partiell aufhellen. Klarlack o. Ä. macht dagegen nichts aus.

[…]
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#5
Hier noch eine Reklame für den Ritscher-Drehko aus: "Wigge, H.: Rundfunktechnisches Handbuch, Teil 2, M.Krain, 1927" (Das Vorwort zu diesem Buch ist vom 7.Januar 1927. Der Ritscher Drehko könnte also bereits 1926 existiert haben.)

   

Dietmar
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#6
Ich habe mich weiter mit dem Gehäuse beschäftigt.

Zunächst wurde das geschliffene Holz mit CLOU Eiche-dunkel gebeizt, um die unschönen Farbsprünge zu verbergen. Nussbaum-dunkel, wie von Andreas empfohlen, hatte ich leider nicht in meinen alten Vorräten.
   

Dann wurde mit CLOU Schnellschleifgrund grundiert:
   

Nach einem Zwischenschliff wurde mit Jansen Bootslack pinsellackiert. Trotz der herrschenden Hitze verlief der Lack sehr schön, bevor er anzog. Ich habe diesen Lack auch schon verwendet, um die Treppe in unserem Haus zu lackieren - wunderbar kratzfest. Das Holz des Gehäuses war auf der Oberseite schon sehr verwittert und ich wollte es gerne mit dem Lack etwas stabilisieren. Natürlich glänzt der Lack anfangs noch sehr intensiv, aber das lässt mit der Zeit etwas nach.
       

Nun wurden versuchsweise die noch nicht gereinigten Drehknöpfe, Kantenleisten und Zierleisten aufgelegt, nur um zu sehen, wie sich das Ganze präsentiert. 
   

Die Zierleisten sind alle ein wenig schief und krumm, aber das kann alles gerichtet werden - kein Problem. Das Problem ist dieses hier:
   

Die obere Zierleiste auf der linken Seite fehlt. Sie ist nicht auf dem Transport verloren gegangen, sondern fehlte von vornherein, wie man auf Bernds erstem Bild sah. 
   

So sehen die Leisten in Nahaufnahme aus.
   

An der dicksten Stelle (oben in den Bildern) sind die Leisten 10 mm stark, an der dünnsten Stelle ca. 2 mm. Wer kann solche Leisten mit der schön geschwungenen Jugendstil - Girlande wohl nachfertigen? Keine Ahnung! Andere Zierleisten möchte ich auf keinen Fall verwenden. 

Abschließend frage ich mich noch, wie ich die alten Farbreste von den Zierleisten herunter bekomme, ohne das Dekor zu beschädigen. Mit Abbeize, oder sanft mit dem Glasperlenstrahler drübergehen?

Auch ist mir noch nicht ganz kar, ob ich die Zier-und Kantenleisten auf den gleichen Ton wie das Gehäuse beizen soll, oder heller oder dunkler?
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#7
Hallo Harald,
[…]
Die Zierleisten behandelst Du so: 
  • in Küchentuch wickeln 
  • das komplette Papiertuch in Nitro-Verdünnung tauchen
  • fest in Alu-Folie einwickeln
  • 20 Minuten warten 
  • Küchentuch abnehmen (Das alte Lackzeug hängt im Papier, oder Du kannst es problemlos abwischen.)
  • mit Stahlwolle 000 reinigen
[…]
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#8
Hallo Kollegen,

der eine oder andere wird schon gedacht haben, dass ich die wertvollen TeKaDe - Röhren verkauft und den Rest auf den Wertstoffhof gebracht habe....

Mitnichten!

Die Restaurationsarbeiten an dem Radio haben dann doch mehr Zeit gekostet als gedacht.
Das Gehäuse hatte ich ja schon fertiggestellt, die Zierleisten mit dem schönen Girlandendekor bereiteten mir aber noch Kopfschmerzen. Diese waren nämlich ursprünglich ans Gehäuse angenagelt. Durch Feuchtigkeitseinfluss waren die kleinen Nägel und das umgebende Holz weggerottet. Als ich die Leisten dann vor der Aufarbeitung des Gehäuses entfernte, zerbröselten sie einfach so unter meinen Händen. Um sie von den noch vorhandenen Farbresten zu befreien, wurden sie in Abbeize gelegt und danach vorsichtig gebürstet und gewaschen. Alleine das Bürsten sorgte dafür, dass die schöne Dekorprägung der Leisten noch flacher wurde. Also habe ich es mal damit bewenden lassen und die Leisten ans Gehäuse geleimt. Da sie teilweise stark verzogen waren, war das gar nicht so einfach. Danach wurden sie zwecks besseren Kontrasts auf einen etwas dunkleren Farbton als das Gehäuse gebeizt und mit Bootslack lackiert. So sieht das Ergebnis aus: 
       

Man sieht, dass die unteren Zierleisten mehrfach gebrochen waren und nicht besonders gerade verlaufen. Stört mich nicht - ich wollte kein neues Gehäuse bauen, sondern ein Zeitdokument retten.

Was mich noch beschäftigt, sind die ehemals weißen Farbeinlagen der Knöpfe. Ich erinnere mich daran, dass ich früher einmal Tippex verwendet habe, um die Prägungen wieder auszufüllen. Das Tippex hatte aber auch jeden kleinen Kratzer in der Oberfläche aufgefüllt und es war eine langwierige Arbeit, das wieder wegzuputzen. Kennt da jemand bessere Tricks?

So sieht das Chassis aus, wenn man es aus dem Gehäuse zieht:
       

Auf die Achsen der Heizungsregler habe ich kleine Knöpfchen gesetzt (links oben im Bild) - so kann man sich besser die Position merken.

Den originalen NF-Übertrager zwischen Audionstufe und NF-Vorverstärker habe ich noch nicht neu gewickelt, sondern durch einen passenden intakten Trafo aus französischer Produktion ersetzt. Im Moment betreibe ich das Gerät an einem englischen CELESTION - Lautsprecher.
   

Es funktioniert einwandfrei, wenn auch die Spannungsversorgung etwas aufwendig ist. Man benötigt ja für alle 3 Röhren individuelle Anodenspannungen und für die NF-Röhren individuelle Gitterspannungen. Für die Spannungsversorgung verwende ich - wie immer bei solchen Geräten meine Batteriebox, die mir 
  • 3 einstellbare Gitterspannungen zwischen 0 und -18 V, 
  • 3 Heizspannungen von 1,5 V, 2 V und 4 V sowie 
  • Anodenspannungen im Bereich 0 - 125 V in Stufen von 9 V  liefert.
       

Was fehlt noch? Die oberen seitlichen Zierleisten. Eine war ja noch vorhanden, die andere fehlte. Die noch vorhandene liegt jetzt als Vorlage bei einem unserer immer hilfreichen Kollegen, der sich Gedanken über eine Kopie machen will.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#9
Hallo Harald, mein Lob für das bisher Geleistete !

Bezüglich der Knöpfe gibt es sicherlich viele Wege, die nach Rom führen. Ich gehe wie folgt vor und erziele gute Erfolge:

Die Knöpfe müssen sauber und aus den eingefrästen Strichen jedweder Dreck verschwunden sein. Ich nehme mattweißen Lack, den ich etwas töne, damit die Strichfarbe nicht zu "giftig" wird. Dann reibe ich den Knopf hauchdünn (!) mit etwas Mechaniköl ab. Das Öl darf nicht fließen, d.h. wirklich nur die Oberfläche bereiben.  Dann wird die Farbe eingeträufelt und der Überschuss entfernt. In aller Regel bleibt genügend Farbe in den Strichen haften. Ggf. ist die Prozedur nach Antrocknung zu wiederholen.
_____________

Gruß
klaus


Was ich geschrieben habe, darf widerlegt werden.
Was ich nicht geschrieben habe, braucht nicht widerlegt zu werden.


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#10
Bevor du mit Farben anfängst, probiere es mal so:
Ich habe es schon öfters an Skalenscheiben vom DKE gemacht, funktioniert sehr gut.
  • Besorge dir einen Fettsignierstift, wie auf dem Bild (gibt es auch auf Baumärkten).
  • Knopf reinigen, anschließend  den Signierstift kräftig über die Riefen hin und her ziehen. Bei Zahlen das in alle Richtungen machen. Der Fettstift setzt dann die Vertiefungen förmlich zu. 
  • Dann mit einem trocknem weichen Lappen das Überschüssige wegreiben.
  • Ggf. alles zwei- bis dreimal wiederholen, bis eben alle Lücken gefüllt sind.
Das gute daran ist auch, dass das enthaltene Fett die gesamte Oberfläche schön glänzend macht.
Probiere es einfach mal aus, da kann nichts versaut werden.
   
   
   
[…]
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#11
Nun bin ich Franks Rat gefolgt und habe mir weiße Fettsignierstifte besorgt. Die Anwendung ist einfach - man reibt den sehr weichen Stift solange über die Gravierungen, bis diese gut gefüllt sind. Überschüssigen Abrieb des Farbstiftes reibt man wie von Frank beschrieben mit einem weichen Tuch ab. Man muss lediglich aufpassen, das von dem Fettstift-Abrieb nichts in die Rillen der Grifffläche gerät, sonst muss man das wieder herauskratzen.

So sieht das Gerät jetzt aus:
   

Der weiße Farbton der neuen Farbfüllung ist etwas greller als das Original in der Mitte.

Hier sieht man die Kontaktfedern auf der Innenseite des Gehäuses…
   

…und hier das mit zwei Röhren MARCONI LP2 und einer RE134 bestückte Chassis. Die originalen TeKaDe Röhren stehen nun in der Vitrine.
   

Es fehlen noch die oberen Zierleisten und das Werk ist vollbracht.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#12
[…]
Ein Tipp noch: 
Die Griffflächen vorher einfach mit Tesa abkleben, dann braucht man sich keine Sorgen machen und muss nicht so sehr aufpassen.
[…]
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#13
[…]
Dank an alle, die sich hier so positiv über das Ergebnis meiner Arbeit geäußert haben. Aber das war ich "Klammi" schon schuldig.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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