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Gehäusebearbeitung mit Schellack Politur
#1
Hallo Freunde,

ich durfte schon zweimal bei Sammlertreffen die Schellack-Bearbeitung von Radiogehäusen vorführen. Diese Vorführungen sind stets auf großes Interesse gestoßen. Wir haben heute wesentlich mehr Mitglieder, die noch nicht viel Erfahrung mit dieser Verarbeitungstechnik haben. Das Forum bekommt immer wieder Anfragen über die Anwendung dieser Technik.

Wir haben hier viele Radiofreunde, die ihren Gehäusen wieder ein schönes Aussehen verleihen wollen. Es gibt 'zig Möglichkeiten, dies wieder zu erreichen. Ich möchte hier zunächst mal auf das Thema Schellack-Politur eingehen.

Vielfach herrscht ja die Meinung vor, dass die Uralt-Radiogehäuse etc. mit Schellack poliert wurden. Nein, das ist nicht der Fall. Die Gehäuse wurden damals schon gespritzt. Nur kommt die Schellack-Politur dieser Lackierung am nächsten. Schellack-Politur wurde nur an wertigen Möbeln verarbeitet. Die Radios wären einfach zu teuer geworden.

Im Gegensatz zu den anderen Lacken ist der Schellack ein Naturprodukt. Schellack gibt es in Plättchenform und als fertige Mischung in der Flasche. Gebrauchsfertig ist dieser Schellack aber nicht. Er muss noch verdünnt werden. Und zwar für die jeweilige Anwendung. Laßt uns später darauf zurückkommen.

Die wichtigste Vorbereitung für eine Schellack-Politur ist grundsätzlich das Schleifen des Gehäuses. Wenn man ein altes Radiogehäuse bearbeiten will, dann wäscht man zweckmäßigerweise den Altlack mit Nitro-Verdünnung ab. Wie das geht, wurde hier bereits öfter erörtert.

Hat man dann ein nacktes Gehäuse vor sich, gilt es, dieses für eine gute Schellack-Politur aufzubereiten. Man muss zunächst sehen, ob das Gehäuse von sämtlichen Lackresten befreit wurde. Ist dies der Fall, dann wird das Gehäuse zunächst einmal mit 240er Schleifpapier angeschliffen. Bitte sparsam schleifen, Furnier ist sehr schnell durchgeschliffen.

Danach wird das Schleifpapier immer feiner. Es folgt dann 400er und dann 600er Schleifpapier. Ich verwende zum Schluss noch feinste Stahlwolle 000. Nun wird das Gehäuse auf mechanische Beschädigungen untersucht. Dies sind Risse, Schrammen, Löcher usw.. Der Anfänger holt sich am Besten vom Baumarkt einigermaßen passenden Holzspachtel. Wie stellt man die Farbe fest? Man benetzt einen Lappen mit Verdünnung und geht über einen Punkt des Furniers. Jetzt sieht man, wie das Furnier nach der Politur aussieht. Den Spachtel kauft man stets etwas dunkler als zu hell. Auf zu helle Stellen blickt das Auge eher. Nach dem Spachteln wird schön die gespachtelte Stelle verschliffen. Den Spachtel ruhig 1-2 Tage trocknen lassen. Manchmal fällt er etwas ein. Man kann natürlich auch Holzwachs o. Ä. nehmen.

Jetzt wird das Holzgehäuse sehr sorgfältig entstaubt.
Nun kann es losgehen. Aber wie? Noch bis vor kurzen hätte ich zu einem Grundanstrich mit stark verdünntem Schellack geraten.

Unser Radiofreund Uli hat etwas neues ausprobiert. Er trägt zunächst Grundieröl auf das Gehäuse auf. Ich habe das ausprobiert. Dieses Verfahren bewirkt zweierlei. Das Grundieröl ist etwas dickflüssiger. Nach dem 3. Auftrag sind die Holzporen schon fast unsichtbar. Das Furnier wird wunderschön angefeuert.

Holzporen - was ist das? Holzporen sind kleinste Kanäle im Holz, die früher den Baum bewässert haben. Würde man diese Holzporen unbehandelt lassen, dann bekommt man natürlich keinen vernünftigen Glanz. Oft wird verlangt, dass die Holzporen noch etwas sichtbar sind. Gut, dann werden sie nicht vollständig verfüllt. Dann ist der Glanz aber auch nicht so extrem.

Was ist beim Auftragen des Grundieröls zu beachten? Man trägt das Öl mit einem weichen Pinsel auf. Die Überstände müssen unbedingt nach so etwa 10 Minuten mit einem weichen Tuch abgewischt werden. Sollte man zu lange warten, klebt das Öl  nach. Es wird Muskelarbeit, diese Fläche wieder glatt zu bekommen. Also aufpassen, wie das Öl "anzieht". Danach sollte man das Gehäuse mindestens 24 Stunden in Ruhe lassen.

Ich bin mir sicher, wer das drei Mal gemacht hat, überlegt schon, ob er das Gehäuse evtl. so lässt. Es bekommt einen seidenmatten Glanz und die Holzporen sind kaum noch sichtbar. Dasselbe kann man natürlich auch mit Hartöl machen. Alle Ölarten haben gemeinsam, dass das Furnier sehr schön "angefeuert" wird.

Wem das jetzt noch nicht reicht, der greift zur Schellack-Politur. Hier nochmal der Hinweis: Will man Hochglanzpolitur, verwendet man Bimsmehl. Hinweis!!!! Niemals nach einer Ölbehandlung Schnellschliffgrund verwenden. Alles wäre sonst ruiniert. Das Öl und der Schnellschliffgrund reagieren sehr aggressiv. Das Gehäuse wird weißlich und ist versaut. Sprich - alles auf Anfang.

Zum Bimsmehl ist zu sagen: Es gibt das Mehl z. B. in der Apotheke. Die Körnung ist recht grob. Bei z.B. ebay gibt es Bimsmehl super-fein. Das wollen wir nehmen.

Bimsmehl wird mit einem Ballen und stark verdünntem Schellack (1 : 10 - 1 Teil Schellack und 10 Teile z. b. Isopropanol) aufgebracht. Womit? Mit einem Ballen.
Den kann man sich kaufen. Aber auch selbst herstellen. Man kann in einen alten Socken etwas Polierwatte oder z. B. Schafswolle geben. Den Wattebausch tränken wir mit etwas verdünntem Schellack. Den Socken verdrehen. Hier kommt etwas Bimsmehl drauf. Dann verwenden wir ein Stück T-Shirt Stoff etc. Weich und fusselfrei muss es sein.
Das legen wir stramm um unseren Socken-Ballen. Schön stramm drehen und den Ballen jetzt mit der Hand kneten. Nun wird kreuz und quer eine Seite nach der anderen mit Schellack und Bimsmehl versorgt. Bei unseren Furnieren reicht das, wenn man es 3 mal durchführt. Auch hier gilt mindestens 24 Stunden trocknen lassen. Und immer mal wieder etwas Bimsmehl auf den Socken geben.

Ich habe früher sofort mit Bimsmehr die Poren verfüllt. d. h. ohne Grundieröl. Es passiert folgendes: Der Alkohol entweicht aus den Holzporen und das Bimsmehl wandert in die Holzporen. D. h. am anderen Tag sind die Holzporen wieder sichtbar. Nach 3 Anwendungen sollte sich das aber stabilisiert haben. Diese Erscheinung beobachte ich nicht bei der vorherigen Anwendung von Grundieröl. Deshalb arbeite ich jetzt grundsätzlich mit Grundieröl vor.

Übrigens ist eins noch sehr wichtig. Bevor man diese Bimsmehl-Prozedur durchführt, sollte das Grundieröl einige Tage Zeit haben zum Trocknen. Fängt man zu früh  mit der Bimsmehl-Behandlung an, dann kann es sein, dass das Öl noch etwas "gast". Verfärbungen könnten dann evtl. sichtbar werden. Denkt dran, auf die alten Radios wartet keiner mehr und wir haben Zeit.

Niemals Bimsmehl einfach auf die Holzoberfläche streuen. Das wird schnell zu viel. Das verhärtet zu kleinen Inseln  und wird wie Beton. Unschöne Schleifarbeiten wären die Folge.

Jetzt ist unser Gehäuse schon mal auf einem guten Weg. Wir gehen leicht mit 000 Stahlwolle über den gesamten Gehäusekorpus. Und dann.....

machen wir Pause.

Im nächsten Teil beschreibe ich Euch dann das weitere Schellack-Polieren. Über 50 % der Arbeit ist so geschafft. Ganz wichtig, den Bimsmehl-Ballen nach der abgeschlossenen Arbeit wegwerfen. Die Poren von dem Socken und auch der Überzug sind nach diesen Anwendungen verklebt und taugen dann nichts mehr.

Zur weiteren Schellack-Politur darf  k e i n  Bimsmehl mehr zur Anwendung kommen.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#2
Hallo Andreas,

Mit einem Ölschliff kann man sich mitunter (hängt vom Furnier ab, bzw. wie groß die Poren des Holzes sind) das Porenschließen mit Bimsmehl sparen. 

Für den Ölschliff nehme ich Leinöl und ein 800er oder 1000er Schleifpad , z.b. klick, Nassschleifpapier sollte auch funktionieren. 

Der leichte Abrieb beim Schleifen setzt sich zusammen mit dem Öl in die Poren.

Wie gesagt, es hängt davon ab wie grobporig das Furnier / Holz ist.

Wenn ein sehr dünnes Furnier vorliegt sollte man den Ölschliff besser lassen, wobei man mit einem 1000er Schleifpad schon recht lange schleifen muss bis ein "dünnes" Furnier durchgeschliffen ist.

Eine Woche sollte man dem Holz Zeit geben zum Trocknen wenn man danach Schellack auftragen möchte, zumindest mache ich das bisher so. 

Hier zwei Videos zum Thema vom bereits bekannten Tischlermeister, dessen Videos ich mir sehr gerne anschaue und dadurch viel gelernt habe.



mit freundlichen Gruss

Uli



Wo alle dasselbe denken , wird nicht viel gedacht .

( Walter Lippmann ) 
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#3
Hallo Uli,

danke für Deine Anregung. Ubrigens ist der Fachmann auf dem Video auch mein "Lehrmeister" zum Thema Holz. Sehr interessant finde ich natürlich Deine Anregung, wie man die Poren verschließen kann. Das wird natürlich beim nächsten Gehäuse ausprobiert. Ich finde es sehr schön, dass man sich gut zu diesen Arbeiten austauscht.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#4
(10.07.2020, 12:56)Andreas_P schrieb: Ganz wichtig, den Bimsmehl-Ballen nach der angeschlossenen Arbeit weg werfen. Die Poren von dem Socken und auch der Überzug sind nach diesen Anwendungen verklebt und taugen dann nichts mehr.

Ja?
Ich hab meinen "Bimsballen" immer aufgehoben - ein altes Weckglas für den Polierballen und eines für den Bimsballen. Hab aber jetzt schon länger nichts mehr gemacht, beim nächsten Mal nehme ich bewusst den Ballen nochmal (falls er nicht inzwischen versteinert ist) und schaue ganz genau hin, wie er sich "macht". Kaputt gehen kann ja nichts, das liebe ich so an Schellack. Im allerschlimmsten Fall muss man halt alles mit Spiritus wieder runterwaschen und von vorne beginnen.
Aber danke für den Hinweis!
Gruß,
Uli
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#5
Hallo lieber Uli,

also nimm lieber ein Marmeladenglas o.ä. Die schließen luftdicht ab. Natürlich schaut man erst mit dem Polierballen, kommt da noch was raus oder ist der Außenbezug sehr verklebt. Dann weg damit.

So, nun wollen wir mal etwas weiter machen mit unserer Politur. Wir haben jetzt die Poren soweit verschlossen. Ja, denkt man manchmal, dann denkt man, da sind doch noch Poren zu sehen. Das ist eben das Phänomen. Das Bimsmehl hat sich in den Poren etwas abgesetzt. Also noch mal etwas mit Bimsmehl nacharbeiten.

Dieses Problem ist bei diesen Polituren der eigentliche Knackpunkt. Will man jetzt mit reiner Schellack-Politur arbeiten wird das aufwändiger. Immer wieder muss man mit Schellack polieren. Dann wird mit feinstem Schleifpapier gearbeitet. Wenn man Pech hat, dann sackt das Bimsmehl noch weiter zusammen und das Gerät bekommt stumpfe Stellen. Es ist wirklich dringend angeraten nicht mit Eile zu arbeiten. Ich lasse grundsätzlich ein Gehäuse dann 3 - 4 Wochen im Keller stehen und schaue mir die Fläche dann an. Wie ich schon schrieb, stelle ich die vorgenannten Probleme bei der Vorbereitung mit Grundieröl nicht fest. Aber auch hier muss am Ende gewartet werden, bis das Grundieröl völlig ausgehärtet ist.

Gehen wir jetzt davon aus, das Bimsmehl hat die Poren schön verfüllt. Man mischt die Schellack-Politur etwas dicker an. Wir abeiten im Verhältnis 1:4. Also ein Teil Schellack-Politur und 4 Teile Isopropanol. Der Ballen wird wie weiter oben hergestellt. Polierwatte oder Schafswolle in ein Stück Trikotstoff. Darüber dann noch ein weiches Baumwolltuch. Wir gießen eine kleine Menge der Schellack-Politur in die Watte o.ä. Niemals zu viel!!! Das Problem ist, die höhere Menge flüssiger Schellack versaut die gemachte Versiegelung. D.h. immer sparsam arbeiten. Nun reiben wir Fläche für Fläche mit der Schellack-Politur ab. Das solange, bis der Ballen allmählich leer wird.

Zum Ende wird halt stärker aufgedrückt. Der Wattebausch ist quasi ein Tank.

Was macht man nun, wenn zuviel Schellack-Politur im Ballen ist. Sofort aufhören! Den Ballen auf einer glatten Holzunterlage richtig ausdrücken. Dann mit wenig Druck polieren. Bis das Zeug weniger wird, dann drücken.

Man wischt immer mit 8 ten über die zu polierenden Flächen. Ist der Ballen trocken, dann ist Feierabend. Wenn der Ballen nur irgendwann bei der Politur nicht mehr so schön gleiten will, dann geben wir einen Tropfen Polieröl auf den Ballen. Sehr sparsam sein, ein Tropfen reicht. Diese Politur kann man immer und immer wiederholen. Ein schöner Glanz stellt sich ein. So, nun werdet mir nicht ungeduldig.

Es folgt dann die Abschlußpolitur, unser Radiogehäuse ist fast fertig.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#6
Eines möchte ich noch kurz schreiben.
Ich glaube mit Schellack arbeitet jeder etwas anders. Das Material ist kreativ in der Auftragsmethode.

Man sollte wohl vermeiden den Ballen allzu feucht zu haben wobei ich auch schon gehört habe dass manche nass in nass arbeiten, grade am Anfang.

Wichtig ist dass der Ballen immer trocken poliert werden sollte und man immer mehr den Schellack dabei auch mit großem Druck verdichtet.
Öl ist auch wichtig, aber möglichst wenig davon.
Ich habe auch schon viel zu viel Öl genommen weil es die Arbeit ungemein erleichtert. Schlieren oder Grauschleier hatte ich damit zwar nie, aber man bekommt zumindest Probleme das Öl auch wieder herunterzubekommen!

Ich grundiere immer mit feinem Bimsmehl, welcher in dünner Schellacklösung einfach in der Flasche gegeben wird. Man muss aber jedes Mal gut schütteln. Nach mindestens 1 Tag Trocknung schleife ich die Fläche mit feinem Schleifpapier und lasse den Schleifstaub einfach liegen vor dem Deckpolieren.

Grundieröl nahm ich früher auch immer aber heute gar nicht mehr. Es erleichtert aber auch das Polieren.
Mir wird das Holz dabei zu dunkel.

Man kann auch ganz aufs Grundieren verzichten. Schellack alleine füllert ungemein.
Dann hat man aber auch sehr viel mehr Polierdurchgänge.
Und nebenbei kann man mit Schellack ganz herrlich fuschen. Man kann während der Arbeit das Ergebnis beeinflussen was bei Lack so niemals geht.

Der große Nachteil von Schellack ist nach meiner Meinung dass man vorher alle Messingteile am besten abnimmt. Das Abnehmen kann schon ein Problem werden und das anschliessende Aufkleben auch.
Aber ob man beim Lackieren die Messingleisten wirklich einfach sitzen lassen kann und überlackiert?

Lg
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