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Restaurierung eines GRUNDIG 2088
#1
Hallo,

bevor ich auf die Restaurieung eingehe, soll etwas zum Grund für die Beschaffung dieses sicher sehr häufig zu findenten Mittelsupers gesagt werden. Mich hat interessiert, wie man in den frühen Jahren in den alten Bundesländern Radios gebaut hat. Und Grundig war nunmal einer der führenden Hersteller auf diesem Gebiet. Ein solcher Mittelsuper war ein sehr gutes Musterobjekt für meine Erkenntnisse.

Wenn ich dieses Radio mit denen aus der Ostproduktion vergleiche, sind die Schaltungsauslegungen sehr ähnlich. Die Unterschiede ergeben sich aus den verwendeten Bauteilen und Materialien und deren Qualität.

Bei den DDR-Geräten wurde versucht, diese für Langlebigkeit auszulegen. Diesem Ansatz widersprach wiederum die allgemeine Materialsituation. Man musste in der laufenden Produktion einsetzen, was verfügbar war. Auch wenn von den Konstrukteuren optimale Schaltungsauslegungen konzipiert waren, konnten die dann verwendeten Bauteile diesen hohen Anspruch nicht immer erfüllen. Ich denke dabei z.B. an die russischen "Arbeiterfahnen" und Elkos, die "Schneemänner"(Klein-Elkos) oder verschiedene Ausführungen von Papier- und Elektrolytkondensatoren. Leider sind ähnliche Kondensatoren(EROs oder Roedersteine) auch in Geräten der westdeutschen Produzenten zu finden.

Beim Grundig-Radio habe ich festgestellt, dass man schon damals viele Konstruktionsdetails "hart auf Kante genäht" hat. Die Netztrafos z.B. erreichen gerade mal so die notwendigen Leistungsparameter, weshalb sie im Betrieb sehr warm werden. An eine Auslegung für höhere Netzspannungen (240V-Wicklung) ist nicht zu denken.
Auch die Potis (Klangregler) sind auf minimalen Materialeinsatz getrimmt. Die Materialien für die Gehäuse sind sehr sparsam ausgelegt. Das Plattenmaterial ist leichter und dünner als das von vergleichbaren DDR-Geräten. Auch der eingestzte Lack sollte nicht ewig halten. Ich kenne kein Gerät aus Ostproduktion, das derartig viele Lackrisse über die gesamte Gehäusefläche aufweist, wie der von mir restaurierte 2088.

Man erkennt daraus, dass es Max Grundig verstanden hat, seine Produktion auf Gewinnoptimierung auszulegen, was ja letztlich legitim ist. Nur so konnte sein Unternehmen zu der erreichten Größe aufwachsen.

Doch jetzt zur Restauration des "GRUNDIG Musikgerät 2088".

Die folgende Beschreibung zur Reparatur/ Restaurierung eines Grundig 2088 habe ich mit verschiedenen Fragestellungen bereits im DRF dargestellt. Dennoch möchte ich meine dabei gesammelten Erfahrungen auch hier einbringen.

Das Gerät habe ich vor einigen Jahren im Netz ersteigert und da der äussere Zustand auf den ersten Blick eher abschreckend war, wurde es erst einmal ins Regal gestellt.

Vermutlich wurde das Radio in einer sehr feuchten und staubigen Umgebung betrieben. Aussen und auch innen fand sich eine dicke Schicht aus rotem Staub (ich vermute mal, das Radio stand in der Werkhalle einer Ziegelei). Verschiedene Blechteile, speziell am Tastenschalter waren stark verrostet. Zudem war der Lack auf dem Gehäuse in einem erbärmlichen Zustand, teilweise abgeplatzt und rissig auf der gesamten Fläche.

   
   

Zuerst mussten die Blechteile am Tastenschalter und den Klangreglern vom Rost befreit werden. Danach stand die Überarbeitzung des Chassis mit den zugehörigen peripheren Bauteilen zur vollständigen Herstellung der Funktionsfähigkeit an. Zuletzt war das Gehäuse dran. Aber Schritt für Schritt.

1. Grobreinigung:
Mittels Pinsel und Staubsauger wurden Gehäuse, Chassis, Lautsprecher, Teile auf den Chassis und Rückwand vom Staub befreit.

2. Auseinanderbau:
Chassis wurde aus dem Gehäuse ausgebaut. Danach sofort die Skalenscheibe abgenommen und sicher verstaut. Die Platte mit den Lautsprechern wurde ausgebaut. Vom Gehäuse wurden die seitlichen Gitter und die Zierleisten entfernt.

3. Reinigung der Anbauteile:
Von den seitlichen Lautsprechergittern wurde der angeklebte Stoff abgelöst und gereinigt. Ebenso wurde der Lautsprecherbespannstoff mit einer Bürste entstaubt. Auf eine Nassreinigung konnte verzichtet werden.  Die Plast-Lautsprechergitter, die neben dem Tastenschalter befindlichen Plastteile und die Bedienknöpfe wurden im Ultraschallbad gereinigt.
Die Lautsprechern selbst wurden mit dem Pinsel allseitig vom Staub befreit. Eine ohmmässige Überprüfung bestätigte die Funktionstüchtigkeit des Breitbänders. Der Hochtöner wurde untersucht, aber keine Fehler an der Folie festgestellt-scheint also i.O. zu sein. Eindeutiges wird der Test nach Wiederinbetriebnahme zeigen.

4. Die Rostbekämpfung:

   
   

Eine Demontage des Tastenschalters und der Halterungen für die Tonblenden-Potis erwies sich als zu kompliziert. Deshalb wurde mit einem Dremel und einer rotierenden Drahtbürste die verrosteten Teile am Tastenschalter und den Klangstellern bearbeitet. Der Rost konnte weitestgehend beseitigt werden. Zum Schutz der so bearbeiteten Teile wurde diese mit einer dünnen Schicht Silikonöl überzogen.

   
   

Die ehemals weisse/beige Skalenrückwand erhielt einen neuen, weissen Anstrich.

   

Dann konnte mit der elektrischen Aufarbeitung begonnen werden. Zuerst wurden die Papierkondensatoren durch neue Typen ersetzt. Alle EROs hatten einen maximalen Isolationswiderstand von 2 MOhm. Der Netzelko wurde formiert und brachte danach gute Messwerte. Er konnte im Gerät verbleiben.

   

Die Röhren von der ECC 85 bis zur EABC 80 zeigen auf dem Prüfgerät mittelmässige Werte, nur die EL 84 lag bei 80%. Beim Test im Gerät waren alle Röhren gut.  Der Tausch gegen gut gemessene Röhren zeigte keine wesentlichen Verbesserungen. Also konnten alle Originaröhren im Gerät belassen werden.

Übertrager und Netztrafo zeigten messtechnisch keine Auffälligkeiten.

Ein erster Test des Chassis konnte erfolgen. Die Lautsprecher wurden provisorisch angeschlossen und das Gerät am Regeltrafo hochgefahren. Mit einer guten Aussenantenne wurden auf UKW eine grosse Anzahl Sender trennscharf und mit ausreichender Lautstärke empfangen.

Tastenschalter und Potis hatten trotz schlechter Betriebsbedingungen keine Mängel, kein Kratzen oder Krachen. Auch der Skalenantrieb arbeitete einwandfrei.

Zur Kontrolle wurden noch die Spannungswerte an den Röhren gemessen. Obwohl der Selengleichrichter optisch gut aussah, war die Spannung nach dem Lade-Elko nur 240V. Laut Schaltbild müssen es aber 280V sein. Deshalb wurde auf einer Universalleiterplatte eine neue Brücke mit 1N 4007, Parallelkondensatoren und Vorwiderstand aufgebaut und an der Stelle des alten Selen eingebaut. Mit einem Vorwiderstand von 75 Ohm lag die Anodenspannung dann bei 279 V.

   

Hier noch ein Hinweis zum verwendeten "Reparaturständer". Die Idee stammt aus einem Radio-Forum. Für meine Bedingungen habe ich sie angepasst. Dieser Ständer war für das Grundig-Chassis ideal geeignet. Man konnte den Zugriff auf die Bauteile auf und unter dem Chassis mit nur wenigen Handgriffen herstellen. Der Ständer ist mit wenig Aufwand herzustellen und sehr empfehlenswert.

   
   

Nachdem das Radio elektrisch voll funktionsfähig war, musste ich mich mit dem Gehäuse befassen. Durch die vorherigen schlechten Betriebsbedingungen war der Lack auf allen Flächen gerissen und teilweise abgeplatzt. Also musste alles runter und dann eine Neulackierung versucht werden.

   

Zuerst habe ich es mit einer Ziehklinge versucht - das war mehr als mühsam und das Ergebnis schlecht.

   
obere Fläche nach ca. 20-maligen Abziehen mit der Klinge

Ich habe es dann mal mit Universalverdünnung versucht. Allerdings verlief dieser Versuch unbefriedigend, weil zu kurz. Danach habe ich Küchentücher mit der Verdünnung getränkt, dies länger auf die Lackflächen einwirken lassen und konnte den Lack dann mit einer Spachtel abtragen. Den Rest wurde mit einem getränkten Lappen abgewischt.

   
   

Jetzt stand die Neulackierung an. Schelllack war kaum beschaffbar. Auch wollte ich nur einen matteren Glanz auf dem Gehäuse. Nach längerer Suche habe ich eine Sikkens-Farbe getestet, die wir auch für viele Hölzer im Aussenbereich verwenden. Zäune, das Vorhaus am Hauseingang, die Auflagebretter einer Hollywood-Schaukel und verschiedene Gartenmöbel haben wir vor Jahren mit dieser Farbe gestrichen, die ist sehr haltbar und langlebig. Warum also nicht ein Radiogehäuse damit beschichten?
Die ersten Schichten wurden mit einem Baumwollballen aufgetragen, dann geschliffen und erneut Farbe. Das ganze 6 mal und ich war mit dem Ergebnis zufrieden.

   
   

Zum Schluss wurde das Gehäuse mit Zierleisten, seitlichen Lautsprechergittern und dem Schriftzug komplettiert. Das Chassis wurde eingesetzt, die Stellung der Skalenscheibe musste korrigiert werden, weil der Schlitz der Skalenlampenhalterung nicht zwischen Skalenscheibe und Rückwand zeigte. Auch die Skalenlampe selbst war nur noch eine Funzel. Mit einer neuen, kräftiger leuchtenden Lampe wurde auch die Skalenbeleuchtung akzeptabel.

   

Mit dem Endergebnis bin ich zufrieden.

Beste Grüße
Jürgen
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#2
Hallo,
das Problem mit stark verrosteten Teilen hab ich auch manchmal. Gut, wenn man so gut rankommt, daß man die Teile entrosten kann. Aber das Zeug rostet ja sofort wieder, denn alles vielleicht ehemals als Korosionsschutz vorhandene Material ist ja durch die Entrostungsaktion garantiert weg. Daher wäre es gut, irgendeinen "Rostschutz" aufzutragen.
Du hast Silikonöl gewählt. Das geht natürlich als Rostschutz, aber dadurch wird jeder Dreck (Staub) der Umgebung sofort
dauerhaft festgehalten. In einem Radiogehäuse vielleicht hinzunehmen. Ich würde lieber zu etwas anderem greifen, was nbicht so staubbindend ist - weiß aber leider auch nicht, was. Rostschutzfarbe sieht blöd aus, aber im Gehäuse sieht es ja niemand? Wie machen das die anderen?

MfG

Claus
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#3
Hallo Jürgen,

tolle Arbeit und sehr detaillierter Bericht,  Thumbs_up  Thumbs_up  Thumbs_up

viele Grüße,
Rolf
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#4
Hallo Jürgen,

dass Geräte von Grundig (und auch u.a. Nordmende) mit fast ausgelutschten Röhren noch problemlos arbeiten, kann ich nur bestätigen!
Das zeugt wirklich von der Güte der Schaltungsauslegung.

Schlechten Lack oder verrostete Chassisteile hatte ich bei Grundig (mit einer Ausnahme) allerdings noch nicht.
Lediglich bei meinem 4085 war der Lack auf dem Gehäusedach kaum noch vorhanden und auch die Reste boten der Ziehklinge keinen nennenswerten widerstand mehr.
Der Lack der Gehäuseseiten war jedoch rissfrei und in einwandfreiem Zustand.
Ich denke, dass schlechter Lack und auch Rost eher von ungünstigen Lagerbedingungen kommt.

Was die Kondensatoren angeht, so muss bedacht werden, dass die Geräte seinerzeit auch nur für eine zehn- bis fünfzehnjährige Betriebszeit ausgelegt waren, und die Ero's waren eben seinerzeit Standard.
Dass die Netzteilelkos noch gut sind, ist fast normal.
Eine erfreuliche Ausnahme sind Tonfunk-Geräte, dort waren damals schon relativ viele Styroflexkondensatoren verbaut.
Allerdings finden sich auch dort an manchen Stellen papierisolierte Kondensatoren.


Viele Grüße

Martin
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#5
.Hallo,

danke für Euere lobenden und bestätigenden Worte.

Ursprünglich hatte ich auch vor, die entrosteten Teile mit einer schützenden Farbe zu bearbeiten. Da aber die gesamte Mechanik am Tastenschalter verrostet war, hätte eine Farbschicht die Tastenhebel vielleicht beeinflusst und schwergängiger gemacht. Deshalb habe ich mich für das Öl entschieden, das schmiert dann gleich noch die Mechanik.
Und dass sich Staub absetzt, ist nicht zu befürchten. Das Radio steht jetzt im Regal in einem beheizbaren Kellerraum, in dem meine Frau auch Wäsche bügelt und rollt.

Was den rissigen Lack betrifft, ist es mir ein Rätsel, unter welchen Bedingungen ein lackiertes Holzgehäuse gelagert werden muss, um derartige Risse im Lack zu verursachen. So wie auf den Bildern 2 und 12 in meinem Bericht sah das gesamte Gehäuse aus. Der Holzkorpus mit dem Furnier selbst ist weder verzogen noch zeigt er irgendwelche Aufquellungen oder Ablösungen des Furniers. Man kann das auf den Bildern nach der Entlackung sehen. Die minimalen Schadstellen im Holz sind auf mechanische Einflüsse zurückzuführen.

Das die Röhren trotz Messwerten um 40 - 60% auf dem Prüfgerät im Gerät selbst so gut funktionieren, hat mich auch erstaunt. Wirklich gute Konstruktionen der Entwickler. Bestätigt, warum GRUNDIG so einen guten Ruf hatte.
(Mein Röhrenprüfgerät ist übrigens ein Eigenbau, auf dem alle Spannungen -stabilisiert- entsprechend den Röhrendatenlisten eingestellt und dann Anoden- und Ig2-Strom gemessen und mit den Daten lt. Liste verglichen werden).

Für die damals prognostizierten Lebensdauer der Radios sind die eingesetzten Kondensatoren (EROs) schon richtig konstruiert und ausgewählt worden.
Wer hätte damals geglaubt, dass einige "verrückte" Bastler diese Radios auch nach über 60 Jahren noch betreiben. In den Radios aus der Ostproduktion wurden ja ähnliche Kondensatorentypen eingesetzt. Man darf dabei nicht vergessen, dass heute üblige Plastmaterialien für die Kondensatorherstellung (noch) nicht zur Verfügung standen. Und "diffusionsdichte" Kondensatoren (z.B. Styroflex- oder Sikatrop-Kondensatoren ) für die Konsumgüterproduktion zu teuer waren.
Ich sehe es jedenfalls nicht als Problem an, bei den alten Radios diese Kondensatoren generell durch neue zu ersetzen. Es dient letztlich der Sicherheit und kostet nicht viel.

Beste Grüße
Jürgen
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#6
Hallo, Jürgen,
Eine gelungene Instandsetzung. Und sehr strukturiert beschrieben. Danke für den tollen Bericht.
Gruß,
Ivan
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