Themabewertung:
  • 1 Bewertung(en) - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Der langsam schlagende Wecker
#1
Guten Abend liebe Freunde der sonderbaren Dinge,

ich möchte euch heute etwas besonderes vorstellen. Einen langsam schlagenden Wecker für Gleichstrom. Ein Wecker, was ist das? In der Bahntechnik und in der Nachrichtentechnik versteht man darunter ein Läutewerk, also einen Rufapparat, landläufig auch als Klingel bekannt, vulgärsprachlich Bimmel. Bleiben wir bei Wecker. Diese gibt es in erstaunlichsten technologischen Ausmaßen. Die Elektrotechnische Praxis  von Ingenieur Walther Häntzschel, Ausgabe 1904 nennt hier folgende:

  • Gleichstromwecker, Läutewerke mit Selbstunterbrecher
  • Wechselstromwecker, wie beispielsweise in alten Telefonen verwendet
  • Einschlagwecker
  • Fortschellwecker, welche bis zum mechanischen Rückstellen nach einmaligem Druckknopfbetätigen läuten
  • Wecker mit optischer Anzeige (Fallklappe, Pendelscheibe)
  • Wecker mit Antwortsystem
  • Lautschläger (sehr massive und große Bauweise)
  • Langsamschläger

... um nur die Wichtigsten aufzuzählen. Ein hochwissenschaftliches Fachgebiet!

Warum aber nun Langsamschläger? Die Entwicklung geht auf einen Österreicher zurück. Ich kann leider nicht mehr auf meine Originalquelle zugreifen (http://dingler.culture.hu-berlin.de/arti...4/ar284069), muss also jetzt etwas stückeln. Franz Gattinger, Telegrapheningenieur in Österreich entwickelte den ersten Langsamschläger in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. Irgendwann hatte ich aus genannter, zeitgenössiger Quelle folgende Passage kopiert: 

Zitat:Die in Frage kommenden zu controlirenden Signalzeichen sind das Halt und das Frei, und bei ersterem soll der Wecker ertönen, bei letzterem schweigen. Da nun aber die betreffenden Signalmittel in der Regel auf Halt und nur ausnahmsweise, d.h. vorübergehend auf Frei stehen, erwächst den Controlstellen durch das fortwährende langwierige Geläute eine äusserst widerwärtige Belästigung und hat man sich deshalb bestrebt, die gewöhnlichen, mit Selbstunterbrechung oder Selbstausschaltung arbeitenden Rasselwecker durch langsam schlagende zu ersetzen.


Warum aber nun Langsamschläger? Weil der klassische Gleichstromwecker nervt. Sehr simpel. Die Langsamschläger kamen fortan bei der Bahn und auch bei Gesindeuhren, Rufanlagen und ähnlichen Dingen vor. Bei der Bahn sind sie heute noch in Betrieb. 

https://www.berliner-stellwerke.de/artik...locks.html

Hier Beispielweise sind auf den Abbildungen 10 und 22 ff solche Wecker zu sehen. Wobei in Stellwerken auch normale Wecker verwendet wurden. Anwendungsbereich ist zum Beispiel heute noch in Altanlagen die Befehlsanforderung, welche eine Handlung vom Befehlsstellwerk an ein "untergebenes" Wärterstellwerk anfordert. 

Mein vorliegender Langsamschläger ist von der Firma Hermann Kuhndt Feinmechanik aus Leipzig Engelsdorf. Leider konnte ich weder etwas über die Firma herausfinden, noch das Teil genauer Datieren. Rein die Aufmachung lässt mich auf späte dreißiger bis frühe fünfziger Jahre schließen, wobei ich mich nicht festlegen möchte.

   

   

Die Funktion ist simpel. Der Unterbrecherkontakt befindet sich, wie im Video zu sehen, zwischen einem federnden Blech und dem Schwungrad und ist in Ruhe geschlossen. Die angelegten 24 V ziehen den Klöppel an die beiden in Reihe geschalteten 50 Ohm Spulen und das Schwungrad wird im Uhrzeigersinn angestoßen. Die um die Welle gewickelte Feder dreht das Schwungrad zurück und das Spiel beginnt von vorn. Bemerkenswert sind die Einstellmöglichkeiten: Vorspannung der Wellenfeder, Vorspannung der Klöppelfeder, Klöppelanschlag. Da irgendwas sinnvolles Einzustellen hat mich schon etwas Zeit gekostet und die Herren vor mir anscheinend auch: 

   

   


Nach Wartung stellt sich die Funktion wie folgt dar:

Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
Zitieren
#2
Ein wirklich schönes Projekt, Mark!

In unserer Gegend gibt es noch schienengleiche Bahnübergänge, bei denen bei geschlossener Schranke auch so ein langsames Läutewerk erklingt. War mir eigentlich nie aufgefallen, dass das etwas Besonderes ist.

Jetzt bin ich schlauer! Danke!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
Zitieren
#3
Hallo Harald,

Ich freue mich, dass du mir geantwortet hast.

An den Bahnübergängen sind meist Einschlagwecker verbaut, die über einen Quecksilberblinker angesteuert werden. Hierzu kann ich bei Gelegenheit auch mal ein Video machen.
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
Zitieren
#4
Ja, vorhin you tube über die Smart Glotze geschaut. Da war doch glatt das Video mit diesem Wecker zu sehen. Sowas kannte ich auch noch nicht. Ich hatte natürlich interessiert beobachtet, wie das funktioniert, aber Mark hat das ja hier gut erklärt.

Danke für's Vorstellen!
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
Zitieren
#5
Kannte ich noch nicht und hatte mir auch nie Gedanken darüber gemacht.

Vielen Dank fürs ausführliche Vorstellen.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
Zitieren
#6
(09.01.2023, 23:23)MIRAG schrieb: An den Bahnübergängen sind meist Einschlagwecker verbaut, die über einen Quecksilberblinker angesteuert werden. Hierzu kann ich bei Gelegenheit auch mal ein Video machen.

Ich entdecke bei mir gerade größere Wissenslücken... und das nach fast 80 Lebensjahren...nie etwas von Einschlagweckern gehört!

Peinlich - peinlich!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
Zitieren
#7
Was der Mark auch immer so findet…

Einfach nur Klasse und schön gezeigt wie es funktioniert!  Thumbs_up


Viele Grüße,
Axel Smile
Womit fährt der Norweger zur Mittagspause...?
...Na mit einem Fjord Siesta! Wink
Zitieren


Gehe zu: