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Lehrmodell Telegraphenempfänger
#1
Kürzlich bot unser Mitglied Alfons_L ein paar Komponenten antiker Elektrotechnik an. Die ersten zwei Komponenten habe ich jetzt ein wenig gereinigt und näher inspiziert.

Es handelt sich um ein Lehrmodell eines Telegraphenempfängers, gebaut von der Fa. Paul Brüning in Oldenburg i.O. und eine Spule vermutlich desselben Herstellers. Während das Telegraphenmodell lehrmitteltypisch auf einem massiven Eichenbrett aufgebaut ist, hat man die Spule offensichtlich einzeln angeboten; möglichweise als Vorwiderstand für die Magnetspulen des Telegraphen, möglicherweise für magnetische Feldexperimente.

Schwierig wird es bei der Festlegung des Herstellungszeitpunkts. Angesichts der verwendeten Schrifttype auf dem Firmenschildchen würde ich mal auf Mitte der 1920er Jahre tippen. Außer einem Buch über antike Morsetasten, in dem der Name Paul Brüning erwähnt wird, habe ich nichts gefunden.

http://www.seefunknetz.de/seefunker/Morse.html

Die anderen im Internet auftauchenden Personen dieses Namens haben nichts mit physikalischen Lehrmitteln zu tun.

Hier zunächst ein Übersichtsbild:

       

Rechts im Bild zwei, ursprünglich wahrscheinlich hintereinander geschaltete Magnetspulen mit Eisenkern. In der Mitte die Stützsäule für den Kipphebel, der links in einer Haltekralle einen nach oben zeigenden Bleistift trägt, rechts einen Magnetanker in Form einer Querstrebe, die bei Stromfluß nach unten gezogen wird und zusammen mit den Spulenkernen und dem auf die Grundplatte geschraubten Weicheisen - Spulenträger die magnetischen Flusslinien schließt. Der ursprünglich vernickelte oder verchromte Magnetanker ist aus Weicheisen gefertigt, der Kipphebel aus Messing.

   

Ganz links auf der Grundplatte die Säule für den Papierstreifen - Transport. Oben die Aufhängung für die Papierstreifenrolle, darunter drei Rollen für die Papierstreifen- Führung. Eine der Rollen fehlt leider.

Der Papierstreifen - Transport erfolgte - für ein Lehrmittel zur Funktionsdemonstration ausreichend - mit einer kleinen Kurbel. Die äußeren Führungsrollen waren metallisch (vermutlich ursprünglich mit Gummiauflage, die mittlere - also die Schreibrolle - aus Holz. So wurde sichergestellt, dass der Bleistift beim Markieren der Striche und Punkte auf dem Papierstreifen auf eine weiche Unterlage schlug.

           

Fehlteile und Schäden:

1.  Die Rückstellfeder, die dafür sorgte, dass der Kipphebel im stromlosen Zustand links nach unten kippt. Die Ruheposition konnte durch eine kleine Stellschraube variiert werden. 

2.  Die zweite Papierstreifen - Führungsrolle. Entsprach in Form und Material (Messing) vermutlich der noch vorhandenen Rolle - aber eben ohne Kurbel.

3.  Die Spule für den Papierstreifen und der Papierstreifen selbst.

4.  Die obere Anschlussarmatur an der vorderen Magnetspule ( gebogene Messinglasche mit durchbohrtem Ansatz und Rändelschraube)

5.  Die Holzkörper der Magnetspulen sind gerissen.

Die Punkte 2, 3 und 4 bereiten mir Kopfschmerzen.

-----

Bei dem zweiten von Alfons erworbenen Gerät handelt es sich übrigens um einen PHYWE Funkeninduktor. bei dem leider ein Draht vom Hochspannungswickel abgerissen ist. Solche Geräte wurden z.B. für Sende - Experimente und zur Demonstration von Geissler - Entladungsröhren verwendet.

   
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#2
Hallo Harald,

von Oldenburg gibt es alte Adressbücher öffentlich zugänglich in digitaler Form.
Hier findet man ein Inserat zur Geschäftseröffnung aus dem Jahr 1910: Adressbuch 1910


.jpg   Paul_Brüning_1910_Geschäftseröffnung.jpg (Größe: 97,55 KB / Downloads: 704)

Und im Jahr 1927 noch immer als Radiohändler tätig: Adressbuch 1927


.jpg   Paul_Brüning_Radio_1927.jpg (Größe: 34,87 KB / Downloads: 703)
Gruß Gerald
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#3
Hallo Harald,

wie breit müsste denn das Papierband sein?

Vielleicht passt ja hier das Papierband, wie es auch heute noch für Blindenstenographiemaschinen verwendet wird.

Davon könntest Du von mir eine Rolle bekommen, wenn das passt.


Viele Grüße

Martin
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#4
Hallo Harald,

Stell doch bitte mal die Maße der Fehlteile ein.
Dann kann man sehen was sich machen lässt.
Die Umlenkrolle und die Antriebsrolle sind aus Eisen,
die Schraube aus Messing. Die mitlaufende Rolle 
braucht ein Lager innen . 
Je nach Durchmesser ein Fahrradschlauch als Belag ?

Gruß
RE084
RE 084 heisst Hans und kommt aus 41844 Wegberg
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#5
Vielen Dank für Eure Antworten!

@ Gerald: Ich hatte auch schon gesucht nach alten Firmen - Adressbüchern in Oldenburg gesucht, aber irgendwie wohl an der falschen Stelle. SUPER!!! Da die Firma zum Herstellungszeitpunkt des Telegraphen gemäß Firmenschildchen in der Ritterstraße 15 beheimatet war, kann es sich also nicht um ein ganz frühes Gerät handeln. Da war der Firmensitz ja noch die Ritterstr. 2.

@ Martin: Das ist die Idee!!! Die Blindenschrift (Braille) - Bänder sind so um die 13 mm breit - also weit schmaler als die Bandführung des Brüning - Telegraphen.

Hier mal ein erstes Massbild:

   

Die lichte Weite des Aufnahmedorns für die Papierrolle ist genau 25,4 mm (1 Zoll) und hat ca. 7mm Durchmesser - am äußeren Ende ein Gewinde mit Messingmutter, um ein Abrutschen der Papierrolle zu verhindern.

Die Holzrrolle ist ca.17 mm breit und hat ein Durchmesser von 27 mm. Auf der linken Seite hat sie einen kleinen angedrehten Bund (ca. 0,5 mm) als Abstandshalter vom Lagerbock. Sie läuft auf einem zylindischen, Messingdorn mit 6 mm Durchmesser und M4 Gewinde am inneren Ende zum Einschrauben in den Lagerbock.

Die durch die Kurbel angetriebene Schlepprolle (Messing) hat einen Außendurchmesser von 13,8 mm und eine Breite, die die Holzrolle umfasst.

Die fehlende, mitlaufende Führungsrolle hat wahrscheinlich ganz ähnliche Abmessungen. Läuft aber im Gegensatz zur Schlepprolle frei auf einem Dorn mit Schraubenkopf mit M4 Gewinde am inneren Ende, der in den Lagerbock eingeschraubt ist (Im Moment habe ich da eine M4 Messingsschraube hineingedreht.

Komischerweise liegt der Haltedorn für die Papierstreifenrolle nicht mittig zu den Umlenkrollen.

@ Hans: Ich muss noch alles genau bemaßen. Das obige Bild soll nur ungefähr zeigen, wie Papierstreifenführung aussieht.

Teilweise sind mir aber auch noch mechanische Details unklar. Wenn das erledigt ist, stelle ich mal die kompletten Zeichnungen der Bandlaufrollen ein.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#6
Bereits ab 1912 erscheint die Firma in der Ritterstraße 15.


.jpg   Paul_Brüning_1912.jpg (Größe: 9,43 KB / Downloads: 612)

Warum die Papierstreifenrolle nicht mittig zu den Umlenkrollen ist, kann ich mir auch nicht erklären.
Gruß Gerald
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#7
Stimmt! Am 3.9.1912 erscheint die erste Annonce mit der neuen Adresse in der Oldenburger Zeitung.

Am 30.1.1925 kommt dort die Meldung, dass Paul Brüning im 1. Weltkrieg gefallen ist.

Am 5.8.1920 wird erstmals der neuen Firmeninhaber Edo Memmen genannt.

Am 16.12.1929 erscheint die letzte Annonce der Firma.
-------------

Inzwischen habe ich ein wenig an dem Gerät weitergearbeitet.

   

Die großen Risse in den Holzkörpern der Spulen wurden mit Epoxy ausgegossen und fallen nun weniger auf. Bei der hinteren Spule fehlt noch der untere Messing  - Beschlag für den Anschluss des Spulendrahtes.

Die Spulenanschüsse wurden mit Stahlwolle geputzt.

Der Spulenhalter wanderte in den Glasperlenstrahler und sieht jetzt wieder aus wie neu. Vielleicht lackiere ich ihn noch mit Kräusellack.

           

Was mich im Moment beschäftigt ist der Rücksteller für den Kipphebel, der diesen im stromlosen Zustand links nach unten zieht. Das könnte sowohl ein kleines Gewicht gewesen sein, als auch eine Feder.

Der Kipphebel hat links vom Drehpunkt ein Loch, in das sowohl ein Gewicht als auch eine Feder eingehängt gewesen sein kann.

   

Als gegenüber liegender Haltepunkt für eine Feder könnte etwas fungiert haben, was in das M4 - Gewindeloch im Spulenhalter eingeschraubt war (roter Pfeil).

Habe ich mal probiert. Funktioniert zwar, sieht aber irgendwie unorganisch aus.

Unterhalb des genannten Lochs im Kipphebel sieht man auf der Holzoberfläche kleine Markierungen. Eigenlich zu klein, um als Gegenhalterung für eine Feder zu funktionieren. Also vielleicht doch eher ein Gewicht?

Jedenfalls funktioniert die Kontaktierung der Spulen und bei 12V ziehen sie kräftig an. Dann fließen allerdings auch schon 1,5 A.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#8
Hallo Harald,

ich denke, 12V sind viel zu hoch gewählt. Ich besitze einen Siemens&Halske Schreibtelegraf, der schon bei 1V sicher arbeitet.
Im Physikunterricht wurden damals zur Vorführung sicherlich nur 1 bis 2 Trockenelemente mit je 1,5V verwendet.

Was hast Du für einen eigenartigen Verbindungsdraht für die Spulen verwendet?
Gruß Gerald
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#9
Hallo Gerald,

ich stimme Dir vollkommen zu. Die benötigte Spannung ist wirklich sehr hoch. Aber die Spulen sind eben mit sehr dickem Draht gewickelt, haben wenige Windungen und daher jeweils nur so um die 4Ohm.

Ich gehe davon aus, dass dieses Vorführmodell mit Bleiakkus betrieben werden sollte. Ich muss das noch einmal überprüfen, aber ich glaube, die Magnete üben erst bei 8V deutlich Kraft auf den Anker aus. Bei 12V ziehen sie dann so richtig satt.

Der Verbindungsdraht kam mit dem Modell vom Alfons_L. Das ist nomale Schaltlitze mit 2 Lagen Seide umsponnen und zerbröselnder Gummi - Isolation - kein Widerstandsdraht, wie Du vielleicht vermutetest.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#10
Liebe Kollegen,

der Gerald hatte natürlich Recht. Ich hatte die Spulen versehentlich verkehrt hintereinander geschaltet. Die Brücke muss vom oberen Ende der einen Spule zum oberen Ende der zweiten Spule führen.

Bei richtiger Verbindung zieht der Magnet ab einer Spannung von 1,5 V und 0,2 A zuverlässig an.

Peinlich!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#11
Das sieht ja super gut aus. Naja die fehlende Messinghalterung könnte ich nachfertigen, zumindest versuchen. Aber....
ich brauche dazu ein Original als Maß- Muster dazu.
Kost natürlich nix für dich.
Falls da noch was als Drehteil Fehlt, müsste ich es auch wissen.
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#12
Hallo Harald,

da hast mal wieder ein tolles Projekt auf die Beine gestellt.

Ich denke mal auch, dass am Kipphebel eine Feder, bzw. ein Gewicht fehlt,
wie hier auf dem Foto zu sehen:

   

Viele Grüße,
Rolf
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#13
Bei den Markierungen im Bereich der vermuteten Feder kann es sich auch um die Löcher einer kleinen Krampe handeln.
Bei diesem Gerät wurde die Feder auf diese Weise befestigt:

   

   
Gruß Gerald
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#14
Vielen Dank für die Anregungen, Rolf und Gerald!

Gestern hatte ich mal so ein wenig herumprobiert und eine Feder unter der Stützsäule des Kipphebels eingeklemmt. Das funktionierte prima.

       

Ich denke, Gerald hat Recht. Die Markierungen auf der Bodenplatte stammen von einer Krampe. Jedenfalls schwer vorzustellen, dass die Firma Brüning angesichts der generell dürftigen Konstruktion dieses Lehrmittels hier etwas konstruktiv Aufwändigeres verwendet hat.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#15
Hallo Freunde,

hier kommt der Abschlussbericht zum nun praktisch fertiggestellten Paul Brüning Telegraphenschreiber:

Nachdem mir Martin ("Radiobastler") schon vor langem 2 Rollen Papier für Blindenschrift - Stenoapparate zugeschickt hatte, war ich nun am Grübeln, wie man die Papierspule ausbauen sollte. Da ich nicht so der Superkonstrukteur bin, hat mir der Gerald ("Gerald-G") seine Dienste angeboten. Ein Glück!

Es ging um folgende Fehlteile:
  • Die Papierspule, die so aufgebaut sein sollte, dass man die Vorderhälfte für den Papierrollenwechsel abnehmen konnte.
  • Die obere, freilaufende Papier - Umlenkrolle.
  • Die fehlende Kontaktschelle an einer Magnetspule.

Da die Holzrolle Höhenschlag hatte, hat er die auch gleich noch erneuert.... usw...

So sah das gute Stück aus, als es Alfons zum Verkauf anbot:

   

Und so sieht es heute aus, nachdem Gerald Hand angelegt hatte:

                                   

Die Morsetaste hatte zunächst der Mark auf dem Sammlertreffen in Osterode dem Jupp abgeluchst, und dann ich dem Mark. Offensichtlich auch ein Schulmodell...

   

Was fehlt nun eigentlich noch? Der Gummi - Überwurf über der Kurbelrolle für den Papiertransport. (Die obere Rolle läuft ja frei und dient nur der seitlichen Führung des Papierstreifens). Gerald schlug vor, nach einem passenden Moosgummi - Schlauch zu suchen. Die bisher gefundenen sind alle zu dickwandig. Der Spalt zwischen Kurbelrolle und Holzrolle liegt nämlich bei nur 1,3 - 1,4 mm.

Ein großes Dankeschön für die Hilfe an Martin, Gerald und Mark!!!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#16
Es ist schon toll geworden. Bemerkenswert ist für mich, wie viel Energie und Liebe du/ihr in die Aufarbeitung gesteckt hast/habt .... und das hat sich ausgezahlt. Kompliment!

Vielleicht könnte ich ja damit meine nahezu vollständig verkümmerten Morsekenntnisse reaktivieren. Smiley26
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
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#17
...einfach nur klasse,
man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt...

Viele Grüße,
Rolf
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#18
Hallo zusammen,

das ist ja wirklich ein Schmuckstück geworden!

Besonders freut es mich natürlich, dass ich ein klein wenig dazu beitragen konnte.


Viele Grüße

Martin
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#19
Die Aufnahme für die Papierrolle ist so gestaltet, dass der Federdruck nur auf den inneren Kunststoffring drückt und ihn mit einstellbarer Kraft abbremst.
Die lichte Weite zwischen den Seitenwangen ist etwas größer, damit der Papierstreifen frei abrollen kann.

   
Gruß Gerald
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#20
Hier kommen ein paar Bilder vom endgültigen Aussehen des Telegraphenschreibers, den ich mal vom Alfons_L erstanden hatte.

Gerald_G hatte mir noch einige Komponenten zukommen lassen:
  • Moosgummi für die Beschichtung der Transportrolle des Papierstreifens.
  • Eine wunderschöne, zeitgemäße Morsetaste (die andere bekommt der Mark dann mal wieder zurück!)
  • Zeitgemäße Kabel für die Verdrahtung der Komponenten.

               

Nun wird der Papierstreifen beim Drehen der Kurbel auch wirklich gerade durchgezogen. Den Moosgummistreifen konnte ich mit PATTEX so verleimen, dass kaum eine Nahtstelle zu sehen ist.

Vielen Dank an alle, die bei der Durchführung des Projekts geholfen haben. Nun ist das Gerät fertig für die Vitrine.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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