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Restauration Mende MS216W
#1
Erstmalig hier im Forum möchte ich ein Gerät vorstellen und einen bildreichen Restaurationsbericht vom Gerät Mende MS216W erstatten.
Ich beginne mit der Vorstellung und nutze die Maske von Vagabund:
Hersteller: Mende
Typ: AM-Superhet
Modell: MS216W
Seriennummer: 23070
Baujahr: 1939
Röhrenbestückung: AZ11, EL11, EFM11, EBF11, ECH11
Stromversorgung: Wechselstrom, 2-Weg-Gleichrichter
Wellenbereiche: K, L, M
Bedienelemente: Lautstärke mit E/A-Zugschalter, Tonblende, Wellenschalter, Tuning
Gehäuse: Holz mit Bakelitrahmen
Besonderheiten: E-dyn. LS mit Kompensationsspule, Wurzelfurnier
Anschlussmöglichkeiten Rückseite: TA, Antenne, Lichtantenne, H-LS

Zunächst der Fundzustand:
   
Einige Details nach partiellem Ausbau:
   
   
   
   
Ihr seht, wie eigentlich öfter, Feuchtigkeitsschäden...
Das Gehäuse ist vergleichsweise gut erhalten, muss aber auch zu neuem Glanz erweckt werden.
Zunächst zur Technik:
Chassis, Lautsprecher, Netzteil wurden ausgebaut und mit Drahtbürste etc. weitestgehend vom Rost befreit und mit Silikonöl konserviert.
Vielleicht hat jemand mit Elektrolyse Erfahrung (wäre sehr interessiert an einer häuslich praktikablen Lösung).
Aus Unachtsamkeit brach die halbrunde Hartpapier-Drehko-Antriebsscheibe ab. Ich konstruierte eine neue aus einer Phenolharzplatte (im nachfolgenden Foto --> rechts, unten).
   
Das Netzteil erhielt sekundärseitig 2 neue 10nF gegen Brummmodulation, die hier besonders hoch ausfallen, da das Gerät mit einer "Lichtantenne" ausgestattet ist.
   
An dieser Stelle möchte ich auf den recht kontrovers geführten Thread verweisen, dabei Post #40 hervorheben, mit der kleinen Korrektur, dass die C's hier immer als Tiefpass geschaltet sind, andernfalls würde bei 50 Hz kaum Netzspannung den Trafo erreichen. Schließlich soll ja HF unterdrückt (sprich nach Masse abgeleitet) werden. Die anschaulichen Rechenbeispiele von Scotty unterstützen dies ja sehr gut (ich bin sicher, dass dies das Resultat des doch recht hitzig geführten Wortgefechtes ist - finde es aber auch wichtig, es anzusprechen). Abschließend zu diesem Thema noch der in Post #28 von Christoph bereits gesetzte Link: Abgestimmtes Brummen
als ultimative Empfehlung. Dieser Beitrag von Prof. Rudolph erfasst neben der ganzheitlichen Erklärung auch gegenwärtige Aspekte bzgl. der Infrastruktur des Lichtnetzes und die daraus resultierende Maßnahmen.
(Ich hoffe die Admins verzeihen mir mein wildes hin und her springen zwischen den Threads oder geben einen Verbesserungshinweis.)

Also weiter...

Der Lautsprecher:
Die Schwingspule glitt nicht einwandfrei im Ringspalt, so dass bei Anregung das typische Kratzen zu hören war. Da bei diesem Typ der Dorn des E-Magneten nicht verschraubt, sondern von hinten verpresst wurde, konnte eine Neujustierung nur von innen erfolgen. Dazu sind 4 Schrauben zu lösen und die gesamte Erregerspule nebst Glocke und Dorn ließ sich bewegen. Da die Schrauben einmal gelockert waren, hab ich den gesamten Erregerblock vom LS-Chassis getrennt, um den Dorn von Ansatzkorrosion zu befreien. Dabei machte ich eine interessante Entdeckung:
   
Auf dem Foto sind man eine weitere Spule (links, mittig), die als letzte auf dem Dorn angebracht ist und damit (nach Zusammenbau) um die Schwingspule angeordnet ist. Diese sogenannte Kompensationsspule wird in Reihe zur Schwingspule geschaltet. Wenn die Polung richtig ist und somit die Phasenlage 180° gegenüber der Erregerspule versetzt ist, kann der 50 Hz oder 100 Hz Restbrumm, der in der Erregerspule nach dem Ladeelko vorliegt und natürlich auch die Schwing-(Tauch-)spule durchsetzt, kompensiert werden. In vielen guten e-dyn. LS wird diese Spule verwendet. Ich war nur erstaunt, dass diese Technik bereits in den 30er Jahren bekannt war. Hier noch eine Explosionsskizze:

.jpg   Kompensationsspule.jpg (Größe: 46,3 KB / Downloads: 196)

Die Schaltung:
   
  • typischer Superhet mit 6 Kreisen (AM)
  • Alle Kondensatoren bis auf 3 Keramikröhren gewechselt
  • Abgleich von ZF, fe, fo in üblicher Weise, ohne Besonderheiten
  • Ladeelko auf 33uF/450V erhöht (gemäß Datenblatt der AZ11 sind 60uF zulässig, bevor ein unzulässig hoher Ladestrom die AZ11 gefährden könnte)
  • Siebelko (Tiefpass mit Erregerspule, Siebwiderstand oder Drossel) wurde auf 47uF/400V erhöht.
Beide letztere Maßnahmen sind bewusst ausgeführt und nicht aus Ermangelung eines gleichwertigen Ersatzes geschehen -->
Konsequenz: Der Restbrumm verringert sich auf ein kaum hörbares Maß. Audioübertragung über dem TA-Eingang wird Dank des hervorragend dimensionierten e.-dyn. LS und des gut abgestimmten Gehäuses nun zum echten Klangerlebnis. Weiterhin wurde der Anodenkondensator der EL11 von 16nF auf 5nF reduziert, so dass auch Frequenzen von über 5 kHz gut übertragen werden (f=1/(2pi*R(=7k)*C(=5nF))), ohne Schwingneigung zu erzeugen.
Gerade klassische Musik hört sich nun sehr authentisch an.

Ein UFO?

.jpg   kathoden_r.jpg (Größe: 47,26 KB / Downloads: 196)
Nein, es ist ein biegsamer Widerstand 150 OHM/1 Watt als Kathoden-R zur automatischen Gitterspannungserzeugung der EL11 (noch nie vorher gesehen).

Gehäuse:
Ich verwende ausschließlich Aceton, Glitzi-Haushaltsschwämme und faserfreies Handtrocknungstuch auf 50 m-Rollen für Toiletten.
Gehäuse wird seitenweise vom Lack befreit. Dazu gehe ich folgendermaßen vor:
Großzügig Aceton auf die Oberfläche gießen, kurz einwirken lassen und sofort mit der rauhen Seite des Schwammes den gelösten Lack abwischen. Anschließend nochmal großzügig gießen und abschließend mit dem Tuch alle Reste abwischen. Je nach Lack und Beschichtung ggf. wiederholen.
Durchschnittlicher Verbrauch an Materialien pro Gehäuse:
500 ml Aceton, 10 Glitzischwämme, 3 m Tuch. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt im schnellen Ergebnis, im Schonen des Furniers und im restlosen Entfernen des Lackes bis in kleinste Ecken.
Nach ca. 3-5 h ist das Gehäuse für's Neulackieren vorbereitet.
Hier habe ich bislang wenig experimentiert. Gute Ergebnisse erziele ich mit "Repo"-Sprühdosenlack, während wasserlöslicher "blauer Engel"-Acryllack eher schlechte Resultate brachte, da das Furnier nicht so kontrastreich hervortrat und sich im Gegenlicht Pinselspuren zeigten.

Vielen Dank für eure Geduld (meinem Narzissmus ist hiermit genüge getan)!
Abschließend Fotos des fertig gestellten Gerätes:
   
   
   
   
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#2
Detailliert dargestellter, schöner Bericht! Auch als Adminsicht, sind die ergänzenden Hinweise und Verlinkungen zu anderen Berichten absolut in Ordnung und stellen Verbindungen zu speziellen Themen her. Prima!

Bei der Verwendung von Aceton als Abbeizmittel: Müssen dann die Flächen hinterher auch neutralisiert werden (wie bei Verwendung von handelsüblichen Abbeizmitteln)?
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#3
Hallo Anton,

bei Aceton hat man eher das Problem des Verflüchtigens bevor die Lösung einwirkt (oft wird daher auch zu getränkten Tüchern unter Folie geraten).
Aceton wirkt allerdings sehr schnell ein (ca. 1 Minute), so dass man sich nur beim Abwischen des gelösten Lackes beeilen muss. Ein Neutralisieren ist aufgrund des Flüchtigkeitsverhaltens nicht nötig. Bevor ich neu lackiere, wische ich lediglich das Gehäuse nochmals mit einer sehr dünnen Seifenlauge ab. Ein gut geschriebener Beitrag hier...

Liebe Grüße
Stephan

Mod: Link korrigiert.
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#4
Ein wirklich interessanter Bericht. Zu den oft unnütz betrachteten Kondensatoren möchte ich aktuell zu der Wiederherstellung meines Blaupunkt berichten, das dort ohne diese Kondensatoren ein Dauerbrummton zu hören ist. Provisorisch eingebaute Kondensatoren brachten Besserung.
Bei mir lungern auch noch einige Mende und hoffen auf eine baldige Wiederbelebung, auf die von Dir beschriebenen biegsamen bzw. Kordelwiderstände werde ich mal achten. Bei Blaupunkt sind die nicht bedruckt und meist in der Ummantelung versteckt. Man kann nur an Hand des Schaltplan nachvollziehen, wo die sitzen.
Auch die Hinweise zu anderen Berichten finde ich gelungen, da diese leider zu oft in Vergessenheit geraten und manch einer mühselig diese Informationen suchen muß.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#5
Sehr schön, der Bericht hat mir sehr gut gefallen.
Kurz, knackig auf den Punkt. Smiley32

Sehr schön geworden, das Gerät !

Der "Repo" Sprühlack sagt mir nix: kannst Du mich sachkundig machen?

Gruß
k.
_____________

Gruß
klaus


Was ich geschrieben habe, darf widerlegt werden.
Was ich nicht geschrieben habe, braucht nicht widerlegt zu werden.


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#6
Hallo,

Ein super Bericht! Das mit der Kompensationsspule kannte ich bisher noch nicht so lernt man immer noch was dazu. Das Gehäuse hat mich jedoch am meisten beeindruckt das sieht ja wie neu aus dem Laden aus! Respekt. ich hätte nicht gedacht, dass Aceton zum abbeizen verwendet werden kann auch der Hinweis mit dem Sprühlack ist interessant, hier wäre ich auch dankbar für eine genauere Bezeichnung und Bezugsquelle. Ich habe hier noch das eine oder andere Radio mit Gehäusen die -na ja nicht sehr ansehnlich sind- da würde ich deine Methode mal ausprobieren.

Danke für den ausführlichen Bericht.

Semir
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#7
Der "Repo-Lack" ist nur so 'n Alltagswort ähnlich "Aldi-Computer".
Tatsächlich wird er im Restpostenmarkt angeboten und ist nichts besonderes, denke ich. Er wird von Meffert AG (Bad Kreuznach) hergestellt --> Foto:

.jpg   repo_spray.jpg (Größe: 36,33 KB / Downloads: 120)
Ich bin mit der Verarbeitung und dem Glanz allerdings sehr zufrieden. Natürlich habe ich keine Langzeiterfahrungswerte bzgl. der Güte. Aber hier gibt's bestimmt Profis in Sachen Lackierung, die auf Grund ihrer Routine ganz andere Methoden empfehlen würden (Schellack wird z.B. öfters erwähnt).

Wichtiger allerdings erscheint mir, um ein gutes Resultat zu erzielen, die Gehäusevorbereitung. Egal womit - das Gehäuse muss restlos vom Altlack befreit sein. Furnierschäden sind zu beseitigen (Altfurnier aus "Schrottradios" ausschneiden, anpassen, einsetzen; Stoßstellen feinkörnig schleifen; Maserung und Holztönung mit Acrylfarbe (Farbkasten) angleichen (ggf. mit etwas "Spucke" oder Wasser direkt beim Auftragen übergangslos in die Originalmaserung hineinwischen). Öfter kritisch betrachten, ggf. nachbessern, dann erst lackieren. Dies ist zumindest meine Vorgehensweise.

Ich danke für das Interesse!

Viele Grüße
Stephan
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#8
Da passt das hier gut dazu: >>>KLICK<<<
Viele Grüße 
Philipp
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