TIVOLI AUDIO Music System

[radioljub01]

Hallo Kollegen,

hier kommt mal ganz etwas anderes, als man sonst so im Forum liest.

Neulich kam ein Bekannter zu mir und fragte, ob ich nicht zufällig einen TIVOLI geschenkt haben möchte - das sind die hübschen Radios im Holzgehäuse - Retrolook.

Gierig wie ich nun mal bin, habe ich natürlich gleich JA gesagt. Dann kan er aber mit den Hintergründen heraus: Er hat das Radio 2006 gekauft, aber noch innerhalb der Garantiezeit liess es sich irgendwann nicht mehr einschalten. Er ging damit zum Händler und der eröffnete ihm, dass die geräte in Deutschland nicht repariert sondern zum Hersteller TIVOLI in Cambridge Massachusetts zurückgeschickt werden. Mein Bekannter bekam ein Austauschgerät, das dann aber auch nicht lange funktonierte.... und dann hat's ihm gereicht und er hat das gute Stück eingelagert. Seit vielen Jahren stand es so in seinem Karton in einer Ecke, bis er auf die brilliante Idee kam, mir das Ding zu schenken.

Na das ist vieleicht eine Gurke!

Hier mal ein paar Daten:

Hersteller: TIVOLI AUDIO, Cambridge , Massachusetts (USA)
Typ: Rundfunkempfänger mit CD-Spieler
Modell: Music System, 1. Generation noch ohne Bluetooth Steuerung
Baujahr: ca. 2006
Fabr. Nr: R 090740056
Wellenbereiche: MW, UKW
Abstimmung: Digital
Besonderheiten: Zwei Frontlautsprecher mit schaltbarer Stereo- Basisbreitenvergrößerung, 1 Subwoofer im Gehäuseboden, der durch einen eigenen Leistungsverstärker-IC TDA7360 getrieben wird.
Gehäuse: Holz - helles Nussbaumfurnier
Abmessungen: 35,9 x 13,3 x 24,1 cm
Gewicht: 5,9 kg

Wie gesagt, das Gerät liess sich durch drücken des Knöpfchens "Power" nicht mehr einschalten. Was macht man als erstes? Man schaut mal, ob man den Schaltplan bekommt -> Fehlanzeige. Hat keiner. Im Internet kann man nachlesen, dass die Firma TIVOLI keine Serviceunterlagen herausgibt. Man kann auch nachlesen, dass sich auf den gedruckten Schaltungen häufig mysteriöse Korrosionsspuren finden - stimmt! In meinem Gerät auch.

Hier mal ein paar Bilder:

                   

Was fällt hier auf? Es gibt keine Typenbezeichnung. Auf der Rückwand steht zwar so einiges - aber kein Typ. Nur auf der Hauptplatine steht "Music System Amp 2006/08/28 V1.09"

Wie man sieht, ist die Verdrahtung zeitgemäß in SMD-Techik ausgeführt - mit vielen ICs. Auf dem letzten Bild sieht man in der Mitte oben die komischen weißlichen Korrosions(?)spuren. Also habe ich mal alle Leiterbahnen mit der Uhrmacherlupe beäugt, aber nichts Verdächtiges gefunden.

Dann habe ich die Hauptplatine von der Rückwand abgebaut und man sah schon etwas klarer: In der Stromversorgung werden 4 Regel-ICs verwendet: KA78R33, KA78R12, KA78R08 und 7805. Aha, die "KA"-Typen haben alle "DISABLE" - Eingänge, der 7805 nicht. Da kommt einem natürlich gleich der dumpfe Verdacht, dass die Disable Eingänge aktiv waren. Stimmt. Aber warum? Angenehmerweise hat der 7805 nur einen Eingang und einen Ausgang und siehe da: Am Eingang lag eine Spannung, am Ausgang lagen 0 Volt. Also mal schnell den 7805 ausgetauscht und schon funktionierte das Radio wieder.

Die Frage ist nur, wie lange?

Dieser Gedanke beunruhigt mich ein wenig, da ich das Gerät meiner Tochter zu Weihnachten schenken wollte. Hübsch ist es ja, und meine Tochter war beim Anblick ganz entzückt. Aber man will ja auch nichts verschenken, was als nächstes wieder.

Nun meine Frage: Hat einer von Euch so ein Gerät oder Reparaturerfahrungen mit demselben oder weiss jemand, auf welchem Wege man an das vom Hersteller TIVOLI so wohl gehütete Schaltbild kommt? Die Schaltung herauszeichnen zu wollen ist eine ziemlich hoffnunglose Angelegenheit, das es sich um eine Multilayerplatine handelt. Klar, so ungefähr kriegt man das schon aufgedröselt ... aber mit Schaltbild wäre es schon einfacher.

[Opa.Wolle †]

Hallo Harald,
mit dem Plan kann ich Dir leider nicht dienen.
Aber, nur weil der 7805 defekt war, sollte das Gerät übern Teich geschickt werden!
Wie lange hält es jetzt?
Kühl doch einfach den 7805, entweder er wurde zu warm oder er war eine schlechte Qualität.

[scotty †]

Harald,
das Schaltbild wird Dir auch nichts nützen und Du brauchst es eigentlich auch nicht mehr. Da Du schon mal den 7805 als Sündenbock erkannt hast, und das Radio funktioniert, würde ich das Ding erst mal längere Zeit laufen lassen und ab und zu kontrollieren, ob der 7805, der wahrscheinlich die Digitaltechnik versorgt und die Stand By- Versorgung sicherstellt, warm wird. Eigentlich hat dieser Festspannungsregler alle Schutzmaßnahmen, daß er durch Überstrom oder Übertemperatur nicht geschädigt werden kann.
Aber wie schon geschrieben wurde, gibt es auch öfter mal "schräge Vögel" aus Billigproduktion, die schon mal den Geist aufgeben. Z.B. schlechte Bondierungen am Chip.
Die weiße "Korrosion" dürfte keine solche sein, sondern deutet auf schlechte oder verbrauchte Schlußwäsche der Boards nach dem Löten hin. Wenn Du ganz sicher gehen willst, kannst Du die Platinen raubauen und noch mal mit Leiterplattenreinigerspray, Brennspiritus tut's aber auch (!), abwaschen.

[tcfkat]

Hallo Harald,

ein schönes Gerät!
Die weißen Spuren könnten infolge der RoHS-Umstellung sein, und sind keine Korrosionsspuren. Im kommerziellen Bereich werden die Boards nach dem Löten nicht mehr gereinigt. Außerdem wurde die gezeigte Seite nicht mit Reflow, sondern mit der Welle gelötet (erkennt man z.B. an den Lötbrücken zwischen den keramischen Kondensatoren und den Pins der Schalter, Bildmitte unten). Da sind solche Schlieren normal.

Regler: Was für ein Fabrikat war das denn? Wenn der nicht durch einen Designfehler den Hitzetod gestorben ist kann es durchaus auch ein Chargenproblem sein. Da hatte ich auch schon leidvolle Erfahrungen selbst mit so nahmhaften Marken wie Texas Instruments oder Micrel.
Selbst wenn der wieder den Geist aufgibt, Deine Tochter weiß ja an wen sie sich wenden kann...

Gruß,
Eric

[Franz Bernhard]

Irgendwann habe ich gelernt, dass der 7805 eine Schutzdiode braucht, die ihn vor Spannungen mit der falschen Polung schützt. Ist so eine Diode eingebaut? Wenn nicht, würde ich die irgendwie nachrüsten.

Es gibt auch kleinere Radios vom Tivoli, die auch gut aussehen, allerdings ist der UKW Empfang nicht stabil und läuft gerne weg. Das solltest Du kritisch prüfen, ob das bei diesem Modell auftritt.

[tcfkat]

   

Hallo Franz Bernhard,

so pauschal kann man das nicht sagen, das hängt immer vom Anwendungsfall ab. Ich habe mal die möglichen Szenarien oben skizziert.

D1/D2: Verpolschutzdioden, schützen den/die Regler bei falsch angelegten, also verpolten Spannungen. Ein Muss wenn das durch den Benutzer geschehen kann. Nicht nötig wenn die Regler fest verdrahtet an einem Gleichrichter o.ä. hängen.

D3/D4: Rückstromverhinderung. Wenn am Eingang die Spannung sehr plötzlich absinken kann, z.B. durch Kurzschluss, und am Ausgang viel Kapazität vorhanden ist (Abblockkondensatoren) verhindern diese Dioden Rückstrom über den Regler, der durch die Überschreitung der zulässigen Basis-Emitter-Sperrspannung des im Regler befindlichen bipolaren Längsregeltransistor entstehen kann. Wirklich kritisch erst bei höheren Spannung als 5V.

D5/D6: Bei dualen Versorgungen, also Systemen in denen sowohl eine positive wie eine negative Versorgung besteht, kann beim Einschalten oder Ausschalten durch asymmetrische Last auf den Versorgungsschienen ein Regler "übertreten", d.h. sein Ausgang geht dann über die Masse hinweg nach Minus (bei einem positiven Regler) oder nach Plus (bei einem negativen Regler). Die Regler mögen das gar nicht, im schlechtesten Fall starten sie dann nicht.

Viel wichtiger noch sind die lokalen Abblockkondensatoren C1...C4 direkt am Regler, die Schwingneigung unterdrücken. Und natürlich eine ausreichende Kühlung, fast immer ist diese unterdimensioniert (Stichwort Arrhenius-Gesetz).

Gruß,

Eric

[radioljub01]

Hallo Kollegen,

vielen Dank für Eure Anmerkungen. Den ursprünglichen 7805 habe ich schon in den Mülleimer entsorgt. Mal sehen, ob ich ihn noch finde. Dann kann ich sagen, wer der Hersteller war.

Bezüglich der Schutzdioden: ich habe mir mal das PCB im Umkreis der Regler angeschaut, aber nichts in der Richtung gefunden. Aber man muss auch sagen, dass die Leitungsverfolgung bei Multilayer wirklich eine üble Arbeit ist.

Die Kühlbleche, auf denen die Spannungsregler sitzen, sind wirklich winzig. Da hatte ich auch schon die Idee, größere Kühlbleche zu verwenden. Es fehlt bloß leider der Platz dafür. Ich mache mal noch Bilder von der Reglergruppe - enger gings wirklich nicht!

Andererseits muss man aber auch sagen, dass sich Überhitzung der Regler-ICs gewöhnlich durch Verfärbung der Leiterplatte um die Lötstellen bemerkbar macht. Das ist hier aber nicht der Fall. Ich habe die Kühlkörper auch nach mehrstündigem Probelauf mal berührt und fand, dass er sich nicht besonders erwärmt hatte. Das stützt die Vermutung, die Wolfram schon geäußert hatte: Eine Fabrikationsschwachstelle.

Franz Bernhard: Ich hatte auch schon von der mangelhaften Frequenzstabilität früherer TIVOLI Geräte gehört. Das waren aber noch solche mit analoger Drehkoabstimmeung. Bei meinem Gerät erfolgt die Abstimmung aber digital und wird vermutlich über eine PLL Schaltung festgehalten. Auch in stundenlangem Probelauf habe ich keine Frequenzdrift beobachten können.

Wolfram: Hast schon Recht. Der Schaltplan würde mir wahrscheinlich nicht viel nutzen ... aber der Besitz eines solchen beruhigt so ungemein!
Ich habe hier eine Flasche mit Reinst-Ethanol zu stehen, damit werde ich mal versuchen, ob sich die weißen Flecken abwaschen lassen und schauen, wie das Board darunter aussieht.

[Uli]

Ich finde hier nur wieder einen Vorteil der Röhrengeräte: DIESES Radio hier sieht von vorn ja ganz gefällig aus, der Eindruck hält aber nur, bis man hinten drauf oder gar rein schaut. Alte Röhrenradios sind rundum hübsch <3
Trotzdem - geschenkt hätte ich das sicher auch genommen, bloß die Frage, ob ich es auch hätte reparieren können...

[radioljub01]

Genau, Uli, von vorn sehen die Dinger ganz hübsch aus, von innen eher wie ein PC. Das Reparieren war in diesem Fall ja nicht so schlimm. Man guckt erstmal nach den Betriebsspannungen. Wenn eine fehlt, ist etwas faul. Das ist der Vorteil der Geräte mit den Spannungsregler-ICs. Da weiss man gleich wo man gucken muss.

Inzwischen habe ich mal noch ein paar Bilder geschossen und die komischen hellen Flecken behandelt.

Zuerst noch Bilder von der rückwärtigen Seite des Main Boards und von den Kühlschellen der Regler-ICs. Gewaltig groß sind sie ja nicht gerade, aber zu heiss werden sie nicht. Das sieht man auch auf dem letzten Bild, das die Lötpunkte der Regler-ICs zeigt. Rechts oben die Lötpunkte des 7805. Die Lötstellen sind zwar nicht ganz so schön wie die originalen, aber immerhin sieht man auf dem Bild ganz gut, dass die Leiterplatte um die Lötpunkte herum nicht verfärbt ist.

               

Nun noch einmal eine Großaufnahme der weissen Flecken vor und nach der Behandlung mit Ethanol:

       

Nach dem Abwischen mit einem Ethanol-getränken Tuch ist von den weißen Flecken nichts mehr zu sehen. Auch darunter keinerlei Spuren von Korrosion - bloß ein paar Fusseln. EIN GLÜCK!

[Peter-MV]

Hallo Harald

Du hast ganz Recht, das ist mal was anderes, als die meisten hier vorgestellten Objekte.

Respekt, Du hast trotz der kniffeligen Technik den Fehler recht schnell gefunden und beseitigt.
Auch wenn solch ein Gerät mittlerweile nicht mehr in mein "Beuteschema" paßt, so drück
ich Dir (und Deiner Tochter) die Daumen, daß das Radio durchhält, und Euch Freude macht

Beste Grüße aus MV, von Peter