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Blaupunkt 4W55
#1
Hallo Radiofreunde
Von einem Blaupunkt 4W55 möchte ich berichten. Ein Radio das ich auf einen Flohmarkt erworben habe. Eigentlich ein unspektakuläres Radio. Man geht ja davon aus, wenn man sich solche Objekte vor Ort ansieht, das ist besser, als wenn man so etwas über eine Verkaufsbörse bezieht, wo man nur ein Foto sieht. Außerdem haben Bakelit Gehäuse Paketversand nicht so gern. Nun frohen Mutes sofort gekauft, Preis war OK – dachte ich!!
Naja, das Gehäuse hatte oben eine reparierte Stelle. Ich muß damit leben und wenn man es etwas poliert, sieht es doch wieder schön aus. So kam es vorerst ins Regal und stand dort einige Jahre. So hätte man das Radio noch lange Zeit aufbewahren können, um es Original so zu erhalten. Wäre es denn auch noch im Original, würde ich dort behutsam herangehen.
Im Oktober nahm ich mir das Radio vor. Zunächst Fotos, dann erste Bestandsaufnahme. Natürlich wieder eine Skizze mit den Röhrenfassungen von unten, diese Skizze erleichert das vergleichen mit dem Schaltplan erheblich. Ferner werden bauliche Veränderungen auch notiert. Man ahnt ja nicht, was im laufe einer Reparatur auf einen zukommt. Und wenn man es ahnen würde, in dem Fall hier, hätte ich die Rückwand wieder angeschraubt und das Projekt abgehakt.
Aber man ist ja Ehrgeizig und möchte solche Zeitzeugen erhalten und ja, Funktionieren soll er auch wieder und gleich vorweg, er funktioniert wieder. Die letzten Dlf Sendungen habe ich noch gehört mit ihm. Nun ist er höchstens in den Abendstunden noch ab und zu auf Empfang.
Ein weiteres 4W55 in Holzausführung habe ich auch noch. Da gehe ich mal rann, wenn ich es gar nicht mehr aushalten sollte. Aber als Teilespender war es zu schade. Lediglich einige Teile borgte ich mir bei dem Chassis
Wie immer vorweg die Radiodaten

Hersteller:Blaupunkt Ideal
Modell:4W55 [Bakelit]
Baujahr:1935/1936
Röhrenbestückung: : ACH1 AH1 AB2 AC2 AL1 AZ1
Stromversorgung:Wechselstrom / 110; 125; 220; 240 Volt
Wellenbereiche:Lngwelle / Mittelwelle
Gehäuse: Bakelit
Besonderheiten:Pultskala . Automatische Umschaltung zwischen den beiden Wellen, wie bei etlichen anderen Blaupunktgeräten durch Exenterbetätigung eines Wellenschalters am Drehkondensator.
Anschlussmöglichkeiten Rückseite: 2. Lautsprecher Plattenspieler
Abmessungen:460 x 409 x 355 mm
Gewicht:13,6 Kg
Lautsprecher:Dynamischer LS, mit Erregerspule (elektrodynamisch)

   
Das ist er! Wahrscheinlich war ich der Einzigste auf dem Flohmarkt, der sich dafür interessierte. Eine Schönheit ist er ja nun nicht gerade. Schrammen, oben ein Beschädigung. Ach, der sah so häßlich aus, das er schon wieder schön war - Gekauft wie gesehen. Aber innen Auweh!!!!
Die Dinger verfolgen mich irgendwie, hat sich wohl rumgesprochen, das da jemand mit ner großen Sammelmacke Blaupunkt-Trümmer kauft.

   
Ziemlich komplett sieht es aus, aber die meisten Röhren sind Schrott, wie der Röhrentester anzeigte. So etwas sieht man ja nicht, wenn man so ein Radio kauft. Also kann man jetzt schon sagen, das da locker 100 Euronen nur an Röhren verbaut werden.

   
Aber reizvoll ist so ein Radio und Kindheitserinnerungen werden sehr lebhaft. Erinnerungen in der ich bei solchen Radios nicht zimperlich war, wie ich zu meiner Schande gestehen muß. Aber bei der Masse an Radios, die in den 60er jahren auf den Müll geworfen wurden, waren auch noch brauchbare dabei, die zum Basteln herhalten mußten.

   
Kabel gebrochen, Staub, Oxydierte Kontakte. Gerissene Bosch Kondensatoren Smiley26 da hatte ich mir ja ne schöne Beschäftigung ins Haus geholt.

   
Am Blechrahmen um den Netztrafo fehlt eine Schraube. Solche Dinge sollten eigentlich gleich stutzig machen. Aber man sieht ja über solche Dinge hinweg. Ist ja nur ne Schraube!

   
Staub ist hier ständiger Begleiter. Ich habe das draußen zunächst mit Pressluft gereinigt.

   
Auch im Drehkondensator ist er sehr üppig vertreten, da hat es überhaupt keinen Sinn, mit einem Staubsauger zu arbeiten.

   
Links der erste ZF Kreis, rechts der zweite.

   
Sämtliche Kondensatoren schon lange im mausetoten Zustand . Der Becherelko fehlt, dafür ist der liegende eingebaut. Warum allerdings nur ein Elko, wie dieser als Siebelko eingebaut wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Ersatz kommt hier als liegende Ausführung rein. Aber einen Becherelko werde ich auch einbauen, damit es von oben etwas authentischer aussieht. Einge Bauteile erkläre ich: Unten der runde Becher ist die Oszillatorkreisspule. In dem eckigen Teil ist die Fadingspule untergebracht. Die T-förmig angelegten Spulen sind die Vorkreisspule und die Saugkreisspule. Wer genau hinschaut erkennt dort so etwas zusammengerödeltes! Ich kannte das Ehrlich gesagt noch nicht. Es ist ein Drahtkondensator mit 3cm Kapazität. Keine Sorge, der ist völlig OK und da wird auch nichts daran verändert. Da ich noch ein weiteres Model habe, in der Ausführung mit Holzgehäuse, kann ich auch andere Bauteile vergleichen. Auch auf den Platinen sind z.B. Widerstände ersetzt. Hier wurde also versucht, den Empfänger zu reparieren. Ob diese Arbeit auch gelohnt hat, kann ich leider nicht feststellen.

Einige Fotos vom Holzmodell 4W55 möchte ich aber auch zeigen. Wie ich schon sagte, die Sammelmacke! Smiley26 Also, der Holzige sieht irgendwie noch schräger aus , als sein Kumpel im Baklelit. Nun aber genug gemosert! Wer so ein Modell auf den Prospekten seiner Zeit gesehen hat, denkt anders. Man stelle sich das Holz aufpoliert vor, ein von hinten beleuchtete Skalenscheibe, der Zeiger auf dem Hauptstadtsender eingestellt..
Ja, da gerate ich ins schwärmen

   
Sieht auch nicht besser aus, als sein Bakelit Kollege. Er kommt irgendwann auch auf den Tisch und sein Gehäuse wird aufgefrischt.

   
Auf den ersten Blick identisch, schaut man genauer hin...

   
Beim Bakelit sieht man unterhalb vom Blockkondensator diese Halterungen. Bei Holzausführung fehlen sie. Sie werden mir dienen als Halter für die liegenden Elkos. Diese roten Strippen mit den Messingenden sind Kordelwiderstände, die ihr Versagen ziemlich widerlich zeigen können. 4 Stück habe ich erneuert und mit 0,5 W Widerständen ersetzt.

   
Man freut sich über Details, wie hier den Spulenkern, der in Ordnung, oder den Widerstand mit der hübschen Isolierung. Ja, das ist Asbest! Man findet in solchen Radios öfter Asbest, so auch hier die Isolierplatte der Entstörkondensatoren am Netztrafo. Und auch die hübsch anzusehenden Kordelwiderstände haben Asbestanteil. Staub , Asbest, Ätzendes Elektrolyt, Strom und ab und zu Mäusefäkalien. Ja , ein ungesundes Hobby haben wir, meine Herren! Smiley53

   
Aber wir freuen uns ja meist über unsere Errungenschaften und die Details wie den Lautsprecher, der gekennzeichnet ist mit 4W55 hier schon abgebaut, nach der Demontage der Skalenhalterung mit Seil.

   
Und man findet weitere Dinge, die im Argen sind. Hier ist die Verstellschraube von der Rückkopplungsspule abgebrochen. Diese Rückkopplung wird nur mit einem Schalter betätigt, der im übrigen auch kaputt ist, da er zweckentfremdet wurde als Netzschalter, da der Original am Lautstärkeregler, auch defekt ist. Diese in der Anzahl immer mehr werdenden defekten Teile sind mehr als ärgerlich. Man sucht nach Gut-Teilen, aber da ist nicht viel!

   
Dieser ZF Becher stammt aus meinem Lager. Solche Teile kaufe ich des öfteren in der Bucht. Schön zu sehen, die Verstellschraube der Rückkopplungsspule.

   
Hier noch einmal zum Vergleich. Oben auf den Spulen meine speziellen Freunde, die Trimmer. Nein mulmig wurde mir nicht, denn im Ersatz habe ich die Trimmer geprüft. Angaben zu der Kapazität findet man in keiner der Unterlagen von Blaupunkt. Für alle, die hier Rätseln wie hoch diese ist: 350pF inetwa und dazu noch einstellbar! Warum man bei solch elegant gelöster Methode die Rückkopplung nicht auch so beeinflußt hat und statt dessen einen Schalter einbaut, der die beiden Gitter der AH1 rabiat verbindet, ist mir ein Rätsel, wie vieles, was hier von den Blaupunktmannen gebaut wurde.

   
Und nun wird es auch Zeit den Schaltplan zu zeigen, da kann sich jeder einen Reim daraus machen, wie das mit der Rückkopplung gelöst ist. Die Spule, die am 2 und 4 Gitter der AH1 angeschlossen ist. Dort ist der Schalter eingezeichnet, wenn der geschlossen wird, hört man einen sehr starken Brummton, das in ein unangenehmes Blubbern übergeht. Ob das so sein soll?

   
Das Chassis räume ich soweit ab, das man gut arbeiten kann. Denn ich muß mir etwas mit dem Netzschalter einfallen lassen.

   
Das filigrane Teil ist äußerst kompliziert aufgebaut. Da hängt nichts, da ist innen der Pertinaxhebel gebrochen, wie ich beim zerlegen feststellte.

   
Calit und Teer beide sind verdächtig. Die Calit sind äußerst sanft zu behandeln. Löten mögen sie nicht, ebenso sollte man da nicht daran rum biegen. Beim ablöten die Wärme gut abführen, für den Fall, das er wieder verwendet werden kann. Die Bohrung vorn ist für den Becherelko.

Für heute soll es genügen. Fortsetzung folgt
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#2
Sehr spannend zu lesen, Detlef.

Dieser Blaupunkt interessiert mich besonders, da ich einen 4W65 H seit Jahren im Regal stehen habe. Der sieht Deinem Holzmodell sehr ähnlich.
Leider hat mein Gerät eine Vielzahl von Zinkgussteilen, die allesamt bereits vor mehr als 20 Jahren schon zerbröselt waren.

Gruß
k.
_____________

Gruß
klaus


Was ich geschrieben habe, darf widerlegt werden.
Was ich nicht geschrieben habe, braucht nicht widerlegt zu werden.


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#3
Hallo Klaus
Den 4W65H habe ich auch noch ( Sammelmacke sage ich nur ) Auch mir ging das so. Zinkgußteile defekt, Fehlteile und ein zu sehr mißhandeltes Gehäuse. Da habe ich kurzerhand einen zweiten gekauft, so um knapp 30 EUR habe ich bezahlt incl. Versand. Da wollte niemand sein Glück versuchen. Anscheinend sind wir beide allein mit unseren 4W65H
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#4
Hallo Detlef,

ja, ich habe Dir schon mal gesagt, ich habe auch sehr viele Blaupunkt-Geräte aus dieser Zeit durch. Leider hatte ich auch immer mit Zinkfraß zu kämpfen. Schade. Die Geräte mit der automatischen MW-LW Umschaltung waren ja nicht so mein Ding. Aber den 4W55 in Bakelit hatte ich seinerzeit schnell wieder verkauft. Er gefiel mir vom Gehäuse nicht.

Die Rückkopplung in diesem Gerät ist ja nun wirklich urig. Aber das Gerät hat sowieso einige Kuriositäten. Ob man nicht vielleicht den Kondensator (10nf) etwas erhöht, um das Blubbern zu beseitigen. vielleicht so 0,1 µf. Erklären kann ich mir das gar nicht so recht.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#5
(12.01.2016, 11:34)Radionar schrieb: Hallo Klaus
Den 4W65H habe ich auch noch ( Sammelmacke sage ich nur ) Auch mir ging das so. Zinkgußteile defekt, Fehlteile und ein zu sehr mißhandeltes Gehäuse. Da habe ich kurzerhand einen zweiten gekauft, so um knapp 30 EUR habe ich bezahlt incl. Versand. Da wollte niemand sein Glück versuchen. Anscheinend sind wir beide allein mit unseren 4W65H


Hallo Detlef.

Na ich hoffe doch, dass noch einige weitere 4W65 überlebt haben und nicht nur Staubfänger sind. Ich besitze das Gerät, wenn ich richtig zurückrechne, sogar schon seit etwa 1979, aus Ersthand. Er müsste halt auch mal wieder komplett überarbeitet werden, das liegt schon lange zurück. Vielleicht werden ja mittlerweile sogar die Zahnräder nachgefertigt (?).

Mir gefallen diese etwas klotzig wirkenden Geräte der Mitdreißiger sogar recht gut. Keine Kathedralenform mehr, also bereits etwas sachlich-moderner, aber eben noch keine Breitform.
Der hier vorgestellte 4W55 scheint ja nicht zinkpestproblematisch zu sein; beim 4W65 sind's dagegen ja ungezählte Bauteile und damit verbundene Mechaniken, die leider gelitten haben; ich nenne nur den an für sich sehr schönen Drehmechanismus für den Skalenzeiger.

Was mich an Deinem hier gezeigten 4W55 erstaunt ist, dass (erneut) sehr viele Röhren schwachbrüstig sind. Ein bis zuletzt betriebenes DDR-Gerät?
Mit den A-Röhren habe ich bei meinen Geräten bislang sehr wenig Ausfälle über die Jahrzehnte gehabt.

Gruß
k.
_____________

Gruß
klaus


Was ich geschrieben habe, darf widerlegt werden.
Was ich nicht geschrieben habe, braucht nicht widerlegt zu werden.


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#6
Hallo Detlef!

Wieder mal ein sehr schönes Blaupunkt, was Du uns hier vorstellst.

Mir gefällt die klotzige Form auch sehr gut. Gerade in Bakelit sehr schön. Das Holzgehäuse sieht dagegen schon mächtig grobschlächtig aus...

Freue mich schon auf das Endergebnis.
Beste Grüsse

Thorsten


"Das Leben ist nichts weiter als das Proben für eine Vorstellung, die niemals stattfindet."

(Die fabelhafte Welt der Amelie)
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#7
Man Man, Detlef, was Mann/Frau sich so alles antut. Spannend wie immer zu lesen und sehr Interessant wie du die Fehler so beäugst. Naja, viel habe ich für diese Geräte ja nicht Übrig. Aber sehr gut wie diese defekten Teile immer wiederbelebt werden, das ist schon ein toller Lernfaktor für mich.
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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#8
Hallo Radiofreunde
Vielen Dank für das Interesse an dem Blaupunkt 4W55 Bericht

klausw hatte ja schon angesprochen und auf die Röhren hingewiesen, die an dem Radio defekt waren. Ich vermute, das der 4W55 bis zum letzten Moment spielen mußte. Woher das Radio stammt, hat mir der Verkäufer aus Norddeutschland nicht gesagt und ich habe auch nicht gefragt. Der ersetzte Elko ist von Frako, aber irgendwelche direkten Hinweise auf den Ursprung des Radios sagt das auch nicht aus. Manchmal erkennt man ein altes Radio aus der ehm. DDR an dem Netztstecker, aber das Netzkabel war abgetrennt. Oder es sind RFT/Frolyt Kondensatoren verbaut.

Nun aber wieder zu den Fotos
   
Der Wellenschalter, wird bedient durch den Exenter vom Drehkondensator, das ist der Halbmondförmige Ausschnitt im großen Seilrad von dem Drehko. Oben auf dem Drehko die Trimmer für den Oszillatorkreis und den Vorkreis. Im Schaltplan nachschauen lohnt schon hier um zu erkennen, welcher was ist, vorn ist Oszillatorkreis hinten der Vorkreis. Die Kontakte sind natürlich Oxydiert, hier genügt gründliche Reinigung mit Alkohol und Filzreinigern, einige kennen die Dinger auch, man hat mit ihnen früher in den Telefon Vermittelungsstellen, die Wählerschalter gereinigt.

   
So habe ich das mit dem Netzschalter gelöst. Ein kompakter kommt mit Schrauben befestigt an die Stelle. Was hier nach NIX aussieht hat 1,5 Std gedauert. Nieten vom alten Schalter ausbohren, die Bohrung erweitern, den neuen Schalter an den Nieten aufbohren und dann mit Schrauben am Originalhalter befestigen. Entschuldigt, aber die Bohrung ist etwas mißglückt, aber der Schalter paßt.

   
Der Block bekommt neuen Inhalt. Wenn alles so einfach wäre!!!

   
Da kommen die Elkos hin, unter einer Hülle versteckt fallen sie nicht so sehr auf.

   
Es geht voran. Das Chassis ist soweit gesäubert und wird komplettiert. Neues Netzkabel.

   
Der ersetzte Bandfilter und der nur als Statist dienende Becherelko.

   
Der Rückkopplungsschalter, ich leihe mir den aus dem Holzmodell. Was habe ich Bücher gewälzt, um diese eigenartige Methode zu verstehen. Ich habe es aufgegeben und vermeide jegliche Bedienung dieses Schalters.

   
Nein das ist keine Eigenkonstruktion mit Hilfe von Mutters Blumendraht, noch einmal ganz aus der Nähe, der Drahtkondensator, der eben wie zusammengerödelter Blumendraht aussieht.

   
Die Skalenhalterung kommt wieder an ihren Platz. Auch hier wird übertriebenes säubern vermieden.

   
Na, das sieht doch schon wieder schön aus.
Nun wird stur nach Schulbuch gearbeitet. Netztrafo im Leerlauf prüfen. Das war OK und nun die Röhren im Funke auf Funktion prüfen. Einen guten Satz habe ich zusammengestellt. Aber einige werden sich im Betrieb verabschieden. Ich habe soviel aufbewahrt, teilweise auch Grenzwertige Röhren. Die erste Probe war eine Entäuschung. Nur die NF funktionierte, ansonsten kein Mux aus dem Lautsprecher, aber ein enormer Brumm, der Regelbar war mit dem Poti.
Nun muß man wirklich stur nach der klassischen Fehlersuche arbeiten. Noch sind ja nicht alle Bauteile erneuert.

   
Unter dem Becher vom 2. ZF Bandfilter verbergen sich eine Menge an Fehlerquellen. Sieht eigentlich sehr sauber aus. Der Boschkondensator ist sogar noch gut, aber er hat ja auch dort unter dem Becher nichts auszuhalten.

   
Auf der anderen Seite des Bandfilters ist es etwas gedrängter. Eine Monette hat es hinter sich und wird durch einen Glimmerkondensator ersetzt. Auch hier sind zwei Bosch Kondensatoren, aber auch ein Calit, den ich schon abgelötet habe. Dieser ist auch nicht mehr mein Freund.

   
Das ist er, der Calit ist auch nicht OK und da gehe ich mit gemischten Gefühlen rann. Ein Keramik wird zunächst eingebaut. Und hätte ich doch jetzt schon einmal nach dem Kern gesehen. Aber so wie der aussah, da habe ich keinen Verdacht geschöpft, das er mir noch einige Arbeit macht.

   
Sieht etwas wild aus, da der Widerstand, die beiden Keramik und der Siemens alle durch die Öse vom Keramik geführt und von unten verlötet sind. Irgendwie muß man alle Anschlüsse vorbereiten. Das kann man nur schnell löten und die Wärme gut abführen, sonst war alles umsonst. Natürlich hatte ich zunächst den Bandfilter in Verdacht, den ich ersetzt hatte und baute ihn probeweise wieder ein. Aber die weitere Fehlersuche mache ich nach der Blaupunkt Anleitung, das ist von Vorteil, da der Hersteller wohl bereits an die Schwachpunkte dieser Konstruktion gedacht hatte. Letztendlich waren noch etliche Kondensatoren zu ersetzen. Dann kam sehr schwach und verzerrt etwas Empfang aus dem Lautsprecher.

   
Natürlich hatte ich sofort wieder diese Glimmer-Trimmer im Verdacht. Aber die Werte hatte ich vorher geprüft. Nur stimmt die Einstellung? Verursacher waren einige Bauteile, die alle irgendwie die Gitter der ACH1 und der AH1 beeinflußten. Diverse Kondensatoren und auch die Kordel-Widerlinge wurden ersetzt. Mit jedem erneuerten Bauteil wurde es besser, aber bei weiten war noch nicht alles abgearbeitet.

   
Der Abgleich soll durchgeführt werden. Aber vorher teste ich noch andere Bauteile und werde wieder fündig beim Lautstärkeregler. Also noch einmal die Prozedur mit dem Netzschalter! Alles wieder abbauen! Was man nicht alles für so ein Radio auf sich nimmt. Man stellt sich dann bei so vielen defekten Bauteilen wirklich die Frage „ Lohnt das noch, dieser Aufwand“ und die letzten Tage des Mittelwellen Empfangs in deutscher Sprache sind auch angetreten. Schon dieser Gedanke ist frustrierend. Der Entschluß für einen Heimsender reift langsam in mir. Ich bin erleichtert, als bereits bei den ersten Stellversuchen die Leistung erheblich steigt. Auch der Brumm wird etwas geringer. Nur was ist das am 2.ZF Bandfilter? Der Kern hatte schon eine leichte Beschädigung und scheint nun wie verkeilt zu sein. Letztendlich baue ich die ZF Spule aus und versuche den Kern da raus zu fummeln. Er steckt fest und ich probiere eine andere Spule, die in der Dimension in etwa hinkommt. Schlagt mich ruhig, ich habe eine Fadingspule genommen, die sieht so ähnlich aus und auch der Spulendurchmesser paßt. Geht nicht gibt es nicht, treffender kann man das hier nicht aussprechen. Aber natürlich läßt man so ein Provisorium nicht eingebaut und repariert die Original Spule.

   
Da wird so lange gefummelt, bis dieser elendige Kern raus ist. Was war die Ursache? Nun, ich habe das so gedeutet, das jemand den Kern entfernt hat und dann die Drahtschlaufe, die ja das Gewinde führt verdreht hat, oder den Kern falsch angesetzt hat. So verklemmte der Kern nach wenigen Drehungen. Mein Blick fiel auf das andere Chassis, aber dort war der Kern am Schlitz zerbrochen. Es hätte ja sein können, das ich nur die kompletten Spulen umbaue! Sehr weit darf man die Kerne ohnehin nicht eindrehen. Zum einen haben die Kerne, die in den anderen Spulen ja ähnlich sind, keinen Einfluß mehr, zum anderen rutschen sie schnell in den Spulenkörper. Dann muß man die Spule ausbauen und umdrehen, damit der Kern wieder raus fällt. Ist mir natürlich auch passiert, man dreht ja um zu prüfen, das es leichtgängig ist.
Also noch einmal Abgleich mit Gefühl. Erst der zweite Filter, dann die Trimmer auf dem ersten. Mit Blick auf das Messgerät, das am Laustsprecher angeschlossen ist. Auf Max. Ausschlag wird abgestimmt. Nächster Schritt dann der Saugkreis. Autsch! Der Kern versaut, da habe ich bis jetzt noch nicht nach gesehen. Das passiert mir nur einmal, beim nächsten Empfänger kontrolliere ich das vorher. Hier blieb mir keine Wahl. Der Kern wurde soweit hineingedreht, bis er den Drahtring freigab. Mit etwas Wachs fixierte ich ihn am Ende des Spulenkörpers, weit weg von der Saugkreisspule und drehte einen anderen Kern ein. Der Saugkreis lies sich nun auch einstellen. Sehr viel verstellt man hier nicht, eher eine 1/8 Umdrehung. Hier wird auf Min. Ausschlag des Messgeräts eingestellt.

Der 4W55 war das Radio, mit dem ich noch den Dlf gehört habe. Am 3.1. versuche ich noch einige Feinarbeiten am Abgleich und stelle das Radio zufrieden ab. Am nächsten Tag ist Stille, als ich zum Probelauf einschalte. Die ACH1 hatte sich über Nacht verabschiedet. Es war nicht die einzigste Röhre, die AH1 hatte auch schon gemuckt und für Störungen gesorgt. Die Röhrenbestückung im Radio vor der Arbeit, war ohne hin schon bis auf die Gleichrichterröhre Schrott. Die Röhren, die mit Störungen auf sich aufmerksam machten bewahre ich auf. Wer kann schon sagen, ob sie in einem anderen Radio nicht anstandslos funktionieren.
Also bleibt es so, wie es momentan funktioniert.

   
So langsam wird es Zeit, das daß Chassis wieder in das geputzte Gehäuse kommt. Wie man auf dem nächsten Foto sieht, brauche ich ab und zu etwas Modernes auf dem Werktisch.

   
Hübsch sieht er ja nun doch aus, der Blaupunkt 4W55 und wäre nebenbei nicht noch der Saba Freudenstadt gewesen, nur an dem Blaupunkt, das hätte ich nicht durchgestanden.

   
So schaut es nun aus. Nichts übertrieben geputzt, ich hoffe, das nun keinerlei Ausfälle mehr kommen. Nur der Brumm im Hintergrund ist hartnäckig. Und den Rückkopplungsschalter - besser nicht schalten!

   
Schlichte Skala und schönes Bakelit und Fingerabdrücke! Noch frisch ist die Politur, aber ist es ja noch nicht fertig.

   
Erhebliche Ausbeute an Teilen. Unglaublich, das diese Dinge alle aus dem Radio stammen.

   
Langsam hat er mich gewonnen, mit seinem etwas Hausbackenen Charme. Aus der Baureihe mit dem Schrägpult Skalen habe ich noch einige Modelle. Und neben dem Freudenstadt steht schon der nächste Kandidat, ein 6GW78, ein Allströmer , auf den ich mich schon freue, da er schon viel zu lange im Regal steht.

Vielen Dank an Jupp (Saarfranzose) der mich mit den umfangreichen Schaltungsunterlagen für den 4W55 versorgt hat.
Und natürlich den Lesern hier im RBF, die geduldig wieder meinen Bericht verfolgt haben.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#9
(12.01.2016, 23:52)Radionar schrieb: Vielen Dank an Jupp (Saarfranzose) der mich mit den umfangreichen Schaltungsunterlagen für den 4W55 versorgt hat. Und natürlich den Lesern hier im RBF, die geduldig wieder meinen Bericht verfolgt haben.

Der Dank gebührt natürlich Dir selbst für diesen schönen Bericht! Dazu muss man als Leser keine Geduld aufbringen, man kann sich einfach von Dir in eine vergangene Zeit entführen lassen und das Ganze dann auch noch mit wirklich sehr! guten und ausdruckstarken Bildern zum Gerät und dessen Innenleben. Ich finde Deine Art die Bericht zu verfassen sehr unterhaltsam und keinesfalls mühsam zu Lesen. Vielen Dank für diesen informativen und unterhaltsamen Einblick in die Welt von Blaupunkt.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#10
Detelf, dein Engagement, deine Mitteilungsbereitschaft und deine Mühe an den Kisten würdige ich auf meine eigene Art .. im Lauf der Woche siehst du was ich damit meine
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#11
Also Detlef,

da muss ich mich meinen Vorrednern anschließen. In Sachen BLAUPUNKT macht Dir keiner was vor. Hut ab! "Chapeau", wie die Franzosen sagen!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#12
Ja auch ich kann mich allen nur anschließen.....großes Kino deine Berichte. Und zwischendurch noch meine Keramikdinger suchen, vielen Dank Detlef
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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