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Blaupunkt Ostia mit Überraschungen
#1
45 Jahre hatte er treu seine Herrschaft unterhalten. Nun mußte er einem digitalen Chinesen weichen, der angeblich die Zukunft sei.
Und so wartete er traurig am Straßenrand mit einem ausgedienten Elektroherd auf seinen Abtransport zum Elektroschrott. Im Märchen
kommt nun die gute Fee und nimmt ihn mit in das Radiowunderland. In der Realität war das anders. Da kam ein Radiobastler mit seinem
Popel, hielt kurz an und fuhr dann mit einem 3 kg schwereren Auto weiter. Zuhause angekommen wurde es erkennungsdienstlich behandelt,
also fotografiert und identifiziert.

   

Hersteller/Anbieter: Blaupunkt (Ideal)
Typ: Niedriges Tischgerät
Modell: Ostia 7.629.230
Baujahr: 1969 - 1972
Lautsprecher/Leistung: permdyn, 3 W
Transistorbestückung: 11 Germaniumtransistoren
Stromversorgung: 230 V AC
Wellenbereiche: L, M, K, U;  
Kreise: 7 AM, 11 FM;  ZF 460/10700 kHz
Bedienelemente: Drehknöpfe für Lautstärke, Tonhöhe und Abstimmung, Tasten für Wellenbereiche
Anzeige: Skale beleuchtet
Gehäuse: Thermoplast, Holzdekor
Gehäuseabmessungen: 510 x 120 x 168 mm
Gewicht: 3,0 kg

Eine erste Inspektion ergab folgende Mängel:

- Gehäuseoberseite und Seite fleckig
- Drehko schwergängig
- Innen 45 Jahre Staub, kein Fett
- Halter der Ferritantenne abgebrochen, einige Drähte abgerissen
- Flächenantenne im Gehäuse abgerissen
- Skalenhintergrund abgerissen
- Beide Skalenlampen sind schwarz

Nun möchte man natürlich auch wissen, ob noch Leben vorhanden ist. Also kommt er an den neuen RegelTrennTrafo, Amperemeter dazwischen
und siehe da, er kommt und er lebt.

Zuerst kommt die Technik dran. Nach Abzug der drei Knöpfe lässt sich das Chassis nach Entfernung der üblichen vier Bodenschrauben herausnehmen.
Dabei ist Vorsicht geboten, weil der abgebrochene Halter und der Ferritstab nur an den sehr dünnen Spulendrähtchen hängen. Mit Kabelbinder wird
erst einmal der Ferritstab fixiert, daß die Entstaubungs- und Putzorgie beginnen kann.

         

Die beiden Skalenlampen sind kaputt, glücklicher Weise sind noch 2 Stück (7 V, 0,1 A) im Vorrat. Der Ferrithalter ist ein Gußteil aus Acryl und damit
gut zu kleben/verschweissen. Als Klebstoff kommt wieder Ruderer L530 zur Anwendung und eine Schiene aus gleichem Material verstärkt die Klebestelle.

   

Der Skalenhintergrund wird nach Säuberung wieder einseitig eingehängt und auf der anderen Seite elastisch verspannt. Die Flächenantenne wird
mit Haushalts-Al-Folie geflickt und der schwergängige Drehko bekommt eine Lockerungskur für die Achse mit Benzin und Uhrenöl. Stecker in die
Steckdose, einschalten, läuft. Jetzt geht es ans Gehäuse. Wenn ich dabei gewußt hätte, was mich hier erwartet, hätte ich erst zwei Tage gewartet.

Bevor ich Kunststoffreiniger verwende, probiere ich an unauffälliger Stelle die Verträglichkeit auf dem Material. So auch hier. ein ausgiebiger Test
auf der Gehäuseunterseite zeigte keine Unverträglichkeit. Als ich dann die Oberseite in Angriff nahm, fiel mir fast die Brille von der Nase. Kaum kam der
Reiniger mit der Oberfläche in Berührung, löste sich sofort großflächig die Holzdekorbeschichtung. Der Reiniger wirkte schneller als ein Abbeizmittel auf Lack.

         

Oben ist die zerstörte Oberseite zu sehen. Darunter die Unterseite nach ausgiebiger Behandlung mit Reiniger.

Ich kann mir das nur so erklären, daß durch lange Lichteinwirkung die Beschichtung der Oberseite chemisch verändert und instabil wurde, während
dessen die Unterseite keine direkte Lichteinwirkung hatte und stabil blieb. Es blieb jetzt nur eine neue Beschichtung mit einer Holzdekorfolie. Das
Ergebnis ist unten zu sehen. Ich denke, das kann man so lassen. Er ist nun gemeinsam mit einem Nordmende Tannhäuser mein Dauerunterhalter.

         

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#2
dessen die Unterseite keine direkte Lichteinwirkung hatte und stabil blieb. Es blieb jetzt nur eine neue Beschichtung
Das
Ergebnis ist unten zu sehen. Ich denke, das kann man so lassen. Er ist nun gemeinsam mit einem Nordmende Tannhäuser mein Dauerunterhalter.

  

..... das kann man in der Tat so lassen!! Sieht gut aus.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
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#3
.  .  .  ein echt schickes Teil wieder geworden - ich mag die "nordische Linie" sowieso sehr gern - auf die nächsten 45 Jahre !
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#4
Danke für eure Würdigung. Auch ich bin ein Freund der nordischen Linie. Mein Tannhäuser
hat die gleichen Maße, sieht ähnlich aus und die beiden passen perfekt zueinander.

Die Folie aufziehen war übrigens (für mich) eine Sauarbeit. Entweder war ein Krümel drunter
oder ein Bläschen war zu sehen. Es ging eine ganze Rolle Folie drauf, bis ich zufrieden war
und es war gut, daß niemand bei dieser Arbeit dabei war. Nun endlich ist die Oberfläche glatt
wie ein Kinderpopo. Das beste Werkzeug hierfür ist ein Rakel und peinliche Sauberkeit der
Arbeitsfläche ist ratsam.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#5
Schön restauriert! Sieht sehr gut aus. Und Germanium-Transistors und Dioden...
Gruß,
Ivan
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#6
Zu der Einwirkung von Licht auf die Fläche, kommt sicher noch natürlicher Abrieb durch Benutzung. Auf diesen Radios wurden doch immer irgendwelche Nippesfiguren gestellt und das wöchentliche Staubwischen trug weiter Material ab. Da kam der Reiniger grade recht, um dem Rest den Garaus zu machen.

Aber was solls, die neue Folie steht dem Gerät gut zu Gesicht. Da kann man nicht meckern.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#7
Hallo Ivan, hallo Anton,

vielen Dank für Eure anerkennenden Worte.

Ja, die Folien sind schon toll gemacht, Da kann man sich
sogar das passende Stück "Furnier" aussuchen.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#8
Hallo Wilhelm,

das, was Du dem Radio angedeihen lassen hast, kommt dem geschilderten Märchen doch schon recht nahe. Thumbs_up

Solche Geräte haben es meiner Meinung nach auch verdient, vorm Schrott gerettet zu werden, die werden so langsam auch selten.


Grüße

Martin
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#9
danke Martin, genau so sehe ich das auch.

Gruß
Wilhelm

PS. Leider kommt die gute Fee oft zu spät...
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#10
Hallo Wilhelm, ist doch toll geworden! Smiley20

Ein Tip aber noch von mir, wenn auch zu spät. Wenn irgendwo eine Klebefolie aufgebracht werden muss, dann immer mit fettem Spüliwasser zuerst die zu klebende Oberfläche satt und nass einsprühen. Dann die Folie auflegen, zurecht rücken und dann von innen nach aussen mit dem Rakel das Wasser herausdrücken. So kann man Blasen vermeiden und noch vorhandener Staub wird auch mit herausgespült. Das geht um einiges besser, als trocken.
Viele Grüße 
Philipp
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#11
Das freut mich, dass Du diesem Gerät wieder eine neue "Chance" gibst.
Auch diese Sorte Radios gehört nun mal zu Runfunkgeschichte. Regalgeräte werden leider oft geschmäht und unterschätzt.
In unserer Schlosserwerkstatt darf ab und zu ein Saba Donau aus den frühen 80ern dudeln. Der Empfang ist wirklich gut, der Klang natürlich nicht mit einem Radio der 50er oder 60er Jahre zu vergleichen. Aber für die Werkstatt ist das Gerät genau richtig: robust, pflegeleicht und technisch mit wenig anfälligen Bauteilen bestückt.
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#12
Danke für eure Anerkennung

@ Philipp

danke für diesen Tipp, das kannte ich nun wirklich noch nicht,
hätte ich mich auch nicht getraut, Feuchtigkeit dazwischen zu
bringen. Das muß ich ausprobieren.

@ Daniel

ich mag diese Regalgeräte besonders. Sie sind für mich die Brücke
vom "Konzertsaal" ins "heimige Zimmer". Ich werde auch in Zukunft
keinen solchen Anhalter auf der Straße stehen lassen


Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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