01.02.2017, 16:48
Vor etwa zwei Jahren habe ich ihn von Jean aus Berlin bekommen. Bis dahin hatte ich keine Ahnung
von seiner Existenz, aber als ich ihn dann in einer Kiste vor mir stehen sah, ahnte ich, daß sich etwas
Großes zu meinen DDR-Reisegeräten gesellen würde. Jean hatte schon Andeutungen gemacht über
die Bedeutung dieses Radio-Recorders und heute kann ich bestätigen, der R160 konnte bei den westlichen
Reise/Koffergeräten nicht nur mithalten, er war in mancherlei Hinsicht fortschrittlicher und besser.
Natürlich war meiner nicht fabrikneu und auch nicht wohnzimmergepflegt, vermutlich hatte man ihn unsanft
entsorgt, nachdem ein "schicker Japaner" oder "Grundig aus Korea" mehr versprochen hatte. Das Press-
spangehäuse hatte teilweise Trümmerbruch, die Tapete (hier wäre es Furnier oder Folie) die Antenne war
geknickt, innen polterte es, keine Funktion. Aber er war sauber, kein Fett, kein Nikotin, also genau das,
was ich gerne auf der Werkbank habe.
Der Stern Radio-Recorder R160
Bild 1: Der Zustand vor der Instandsetzung
Die technischen Daten:
Hersteller: Stern Radio Berlin, RFT
Typ: Superhet, Reisegerät; ZF 455/10700 kHz
Kreise: 5 AM, 9 FM
Modell: Radio-Recorder R160
Baujahr: 1977 (hat bereits Siebdruck, aber noch Abstimminstrument, daher genau festlegbar)
Transistoren: 22 Transistoren
Stromversorgung: 220 V AC/ 6 x 1,5 V Batterien
Wellenbereiche: M, K, UKW
Bedienelemente: Tasten und Drehknöpfe
Leistung: 2 W
Gehäuse: Holz/Pressspan mit Folie beschichtet
Anschlussmöglichkeiten: Externe Antenne, Mikrofon, TA/TB, Zusatzlautsprecher
Antennen: Ferrit, Teleskop
Abmessungen: 380 x 260 x 105 mm
Gewicht: 5 kg netto
Lautsprecher: perm.dyn., oval
Neupreis: 880 DM (ost)
Die Schadensaufnahme
Daß die Teleskopantenne geknickt ist, kann man auf dem ersten Bild gut erkennen. Leider ist der Knick so ausgeprägt, daß ein
richten nicht mehr möglich erscheint. Nach längerer Suche konnte ich über ebay eine Originalantenne zum späteren Einbau kaufen.
Das Gehäuse besteht aus verleimten/verschraubten Pressspan-/Sperrholzteilen, die mit Folie in Holzstruktur beschichtet sind, leider
ein Muster, das nicht mehr erhältlich ist. Teilweise ist die Folie abgegangen und muß - soweit noch vorhanden - neu auftapeziert
werden. Damit jedoch nicht genug, der Gehäuseboden hat im Bereich der Batterieaufnahme größere Splitterbrüche. Da die
Folie nicht verfügbar ist, mußten hier die Bruchstellen repariert werden.
Bild 2: Die Bruchstellen am Gehäuseboden
Im Bereich des Netzteiles ist der Sicherungshalter einseitig abgebrochen und hat auch keinen Kontakt mehr zur Kupferseite der
Platine.
Bild 3: Die Netzteilplatine mit defektem Sicherungshalter
Die restlichen, kleinen Baustellen sollen hier ebenso wenig wie die unumgängliche Reinigung besprochen werden. Eine Funktionsprobe
am Labornetzgerät stimmte zuversichtlich. Das Radio spielt auf allen Wellenbereichen sauber und laut, das Kassettenlaufwerk zeigt auch
keine Fehlfunktionen.
Eine Übersicht
Nachdem die Rückwand abgenommen ist, hat man die Kupferseite der Hauptplatine direkt vor sich, ein typisches Layout der 70/80er Jahre.
Links daneben der Drehko, darunter das Netzteil. Alle sehr übersichtlich und zugänglich aufgebaut. Der rote Pfeil deutet auf die linke Aufhängung
der Hauptplatine, eine Art Scharnier. Nach Entfernung der rechten Befestigung kann man die Hauptplatine wie eine Tür aufschlagen, oder auch
aushängen. Eine sehr gute Konstruktion!
Bild 4: Ansicht bei angenommener Rückwand
Klappt man die Hauptplatine auf, hat man in übersichtlicher Weise die Bauelemente im Zugriff und zur Frontseite hin die restlichen Einbauten.
Bild 5: Ansicht bei herausgeklappter Hauptplatine
Bild 6: Der Lautsprecher vom VEB Elektroakustik Leipzig, rechts das Kassettenlaufwerk mit Steuerplatine
Die Reparatur
Die Bruchstellen am Gehäuseboden werden noch etwas aufgespreizt, dann wird mit einer Spritze mit 0,6 mm-Nadel dünner Holzleim
in die Bruchstellen injiziert, danach geschient und hart verspannt.
Bild 7: Geschiente und verleimte Bruchstelle
Da der Leim etwas verdünnt werden mußte, wurden die Schienen erst nach 12 Stunden entfernt. Die Verleimungsstelle ist nun vermutlich
stabiler, als das Holz daneben. Später wird nötigenfalls die Oberfläche noch mit etwas Hartwachs verbessert.
Bild 8: Die Klebestellen ohne Finish
Zur Reparatur des Sicherungshalters wird zuerst der verbliebene Rest mit der anderen Seite der Platine kontaktsicher gemacht. Dann wird
eine identische Klemmfeder angepasst und darauf gelötet.
Bild 9: Der gelötete Sicherungshalter
Die teuer eingekaufte Originalantenne wird unter einigen Mühen eingebaut und angeschlossen. Offenbar hat Stern Radio irgendwann Antennen
verwendet, die am Schaft 1 mm dicker waren. Solch Eine habe ich erwischt. Um sie einzubauen, mußte die obere Kunststoffhalterung um 1 mm
aufgerieben werden (gut, daß ich eine 10 mm Reibahle habe).
Bild 10: Die neue Antenne am alten Platz
Am Ende jeder Reparatur steht die abschließende Funktionsprüfung. Also ein Anschlußkabel einstöpseln und dann ans Netz. Aber die Kupplung
des Anschlußkabels passte nicht, ein zweites und ein drittes passten ebenfalls nicht. Dann fand ich heraus, daß man in der DDR "eigene"
Anschlußkabel verwendete, die zu vielen DDR-Geräten passten, die aber nicht den internationalen Maßen entsprachen. Also kaufte ich über
ebay ein Originalkabel zum stolzen Preis von 7,50 € und konnte dann verspätet die Funktionsprüfung durchführen.
Bild 11: Die Kupplungsseite der Anschlußkabel im Vergleich
Das Ergebnis
Bild 12: Der Stern Radio-Recorder R160 in Frontperspektive
Bild 13: Aus der Vogelperspektive, ganz rechts ist das Abstimminstrument zu erkennen
Bild 14: Mit geöffnetem Kassettenschacht
Vielen Dank für euer Interesse.
Gruß
Wilhelm
von seiner Existenz, aber als ich ihn dann in einer Kiste vor mir stehen sah, ahnte ich, daß sich etwas
Großes zu meinen DDR-Reisegeräten gesellen würde. Jean hatte schon Andeutungen gemacht über
die Bedeutung dieses Radio-Recorders und heute kann ich bestätigen, der R160 konnte bei den westlichen
Reise/Koffergeräten nicht nur mithalten, er war in mancherlei Hinsicht fortschrittlicher und besser.
Natürlich war meiner nicht fabrikneu und auch nicht wohnzimmergepflegt, vermutlich hatte man ihn unsanft
entsorgt, nachdem ein "schicker Japaner" oder "Grundig aus Korea" mehr versprochen hatte. Das Press-
spangehäuse hatte teilweise Trümmerbruch, die Tapete (hier wäre es Furnier oder Folie) die Antenne war
geknickt, innen polterte es, keine Funktion. Aber er war sauber, kein Fett, kein Nikotin, also genau das,
was ich gerne auf der Werkbank habe.
Der Stern Radio-Recorder R160
Bild 1: Der Zustand vor der Instandsetzung
Die technischen Daten:
Hersteller: Stern Radio Berlin, RFT
Typ: Superhet, Reisegerät; ZF 455/10700 kHz
Kreise: 5 AM, 9 FM
Modell: Radio-Recorder R160
Baujahr: 1977 (hat bereits Siebdruck, aber noch Abstimminstrument, daher genau festlegbar)
Transistoren: 22 Transistoren
Stromversorgung: 220 V AC/ 6 x 1,5 V Batterien
Wellenbereiche: M, K, UKW
Bedienelemente: Tasten und Drehknöpfe
Leistung: 2 W
Gehäuse: Holz/Pressspan mit Folie beschichtet
Anschlussmöglichkeiten: Externe Antenne, Mikrofon, TA/TB, Zusatzlautsprecher
Antennen: Ferrit, Teleskop
Abmessungen: 380 x 260 x 105 mm
Gewicht: 5 kg netto
Lautsprecher: perm.dyn., oval
Neupreis: 880 DM (ost)
Die Schadensaufnahme
Daß die Teleskopantenne geknickt ist, kann man auf dem ersten Bild gut erkennen. Leider ist der Knick so ausgeprägt, daß ein
richten nicht mehr möglich erscheint. Nach längerer Suche konnte ich über ebay eine Originalantenne zum späteren Einbau kaufen.
Das Gehäuse besteht aus verleimten/verschraubten Pressspan-/Sperrholzteilen, die mit Folie in Holzstruktur beschichtet sind, leider
ein Muster, das nicht mehr erhältlich ist. Teilweise ist die Folie abgegangen und muß - soweit noch vorhanden - neu auftapeziert
werden. Damit jedoch nicht genug, der Gehäuseboden hat im Bereich der Batterieaufnahme größere Splitterbrüche. Da die
Folie nicht verfügbar ist, mußten hier die Bruchstellen repariert werden.
Bild 2: Die Bruchstellen am Gehäuseboden
Im Bereich des Netzteiles ist der Sicherungshalter einseitig abgebrochen und hat auch keinen Kontakt mehr zur Kupferseite der
Platine.
Bild 3: Die Netzteilplatine mit defektem Sicherungshalter
Die restlichen, kleinen Baustellen sollen hier ebenso wenig wie die unumgängliche Reinigung besprochen werden. Eine Funktionsprobe
am Labornetzgerät stimmte zuversichtlich. Das Radio spielt auf allen Wellenbereichen sauber und laut, das Kassettenlaufwerk zeigt auch
keine Fehlfunktionen.
Eine Übersicht
Nachdem die Rückwand abgenommen ist, hat man die Kupferseite der Hauptplatine direkt vor sich, ein typisches Layout der 70/80er Jahre.
Links daneben der Drehko, darunter das Netzteil. Alle sehr übersichtlich und zugänglich aufgebaut. Der rote Pfeil deutet auf die linke Aufhängung
der Hauptplatine, eine Art Scharnier. Nach Entfernung der rechten Befestigung kann man die Hauptplatine wie eine Tür aufschlagen, oder auch
aushängen. Eine sehr gute Konstruktion!
Bild 4: Ansicht bei angenommener Rückwand
Klappt man die Hauptplatine auf, hat man in übersichtlicher Weise die Bauelemente im Zugriff und zur Frontseite hin die restlichen Einbauten.
Bild 5: Ansicht bei herausgeklappter Hauptplatine
Bild 6: Der Lautsprecher vom VEB Elektroakustik Leipzig, rechts das Kassettenlaufwerk mit Steuerplatine
Die Reparatur
Die Bruchstellen am Gehäuseboden werden noch etwas aufgespreizt, dann wird mit einer Spritze mit 0,6 mm-Nadel dünner Holzleim
in die Bruchstellen injiziert, danach geschient und hart verspannt.
Bild 7: Geschiente und verleimte Bruchstelle
Da der Leim etwas verdünnt werden mußte, wurden die Schienen erst nach 12 Stunden entfernt. Die Verleimungsstelle ist nun vermutlich
stabiler, als das Holz daneben. Später wird nötigenfalls die Oberfläche noch mit etwas Hartwachs verbessert.
Bild 8: Die Klebestellen ohne Finish
Zur Reparatur des Sicherungshalters wird zuerst der verbliebene Rest mit der anderen Seite der Platine kontaktsicher gemacht. Dann wird
eine identische Klemmfeder angepasst und darauf gelötet.
Bild 9: Der gelötete Sicherungshalter
Die teuer eingekaufte Originalantenne wird unter einigen Mühen eingebaut und angeschlossen. Offenbar hat Stern Radio irgendwann Antennen
verwendet, die am Schaft 1 mm dicker waren. Solch Eine habe ich erwischt. Um sie einzubauen, mußte die obere Kunststoffhalterung um 1 mm
aufgerieben werden (gut, daß ich eine 10 mm Reibahle habe).
Bild 10: Die neue Antenne am alten Platz
Am Ende jeder Reparatur steht die abschließende Funktionsprüfung. Also ein Anschlußkabel einstöpseln und dann ans Netz. Aber die Kupplung
des Anschlußkabels passte nicht, ein zweites und ein drittes passten ebenfalls nicht. Dann fand ich heraus, daß man in der DDR "eigene"
Anschlußkabel verwendete, die zu vielen DDR-Geräten passten, die aber nicht den internationalen Maßen entsprachen. Also kaufte ich über
ebay ein Originalkabel zum stolzen Preis von 7,50 € und konnte dann verspätet die Funktionsprüfung durchführen.
Bild 11: Die Kupplungsseite der Anschlußkabel im Vergleich
Das Ergebnis
Bild 12: Der Stern Radio-Recorder R160 in Frontperspektive
Bild 13: Aus der Vogelperspektive, ganz rechts ist das Abstimminstrument zu erkennen
Bild 14: Mit geöffnetem Kassettenschacht
Vielen Dank für euer Interesse.
Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht
von Fallersleben
so ist es gut, so ist es recht
von Fallersleben