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Ein bemerkenswertes Radio BUSH VTR103
#1
Exclamation 
Hallo Radiofreunde!
Ein Sammler-Freund aus meiner Region bat mich um Unterstützung bei der Reparatur eines BUSH VTR103.
Bei näherer Betrachtung fielen die Eigenarten dieses englischen Gerätes auf; ich entschloß, mich hier über diese und über die Reparatur zum berichten.

Hier einmal der Link zu der Seite bei RMO:
http://www.radiomuseum.org/r/bush_vtr103vtr_10.html

Die Vorgänger dieses Gerätes waren
 > 1957 der MB60 mit 5 Röhren für LW, MW
 > 1959 der TR82 mit 7 Ge-Trans. für LW, MW; hiervon gibt es Replikate ab 1997 und neuerdings sogar als DAB-Radio
alle im gleichen formschönen relativ voluminösen Gehäuse (343 x 273 x 95 mm !), in Großbritannien Kult, ein Muss für jeden Sammler.

Auf dem ersten Blick gab es am derzeitigen Zustand nicht viel zu beanstanden.
   
Bild 1 Vorderseite
   
Bild 2 Rückansicht
   
Bild 3 Innenansicht

Über Reparaturen wird in englischen Foren berichtet z.B. hier:
http://www.vintage-radio.com/recent-repa...tr103.html
Das Service-Sheet mit Schaltplan ist hier zu finden:
https://www.doctsf.com/documents/schemat...VTR103.PDF

Schaltungstechnisch entspricht das Gerät dem Stand der Technik um 1960.

Demontage des Chassis:
Es ist das große Skalenrad abzuziehen.
Das sollte ohne Gewalt anzuwenden geschehen; mit mehreren Fingern beider Hände rund um das Rad gleichzeitig wackelnd und ziehend das Rad abhebeln;
einfacher ist es mit dem Zeiger.
Der Kabelschuh des Antennenanschlusses ist von der sehr stabilen Teleskopantenne abzuziehen; der Antennenschaft ist nach oben zu ziehen.
Das Chassis wird von 4 gewaltigen Kreuzschlitz-Karosserie-Schrauben fixiert; schon kann das Chassis ohne klemmen an Ecken und Kanten herausgehoben werden.
   
Bild 4 Chassis von vorn
Die Beschriftung auf dem Dreko rechts Mitte gibt die Abgleichpunkte an. Die FM-Abstimmung erfolgt über Seilzug induktiv im Tuner.
   
Bild 5 Chassis von hinten
Das Chassis selbst ist aus 1 mm Aluminium; bestückt auf beiden Seiten. Dies ist durch die eigenartigen Lötpunkt-Durchführungen leicht möglich.
   
Bild 6 Lötpunkt-Durchführungen z.B. an den Transistoren
Es ist ein 25 mm langer Draht, der in einem Kunststoffröhrchen steckt und dieses ist in eine Bohrung des Chassis gepresst.
Die relativ großen Gebilde mit der roten und schwarzen Kappe sind Elkos mit 100 - 350 uF.
Die stabilen Potis haben 30 mm Durchmesser; an einem ist der Hauptschalter.

Interessant ist auch die Ausführung des Tastenschalters als Drehschalter, der aus einer früheren Radio-Generation stammt; die Kontakte sehen allerdings nicht zuverlässig aus.
Rechts und links sind spezielle Trimmer für AM-Eingang und -Oszillator angeordnet.

.jpg   Bild7_Drehschalter.jpg (Größe: 133,8 KB / Downloads: 357)
Bild 7 Schalterbereich

In dem Gertät wurden die damals neuen Mullard-Legierungsdrifttransistoren AF114/115/116 in UKW-Tuner und ZF eingesetzt.
Diese hatten prinzipiell die gleichen Probleme wie die deutschen Valvo OC169/170/171; einen Kurzschluss zwischen Kollektor und Gehäuse
(es handelt sich um einen leitfähigen Whisker, der sich in der zum Schutz des Transistorwafers verwendeten Silikonverbindung bildet).

Der Lautsprecher lässt sich durch öffnen einer Schelle leicht entfernen; Anschlüsse vorher ablöten.
Für die Tests schließe ich immer einen externen Lautsprecher an.

Das Gerät wurde ursprünglich mit einer 9 V Kastenbatterie betrieben.
Ich fahre erst einmal mit einem Netzgerät die Spannung langsam bei Kontrolle des Stromes hoch, so können sich auch die Elkos wieder etwas formatieren.
Der Hauptschalter am Poti ist auch noch O.K.; bei anderen Kofferradios immer ein Problem.

Der Strom pegelt sich bei Nennspannung auf 20 mA ein, was normal sein sollte. Bei UKW steigt der Strom auf 35 mA, was sicher nicht normal ist.
Am Lautsprecher ist nur leichtes Kratzen des Lautstärke-Potis zu hören.

Vor Beginn der detaillierten Tests und Fehlersuche werden Tasten-Kontakte, Schleifer an Drekos und Potis, soweit zugänglich, mit Kontaktspray behandelt.
Die NF-Stufen werden mit einem 1 kHz Signal beaufschlagt und auch die Transistorspannungen gemessen.
Die Transistoren sind ja gut zugänglich und die Elektroden mit Isolierschlauch gleicher Farbe überzogen.
Das NF-Teil ist i.O.

Als nächstes wurden bei AM die ZF-Transistoren mit einem ZF-Signal (470 kHz mit Modulation) über 5 nF ( bis 100 nF) beaufschlagt, von hinten nach vorn.
Die 2. und 1. ZF-Stufe (VT5 und VT4) verstärken, VT3 nicht.
Es gilt die Transistorspannungen zu messen; VT5 und VT4 sind O.K. bei VT3 (AM Oszillator/Mischer) gibt es kleine Abweichungen vom Soll nach oben.
Eh ich weiter an der Arbeitspunkteinstellung von VT3 oder am 1. ZF-Filter nach einem Fehler suche vertraue ich den Erfahrungen aus anderen Berichten und den meinen und konzentriere mich auf den VT3.
Bei den betreffenden Transistortypen fallen in der Regel immer die Oszillatoren für AM und FM aus.
Ich schneide den Transistor VT3 so ab, dass er auch wieder eingelötet werden könnte.
Mit der Diodenprüfung am entfernten Transistor ist kein Fehler erkennbar.
Ersatz für den ZF-Transistor ist einer der 2. Generation, ein AF105.
Eingelötet und schon arbeitet der neue Transistor! Es können sogar bei AM und FM prinzipiell Sender empfangen werden.

Bei AM schwingt etwas ab und zu, laut im hörbaren Bereich, es könnte ein Kondensatorproblem sein. Diese werden jetzt unter die Lupe genommen.
Alle großen Elkos mit roten und schwarzen Kappen C16, C44, C48, C51, C57  waren etwas ausgelaufen und hatten kaum noch Kapazität; sie wurden ausgetauscht.
Da der Empfang immer noch nicht zufriedenstellend war, wurden auch alle größeren schwarz vergossenen Kondensatoren der Firma HUNTS C42, C43, C52, C53, C50, C54, C55, C56 ausgewechselt. Einige waren schon aufgeplatzt.
Weiterhin wurde der Elko des Ratiodetektors C46 ausgewechselt.
Die kleineren des Typs C14, C15, C37, C40 sollen bei Bedarf später folgen.
Jetzt gibt es einen relativ guten Empfang bei AM; FM ist nur bei starken Sendern akzeptabel.
Der Ruhestrom ist jetzt bei AM unter 20 mA; bei FM leicht über 30 mA, davon entfallen auf den Tuner 15 mA! Hier gibt es einen neuen "Tatverdacht".

Der Tuner lässt sich nach entfernen der zwei oberen Muttern gut öffnen. Der untere Transistor auf der Leiterplatte ist der VT1. Die gemessenen Spannungen waren beim diesem fehlerhaft (Emitter nur 0,35 V!), die des VT2 waren korrekt.
Der Diodentest am VT1 AF114 war nicht auffällig, aber der Tausch gegen einen OC171 brachte den Durchbruch. Guter FM-Empfang bei nur 23 mA Ruhestrom!
Diesmal war es nicht der Oszillator, sondern der Vorverstärker.
Ein vollständiger Neuabgleich war nicht notwendig.

Da es die 9 V-Kastenbatterie nicht mehr gibt, können 6 x R20 Monozellen in 3 x 2er-Aufnahmen zusammengefasst werden, Platz gibt es ja dafür. Die Anschlüsse sind 13 mm Druckknöpfe (wie Anodenbatterien).

Ich habe als Provisorium zum Vorführen zusätzlich noch die Anschlüsse für eine 9 V 6LR61 Blockbatterie angelötet.

Leider haben die Wellenschalter-Tasten oben keine Beschriftung mehr; die Funktionen von links | UKW | MW | LW |.

   
Bild 8 Der "Englische Patient" im 2. Lebensabschnitt.

Gruß Georg
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#2
Hallo Georg,

vielen Dank für Deinen fachmännischen Bericht über dieses schöne Gerät.
Das Design könnte noch heute zum Verkaufsschlager werden. Es erinnert
mich irgendwie an das Design der Apple-Familie.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#3
Ja Wilhelm, das Design des Gerätes ist auch heute noch ein Verkaufsschlager. Wie Georg oben bereits schrieb, wird es seit vielen Jahren als Retrogerät weiter vertrieben, natürlich mit moderner Technik. Die gibt es in allen Farben zu kaufen.

Am schönsten ist aber natürlich das Original wie von Georg gezeigt. Hat mich gefreut, hier mal etwas ausführlicher über dieses Gerät zu Lesen. Dannke Georg!
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#4
Hallo Georg, schön wieder einen Bericht von dir zu lesen.
Ja, ein sehr schönes Radio, leider Teuer.

Edit: Ich lese gerade in Org, auf dem Link von Georg, dort wird so ein Gerät angeboten, 55€ incl. Versand, das geht aber wirklich
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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#5
Letztens ist ein angeblich spielendes für rund 35€ in einer weggegangen. Hab die Auktion leider wie so oft verpasst...
Beste Grüsse

Thorsten


"Das Leben ist nichts weiter als das Proben für eine Vorstellung, die niemals stattfindet."

(Die fabelhafte Welt der Amelie)
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#6
"Da es die 9 V-Kastenbatterie nicht mehr gibt..."

Suche mal nach "PP9 Batterie". Diese Batterie wird sogar für das moderne Nachbauradio Bush TR82 https://www.vintage-radio.com/reviews/tr...radio.html) verwendet. Ich habe es letztens für knapp 20 EUR bei Amazon gesehen, angesichts der vielen Radios die ich habe dann aber doch nicht gekauft und könnte mich ärgern.
Ansprechpartner für Umbau oder Modernisierung von Röhrenradios mittels SDR,DAB+,Internetradio,Firmwareentwicklung. 
Unser Open-Source Softwarebaukasten für Internetradios gibt es auf der Github-Seite! Projekt: BM45/iRadio (Google "github BM45/iRadio")
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#7
Wow, stimmt! Bei Amazon gibt es diese Batterie sogar im nostalgischen Look von Ever Ready: https://www.amazon.de/Energizer-B000LMQ3...B000LMQ3SK
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#8
(18.02.2017, 08:38)Anton schrieb: Wow, stimmt! Bei Amazon gibt es diese Batterie sogar im nostalgischen Look von Ever Ready: https://www.amazon.de/Energizer-B000LMQ3...B000LMQ3SK

Mit ist aufgefallen das in den Bedienungsanleitungen vieler alter Grundig "Boys" diese PP9 Batterie als Alternative zum Batteriefach mit 2 Flachbatterien aufgeführt ist. Die PP9 scheint also in den 60iger Jahren deutlich häufiger im Gebrauch gewesen zu sein. Da die selben Grundigs mit dem TN12 / TN12A kompatibel sind, dürfte sich das Netzteil auch für dieses Gerät und den Retro-Nachbau TR82 eignen.

Bei ebay gibt es unter der Artikelnummer 272573883548 
einen Adapter von 6x Mignon auf PP9. Nicht schön und wohl eine Bastelarbeit mit Lochraster, aber funktional und auf Dauer sicher preiswerter als die Original-PP9.
Mit einem 3D Drucker müsste man noch ein gutes Replikagehäuse der PP9 herstellen können.
Ansprechpartner für Umbau oder Modernisierung von Röhrenradios mittels SDR,DAB+,Internetradio,Firmwareentwicklung. 
Unser Open-Source Softwarebaukasten für Internetradios gibt es auf der Github-Seite! Projekt: BM45/iRadio (Google "github BM45/iRadio")
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