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Kristallsystem Philiips AG3010
#1
Hier zeige ich Euch das Kristallsystem AG3010, das an sehr vielen Plattenspielern der frühen 50iger Jahre verwendet wurde. Das Tonabnehmersystem besteht aus einem kompakten, kompletten Tonkopf mit weiblichem Steckanschluss, nebeneinander liegenden Nadeln für Normalrille (N) = Schellack und Mikrorille (Vinylplatten). Der gesamte Tonkopf kann auf dem Tonarm durch leichte, seitliche Verdrehung gekippt werden, um die jeweils benötigte Nadel auszuwählen. Der rote- und er grüne Punkt auf dem Tonkopf stellen die gewählte Position der Nadel der. Auf dem Tonarm befindet sich eine Markierung die dem jeweiligen Punkt des Tonkopfes gegenüber stehen muss (rot = Vinyl, grün = Schellack).

   
   

Wie die meisten, dieser Philips Systeme hat sich auch hier das Innenleben völlig aufgelöst. Durch die Verwendung eines Gels, das Vibration dämpfen-, und den Keramikstreifen schützen sollte, war die Selbstzerstörung unbeabschichtig vorpragrammiert. Das Geld verflüssigt sich durch die Aufnahme von Luftfeuchtigkeit und sorgt so für Oxydation des Kristalls und der umliegenden Bauteile, z. B. die Gummilagerungen. Daraus entsteht eine zähflüssige, sehr klebrige Masse. Die Umwandlung von mechanischer Energie, wie sie von der Nadel aufgenommen wird, in elektrische Imipulse funktioniert nicht mehr.

Meist sieht man schon an der Unterseite der geschlossenen Systeme, dass diese besonders "verdreckt" aussehen. Das liegt daran, dass klebrige Flüssigkeit austritt und sich daran Schmutz ansammelt. Das ist schon das erste Indiz für einen defekten Kristalltonabehmer. Hier am Beispiel eines andere Philips Tonkopfes zu sehen: Der beginnende Austritt von Flüssigkeit an der Unterseite:

   

Bei einem weiteren Tonkopf, dem AG3036 ohne Gel sieht man auch bereits den beginnenden Oxidationsprozess. Der Kristallstreifen ist aufgequollen und mürbe als Ergebnis auf Kellerlagerung. Das System hat noch geringen Durchgang, taugt jedoch nicht mehr als Tonabnehmer für eine gute Wiedergabe:

   

Der geschlossene Tonkopf auf den ersten Bildern ist bereits gereinigt. Daher kann man diesen Effekt dort nicht mehr erkennen. Ich habe hier einen 3010 geöffnet und zeige die "Bescherung".

   
   
   

Ich habe den schmierigen Inhalt zunächst mechanisch entfernt, um später zu versuchen, den Tonkopf mit einem anderen Kristall(system) zu bestücken, um ihn wieder verwendbar zu machen. Nachdem das Gröbste mechanisch entfernt ist, kann man die Reste mit heißen Spüliwasser und einer Zahnbürste ganz gut entfernen.

   

Hier ist der Anker zu erkennen, der die beiden Nadeln aufnimmt und an dessen Ende der Kristallstreifen (Keramikstreifen) eingesteckt wird. Der Anker besteht aus einem harten Kunststoff, die Nadeln sind darin in Gummi gelagert und der Anker selbst ist im Tonkopf auch nochmal in Gummi gelagert.

       

Tipp: Wegen der vorab beschriebenen Feuchtigkeitsempfindlichkeit, ein funktionierendes Kristallsystem niemals in Wasser tauchen, auch nicht nass reinigen, höchstens das Gehäuse mit einem ganz leicht befeuchteten Tuch abreiben und sofort wieder trocknen. Gelangt Feuchtigkeit ins Gehäuse ist das System nicht sofort zerstört, sondern es wird im Inneren unbemerkt die Zersetzung in die Wege geleitet!
Sollen Plattenspieler mi Kristallsystemen an einem ungeheizten Ort eingelagert werden, dann vorher die Systeme entfernen und warm und trocken lagern! Eine geringe Keller-, oder Dachbodenfeuchte reicht aus, um die Systeme langfristig zu zerstören. Gerade bei deisen Philips Systemen ist das nicht zu ersetzen weil es diese Art der Steckbefestigung nur bei Philips gab und dafür keine anderen Systeme passen. Ersatz kann also nur durch erhebliche Umbauten erfolgen.

Bei Radios achten wir auf möglichst originalen Erhalt, dass sollte bei Plattenspielern nicht anders sein.

Sollte es mir gelingen, den Tonkopf in irgendeiner Weise wieder zu beleben, berichte ich hier darüber!
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#2
Danke Anton, wie immer bestens erklärt. Ich habe hier noch so ein rotes System, dazu aber mehr in einem anderen Tread
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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#3
Hallo Anton,

vielen Dank für den schönen Bericht. Ich habe auch noch den Plattenspieler meiner Mutter mit diesem Tonabnehmersystem.

Wenn es Dir gelingt, das Teil wieder zu beleben, würde mich das sehr interessieren.

Es gibt übrigens jemanden, der die Kristalle nachzüchtet:

http://www.hse-radio.de/ Reparaturen:

"Reparatur von Tonabnehmersystemen

Gezüchtete Kristalle aus Seignettesalz werden geschnitten, beschichtet und in die Gehäuse der Tonabnehmer eingebaut. So können Kristalltonabnehmer aus Plattenspielern und Tefifon weiter genutzt werden. Diese kosten im Austausch 49,10 Euro zuzüglich 19% Mehrwertsteuer."

Das ist zwar schon ein Wort, aber für ein Gerät, das mir wichtig ist, würde ich das Geld schon setzen.
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#4
Hallo Anton Smile

Vielen Dank für Deinen interessanten Bericht. Zwar bin eigentlich (noch) gar kein "Platten~Freak", obwohl ich viele
Vinyls von (meinem) "früher" stehen habe, aber ich muß schon sagen, Deine Berichte mit den Plattenspielern
und hier mit den Tonabnehmern finde ich ehrlich beeindruckend Blush

Deine Erfahrungen, die Du hier mit uns teilst, sind ganz bestimmt nützlich & hilfreich für alle Plattenspieler~Fans Thumbs_up
Und diese Materie hat wahrlich ihren Charme, deswegen drück ich die Daumen, daß auch viele Plattenspieler
möglichst original erhalten werden können Smiley20

Viele Grüße, von Peter
~~~~~ DE - MV  /  Connected ~~~~~
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#5
(02.02.2014, 12:54)Gartetalbahn schrieb: Es gibt übrigens jemanden, der die Kristalle nachzüchtet:
http://www.hse-radio.de/ Reparaturen: "Reparatur von Tonabnehmersystemen. Diese kosten im Austausch 49,10 Euro zuzüglich 19% Mehrwertsteuer."
Das ist zwar schon ein Wort, aber für ein Gerät, das mir wichtig ist, würde ich das Geld schon setzen.

Ja, diese Adresse ist mit bereits bekannt und wenn man ein einzelnes Gerät besitzt und es wieder herrichten möchte, mag das eine Option sein. Für einen Plattenspieler-Sammler eher nicht, es sei denn ich gewinne im Lotto Big Grin

Das Problem bei diesen Kristallen ist, dass sie extrem zerbrechlich und winzig sind. Das Handling erfordert schon fast Mini-Roboter um die Teile schadfrei in das Gehäuse einzupflanzen. Dann muss das Ganze auch noch möglichst in Gummi gelagert sein, damit es keine Resonanz vom Gehäuse gibt und der Kristallstreifen bewegungsfreien Sitz hat. Die Anschlussdrähtchen sind flach und dünn wie staniol, kaum lötbar und reissen schneller ab, als man husten kann. Bisher sind meine Versuche daran immer gescheitert.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
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#6
...Dann würde ich doch mal ein halbes Dutzend Piezos opfern und schaun, wie man die am besten zersägt!? Oder hast das auch schon durch? Es GIBT Stimmen die behaupten, so etwas erfolgreich durchgeführt zu haben.
Gruß,
Uli
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#7
Na Uli, meine Versuche sind immer gescheitert. Sowie man an die Keramik kommt platzen diese runter.
Abhilfe könnte man mit SMD Pietzzo versuchen, dazu hatte ich bisher aber keine Zeit gefunden. Diese passen in das Gehäuse, da gibt es verschiedene Größen von. Mache es aber irgend wann mal noch.
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#8
Hast die verschiedenen Varianten durch? Schere, Blechschere, Dremel mit Trennscheibe, in der Firma schneiden lassen mit Laser/Wasser/...?
Andererseits - richtig! Es gibt die Dinger ja auch noch in "winzig". Mal schaun, wenn mir einer in die Finger fällt...

Edit: Ich hab für meine Experimente noch dieses da:

       
   
Gruß,
Uli
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#9
(02.02.2014, 22:17)Uli schrieb: ...Dann würde ich doch mal ein halbes Dutzend Piezos opfern und schaun, wie man die am besten zersägt!? Oder hast das auch schon durch? Es GIBT Stimmen die behaupten, so etwas erfolgreich durchgeführt zu haben.

Mit den Piezos kann man zwar wieder grundsätzliche Funktion herstellen, aber wirklich nur das! Ein Genuß ist es nicht, damit Musik zu hören. Mir geht es ja nun auch nicht darum, das alte System "nur" wieder zu krächzen zu bringen, sondern ich will volle Funktion, also weiterhin mit beiden Nadeln abspielen können und auch mit vollem Sound. Andernfalls gibt es auch die Möglichkeit, kleinere Systeme ins Gehäuse zu setzen, was man von oben nicht sieht. Das ist aber hier und jetzt nicht mein Thema.
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