Hallo Daniel,
ich lese erst heute dein Posting und bin die nächste Zeit leider unterwegs. Ich restauriere und repariere alte 7enderverstärker, habe und hatte davon einige schon auf dem Werkstatt-Tisch. Von Deluxe Reverbs, von Reiner zur Linde seinerzeit umgebauten Princetons, Vibrolux Reverbs (die herrlichen alten und die jämmerlichen neuen Rauschgeneratoren), Twin Reverbs, bis hin zu den neuen, wie Blues Deluxe, Blues Junior, Excelsior (davon nenne ich zweie mein Eigen, die ich umgebaut habe) usw. Vorgestern erst holte einer meiner Kunden einen 65er Bandmaster "Piggyback" ab, den ich repariert hatte. Augenscheinlich war er jungfräulich (sowas sieht man selten, wenn man so einen Amp öffnet!), aber er war eben schlicht und einfach an mehreren Stellen defekt.
Zu deinem Amp. Du hast viele Fragen auf einmal, die kann ich in der Kürze gar nicht alle auf einmal beantworten. Vielleicht so als ein Hinweis: Leo 7ender hat nicht nur verbaut und aufgebraucht, was an Teilen gerade vorrätig war, sondern oft auch eben mal Details in den Schaltungen einfach so geändert; sehr zum Leidwesen seines "Produktmanagers" Forrest White... Will damit folgendes sagen: Wenn Du einen SF 135-Watt-Twin Reverb vor Dir hast, der zum Beispiel (!) auf dem eingeklebten Etikett AA736 heisst, so kann es aber sein, dass Du schon eine AB763-Schaltung drin hast. Diese Amps werden, ebenso wie übrigens seine Gitarren aus dieser Zeit (da hat er es nämlich nicht anders gemacht) neudeutsch Transition-Amps oder -Gitarren genannt.
Oder aber manche dieser Amps sind ziemlich verbastelt. Du darfst nicht vergessen, dass diese Dinger z.T. Jahre auf der Bühne und somit auf dem Buckel hatten und 10 oder 20 Jahre vorher z.B. gab es keinerlei passende Ersatzteile. Da wurde bei anfallenden Reparaturen verbaut, was gerade da war. Heutzutage bekommt man allerdings Ersatz in Hülle und Fülle bis auf die Vibrato-Optokoppler (eigentlich per se ein Tremolo); die werden langsam rar wegen RoHS und der inzwischen definierten Giftigkeit der CdS-Widerstände...
Bei diesen Amps muss man also ziemlich genau eruieren, WAS man da eigentlich vor sich hat.
Der 135-Watt-Amp, den Du hast, hat ein paar Besonderheiten. 7ender war der Meinung, dem ohnehin schon brüllend lauten Amp ("scheißelaut und scheißeschwer") eine Art Verzerrung verpassen zu müssen. Der Mastervolume ist ein Push-Pull-Regler und ziehst Du den, so soll die Kiste dann eben zerren... Naja, eher gruselig mit Referenz zum Ohrenbluten... Im Prinzip ist das die von Dir rot gekennzeichnete Umschaltung am Reverb-Trafo an der 12AT7 im Schematic. Aber nur im Prinzip, denn es gibt für diesen Amp keine so richtig vernünftige, veröffentlichte Schaltung, wie Du ja schon selbst bemerkt hast. Ich habe daher bei den Twin Reverbs, die ich auf dem Tisch hatte, mir einige Unterschiede anhand der Layouts als Schematic-Besonderheiten separat gezeichnet; die kann ich Dir gern zur Verfügung stellen - aber erst frühestens Anfang August, wenn ich wieder online bin.
Der orange Punkt zwischen Treble- und Volume-Regler sieht aus, wie ein nachträglich reingebastelter Widerstand; normalerweise hat er dort im Tonestack nichts zu suchen. Deine Kiste scheint verbastelt zu sein, darauf deuten der Becherelko, sowie die Hochlast-Kokelwiderstände hin; die für diese Belastung gar nicht ausgelegt sein müssen - "verbastelt" also insofern, als dass wahrscheinlich eben der Amp vor Jahren mal gewartet wurde bzw. zur Reparatur war.
Da sehe ich auch, dass der sogenannte "Death-Cap" nebst Ground-Schalter gar nicht mehr drin ist, sondern es ist ein vierpoliger Netzschalter verbaut - korrekt!
Die beiden Preamp-Kanäle sind mit jeweils zwei Buchsen versehen, um Gitarren mit unterschiedlichen Pickup-DC-Widerständen anschließen zu können, so dass deren unterschiedlich hohe Ausgangsspannungen sauber geregelt werden konnten/sollten. Sie sind einfach unterschiedlich empfindlich; das kannst Du Dir anhand der 68KOhm-Spannungsteiler und dem 1MOhm-Widerstand nach Masse einfach selbst ausrechnen. Oder es wurde eben angeschlossen, was da war, ein Mic für eine Harp oder meinetwegen auch ein Bass..
5E3, 4G8, AA270, AA769, AB763 oder was auch immer sind die internen Werkscodes der Amps. Was da irgendwo vorn auf einem Foto zu sehen ist, ist die Seriennummer auf dem Chassis.
Soviel erstmal für heute. Tipp: Wenn Du mehr von uns "Cracks" für speziell diese und andere Gitarrenamps suchst, dann erlaube ich mir an dieser Stelle einen Hinweis auf
dieses Forum vom Dirk.
Gruß Michael