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Stassfurt-Imperial 65W vom Schrottplatz
#1
Liebe Kollegen,
Bei einem kürzlichen Besuch auf dem Schrottplatz nahe Karlsruhe weiteten sich meine Augen. Ein monströses Radiochassis lag da zwischen Bügeleisen, Stehlampen und Rasenmähern. Ich wurde fast unmächtig vor Glück und schleppte das Gerät unbemerkt von den Wachleuten vom Hof zu meinem Auto (man darf nämlich offiziell nichts vom Schrottplatz entfernen!).
Das Monstrum entpuppte sich als das offenbar aus einem Musikschrank augebaute Chassis eines Stassfurt Imperial 65W - Fabrik Nr. 2716. Oh Glück!
Doch wie in der Liebe so auch bei den Radios macht das anfängliche Wonnegefühl häufig bei näherer Betrachtung einer gewissen Ernüchterung Platz.
Die Röhren steckten noch alle im Gerät ... bis auf die LK4200, die z.Zt. jemand in der Bucht für 310 Teuros anbietet. Seufz! Andere Endtrioden kann man da nicht einsetzen, weil die die kackige Anodenspannung von 650V nicht lange überleben. Man könnte natürlich eine EL34 als Triode schalten und umsockeln und die Heizspannung von 6,3V aus den 4V gewinnen. Das wäre kein großes Drama, aber nicht hübsch.

Die REN924 Diode/Triode hat ihre Metallisierung verloren. Auch kein Problem. Man pinselt die Röhre mit ACHESON Elektrodag 1415m High Conductivity Silver Paint ein. Oder mit etwas leitfähigem, was nicht ganz so teuer ist.
Die keramische Fassung der AK1 und für den KW-Vorsatz sind angebrochen. UHU-Plus wird's richten.
Ein Abschirmbecher fehlte. Den habe ich mir aber eins-fix-drei von einem Bekannten nachfertigen lassen. Hat zwar eine etwas eckigere Oberkante als das Original aber wenigstens schirmt er. Natürlich fehlt ihm auch die Stassfurt Prägung.
Schon schlimmer: Die Skalenscheibe fehlt und ebenso alle Knöpfe.

Das waren die schlechte Neuigkeiten. Nun kommen die guten: Wie ich gestern Abend feststellte, funktioniert das Zeigerinstrument noch (25 Ohm, 4 mA Vollausschlag) obwohl sich die Celluloid-Einhausung schon ganz hübsch verzogen hat und den Zeiger fast berührt.
Ein Blick unter das Chassis zeigt: Originalzustand. Da hat noch niemand drin herumgewurstelt. Lediglich ein Netzteilelko wurde ausgetauscht (dem fehlt die "Rundfunk-Stassfurt" Stempelung)

Zwar ist einiges aufgequollen und verkokelt, aber das ist alles kein Problem. Die Netzteil-Elkos nehme ich auf die Drehbank und mache knapp oberhalb der Bodennut einen Einstich - gerade so tief, dass ich die Oberhälfte des Elkos abziehen kann. Dann wird der Inhalt gegen einen neuen Elko ausgetauscht und die Oberhälfte wieder aufgesetzt. Das Schöne an dieser Methode ist, dass man die Oberhälfte nicht irgendwie fixieren muss. Sie sitzt nämlich stramm auf dem Bakelitboden des Elkos... da wo sie vorher auch saß. Wenn man einen ordentlichen (sehr schmalen) Abstechstahl verwendet und wenig Vorschub, erfolgt der Abstich so sauber, dass man die Trennstelle später nicht bemerkt.

Das ist der Stand der Dinge. Als nächstes werde ich mal die Kondensatorblocks ausleeren und dann schauen wir weiter. Vielleicht nehme ich mal die obere Gleichrichterstufe außer Betrieb und fahre das ganze Gerät einschliesslich der Endstufe mit der niedrigen Anodenspannung. Dann kann man auch eine 604 oder 964 draufstecken.

   
   
   
   
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#2
Hallo Harald - nachdem ja nun Deinem ersten Verliebtsein Ernüchterung folgte kann nun Vertrauen reifen ! Meinen Glückwunsch zu Deinem Fund und Einfühlungsvermögen gepaart mit Zuneigung (plus Sachverstand wie in Deinem Fall) bringt Empfang !
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#3
Glückwunsch!
Zu schade, daß das Gehäuse nicht mehr da war Sad
Gruß,
Uli
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#4
Sehr schöner Fund! Mir gefällt auch die feinsäuberliche Mechanik unter dem Chassis mit der Wellenschaltung über Zahnräder. Solche Geräte waren oft nicht nur Meisterwerke der Elektroingenieure, sondern auch der Feinmechanik. Einfach unverwüstlich.

Selbst ohne Skalenscheibe und schön aufpoliert ein echtes Schaustück!
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#5
Ja Harald das ist sehr schade das du kein Gehäuse hast, manchmal bringt warten Erfolg. Du steckst da viel Herzblut rein, das finde ich toll.
Hier mal den Plan. Interessieren würde mich wie die über 600 Volt dort erzeugt werden.

   

ich habe den Plan zweimal aber leider zweimal schlecht.
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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#6
ganz einfach Dietmar. Die beiden Gleichrichterstufen addieren sich. Die Endröhre bekommt die volle Ladung ab, der Rest der Schaltung wird nur von der oberen Röhre versorgt.
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#7
Dietmar,
ist doch aus der obigen Schaltung ersichtlich, wie die 600V erzeugt werden.
Es sind zwei Zweiweggleichrichterröhren vorgesehen, die jeweils eine eigene Anodenwicklung und eine dazu gehörende Heizwicklung haben. Jede Anodenspannungswicklung erzeugt ca. 250V Wechselspannung und demzufolge ca. 300V Gleichspannung mit Hilfe eines 15µF Ladeelkos. Das "obere" Anodennetzteil ist über eine Drossel mit dem Minuspol an Masse angeschlossen. Am Pluspol steht die Anodenspannung für die restlichen Empfängerröhren, außer der Endstufe, an. An diesem Pluspol ist der Minuspol des "unteren" Anodenspannungsnetzteiles angeschlossen, was dadurch in Reihe geschaltet ist und seine 300V auf die schon anliegenden 300V aufstockt. Gegen Masse macht das eben 600V.
Wer an solch einem Gerät hantiert, muß höllisch aufpassen, wenn der Originallautsprecher noch vorhanden ist. Dessen Feldwicklung ist keine Stromdrossel, wie sie üblicherweise zur Brummkompensation in Siebketten vorhanden ist. Hier ist es eine Elektromagnetspule, die ihre Kraft aus den vollen 600V bezieht!!!

Upps, Franz war schneller, ist aber zum gleichen Schluß gekommen!
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#8
Hallo Harald,

ja, das ist natürlich ein schönes Chassis, was Du Dir da an Land gezogen hast. Schande natürlich, dass das Gehäuse nicht mehr da ist. Aber eine Reparatur dieses interessanten Gerätes lohnt sich immer. Nur Wahnsinn, was da für Spannungen drinnen arbeiten und was das natürlich für eine kräftige Endröhre erforderlich macht. Trotzdem schon mal gutes Gelingen.
Es grüßt Euch aus Peine
     
     Andreas
Nicht nur die Röhren sollen glühen.
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#9
Ich Danke euch, ich habe zwar den Plan eingestellt aber nicht drauf geschaut...Mann bin ich blöd!Smiley59Smiley58
mit freundlichen grüßen aus Dielfen (Siegerland)
Dietmar
Wenn einer dem anderen hilft ohne daraus Profit schlagen zu wollen dann sind wir auf einem guten Weg
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#10
Hallo,

das ist ja mal wirklich ein geiles Chassis und auch Radiogerät. Ich finde es immer wieder erstaunlich, das solche Geräte auftauchen.

Gruß

Markus
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#11
Hallo Kollegen,
Wolfram und Franz haben schon erklärt, woher die 600V stammen.
Heute habe ich mal die Spannungen nachgemessen. Die beiden HV-Sekundärwickel geben im Leerlauf 2 x 320Veff, zwischen den Wickelenden also 640Veff entsprechend 880Vspitze. Bei realistischen Lastbedingungen sind es noch ca. 610Veff, entsprechend 860Vspitze. Dann erhält man nach den Ladedrosseln eine Leerlaufspannung von 440V=, bzw. unter Last ca. 310V=. Das ganze mal zwei gibt die Oberspannung von über 600V=.
Wie von Wolfram schon angedeutet: Wenn man da versehentlich hinlangt, wird wenig gelacht.
All das bestärkt mich in dem Entschluss, bei der elektrischen Restauration die Hochspannungssektion zunächst einmal stillzulegen - durch Ziehen der in Dietmars Schaltbild unteren RGN1064 - und das ganze Gerät mit der niedrigeren Hochspannung von ca. 310V zu versorgen. Natürlich muss man bedenken, dass in diesem Fall an der Fassung der unteren Gleichrichterröhre zwischen den Anodenanschlüssen 880Vspitze Leerlaufspannung anstehen.

ES GIBT VIEL ZU TUN!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#12
Hallo,

ich würde das ganze nicht so einfach im Leerlauf betreiben. Es besteht eventuell die Gefahr, das hier die Spannung durchschlägt, zumal ja hier alles auf einen Trafokern gewickelt ist. Also vorsicht walten lassen. Hatte schonmal so nen Fall wo die Spannung im Leerlauf soweit hochgelaufen ist, das die Wicklungen durchschlugen!

MFG

Markus
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#13
Hallo Harald,

ich habe mal gewühlt, aber leider nur eine LK4112(zu schwach, ähnl. RE604) und eine LK7110(zu stark, 7V Heizung) gefunden.

Dieses Chassis ist wirklich beeindruckend und ich bin sehr gespannt, wie es damit weitergeht.

Viele Grüsse,
Jean
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#14
Hallo Markus,

Du hast vollkommen Recht mit Deinem Hinweis auf die möglicherweise fatalen Konsequenzen eine Leerlaufbetriebes der HV-Stufe. Wenn ich sage, ich deaktiviere diese Stufe, dann sieht das in der Praxis so aus, dass ich in die Röhrenfassung einen Europasockel stecke, bei dem die beiden HV-Anschlüsse durch ein "Dummy-Load" gebrückt sind. Im vorliegenden Fall sieht das dann so aus: Die LK4200 zieht im Arbeitspunkt bei 600V 47mA, die REN 904 zieht 3mA und die Erregerwicklung des Lautsprechers 20mA (Die Erregung verputzt doch tatsächlich 600Vx20mA=12W!). Also zusammen 70mA bei 300V = 4kOhm / 20W. Die Rechnung stimmt nicht exakt, da die Erregung vor den beiden Drosseln gespeist wird ... aber so ungefähr. Die Gesamtspannung über dem Trafowickel würde in diesem simulierten Lastfall auf ca. 820 Vss (2x410 Vss) zusammenbrechen - ähnlich wie beim realen Lastfall.
Jetzt kommt's!
Würde man kein Dummy Load verwenden, würde die Spannung zwischen den beiden Enden des Sekundärwickels auf ca. 900 Vss (2x450Vss) hochlaufen, also 80V mehr als mit Dumy Load. Man sieht, dass der Spannungshub zwischen Leerlauf und realem Lastfall garnicht so riesig ist. Lange Rede - kurzer Sinn: ich gehe mal davon aus, dass Stassfurt so ordentlich geplant hat, dass sie den Leerlauffall bei der Isolierung des Netztrafos mit abdeckten. Aber ich werde es nicht darauf ankommen lassen!

Hallo Jean,
Danke, dass Du mal nach Röhren geschaut hast. Diese LK4200 ist nicht so häufig zu finden, wie gesagt in der Bucht: 320 Euros. Smiley19 Schnüff.

Kommt Zeit kommt Rat Idea Kommt Zeit kommt Röhre?
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#15
Sowas ähnliches habe ich auch:
[Bild: BILD0035.JPG]

[Bild: BILD0039.JPG]

[Bild: BILD0037.JPG]

Leiter ist das gute Stück total verbastelt, das einzigste was noch original ist, ist der Drehko. Auch das Gehäuse ist mal nass geworden.

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es genau das gleiche ist. Bei meinem ist leider kein Typ mehr erkennbar.
Grüße
Christoph
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#16
Christoph, unbedingt restaurierern (lassen)! Andreas_P freut sich! Wink
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#17
Hab ich schon drüber nachgedacht, aber es ist, bis auf den Drehko, den defekten Wellenschalter und zwei Fassungen, (elektronisch gesehen) NICHTS originales mehr da!
Der Bereich wo die Bandfilter saßen wurde komplett rausgesägt und eine neue Platte mit Stahlröhren eingebaut.
Die Skalenscheibe ist eigentlich schon versprochen, der Rest kann gernde gratis bei mir abgeholt werden (63584, oder Radiomuseum Linsengericht).
Grüße
Christoph
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#18
Hmm, jetzt seh' ichs auch... Schade drum.
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#19
(20.02.2014, 22:05)Christoph schrieb: Hab ich schon drüber nachgedacht, aber es ist, bis auf den Drehko, den defekten Wellenschalter und zwei Fassungen, (elektronisch gesehen) NICHTS originales mehr da!
Der Bereich wo die Bandfilter saßen wurde komplett rausgesägt und eine neue Platte mit Stahlröhren eingebaut.
Die Skalenscheibe ist eigentlich schon versprochen, der Rest kann gernde gratis bei mir abgeholt werden (63584, oder Radiomuseum Linsengericht).
Ähm, dann hätte Harald ja ein Gehäuse!....
Gruß aus Bremen

Enno
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#20
Hallo Christoph,
und ich hatte gedacht, mein Gerät sei ein etwas umfangreicheres Restaurationsprojekt ... aber das hier ist der SUPERGAU.

Trotz der erheblichen Umbauten scheint mir doch klar zu sein, dass bei Deinem Gerät der Wellenschalter aus der rechten Seitenwand herausschaut, bei mir aber nach vorn. Die Chassisrückseite ähnelt meinem allerdings. Schade, dass Du die Skalenscheibe schon jemand versprochen hast, sonst hätte ich doch intensives Interesse angemeldet.

Vielleicht würde ich auch das Gehäuse mit den Überresten des Originals nehmen, falls mein Chassis dort hineinpasst. Dann würde mein Chassis jedenfalls nicht mehr so nackt in der Gegend herumstehen.
Mein Chassis ist 47,5 cm breit und von der Chassishinterkante bis zur Vorderkante des Winkels der die Potentiometer trägt: 31 cm tief. Von der Chassishinterkante bis zur Vorderkante der Potiachsen: 36 cm.

Kannst Du bitte mal messen?
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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