Alle Wicklungen des Netztrafos erwiesen sich als durchgängig, ebenfalls die der Drossel und der Widerstandsspule, die aus zwei verbundenen Drahtwiderständen mit 120 und 1250 Ohm einen Spannungsteiler bildet. Damit ist bei dem Chassis genügend Substanz vorhanden, um sich näher damit zu befassen.
Oberflächenrestaurierung
Da die komplette Oberseite ein Gemisch von öligen Staub und Rostbelägen überzieht und das Inspizieren der Teile so schlecht möglich ist, wurden alle Komponenten bis auf den Netztrafo ausgebaut. Nach der Reinigung löste sich teilflächig die dünne silberfarbene Chassisbeschichtung. Der darunterliegende Rostbelag wurde bis zum blanken Metall heruntergeschliffen.
Auf eine komplette Neulackierung in frischer Silberfarbe wurde verzichtet, da diese nicht zu den gealterten Komponenten paßt. Das Weiterrosten wurde durch Versiegeln unterbunden und die Fehlstellen im Lack wurden der Alterspatina durch behutsames Ausbessern im Farbton angeglichen. Die rostigen Trafoblechpakete wurden komplett entrostet und mit trocknendem Firniß überzogen. Sie waren einmal schwarz lackiert, stellenweise noch sichtbar, aber hier erfolgte keine schwarze Neulackierung. Man soll dem Gerät Alter und Strapazen ansehen. Durch das Neuverlöten des Sammelblocks sprang auch hier die Farbe weg. Nach dem Auftragen wurde der frische Silberton mit einem Lasurton in Beige und Grau überzogen und dadurch nachgealtert.
[
attachment=125308]
Im ausgebauten Zustand konnten die Komponenten eingehend untersucht und aufgearbeitet werden.
Drehko-Aggregat
Es handelt sich um einen Doppeldrehko auf fester gemeinsamer Achse mit zwei identischen Blechpaketen 600 pF. An der linken Seite ist der Stator zur Feinabstimmung schwenkbar, rechts fixiert. Die Abstimmung erfolgt über ein stirnseitig montiertes Seilgetriebe, das an der Unterseite nachjustiert werden kann, wenn der Seilzug sich ausgelängt hat.
[
attachment=125295]
Leider riß das originale Antriebsseil erst, nachdem das Aggregat neu justiert wieder auf dem Chassis saß. Also das ganze raus-rein von neuem. Am besten baut man gleich ein gut erhaltenes Retro-Seil aus den 60ern ein. Für diejenigen, die in die Verlegenheit kommen, ein neues Seil aufzulegen, sei hier eine Anleitung hinterlegt:
Das originale Textilseil ist 1 mm dick. Es werden 47 cm benötigt. Man beginnt mit dem Aufseilen, indem man auf halber Länge einen Knoten macht und das Seil von unten durch die Bohrung im Seilrad nach oben führt, am anderen Seilende legt man im Abstand von 10 mm ebenfalls einen Knoten an und führt es durch die zweite Bohrung nach oben. Dann überkreuzt man die Seilenden und führt sie nach unten über die Umlenkrollen zu den Aufrollwalzen und schraubt sie dort fest. Damit die Bewegung abläuft, muß das gegenäufig erfolgen. Die kleine Skizze verdeutlicht die Anordnung.
[
attachment=125454]
Wichtig ist die Prüfung, ob der Rotor spielfrei läuft und keinen Kontakt zum Stator hat. Es zeigte sich, dass der linksseitige Rotor verzogen war und im Ganzen seitlich nachgedrückt werden mußte. Auch lief er nicht mehr mittig, die linke Seite zeigte Achsspiel und der Justierhebel klemmte. Diese Probleme lassen sich durch Nachjustieren der äußeren Lagerschraube beheben. Die saubere Kontaktgabe an der isolierten Statorachse ist ebenfalls zu prüfen. Zwischen der Verschraubung und einer der Lötösen hatte sich ein hochohmiges Oxyd gebildet, das abgetragen werden mußte. Diese Probleme sind im eingebauten Zustand nicht erkenn- bzw. behebbar.
Die Skala ist aus Kunststoff und demontierbar, sie läßt sich ggf. leicht nachfertigen.
[
attachment=125296]
Antennenspule/Eingangskreis
Das Spulenaggregat besteht aus zwei Hartpapierröhren, auf die Antennenspule und Eingangskreis verschachtelt angebracht sind und dem Wahlschalter für die Antennenanpassung. Man baut alles als eine Einheit aus.
[
attachment=125297]
Jede Spule und ihre Verbindungen wurde geprüft. Die Kreisspule für LW war an einem Ende lose und ein paar Windungen abgerollt, die Ränder der Spulenkörper versprödet, verformt und lädiert. Sie wurden nachgerundet, Fehlendes ergänzt und mit Harz verfestigt. Einige Lötösen waren verbogen - diese wurden so belassen, da sie beim Biegen leicht brechen. Aus demselben Grund ist der Wahlschalter vorsichtig zu behandeln. Die in das Hartpapier geklammerten Kontakte lockern sich leicht oder brechen am Lötende ab. Dies gilt generell auch für den alten, starr gewordenen Kupferdraht: möglichst wenig bewegen! Abgebrochene Kupferdrahtenden sind stark oxydiert und sorgfält blank zu machen, sonst gibt es schlechte Lötverbindungen. Die textilen Isoschläuche sind hart geworden und brechen beim Biegen. Dagegen hilft eine vorsichtige Erwärmung und eine anschließende Auffrischung mit Leinöl.
Audion-/Rückkopplungsspulen
Der Audionkreis besteht aus in Serie geschalteten Luftspulen für Lang- und Mittelwelle, die auf zwei Spulenkörper verteilt sind. In einer der Spulen ist konzentrisch mit kleinerem Durchmesser die Rückkopplungsspule untergebracht. Der Ausbau ist möglich durch Lösen zweier Schrauben auf der Unterseite, die einen Quersteg halten (Die Schrauben bleiben an Ort und Stelle). Auch hier mußten die Spulenkörper an den unteren Rändern nachgebessert werden (eingeklebte Hartpapierstückchen), damit sie wieder angeschraubt werden konnten.
[
attachment=125298]
Für den Wiederaufbau eines stärker beschädigten Spulensatzes sind Verschaltung und Induktivitäten der einzelnen Spulen im folgenden Bild festgehalten.
[
attachment=125335]
Röhrenfassungen
Bei vier von fünf Röhrenfassungen waren die Hohlnieten an den Bohrungen im Chassisblech versprödet und gebrochen. Das Herausbohren der Reste ist bei diesem Fassungstyp sehr mühsam, daher wurden neben 3 mm- auch 2,5 mm-Messing-Hohlnieten verwendet.
Kondensator-Sammelblöcke
Der Sammelblock enthält die großen Kondensatorpakete für die Glättung und Stützung von Anoden-, Schirmgitter- und anderen negativen Vorspannungen. Da der Block geplatzt war, müssen alle Wickel gegen neue Kondensatoren getauscht werden. Für die großen Kapazitäten über 1 uF wurden Elektrolytkondendatoren mit 550 V- Spannungsfestigkeit eingebaut, die übrigen mit 650 Volt. Die innere Beschaltung ist dem Verdrahtungsplan zu entnehmen.
Zum Ausbau des Blocks muß die Halterleiste für die sechs Widerstände erst abkontaktiert werden. Nach Ausbau bietet der Blechkasten einige Informationen: Hersteller ist "FK" (wer kennt die Firma?), das Produktionsjahr ist mit 03/31 (März 1931) an einer der Befestigungslaschen angegeben, am unteren Rand befinden sich die Nominalwerte von 5 der 7 enthaltenen Kondensatorpakete. Die Herstelltechnik der Papier-Rollkondensatoren war 1931 erst 3 Jahre alt, es lohnt sich ein Blick in den inneren Aufbau. Die enthaltenen Flachwickel erinnern stark an die Bauweise von Frako.
[
attachment=125294]
Ein kleiner Block, ebenfalls "F.K." gestempelt, enthält nur einen 0,1uF-Kondensator, Prüfspannung 1,5 kV, bei den anderen erwähnten Typen sind 2 enthalten. Der Kondensator hat Wachs ausgekocht und wurde durch ein neues hochwertiges Teil mit 1,5 kV Betriebsspannung ersetzt.
Einzelkondensatoren
Das Gerät enthält 5 in Haltern steckbare Rollkondensatoren in Kunststoffröhrchen mit aufgedruckten Nominalwerten und zwei weitere mit Lötenden (ohne Aufdruck, defekt). Alle Kondensatoren waren zu ersetzen. Eine Möglichkeit zur unsichtbaren Instandsetzung ist für die steckbaren Teile gegeben. Siehe folgenden
Beitrag unter
Tipps und Tricks.
Widerstände
Es handelt sich um eine steckbare Ausführung (Dralowid) mit Aufdruck auf der textilen Ummantelung. Es sind fast ausnahmslos Hochohmwiderstände, über die Zeit ist ihr Widerstandswert weiter angestiegen. Welche davon zu ersetzen sind, wird sich bei der Inbetriebnahme zeigen. Leider waren die Widerstände (und Kondensatoren) nachträglich in die Halter eingelötet worden. Das wurde zurückgenommen. Für eine zuverlässige Kontaktgabe sollte ein gründliches Reinigen der vernickelten Kontaktflächen ausreichen.
Sicherheitsmerkmale
Das Gerät enthält nur einen einpoligen Netzschalter, keine automatische Abschaltung der Netzspannung bei Öffnung der Rückwand (vgl. dagegen E11W), die vorgeschriebene Zugentlastung wird durch eine textile Schlaufe am zweipoligen Netzkabel sichergestellt. Es fehlt eine Tülle an der Duchgangsstelle des Netzkabels durch das Chassisblech. Diese Dinge wurden von der damals geltenden VDE-Norm von wechselspannungsbetriebenen Geräten gefordert. Eine Feinsicherung sichert gegen Überstrom ab. Sie ist in die Gewindehülse eingearbeitet, die zur Netzspannungsvorwahl in eine der 4 mit Spannungen gekennzeichneten Buchsen an der Chassisrückwand eingeschraubt wird. Bei lange schlecht gelagerten Geräten wie diesem müssen alle erwähnten Teile von Korrosionsschichten befreit werden, bis ein einwandfreier Netzkontakt sichergestellt ist. Da diese Hülse öfter zu fehlen scheint, hier eine Abbildung:
[
attachment=125452]
Vorsicht: diese Netzspannung führende Kontaktleiste ist mit geringem Abstand an das Metallchassis genietet, kontrollieren, dass beim Bauen keine Schrauben, Unterlegscheiben oder andere leitenden Teile zwischen der Iso-Leiste und dem Chassisblech hängen geblieben sind: Kurzschlußgefahr, es kann im ungünstigen Fall Netzspannung auf das Chassis gelangen!
[
attachment=125453]
Verdrahtungsplan
Für den Gerätetyp E31W ist kein Schaltplan verfügbar. Ein Netzplan der Komponenten und der gefundenen Verdrahtung wurde beim Aus- und Wiedereinbau der aufzuarbeitenden Komponenten erstellt. Für die Erstellung des Schaltplans war diese Vorarbeit unumgänglich. Die Verdrahtung des Geräts erschien unberührt, die Verdrahtung wurde mit ähnlichen Typen verglichen und erscheint in der vorliegenden Form plausibel. Korrekturvorschläge werden gerne entgegengenommen.
[
attachment=125455]
Schaltplan
Bei Owin war es üblich, auch bei geringfügigen Variationen eines Grundschaltplans einen neuen Gerätetyp zu bilden. Während der Produktion wurden auch undokumentierte Änderungen gemacht. Es zeigte sich, das der Typ E31W viele Gemeinsamkeiten mit den Typen E32w und E42W hat.
Eine große Hilfe war der Restaurierungsbericht zum L32W von Pierre im französischsprachigen cfp-forum:
Remise en route du poste OWIN L32W.
Mit seinen Vorarbeiten zu diesem Typ konnten u.a. die Nominalwerte der Komponenten mit den gefundenen Werten abgeglichen und ein Schaltplanentwurf zügig erstellt werden. Die eingetragenen Spannungen sind vorläufig als Orientierungswert eingetragen und stammen aus Pierre's Inbetriebnahme des L32W - sie müssen bei der Inbetriebnahme noch verifiziert werden.
[
attachment=125457]
Schaltung
Geradeausempfänger mit einer Schirmgitterröhre als Hochfrequenzverstärker für Lang- und Mittelwelle und der Universaltriode REN1001 (REN904) als Audion. Die Endröhre wird von einer weiteren Triode angesteuert. Zwischen den Stufen Widerstands-Kondensatorkopplung. Ein Lautstärkeregler im NF-Teil war noch unüblich, das besorgte die Antennenanpassung. Nachteil: Der Pegel des Phonoeingangs mußte extern eingestellt werden. Wollte man den Phonoeingang nutzen, mußte der Kurzschließer entfernt werden. Die E-Geräte enthalten keinen eingebauten Lautsprecher. Einen hochohmigen Kopfhörer anzuschließen ist zwar möglich, aber abzuraten wegen der durchfließenden Anodenspannung. Für die Endröhre gibt es nur einen vierpoligen Sockel, so daß fünfstiftige Nachfolgeröhren der RE134 nicht einzubauen sind.
Typisch für viele OWIN-Modelle ist die achtstufige Antennenanpassung für verschiedene Antennen. Bei diesem Modell erfolgt die Gleichrichtung einpolig, analog zur Schaltung des E11W mit einer Drossel und Stabilisierung im masseseitigen Zweig.
Bedienung
Die Bedienelemente der OWIN E-Gerätetypen um 1930/31 sind immer gleich angeordnet: Mittig ein Abstimmknopf mit Untersetzung zur Feineinstellung des Trommelantriebs. Die metrische Skala ist beleuchtet. Links neben der Trommel Justierhebel für den Vorkreis. Links angeordnet die Antennenanpassung, mit der auch die Empfangslautstärke geregelt werden konnte. Darunter eine Schaltwippe für den Netzschalter. Rechts das Einstellrad für die Rückkopplung und darunter ein dreistufiger Wählhebel: Mittelwelle - Phono - Langwelle.
Zustand nach Restaurierung
Die Restaurierungsphase ist damit fast abgeschlossen. Ein Nachbau des einfachen Gehäuses ist geplant.
Vor der Inbetriebnahme steht nun die Suche nach passenden Röhren bzw. Anfertigung von Ersatz-Röhren.
...wird fortgesetzt