Hallo Frank,
Da sind mir die Kollegen doch schon wieder zuvorgekommen, aber nachdem ich nun schon so lange an dem Beitrag geschrieben habe, stelle ich ihn doch ins Forum
Du hast hier einen sehr typischen Vertreter russischer Taschenradios der Mitte achtziger Jahre. Die Datierung ist einfach, da die russchen Elkos dieses Herstellungszeitraums Datumsstempel tragen.
Das Schifflogo könnte Leningradskii Zavod sein, da bin ich aber nicht sicher.
Etwas anderes scheint mir hier viel interessanter und durchaus erwähnenswert. (Ich glaube nicht, daß die Thematik in diesem Forum schon angesprochen wurde)
Es geht um die verwendeten Komponenten und das Schaltungsprinzip!
1. Der Abstimmdrehko ist ein Keramiktrimmer großer Kapazität, den man mit einem gerändelten Ring umgeben hat. Man muss keine Folienquetscher verwenden! Geht auch so!
2. Viel wichtiger: Das Schaltungsprinzip! Schaut mal, ob Ihr irgendwo Zwischenfrequenzfilter entdeckt - Fehlanzeige. Es handelt sich nämlich um einen Geradeaus-Empfänger mit Diodengleichrichtung. Und das war die Standardschaltung russischer Transistor-Taschenempfänger der achtziger Jahre.
Ich habe auch mal ein paar davon in Leningrad auf dem Radioflohmarkt erworben und traute meinen Augen nicht. Hier das Innenleben und die Frontansicht eines "Mischutka" (Das Bärchen)
Recht ähnliches Erscheinungsbild, oder?
Was lernen wir daraus? Dass man Radios auch ganz anders bauen kann, als man immer so denkt. In den siebziger Jahren begann man für FM-Empfänger ein neues Schaltungskonzept einzusetzen.
Anstatt des HF- Blockplans:
Vorselektion -> Mischer -> 10,7MHz-Filter -> ZF-Verstärker -> 10,7MHz-Filter -> ZF-Verstäker/Begrenzer -> Ratio-Detektor usw.
kann man auch so vorgehen:
Vorselektion -> Mischer -> scharfkantiges Filter mit guter Fernabselektion -> Verstärkerblock -> Demodulation
Anstatt Verstärkereinheiten und Selektionsmittel (Filter) auf mehrere Stufen zu verteilen, kann man sie auch zu einem Selktionsblock und einen anschließenden Verstärkerblock konzentrieren.
Bei VALVO/SIEMENS und anderen entwickelte man zur Umsetzung dieses Schaltungsprinzips das IC TBA120S, einen Begrenzer-Verstärker mit Quadraturdemodulator.
Damit sah das HF-Blockschaltbild des ganzen FM-Empfängers super einfach aus:
Vorselektion -> Mischer -> keramisches Filter (häufig auch mehrere kaskadiert) -> TBA120 -> ein 10,7MHz Schwingkeis.
Heutzutage wird ausschliesslich nach diesem letztgenannten Prinzip gearbeitet - es bietet sich halt für die IC-Technik an. Inzwischen natürlich mit anderen ICs als dem guten alten TBA120.
Warum hier diese lange Geschichte? Um zu zeigen, dass man ein Radio durchaus ganz anders bauen kann als man immer so denkt:
Zwar reden wir hier nicht von FM-Empfängern, sondern um ein einfaches MW/LW-Radio, aber man kann durchaus auch hier den Selektionsblock und den Verstärkerblock trennen:
Die russischen Taschenradios haben nur einen Vorkreis, und verstärken dann eine Weile. Vom Kollektor des letzten Transistors wird das verstärkte HF-Signal ausgekoppelt und mit einer Ge-Diode (im vorliegenden Fall in Spannungsverdopplung) gleichgerichtet.
Klar, das Signal/Rauschverhältnis ist aufgrund der breitbandigen Verstärkung ohne intermediäre Selektionsmittel nicht so doll. Aber es handelt sich ja auch nicht um einen R&S Messempfänger, sondern um ein Taschenradio, das damals zwischen 10 und 15 Rubel kostete, also wirklich fast nichts... und das hat eigentlich sehr ordentliche Emfangseigenschaften... und keine Pfeifstellen durch Spiegelfrequenzprobleme. Und in der Herstellung war es ungeschlagen BILLIG! Keine ZF-Filter!
Ja, das musste ich unbedingt mal los werden
.
Ich hätte zu gerne mal die Meinung von unserem Mitglied Hans zu diesem Thema gehört. Er hat da als ehemaliger Entwicklungsingenieur bestimmt viel beizusteuern!