14.03.2015, 00:55
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.03.2015, 00:58 von radioljub01.)
Hallo Radiokollegen,
neulich stand meine Nachbarin aufgeregt vor unserer Haustüre und zeigte mir Bilder, die sie gerade mit dem Handy geschossen hatte. In der AWO - Schatzgrube in Bruchsal (bei Karlsruhe) standen ein paar Radios.... u.a. ein 4W77. Da war ich aber schnell im Auto und kurze Zeit später wechselte das gute Stück für 40 € den Besitzer.
Hier die Datenübersicht:
Hersteller: BLAUPUNKT
Typ: Rundfunkempfänger
Modell: 4W77
Baujahr: 1937/38
Fabr. Nr: 25638
Zwischenfrequenz: 473 KHz (früher 468 KHz - da gab's Interferenzpfeifen wegen eines Langwellensenders, daher auf 473 KHz geändert -> siehe Forumsbeitrag Hans M. Knoll in RM.org)
Röhrenbestückung: ACH1, AF3, AB2, AM2, AL4, AZ1
Stromversorgung: Wechselstrom, 110; 125; 220; 240 V umschaltbar
Wellenbereiche: LW, MW, KW
Bedienelemente:
Front:
- links: Lautstärkeregelung
- rechts: Klangblende, Bandbreitenregelung in der Zf
Rechte Seitenwand:
Sendereinstellung, Wellenbereich
Gehäuse: Holz - Nussbaumfurnier / Schellack
Anschlussmöglichkeiten Rückseite: Antenne, Erde, Plattenspieler, externer Lautsprecher
Abmessungen: 52,8 x 39,0 x 29,0 cm
Gewicht: 17,6 kg
Neupreis: 287RM
Abgesehen davon, dass irgendetwas eine tiefe Beule in den Lautsprecher-Bespannstoff gedrückt hatte, und an vielen Stellen der Lack abbröckelte (kann man einfach so mit dem Daumennagel abkratzen) sah das Gerät ganz manierlich aus.
In diesen Bildern hatte ich den Lautsprecherstoff schon mit Schaum-Teppichreiniger behandelt. Beim trocknen hat er sich dann ganz schön gespannt. (Die helle Stelle ist kein Fleck sondern ein Sonnenstrahl - leider hatte ich heute beim photographieren keinen Diffuslichtschirm verwendet - das rächt sich, wie man bei den Photos weiter unten sieht durch böse Schlagschatten)
Vorher sah er so aus:
Leider waren bei dem Einbeulen einige der Schussfäden gerissen. Einige habe ich ein wenig nachgefädelt, andere habe ich gerade so gelassen. Könnte man natürlich schöner machen....
Von der Rückseite sah er dann so aus. Rückwand intakt, Chassis komplett. Röhren vorhanden, nur die AB2 verliert ihre Metallisierung.
Wie man sieht hatte jemand mit einer Schelle einen 2x8 µF Elko an die Seitenwand geschraubt.
Dann wurde der Netztrafo, der Ausgangstrafo und die Lautsprecherfeldspule durchgemessen -> alles in Ordnung!
Die 5nF Kondensatoren von den Anoden der AZ1 abgelötet und das Gerät vorsichtig in Betrieb genommen. Man glaubt es nicht ... es funktionierte auf Anhieb. Allerdings machte der Wellenbereichsschalter schlechten Kontakt und der Skalenantrieb schlupfte. Nach Ausbau des Chassis entpuppte sich das Gerät als total unverbastelt. Lediglich ein Draht war von dem Doppelelkoblock 10 µF / 12µF abgeknipst worden. Als Ersatz hatte man den Doppelelko an die Seitenwand geschraubt. Unglaublich - alles sieht aus wie aus der Fabrik. Hier ein paar Photos von der Chassisober- und Unterseite:
Die Gleichrichterröhre steht irgendwie schief in der Gegend... das muss aber so sein, weil der Halter der Röhrenfassung auf dem Netztrafo so schief ist!
Bisjetzt habe ich kaum an dem Gerät gearbeitet - aber was mich doch wurmte war der Schlupf im Skalenantrieb. Also habe ich den zerlegt und gereinigt und bin dabei auf ein irrwitzige Untersetzungsgetriebe gestossen. Der Skalenantrieb funktioniert nämlich so, dass die Antriebsachse zunächst einmal längs durch den Drehko geführt wird. Dort sitzt eine Untersetzung. Die untersetzte Achse führt dann zurück auf die Vorderseite des Drehkos und betätigt dort einen Friktionstrieb.
Im folgenden Bild sieht man das kleine Rädchen, das den Friktionstrieb betätigt gerade so in der Aussparung der Schwungmasse.
Viel raffinierter ist die Untersetzung auf der Rückseite des Drehkos:
Die Antriebsachse endet nämlich in einem winzigen Ritzel, ca. 4 mm im Durchmesser. Dieses Ritzel greift in ein Zink-Spritzguss-Zahnrad ... da schwant einem schon übles. Dieses Zahnrad sitzt fest auf der Achse die dann wieder auf die Vorderseite des Drehkos zurückführt und dort das Frinktionsrädchen trägt. Man stelle sich vor, dass diese rückführende Achse blockiert oder auch nur schwergängig ist. Dann würde man beim Drehen der Antriebsachse unbarmherzig die winzigen Zähnchen des Spritzgussrädchens abscheren. Was hat man gemacht, um das zu vermeiden? Das sieht man auf den folgenden Bildern:
Das in der hinteren Seitenwand liegende Lager der Zahnradachse hat so viel Spiel, dass das Ritzel normalerweise garnicht in das Zahnrad eingreifen würde. Um einen sanften Eingriff herzustellen wird die Zahnradachse durch einen Niederhalter auf das Ritzel gedrückt. Rastungen im Niederhalter gestatten, den Andruck durch Umhängen der Feder zu verändern. Nun versteht man auch, warum der Skalentrieb schlupfte: Das Fett auf den Skalenzeiger-Führungen war verharzt. Um zu verhindern, dass das Zahnrad beschädigt wird, lässt man es lieber über die Zähne des Ritzels hüpfen. Schlau, oder? Im 3. Bild sieht man übrigens die Nut in der untersetzten Achse, in die die Andruckrädchen des Niederhalters fassen. Hier noch einmal der ausgehängte Niederhalter:
Ja Leute, wie sagt der Dichter? " Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten" Das Gerät hat eben doch zwei Schwachstellen:
(1) Der fizzilig kleine Knebelknopf des Wellenschalters ist sicher nicht original! Schaut man sich die Bilder in RM.org an, so sollte der so aussehen wie der Knopf der Bandbreitenregelung (der kleinere Knopf des Doppelknopfes auf der Frontseite/rechts) - oder zumindest so ähnlich. Er sitzt auf einer Sechskantachse mit einer Schlüsselweite von 4,5 mm.
(2) Die AM2 ist so tot, töter geht garnicht.
Da werde ich wohl im Forum eine Suchanfrage für den Knopf und eine AM2 starten.
neulich stand meine Nachbarin aufgeregt vor unserer Haustüre und zeigte mir Bilder, die sie gerade mit dem Handy geschossen hatte. In der AWO - Schatzgrube in Bruchsal (bei Karlsruhe) standen ein paar Radios.... u.a. ein 4W77. Da war ich aber schnell im Auto und kurze Zeit später wechselte das gute Stück für 40 € den Besitzer.
Hier die Datenübersicht:
Hersteller: BLAUPUNKT
Typ: Rundfunkempfänger
Modell: 4W77
Baujahr: 1937/38
Fabr. Nr: 25638
Zwischenfrequenz: 473 KHz (früher 468 KHz - da gab's Interferenzpfeifen wegen eines Langwellensenders, daher auf 473 KHz geändert -> siehe Forumsbeitrag Hans M. Knoll in RM.org)
Röhrenbestückung: ACH1, AF3, AB2, AM2, AL4, AZ1
Stromversorgung: Wechselstrom, 110; 125; 220; 240 V umschaltbar
Wellenbereiche: LW, MW, KW
Bedienelemente:
Front:
- links: Lautstärkeregelung
- rechts: Klangblende, Bandbreitenregelung in der Zf
Rechte Seitenwand:
Sendereinstellung, Wellenbereich
Gehäuse: Holz - Nussbaumfurnier / Schellack
Anschlussmöglichkeiten Rückseite: Antenne, Erde, Plattenspieler, externer Lautsprecher
Abmessungen: 52,8 x 39,0 x 29,0 cm
Gewicht: 17,6 kg
Neupreis: 287RM
Abgesehen davon, dass irgendetwas eine tiefe Beule in den Lautsprecher-Bespannstoff gedrückt hatte, und an vielen Stellen der Lack abbröckelte (kann man einfach so mit dem Daumennagel abkratzen) sah das Gerät ganz manierlich aus.
In diesen Bildern hatte ich den Lautsprecherstoff schon mit Schaum-Teppichreiniger behandelt. Beim trocknen hat er sich dann ganz schön gespannt. (Die helle Stelle ist kein Fleck sondern ein Sonnenstrahl - leider hatte ich heute beim photographieren keinen Diffuslichtschirm verwendet - das rächt sich, wie man bei den Photos weiter unten sieht durch böse Schlagschatten)
Vorher sah er so aus:
Leider waren bei dem Einbeulen einige der Schussfäden gerissen. Einige habe ich ein wenig nachgefädelt, andere habe ich gerade so gelassen. Könnte man natürlich schöner machen....
Von der Rückseite sah er dann so aus. Rückwand intakt, Chassis komplett. Röhren vorhanden, nur die AB2 verliert ihre Metallisierung.
Wie man sieht hatte jemand mit einer Schelle einen 2x8 µF Elko an die Seitenwand geschraubt.
Dann wurde der Netztrafo, der Ausgangstrafo und die Lautsprecherfeldspule durchgemessen -> alles in Ordnung!
Die 5nF Kondensatoren von den Anoden der AZ1 abgelötet und das Gerät vorsichtig in Betrieb genommen. Man glaubt es nicht ... es funktionierte auf Anhieb. Allerdings machte der Wellenbereichsschalter schlechten Kontakt und der Skalenantrieb schlupfte. Nach Ausbau des Chassis entpuppte sich das Gerät als total unverbastelt. Lediglich ein Draht war von dem Doppelelkoblock 10 µF / 12µF abgeknipst worden. Als Ersatz hatte man den Doppelelko an die Seitenwand geschraubt. Unglaublich - alles sieht aus wie aus der Fabrik. Hier ein paar Photos von der Chassisober- und Unterseite:
Die Gleichrichterröhre steht irgendwie schief in der Gegend... das muss aber so sein, weil der Halter der Röhrenfassung auf dem Netztrafo so schief ist!
Bisjetzt habe ich kaum an dem Gerät gearbeitet - aber was mich doch wurmte war der Schlupf im Skalenantrieb. Also habe ich den zerlegt und gereinigt und bin dabei auf ein irrwitzige Untersetzungsgetriebe gestossen. Der Skalenantrieb funktioniert nämlich so, dass die Antriebsachse zunächst einmal längs durch den Drehko geführt wird. Dort sitzt eine Untersetzung. Die untersetzte Achse führt dann zurück auf die Vorderseite des Drehkos und betätigt dort einen Friktionstrieb.
Im folgenden Bild sieht man das kleine Rädchen, das den Friktionstrieb betätigt gerade so in der Aussparung der Schwungmasse.
Viel raffinierter ist die Untersetzung auf der Rückseite des Drehkos:
Die Antriebsachse endet nämlich in einem winzigen Ritzel, ca. 4 mm im Durchmesser. Dieses Ritzel greift in ein Zink-Spritzguss-Zahnrad ... da schwant einem schon übles. Dieses Zahnrad sitzt fest auf der Achse die dann wieder auf die Vorderseite des Drehkos zurückführt und dort das Frinktionsrädchen trägt. Man stelle sich vor, dass diese rückführende Achse blockiert oder auch nur schwergängig ist. Dann würde man beim Drehen der Antriebsachse unbarmherzig die winzigen Zähnchen des Spritzgussrädchens abscheren. Was hat man gemacht, um das zu vermeiden? Das sieht man auf den folgenden Bildern:
Das in der hinteren Seitenwand liegende Lager der Zahnradachse hat so viel Spiel, dass das Ritzel normalerweise garnicht in das Zahnrad eingreifen würde. Um einen sanften Eingriff herzustellen wird die Zahnradachse durch einen Niederhalter auf das Ritzel gedrückt. Rastungen im Niederhalter gestatten, den Andruck durch Umhängen der Feder zu verändern. Nun versteht man auch, warum der Skalentrieb schlupfte: Das Fett auf den Skalenzeiger-Führungen war verharzt. Um zu verhindern, dass das Zahnrad beschädigt wird, lässt man es lieber über die Zähne des Ritzels hüpfen. Schlau, oder? Im 3. Bild sieht man übrigens die Nut in der untersetzten Achse, in die die Andruckrädchen des Niederhalters fassen. Hier noch einmal der ausgehängte Niederhalter:
Ja Leute, wie sagt der Dichter? " Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten" Das Gerät hat eben doch zwei Schwachstellen:
(1) Der fizzilig kleine Knebelknopf des Wellenschalters ist sicher nicht original! Schaut man sich die Bilder in RM.org an, so sollte der so aussehen wie der Knopf der Bandbreitenregelung (der kleinere Knopf des Doppelknopfes auf der Frontseite/rechts) - oder zumindest so ähnlich. Er sitzt auf einer Sechskantachse mit einer Schlüsselweite von 4,5 mm.
(2) Die AM2 ist so tot, töter geht garnicht.
Da werde ich wohl im Forum eine Suchanfrage für den Knopf und eine AM2 starten.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
Harald