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BLAUPUNKT 4W77
#1
Hallo Radiokollegen,

neulich stand meine Nachbarin aufgeregt vor unserer Haustüre und zeigte mir Bilder, die sie gerade mit dem Handy geschossen hatte. In der AWO - Schatzgrube in Bruchsal (bei Karlsruhe) standen ein paar Radios.... u.a. ein 4W77. Da war ich aber schnell im Auto und kurze Zeit später wechselte das gute Stück für 40 € den Besitzer.

Hier die Datenübersicht:

Hersteller: BLAUPUNKT
Typ: Rundfunkempfänger
Modell: 4W77
Baujahr: 1937/38
Fabr. Nr: 25638
Zwischenfrequenz: 473 KHz (früher 468 KHz - da gab's Interferenzpfeifen wegen eines Langwellensenders, daher auf 473 KHz geändert -> siehe Forumsbeitrag Hans M. Knoll in RM.org)
Röhrenbestückung: ACH1, AF3, AB2, AM2, AL4, AZ1
Stromversorgung: Wechselstrom, 110; 125; 220; 240 V umschaltbar
Wellenbereiche: LW, MW, KW
Bedienelemente:
Front:
- links: Lautstärkeregelung
- rechts: Klangblende, Bandbreitenregelung in der Zf
Rechte Seitenwand:
Sendereinstellung, Wellenbereich
Gehäuse: Holz - Nussbaumfurnier / Schellack
Anschlussmöglichkeiten Rückseite: Antenne, Erde, Plattenspieler, externer Lautsprecher
Abmessungen: 52,8 x 39,0 x 29,0 cm
Gewicht: 17,6 kg
Neupreis: 287RM

Abgesehen davon, dass irgendetwas eine tiefe Beule in den Lautsprecher-Bespannstoff gedrückt hatte, und an vielen Stellen der Lack abbröckelte (kann man einfach so mit dem Daumennagel abkratzen) sah das Gerät ganz manierlich aus.

       

In diesen Bildern hatte ich den Lautsprecherstoff schon mit Schaum-Teppichreiniger behandelt. Beim trocknen hat er sich dann ganz schön gespannt. (Die helle Stelle ist kein Fleck sondern ein Sonnenstrahl - leider hatte ich heute beim photographieren keinen Diffuslichtschirm verwendet - das rächt sich, wie man bei den Photos weiter unten sieht durch böse Schlagschatten)

   

Vorher sah er so aus:

   

Leider waren bei dem Einbeulen einige der Schussfäden gerissen. Einige habe ich ein wenig nachgefädelt, andere habe ich gerade so gelassen. Könnte man natürlich schöner machen....

   

Von der Rückseite sah er dann so aus. Rückwand intakt, Chassis komplett. Röhren vorhanden, nur die AB2 verliert ihre Metallisierung.

       

Wie man sieht hatte jemand mit einer Schelle einen 2x8 µF Elko an die Seitenwand geschraubt.

Dann wurde der Netztrafo, der Ausgangstrafo und die Lautsprecherfeldspule durchgemessen -> alles in Ordnung!

Die 5nF Kondensatoren von den Anoden der AZ1 abgelötet und das Gerät vorsichtig in Betrieb genommen. Man glaubt es nicht ... es funktionierte auf Anhieb. Allerdings machte der Wellenbereichsschalter schlechten Kontakt und der Skalenantrieb schlupfte. Nach Ausbau des Chassis entpuppte sich das Gerät als total unverbastelt. Lediglich ein Draht war von dem Doppelelkoblock 10 µF / 12µF abgeknipst worden. Als Ersatz hatte man den Doppelelko an die Seitenwand geschraubt. Unglaublich - alles sieht aus wie aus der Fabrik. Hier ein paar Photos von der Chassisober- und Unterseite:

               

Die Gleichrichterröhre steht irgendwie schief in der Gegend... das muss aber so sein, weil der Halter der Röhrenfassung auf dem Netztrafo so schief ist!

               

Bisjetzt habe ich kaum an dem Gerät gearbeitet - aber was mich doch wurmte war der Schlupf im Skalenantrieb. Also habe ich den zerlegt und gereinigt und bin dabei auf ein irrwitzige Untersetzungsgetriebe gestossen. Der Skalenantrieb funktioniert nämlich so, dass die Antriebsachse zunächst einmal längs durch den Drehko geführt wird. Dort sitzt eine Untersetzung. Die untersetzte Achse führt dann zurück auf die Vorderseite des Drehkos und betätigt dort einen Friktionstrieb.

Im folgenden Bild sieht man das kleine Rädchen, das den Friktionstrieb betätigt gerade so in der Aussparung der Schwungmasse.

   

Viel raffinierter ist die Untersetzung auf der Rückseite des Drehkos:

Die Antriebsachse endet nämlich in einem winzigen Ritzel, ca. 4 mm im Durchmesser. Dieses Ritzel greift in ein Zink-Spritzguss-Zahnrad ... da schwant einem schon übles. Dieses Zahnrad sitzt fest auf der Achse die dann wieder auf die Vorderseite des Drehkos zurückführt und dort das Frinktionsrädchen trägt. Man stelle sich vor, dass diese rückführende Achse blockiert oder auch nur schwergängig ist. Dann würde man beim Drehen der Antriebsachse unbarmherzig die winzigen Zähnchen des Spritzgussrädchens abscheren. Was hat man gemacht, um das zu vermeiden? Das sieht man auf den folgenden Bildern:

           

Das in der hinteren Seitenwand liegende Lager der Zahnradachse hat so viel Spiel, dass das Ritzel normalerweise garnicht in das Zahnrad eingreifen würde. Um einen sanften Eingriff herzustellen wird die Zahnradachse durch einen Niederhalter auf das Ritzel gedrückt. Rastungen im Niederhalter gestatten, den Andruck durch Umhängen der Feder zu verändern. Nun versteht man auch, warum der Skalentrieb schlupfte: Das Fett auf den Skalenzeiger-Führungen war verharzt. Um zu verhindern, dass das Zahnrad beschädigt wird, lässt man es lieber über die Zähne des Ritzels hüpfen. Schlau, oder? Im 3. Bild sieht man übrigens die Nut in der untersetzten Achse, in die die Andruckrädchen des Niederhalters fassen. Hier noch einmal der ausgehängte Niederhalter:

   

Ja Leute, wie sagt der Dichter? " Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten" Das Gerät hat eben doch zwei Schwachstellen:

(1) Der fizzilig kleine Knebelknopf des Wellenschalters ist sicher nicht original! Schaut man sich die Bilder in RM.org an, so sollte der so aussehen wie der Knopf der Bandbreitenregelung (der kleinere Knopf des Doppelknopfes auf der Frontseite/rechts) - oder zumindest so ähnlich. Er sitzt auf einer Sechskantachse mit einer Schlüsselweite von 4,5 mm.

       

(2) Die AM2 ist so tot, töter geht garnicht.

Da werde ich wohl im Forum eine Suchanfrage für den Knopf und eine AM2 starten.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#2
Hallo Harald Smile

Ein interessantes Radio hast Du da. Den Schaltplan hast Du vermutlich?
Ansonsten hab ich auch den Schaltplan für das 4W77.

Bin auf die Fortsetzung Deines Berichts gespannt Smiley20

Beste Grüße, von Peter
~~~~~ DE - MV  /  Connected ~~~~~
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#3
Hallo Freunde,

da habe ich doch glatt vergessen, den Schaltplan hinzuzufügen. Hier ist er.
Danke Peter!

   
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#4
Hallo Harald
Glückwunsch zu dem schönen BlaupunktThumbs_up. Wie schon gesagt, helfe ich Dir gern mit Original Unterlagen von Blaupunkt, die ich besitze. Die Unterlagen sind gut erhalten und lassen sich als Foto hier gut einfügen. Wenn Du etwas benötigst, Stückliste, Abgleichanweisung mit Foto, sowie Vergleiche mit dem Radio was ich besitze, so sage Bescheid. Ich helfe da gern weiter. Den Knopf für den Wellendrehschalter sehe ich mir an meinem Radio mal an.
Nun bin sehr gespannt auf den weiteren Bericht zu diesem Radio und freue mich schon darauf.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#5
Sehr gute Gerätevorstellung Harald! Die Mechanik muss man erstmal verstehen können, gut, dass Du sie genau beschreibst. Und auch der Zusammenhang zu den Problemen die bei der Anwendung auftreten können und die die Entwickler bereits vorausschauend gelöst haben, gefällt mir sehr gut.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#6
(14.03.2015, 12:42)Radionar schrieb: Hallo Harald
...Wie schon gesagt, helfe ich Dir gern mit Original Unterlagen von Blaupunkt, die ich besitze. Die Unterlagen sind gut erhalten und lassen sich als Foto hier gut einfügen. Wenn Du etwas benötigst, Stückliste, Abgleichanweisung mit Foto ...so sage Bescheid.

Hallo Detlef,
das wäre natürlich toll, wenn Du die Originalunterlagen hier einstellen könntest... wenn die nicht zu voluminös sind! Bisjetzt habe ich nur das gezeigte Schaltbild. Oder dachtest Du eher daran, mir die Originalunterlagen zu schicken, damit ich sie scanne oder für mich kopiere. Wenn das so gemeint war, bitte ich um eine PN.

Jetzt habe ich gerade neue Kondensatoren für's Netzteil bestellt. Bei Geräten mit hohen Spannungen nehme ich im Netzteil immer Polypropylenfolienkondensatoren von MUNDORF.... da gibt es bei

http://www.jacmusic.com/

bei den Mcap die Werte 10µF und 15 µF mit 630 V Betriebsspannung. Die sind zwar recht teuer, aber damit hat man garantiert nie wieder Kummer. Sie passen auch gerade so in den Kondensatorblock des 4W77. Müssten heute oder morgen ankommen. Diese Investition in Netzteilkondensatoren mag dem einen oder anderen etwas spinnert erscheinen, aber ich hasse es, Netztrafos oder Lautsprecher-Erregerspulen neu zu wickeln. Dann schon lieber ein paar Euro mehr in die Kondensatoren investieren.

Im Moment bin ich gerade am knobeln, ob es nicht eine elegante Methode gibt, moderne Folienkondensatoren so zu umhüllen, dass sie aussehen wie die schwarzen Teerbonbons, die man in den BLAUPUNKT Radios der dreißiger Jahre findet. Diese hier:


.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Kondensatoren.jpg (Größe: 281,88 KB / Downloads: 747)

Bei den Papperollenkondensatoren kann man ja die modernen Folienkondensatoren einfach innen hineinstecken und die Röhrchen nachher mit Teer vergießen. Aber bei den Teerdingern geht das ja nicht so einfach. Wenn man da auf der Drehbank ein Loch hindurchbohrt, zerbröseln die ja total. Vielleicht könnte man sie ja mit einer dünnen Epoxy-Haut umgiessen, um ihre Form zu stabilisieren und hinterher ein Loch hindurchbohren.

Andererseits schwebt mir auch eine Gussform vor, in die man die modernen Kondensatoren steckt und mit schwarz gefärbtem Epoxy umgiesst. Hmmm ... vielleicht doch etwas übertrieben?
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#7
(20.03.2015, 14:55)radioljub01 schrieb: Andererseits schwebt mir auch eine Gussform vor, in die man die modernen Kondensatoren steckt und mit schwarz gefärbtem Epoxy umgiesst. Hmmm ... vielleicht doch etwas übertrieben?

Übertrieben? Vielleicht.
Aber leicht umsetzbar und dann im Endeffekt weniger Arbeit als Pappröllchen zu "tanken"?
Mir schwebt da etwas vor, das aussieht wie die alten Formen fürs Zinnsoldaten gießen. Könnte man in 2-3 Größen herstellen und dann die "Massenproduktion" anlaufen lassen.

Auf die Jacmusic Seite hab ich mal geguckt - und GAAANZ schnell wieder weg geguckt. Ich brauch keine Teile aus purem Gold Wink
Gruß,
Uli
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#8
In irgendeiner Funkgeschichte war ein Restaurationsbericht von einem ähnlichen Blaupunkt drinnen. Da hat das der Restaurator ähnlich gemacht mit dem Umgießen.
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
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#9
Hallo Harald und alle Interessierten
Die Unterlagen sende ich Dir gern per E-mail, schicke mir die Adresse, wohin das gehen soll. Zu den Bosch Kondensatoren! Diese mit verlaub ekeligen Dinger , die meist aufgeplatzt sind, machen mir auch Kummer. In nahezu jeden Vorkriegs Blaupunkt findet man die und jedesmal überlege ich, wie kann man so ein Radio restaurieren, das man diese Zeitzeugen der Nachwelt erhält. Da wird vermutlich nur die Gußform weiterhelfen. Anderseits, ist so ein Radio im laufe der Zeit in einer Werkstatt zur Rep. gewesen, so findet man Pappröllchen unterschiedlichster Hersteller. Das wäre ja dann auch noch Zeitgenössischer Umbau und akzeptabel, so lange dort keinen modernen Eros zu sehen sind. Bei einem 4W67 habe ich die meisten Kondensatoren durch Ware von Jan Wüsten ersetzt, das ist dann noch erträglich fürs Auge, da diese schwarz sind und sich durch Größe und Form gut den alten Originalen anpassen. Oder so wie Edi es macht bei seinen Radios, mit eigenen Label als Aufkleber.

Es würde mich wirklich interessieren wie man bei diesen Kondensatoren zu Werke geht. Oft genug habe ich diese Frage schon gestellt, wenn ich Berichte über ein Vorkrieg Blaupunkt geschrieben habe. Das gleiche betrifft auch die Kondensatoren aus den 50er jahre Geräten. Es sind die Kondensatoren in der Aluhülle, die auch Erhaltenswert sind.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#10
(20.03.2015, 17:13)MIRAG schrieb: In irgendeiner Funkgeschichte war ein Restaurationsbericht von einem ähnlichen Blaupunkt drinnen. Da hat das der Restaurator ähnlich gemacht mit dem Umgießen.

Ich meine der Bericht war aufgeteilt in der 216 und 217.

Gruß... Hotte
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#11
@ Hotte, Mark:
Stimmt genau, in den Heften 216 und 217 der Funkgeschichte (Clubzeitschrift der GFGF) hat Dr. Rüdiger Walz seine Restaurierungsarbeiten an einem BLAUPUNKT 4W95 beschrieben. Und da selbst (Im Heft 216) hat er auch beschrieben, wie er die modernen Folienkondensatoren vergiesst, sodaß sie nachher von den Originalkondensatoren nicht zu unterscheiden sind GENIAL! Hatte ich zwar gelesen, aber schon wieder vergessen ... das Alter schlägt zu. Vielen Dank für den Hinweis, Hotte und Mark!

@ Uli:
Ja, wenn man die Jacmusic Homepage liest, erkennt man, wie leicht Perfektion ins Esotherische abgleitet.... und mit Esotherik wird richtig viel Geld verdient. Stört mich nicht! Die Kondensatoren sind jedenfalls toll. Die vergoldeten Lautsprecherstecker kann er behalten Wink

@ Detlef:
Falls Du nicht Mitglied des GFGF bist, kannst Du Dir vom Verlag der FUNKGESCHICHTE einzelne Exemplare schicken lassen. Ich kann die betreffenden Seiten auch Scannen und Dir per Email zuschicken.

Welche 50er Jahre Kondensatoren mit Aluhülle meinst Du? Die mit der Abschirmung oder die, die hier in der Bildmitte zu sehen sind (ein bisschen winzig)?

   

Die waren in einem BLAUPUNKT Sultan, den ich gerade in Kundenauftrag repariere.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#12
(20.03.2015, 21:28)radioljub01 schrieb: @ Detlef:
Falls Du nicht Mitglied des GFGF bist, kannst Du Dir vom Verlag der FUNKGESCHICHTE einzelne Exemplare schicken lassen. Ich kann die betreffenden Seiten auch Scannen und Dir per Email zuschicken.

Dr. Rüdiger Walz hat seinen GFGF-Beitrag ebenfalls im Rmorg veröffentlicht.

http://www.radiomuseum.org/r/blaupunkt_4w95_4_w_95.html

Gruß... Hotte
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#13
Hallo zusammen
Vielen Dank für die Hinweise zu dem Beitrag des 4W95 mit seinen Kondensatoren von Bosch. Die Silikonformen erinnern mich daran, als ich in füheren Zeiten Rücklichtgläser für Oldtimer nachgefertigt habe. Da war die Vorgehensweise ähnlich.
Dann wird das wohl die einzige Möglichkeit sein, wenn man das Original erhalten will.

@Harald ja, die in der Bildmitte sind die Kondensatoren mit dem Alu Gehäuse, welches zusärtzlich noch mit klarer Kunstoffumhüllung versehen ist.
Radiogrüße Detlef

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#14
(20.03.2015, 21:32)Hotte schrieb: Dr. Rüdiger Walz hat seinen GFGF-Beitrag ebenfalls im Rmorg veröffentlicht.
http://www.radiomuseum.org/r/blaupunkt_4w95_4_w_95.html

Danke für den Hinweis Hotte! Den RM.org Beitrag kannte ich noch nicht. Ein wahrer Genuß zu lesen, was der Perfektionist Walz da schreibt!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#15
Hallo Kollegen,

nach langer Pause schreibe ich mal wieder etwas zu meinem 4W77. Kürzlich stellte mir der Klaus ("Schlarbaum") die Frage, wie die Innereien des Bandbreitenreglers aussehen. Das habe ich zum Anlass genommen, mir diese Komponente mal etwas genauer anzuschauen. Hier noch einmal das Schaltbild, damit man nicht dauernd hoch- und runterscrollen muss:

   

Bei dem Bandbreitenregler handelt es sich um einen speziell aufgebauten Drehkondensator, der eine variable Spannungskopplung zwischen den Hochpunkten der Bandfilterkreise vor der ZF-Verstärkerstufe erlaubt, ohne dabei die Kreise zu verstimmen.

So sieht der mechanische Aufbau des Bandbreitenreglers aus: Eine sehr robuste Keramik-Grundplatte wird gehalten in einem ebenso robusten metallischen Rahmen. Der besseren Übersichtlichkeit wegen, wurde zunächste der Rotor ausgehangen.
Die Vorderansicht zeigt, dass der Drehko nur 2 Statorplatten hat, die in der keramischen Grundplatte so ungefähr in der Mitte des Metallrahmens verankert sind.


.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler ohne Rotor front.jpg (Größe: 207,97 KB / Downloads: 629)

Auf der Rückseite sieht man die Drähte die von den beiden Statorplatten in das ZF-Filtergehäuse führen

   

Bisher also nichts Aufregendes. Das kommt nun: Der Rotor sieht nämlich so aus:

   
.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler Rotor 2.jpg (Größe: 121,74 KB / Downloads: 649)
.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler Rotor 3.jpg (Größe: 115,59 KB / Downloads: 617)
.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler Rotor 4.jpg (Größe: 96,17 KB / Downloads: 618)

Der Rotor besteht aus 2 voneinander isolierten Halbkreisplatten von 33 mm Durchmesser unterschiedlicher Stärke: Eine dünnere mit 1 mm Stärke, eine dickere mit 1,5mm Stärke. Die dünnere ist mit der Rotorachse leitend verbunden, die dickere ist isoliert aufgehangen.

Und nun noch ein paar Bilder des Bandbreitendrehkos im zusammengebauten Zustand, also mit eingehängtem Rotor:

       
.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler komplett 3.jpg (Größe: 103,15 KB / Downloads: 616)

Eine mit einem Stückchen gelben Isolierschlauches überzogene Mitnehmernase an der Bedienachse greift in die am Rotor sitzende Kralle ein, sodaß man den Rotor um 180° drehen kann. In einer Extremstellung liegt also der dünne, geerdete Kreissektor des Rotors zwischen den Statorplatten, im anderen der dicke isolierte Kreissektor. Wie der Helmut Pitsch in seinem "Lehrbuch der Funkempfangstechnik" sehr schön schreibt, gestattet dies eine stetige kapazitive Bandbreitenregelung:
   

Bis hier ist eigentlich alles noch ganz einfach. Aber man stellt sich doch die Frage, warum eigentlich das Schirmgitter der AF3 seine positive Spannung nicht direkt erhält, sondern über eine Koppelwicklung des Bandfilters. Dahinter verbirgt sich folgende Überlegung: Man möchte ja mit der Bandbreitenregelung einen möglichst hohen Regelhub erreichen.... also von einer möglichst schmalen Resonanzkurve/Durchlasskurve auf eine breite Resonanzkurve übergehen. Nun kann man natürlich die beiden Kreise des Bandfilters von einander entfernen und damit ihre Kopplung zurücknehmen und damit wiederum von der üblichen "gehöckerten" Bandfilterkurve auf die Resonanzkurve von Einzelkreisen zurückgehen. Die losere Kopplung geht aber mit einem Verlust an Signalamplitude einher - man muss also wieder mehr verstärken. Auch sind der erzielbaren Verschärfung der Resonanzkurve natürlich durch die begrenzte Güte der Einzelkreise Grenzen gesetzt. Was liegt da näher, als die Resonanzkurve des Bandfilter-Gitterkreises dadurch zu verschärfen, dass man sie durch eine positive Rückkopplung entdämpft. Genau das erreicht man durch die in die Schirmgitter-Zuleitung eingeschleifte Koppelspule.

So funktioniert also die Bandbreitenregelung im 4W77.

Die gesamte Mechanik sieht so aus:


.jpg   BLAUPUNKT 4W77 Bandbreitenregler Gesamtansicht.jpg (Größe: 164,52 KB / Downloads: 740)

Die innere Achse einer Doppelachse bedient die Bandbreitenregelung, die äußere Achse betätigt über einen Seilzug die Tonblende (im Schaltbild mit K bezeichnet.)
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#16
Die Zahl der "Radiosachen" die ich nicht kenne, scheint gegen unendlich zu gehen....
Danke für die Lehrstunde Harald Smile
Gruß,
Uli
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#17
Ein super Bericht für ein wunderschönes Radio!
Es sieht wirklich sehr majestätisch aus! Und zum sehr angemessenen Preis bekommen.
Allerdings bekomme ich den Eindruck, es ist mehr Mechanik als Elektronik drin Smile. Wie gut ist der Empfang und Klang würde mich auch interessieren? Komischer weise habe ich noch kein Blaupunkt gehabt.
Gruß,
Ivan
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#18
Wirklich sehr gut erklärt. Übrigens ist diese Konstruktion auch im Blaupunkt 6GW78 zu finden. Dieses Radio habe ich zur Zeit auf dem Werktisch.
Radiogrüße Detlef

Sie können schlafen gehen, es gibt nichts mehr zu sehen
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#19
(08.01.2016, 20:46)navi schrieb: Es sieht wirklich sehr majestätisch aus! Und zum sehr angemessenen Preis bekommen.
Allerdings bekomme ich den Eindruck, es ist mehr Mechanik als Elektronik drin Smile. Wie gut ist der Empfang und Klang würde mich auch interessieren? Komischer weise habe ich noch kein Blaupunkt gehabt.

Ja da hast Du Recht Ivan: Majestätisch ist das Wort! Das Aussehen dieser BLAUPUNKT Geräte der späten dreißiger Jahre ist schon sehr besonders - später BAUHAUS - Stil, bei dem sich die vertikalen Zierstreifen in der Webung des Lautsprecherstoffs und der Skala wiederholen.

Die Empfindlichkeit ist recht ordentlich - na ja, bei einem so einfachen Super darf man keine Wunder erwarten. Der Klang ist schön satt, wie bei dem großen Lautsprecher und dem großen Holzgehäuse zu erwarten.

Stimmt: viel Mechanik, wenig Elektronik - aber eben Mechanik vom Feinsten!
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#20
Ja, richtig! Viel Gluck damit! Ich liebe solche Radios!
Gruß,
Ivan
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