Themabewertung:
  • 2 Bewertung(en) - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Siemens D-Zug, ein Stil-Nachbau-Werdegang
#1
Hallo zusammen,

wer hätte dieses Gerät nicht gerne im eigenem Regal stehen?
Gemeint ist der Siemens D-Zug aus dem Jahre 1924, ein Rundfunkempfänger in fortschrittlicher Modulbauweise.
Die Regale wird wohl leer bleiben, denn leider ist dieser Empfänger extrem selten anzutreffen und wird daher sehr hochpreisig gehandelt.

Ich hatte auch so eine leere Stelle im Regal und deshalb kam ich vor etwa 8 Jahren auf die Idee, mir etwas "Ähnliches" selber zu bauen.

Zur Erinnerung, so sieht der echte D-Zug aus:

   

Der Empfänger besteht aus drei anreihbaren Baugruppen:
Links, der abstimmbare HF-Verstärker Rfv2,
in der Mitte, der Audion-Empfänger mit Rückkopplung Rfe1
und rechts, der 2-stufige NF-Verstärker Rfv1

Im gleichen Jahre, also 1924, veröffentlichte Siemens eine Applikation,
die den Empfänger ausführlich beschreibt.
Diese möchte ich euch nicht vorenthalten:

   
   
   
   
   
   

Wie gesagt, ich wollte etwas "Ähnliches", aber keine Replika bauen, denn dafür fehlt / fehlte mir das Equipment.

So begann ich mit dem Gehäuse:

Die originalen Gehäuse sind jeweils 20 x 20 x 11cm groß.
Um Holzarbeiten hatte ich aber immer einen großen Bogen gemacht,
daher schaute ich mich mal nach etwas Brauchbarem im Internet um und wurde fündig.

Bei einem Künstlerbedarf wurden sogenannte Malkörper angeboten,
darunter war einer mit den Maßen 20 x 20 x 9 cm.
Das sind Holzkörper, dessen gezinkte Seitenteile aus unbehandeltem, glatt geschliffenem Buchenholz gearbeitet sind.
Der Boden besteht aus Sperrholz.
Davon orderte ich drei Teile.

   

Durch vorsichtige Schläge mit einem Hammerstiel, konnte ich die Sperrholzböden ablösen,
denn diese sollten später die verschraubbaren Rückwände werden.

Jetzt fehlten noch die Frontplatten, diese sägte ich mir aus 4mm dicken, schwarzgefärbten Hartpapierplatten zurecht.

Hier die bereits schwarz gebeizten Rückwände mit den Frontplatten:
   

Jetzt fehlten noch die Röhrenfassungen:

Diese fertigte ich mir aus 3mm Schraubbuchsen (die gab es mal beim großen C)
und passenden Hartpapierplatten.
Da die Fassungen und somit die Röhren vertieft im Gehäuse sitzen sollten (wie beim Original),
schraubte ich die Fassungen auf Buchen-Vierkantleisten,
in die ich vorher 35mm Löcher gebohrt hatte.
Auch in die Gehäuse versah ich mit 35mm Löchern und verschraubte das Ganze.
Danach wurde alles schwarz gebeizt und passende Gummifüße angeschraubt.

   
   

Somit waren die Gehäuse fertig,  
jetzt konnte mit der eigentlichen Verdrahtung begonnen werden.

Fortsetzung folgt….

Viele Grüße,
Rolf
Zitieren
#2
Das wird wieder ein spannender Thread

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
Zitieren
#3
Ja, Rolf,
das ist ein Projekt, das nicht jeder machen kann!!!
Gruß,
Ivan
Zitieren
#4
(06.10.2021, 09:58)Wilhelm schrieb: Das wird wieder ein spannender Thread

Gruß
Wilhelm

ja das wird es! Der Anfang ist schon mal spitze!
Gruß,
Jupp
-----------------------------

was du baust ist immer mit dir verbunden
(Lego)

Einsamkeit ist nur ein Mangel an Technologie
(@beetlebum)
Zitieren
#5
Hallo Rolf,
Ich bin gespannt, welche Röhren Du verwendest. Europa Sockel und direkte Heizung sind durch die bisherige Arbeit wohl vorgegeben.
Gruß
Alex

M(Ende) gut - alles gut! Smile
Zitieren
#6
Hallo zusammen,

…die Beschaltung der drei Baugruppen sollte weitestgehend dem Originalschaltplan entsprechen.
Nur die Rückkopplung sollte über einen zusätzlichen Drehko erfolgen,
weil es im Original eine Art Zwangs-Rückkopplung gibt.

Originalschaltung mit RFv2, RFe1 und RFv1:
   

Zuvor musste ich aber noch die Röhrenfrage klären, denn vier R.E.84 besaß ich nun mal nicht.
Hier eine ähnliche R.E.11
   

Da vor etwa 8 Jahren bei P….n, die russische 2SH27L regelrecht verramscht wurde
und ich deshalb reichlich davon in der Ecke liegen hatte, fiel die Wahl auf diese Röhre.

Sie hat so einige Vorteile, z.B.:
Befreit man sie von ihrem Metallmantel, passt sie perfekt in einen B4-Sockel
und hat damit fast die gleiche Größe, wie die originale R.E.84.
Sie benötigt nur eine geringe Heizleistung von 2,2V / 57mA, schont also die Heizbatterie.
Man kann sie als Triode schalten und eine Anodenspannung von 90V tun ihr auch nicht weh.
Ich finde, es ist eine schöne Röhre.

Hier der Röhrenbausatz:
   

mit dem Sockel verklebt und eine "Spitze" aufgesetzt (sieht dann etwas authentischer aus):
   

und das 4 mal:
   

Mittlerweile habe ich den Röhrensatz geändert, aber dazu später mehr.

Zunächst verdrahtete ich die beiden Baugruppen Rfv2 und Rfe1.
Als Schaltdraht verwendete ich 1,5mm Silberdraht.

…der Schaltplanauszug mit zusätzlichem Rückkopplungs-Drehko:
   

Dazu hatte ich mir die drei Spulen (2 x Schwingkreis ca. 188µH, einmal Rückkopplung ca. 50µH) selbst angefertigt,
aber keine Zylinder- sondern Flach-Spulen.
   

Der Aufbau ging ohne große Probleme vonstatten.

Die HF-Verstärker funktionierte erstaunlich gut,
der Regelbereich lag zwischen 485KHz und 1580KHz.
Die Verstärkung bei 1MHz war etwa 11-fach.

Anders aber der Empfängerbaustein Rfe1:

Am Eingang Erde und Antenne angeschlossen, am Ausgang einen Kopfhörer (4KOhm),
es brummte fürchterlich im Hörer.
Ist auch kein Wunder, wenn man sich den Schaltplan des Rfe1 genauer anschaut.
   

Ohne angekoppelten HF-Verstärker, hängt der Gitterkreis quasi in der Luft.
Meine Anodenbatterie, bzw. mein Heiz-Akku waren natürlich nicht geerdet,
daher das Brummen.

Zufriedener wurde ich auch nicht, als ich die beiden Geräte koppelte.
Im Prinzip hatte ich jetzt ja einen 2-Kreiser.
Das Brummen war zwar fast verschwunden,
aber die Trennschärfe war für einen 2-Kreiser richtig schlecht, viel schlechter als erwartet.
Ferner war die Rückkopplung schlecht einzustellen und stellenweise, in Abhängigkeit vom Antennensignal, schwang die Apparatur.
Das war also nichts.

Also noch mal auf Anfang, ich musste doch vom Original-Schaltplan abweichen und eigene Wege gehen.

Um die Trennschärfe zu erhöhen, musste ein anderer Spulensatz her,
einer mit separater Antennenspule.
Und die Reihenschwingkreise gefielen mir auch nicht, es sollten wieder Parallelschwingkreise werden.
Da sich in meinem Fundus noch einige VE-Käfigspulen befanden, beschloss ich diese einzusetzen.

Weil nur der Mittelwellenbereich empfangen werden sollte, konnte von der VE-Spule der LW-Teil entfernt werden,
dadurch wurde die Spule kürzer und war leichter im Gehäuse unterzubringen.

   

der 2. Spulenturm
   

Die Schaltungen der Baugruppen hatte ich dementsprechend geändert:

Der geänderte HF-Verstärker Rfv2:
   

Der geänderte Empfänger Rfe1:
   

Nach diesen Änderungen funktionierten die beiden Baugruppen ohne Probleme,
sei es als Einzel-Gerät oder im Verbund.
Waren die beiden Geräte hintereinandergeschaltet arbeiteten sie so, wie ich es von einem
2-Kreis-Empfänger erwartete, mit sehr guter Trennschärfe.

Das Innenleben des HF-Verstärkers Rfv2:
   

und ein Blick auf die Frontseite, natürlich fehlen hier noch die Schildchen:
   

Das Innenleben des Empfängers Rfe1:
   

Auch hier ein Blick auf die fast fertige Frontseite:
   

Fortsetzung folgt….

Viele Grüße,
Rolf
Zitieren
#7
Hallo Rolf, von den russischen Röhren habe ich auch welche auf Lager, und habe mir auch eine für mein Luxor Radio rumgebastelt. Es war allerdings zu erwarten, dass die Röhren für die Originanschaltung 《overdressed》sind .
Gruß
Alex

M(Ende) gut - alles gut! Smile
Zitieren
#8
Eine wunderschöne Arbeit! Lese sehr gespannt mit. Wie hast du die RTF Banderolen angefertigt?
Viele Grüße, Mark

Radioten aller Länder, vereinigt euch!
Zitieren
#9
Tolles Projekt! Bin mehr als gespannt!
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
Zitieren
#10
Einfach genial. Ich bin ebenso gespannt.
Weiterhin gutes Gelingen.
Immer guten Empfang und viele Grüße - Uwe
Zitieren
#11
Hallo,

ich möchte auch noch meine Meinung abgeben Smiley53 : Tolles Projekt! Und es reicht doch auch so, wenn man auch nicht 1:1 alles außerlich identisch machen muss. Z.B. die Buchsen.
Originalröhrentypen wie RE84 kann man sowieso vergessen, wenn man nicht wie manche Sammler schon vor 70 Jahren einen Fundus 20er Jahre gesammelt hat.
Interessanteste Erkenntnisse für mich: "Malkörper" aus Holz. Smiley14 Nie vorher gehört!

Es ist spannend, bin dabei....


Gruss
Debo
Zitieren
#12
JEDER ist dabei!
Bin sicher, das ist für niemanden im Forum langweilig.
Gruß,
Uli
Zitieren
#13
Moin,

da ist wohl wirklich jeder dabei, wie Uli schrieb. Allein die Idee, und dann die Umsetzung, das ist ganz großes Kino!

Beste Grüße

Peter
Zitieren
#14
Hallo Mark,

das mit der Banderole ist ganz einfach:

ich habe sie von meiner R.E.11 abgescannt (zum Glück ließ sie sich gut von der Röhre lösen),
hier ist sie:


.png   RTV-Banderole.png (Größe: 427,95 KB / Downloads: 523)

dann auf normalem Druckerpapier ausgedruckt,
mit einem "Colour Protection Spray" eingesprüht
und dann mit einer billigen Kinderschere ausgeschnitten...

   

Viele Grüße,
Rolf
Zitieren
#15
Hallo zusammen,

es fehlte noch die Verdrahtung des 2-stufigen NF-Verstärkers Rfv1.

Auch dessen Schaltung ist im Original recht übersichtlich:

.jpg   030_Rfv1_org.JPG (Größe: 107,02 KB / Downloads: 489)

Seine Hauptbestanteile sind 2 NF-Trafos, 2 Röhren und ein verstellbarer Heizwiderstand, mit dem man die Lautstärke regulieren konnte.

Da neuere Röhren eher für eine Widerstandskopplung als für eine Trafokopplung geeignet sind
und eine Absenkung der Heizspannung überhaupt nicht mögen, musste die Schaltung etwas
angepasst werden.

Anmerkung:
Natürlich habe ich in jede “Kiste“ ein Heizpoti verbaut und auch angeschlossen.
Diese sollten aber nur der Optik dienen und immer voll aufgedreht sein.
Da es sich um originale 20er-Jahre-Regler handelt, kann man mit ihnen natürlich den Heizkreis unterbrechen und so die Stufe ausschalten.

Ein zusätzliches Poti, zur Lautstärkeregulierung, wollte ich aber auf jeden Fall einbauen,
auch 2 NF-Trafos sollten zu sehen sein (Optik)

Dann gab es noch das Problem, dass die beiden vorgeschalteten Baugruppen Rfv2 / Rfe1) nur eine Anodenspannung von etwa 50V benötigten um einwandfrei zu arbeiten
und keine 90, oder gar 112V.
Da sie über den NF-Baustein mit Spannung versorgt werden, musste ich dort noch einen Vorwiderstand implantieren.

So entstand folgende Schaltung für den NF-Verstärker Rfv1:
   

Im Eingang liegt ein NF-Trafo (1:3), dessen Primärwicklung der Arbeitswiderstand des vorgeschalteten Audions ist.
An der Sekundärseite ist das Lautstärke-Poti  (auch ein Original aus den 20er Jahren) angeschlossen.

Hier das Rfv1-Gehäuse mit den 2 eingebauten Reglern:
   

Dann folgt nach der ersten Röhre, wieder ein Trafo, aber nur zum Schein.
Ein defekter Übertrager wurde kurzerhand entkernt und bekam anstatt neuer Kupferwindungen
lediglich 2 Widerstände und einen Kondensator spendiert.

   

Dem Kopfhörer- / Lautsprecheranschluss hatte ich noch den obligatorischen Kondensator verpasst
und wie schon gesagt, einen Widerstand samt Kondensator in die Anodenspannungsleitung eingebaut.

Hier der fertige NF-Verstärker von innen:
   

und die Vorderansicht:
   

Der NF-Verstärker funktionierte auf Anhieb, auch in Kombination mit dem Rfv2 und Rfe1.
Die Lautstärke lässt sich wunderbar regeln, es brummt nichts, die beiden vorgeschalteten
Module bekommen ihre abgesenkte  Anodenspannung und man kann sogar einen hochohmigen Lautsprecher anschließen.
Natürlich darf man von einer 2SH27L als Endröhre nicht zu viel erwarten, aber es funktioniert.

Fortsetzung folgt,

viele Grüße,
Rolf
Zitieren
#16
Sehr schön!!!!
Gruß,
Ivan
Zitieren
#17
Hallo Rolf,

tolle Sache ! Eine Frage habe ich betreffend den Trafo / Übertrager rechts unten auf diesem Foto:
Was ist das für ein Teil (erinnert mich zumindest optisch stark an ein Bauteil aus einem alten Telefon)?


[Bild: attachment.php?thumbnail=92756]
_____________

Gruß
klaus


Was ich geschrieben habe, darf widerlegt werden.
Was ich nicht geschrieben habe, braucht nicht widerlegt zu werden.


Zitieren
#18
Hallo Klaus,

Du triffst den Nagel auf den Kopf,
das Teil ist aus einem alten Telefon.
Ich benutze es hier als HF-Drossel, was gut funktioniert....

Viele Grüße,
Rolf
Zitieren
#19
Hallo Rolf,

wäre es nicht sinnvoller diese eigenartige Drossel einfach wegzulassen? Sie bedämpft ohnehin nur den Eingangskreis, ihr Verlustwiderstand liegt dazu parallel. Wenn du nun die ehemalige Antennenspule direkt in den Anodenkreis einfügst, sollte sich dies positiv auf die Empfangseigenschaften auswirken. Vielleicht solltest du das einmal testen. Die Drossel kannst du ja körperich weiter im Gehäuse belassen, damit es nicht so leer aussieht. Die Drossel hat sicherlich noch weitere ungüstige Eigenschaften z.B. Wicklungskapazitäten, Resonanzen usw. Besonders zur Vermeidung von Wicklungskapazitäten hast du eine 'kreuzgewickelte' Antennenspule verwendet und setzt diese Vorteile mit der Drossel ausser Kraft...
So stelle ich mir das dann vor:

.jpg   Rfe1-mod-net.jpg (Größe: 37,28 KB / Downloads: 390)
Sonst muss auch ich sagen, dass es sich bei deinem Projekt um eine beeindruckende Arbeit handelt, welche ersichtlich mit viel Sorgfalt ausgeführt wurde (und noch wird). Auf jeden Fall ist es sehr interessant deine Vorgehensweise in allen Einzelheiten zu verfolgen.
Freundliche Grüße, Peter R.
Zitieren
#20
Im Radiomuseum.org kann man auf dem Innenfoto des Rfe1 parallel zum Antenneneingang sehr gut eine Luftspule erkennen.
Die Funktion dieser Drossel könnte evtl. in der Ableitung von statischen Aufladungen der damals verwendeten Hochantenne liegen.
In Zusammenschaltung mit der Hochfrequenz-Vorstufe Rfv2 bildet die Drossel den Arbeitswiderstand der Vorstufenröhre.
Auf alle Fälle ist dort keine Eisenkerndrossel vorgesehen.


.jpg   Drossel.jpg (Größe: 14,85 KB / Downloads: 344)
Gruß Gerald
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Nachbau des Kosmos Radiomann Jubiläumsausgabe Axel 61 22 2.140 21.04.2024, 12:19
Letzter Beitrag: Axel 61
  Telefunken E266, ein freier Nachbau Bastelbube 36 12.294 29.12.2019, 22:20
Letzter Beitrag: Siemens78
  Trichterlautsprecher im Stil des "Neufeld & Kuhnke LK2" Bastelbube 20 7.507 11.08.2019, 23:18
Letzter Beitrag: Henrik_V
  Nachbau eines Signalverfolgers Heath IT12 Franz 11 8.458 11.03.2017, 18:26
Letzter Beitrag: Franz
  Midget- Receiver Type 31/1- Nachbau scotty † 151 82.879 15.12.2016, 19:30
Letzter Beitrag: scotty †

Gehe zu: